OGH 14Os157/03

OGH14Os157/0316.12.2003

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Dezember 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Hon. Prof. Dr. Ratz, Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Schroll als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Allmayer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Heinz Robert M***** wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes sowie über die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 26. März 2003, GZ 29 Hv 31/03i-52, in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Seidl, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Zacherl zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 26. März 2003, GZ 29 Hv 31/03i-52, verletzt in Punkt III. des Schuldspruchs § 57 Abs 2 und Abs 3 letzter Fall StGB. Dieses Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird im bezeichneten Teil des Schuldspruchs und demgemäß auch im Strafausspruch einschließlich der Vorhaftanrechnung aufgehoben. Gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO wird im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Heinz Robert M***** wird von der Anklage, er habe in Kufstein seine im Familienrecht begründete Unterhaltspflicht gegenüber dem minderjährigen Benjamin P*****, geboren am 3. Juli 1990, und der minderjährigen Jasmin P*****, geboren am 5. März 1988, gröblich verletzt, indem er vom 1. September 1992 bis 21. Jänner 1993, 1. Oktober 1994 bis 15. Jänner 1997, 1. März 1998 bis 12. Jänner 2000 und 1. Juli 2000 bis 12. Februar 2001 keinerlei oder nur unzureichende Unterhaltszahlungen leistete und dadurch bewirkte, dass der Unterhalt oder die Erziehung der Unterhaltsberechtigten gefährdet wurde oder ohne Hilfe von anderer Seite gefährdet worden wäre, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Für die ihm nach den unberührten Teilen des Schuldspruchs weiterhin zur Last liegenden Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB (I.) und der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (II.) wird Heinz Robert M***** unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 84 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt.

Gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB wird die Vorhaft vom 13. Jänner 2003, 11.30 Uhr, bis 1. April 2003, 11.30 Uhr, und vom 18. April 2003, 20.30 Uhr, bis 16. Dezember 2003, 9.50 Uhr, auf die verhängte Strafe angerechnet.

Mit ihren gegen den Strafausspruch gerichteten Berufungen werden die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte auf die Strafneubemessung verwiesen.

Der Berufung des Angeklagten wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche wird nicht Folge gegeben. Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 26. März 2003, GZ 29 Hv 31/03i-52, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Teilfreispruch und einen Verfolgungsvorbehalt enthält, wurde Heinz Robert M***** (teilweise abweichend von der Anklage) der Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB (I.), der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (II.) und der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB (III.) schuldig erkannt.

Demnach hat er in Kufstein

I. am 12. November 2002 Anton Pi***** dadurch am Körper verletzt, dass er ihn zu Boden warf und mehrmals mit den Füßen gegen das Gesicht des am Boden liegenden Pi***** trat, wodurch dieser eine Jochbein- und Jochbogenfraktur links, Frakturen des linken Augenhöhlenbodens und der Augenhöhlenwand außen, einen Bruch des linken Unterkieferastes sowie Schwellungen und Hämatome im Gesichtsbereich, sohin eine an sich schwere Verletzung, die eine länger als 24 Tage dauernde Gesundheitsschädigung (und Berufsunfähigkeit - s US 7, 12 iVm S 245/I und 33/II) zur Folge hatten;

II. (am selben Tag) Tanja Ts***** durch die Äußerung, dass sie "als Nächste dran sei, wenn sie etwas gesehen hätte", sohin durch gefährliche Drohung zu einer Unterlassung, nämlich der Abstandnahme von der Anzeigeerstattung wegen des zu Faktum I. geschilderten Sachverhalts, genötigt;

III. seine im Familienrecht begründete Unterhaltspflicht gegenüber dem minderjährigen Benjamin P*****, geboren am 3. Juli 1990, und der minderjährigen Jasmin P*****, geboren am 5. März 1988, gröblich verletzt, indem er vom 1. September 1992 bis 21. Jänner 1993, 1. Oktober 1994 bis 15. Jänner 1997, 1. März 1998 bis 12. Jänner 2000 und 1. Juli 2000 bis 12. Februar 2001 keinerlei oder nur unzureichende Unterhaltszahlungen leistete und dadurch bewirkte, dass der Unterhalt oder die Erziehung der Unterhaltsberechtigten gefährdet wurde oder ohne Hilfe von anderer Seite gefährdet worden wäre. Die gegen dieses Urteil vom Angeklagten erhobene Nichtigkeitsbeschwerde wies der Oberste Gerichtshof mit Beschluss vom 5. August 2003, GZ 14 Os 93/03-6, in nichtöffentlicher Beratung zurück. Über die Berufungen der Staatsanwaltschaft wegen Strafe und des Angeklagten wegen Strafe und des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche wurde noch nicht entschieden.

Rechtliche Beurteilung

Zutreffend weist die Wahrungsbeschwerde darauf hin, dass die dem Schuldspruch III. zugrundeliegenden Verletzungen der Unterhaltspflicht zufolge des unbekämpft gebliebenen Teilfreispruchs mit Ablauf des 12. Februar 2002 verjährt waren. Feststellungen über verjährungshemmende Tatsachen sind dem Urteil jedoch nicht zu entnehmen, weshalb es mit - von den Prozessparteien ungerügt gebliebener - Urteilsnichtigkeit gemäß § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO behaftet ist. Da die Verjährungsbestimmungen nach § 58 StGB materielle Strafaufhebungsgründe und keine prozessualen Verfolgungshindernisse sind, darf der Oberste Gerichtshof solche verjährungshemmenden Feststellungen aus den Akten nicht selbständig ergänzen. Diese sind aber auch nach der Aktenlage in einem erneuerten Rechtsgang nicht zu erwarten, weshalb von der Rückverweisung an die Tatsacheninstanz aus prozessökonomischen Gründen abzusehen, in der Sache selbst zu entscheiden und ein Freispruch zu fällen war. Bei der hiedurch erforderlich gewordenen Neubemessung der Strafe fallen das Zusammentreffen von zwei Vergehen, der rasche Rückfall, achtzehn auf der gleichen schädlichen Neigung beruhende, an sich qualifiziert (§ 39 StGB) rückfallsbegründende Vorstrafen, die dreifache Qualifikation der Tat als schwere Körperverletzung und die besondere Brutalität der Begehungsweise als erschwerend ins Gewicht. Als mildernd war demgegenüber kein Umstand zu werten. Von einem reumütigen oder zur Wahrheitsfindung beitragenden Geständnis des Angeklagten kann - im Gegensatz zum Vorbringen des Verteidigers im Gerichtstag - keine Rede sein. Die bedingte Erklärung, sollte er die Tat begangen haben, tue es ihm leid, kommt ihm ebensowenig als mildernd zustatten wie die Enthemmung durch Alkohol, weil ihm zufolge seines Vorlebens bekannt war, dass er in derartigem Zustand zu Straftaten neigt.

Insbesondere mit Blick auf den unmotivierten Gewaltausbruch gegen eine unbekannte Person, das schwer spezifisch einschlägig getrübte Vorleben und die noch in der Hauptverhandlung geäußerte Einstellung des Angeklagten (Bezeichnung als "Kasperltheater"; S 37/II) erachtet der Oberste Gerichtshof unter Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze der Strafbemessung (§ 32 StGB) eine dreijährige Freiheitsstrafe dem Unrechtsgehalt der Taten und der Schuld des Täters für angemessen.

Der Zuspruch des im Verhältnis zum massiven Verletzungsbild äußerst maßvoll begehrten, der Höhe nach gar nicht bestrittenen (Teil-)Schmerzengeldbetrages von nur 1.000 EUR an den Privatbeteiligten war logische Folge des bezüglichen Schuldspruchs (§ 369 Abs 1 StPO). Die lediglich den Schuldspruch in Frage stellenden Berufungseinwände gegen den Zuspruch an den Geschädigten gehen daher ins Leere.

Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.

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