OGH 14Os129/03

OGH14Os129/0327.1.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Jänner 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Ratz, Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Schroll als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Loewe als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Franz K***** und andere Angeklagte wegen des Vergehens der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen der Angeklagten Franz K***** und Dr. Franz S***** sowie über die von der Staatsanwaltschaft zum Nachteil der beiden genannten Angeklagten erhobene Berufung gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 22. Mai 2003, GZ 013 S Hv 2019/00z-216, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Seidl, der Angeklagten K***** und Dr. S***** sowie ihrer Verteidiger Dr. Bernhauser, Dr. Margula und Mag. Kralik (für Ingrid W*****) zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Franz K***** wird verworfen.

Seiner und der ihn treffenden Berufung der Staatsanwaltschaft wird nicht Folge gegeben.

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Dr. Franz S***** sowie aus deren Anlass und aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Franz K***** (§ 290 Abs 1 StPO) wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch I., soweit er Ingrid W***** betrifft, und im Schuldspruch II. sowie demgemäß auch in den die Angeklagten Dr. Franz S***** und Ingrid W***** treffenden Strafaussprüchen aufgehoben und insoweit gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst zu Recht erkannt:

Dr. Franz S***** und Ingrid W***** werden von der Anklage, es haben in Wien

I. Ingrid W***** am 6. April 1995 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Franz K***** als Mittäter ein falsches Beweismittel, nämlich eine Quittungsurkunde (bezeichnet als Erklärung) über den Erhalt von 27 Mio S als Provision durch Ingrid W***** anlässlich eines Grundstückkaufs, mit dem Vorsatz hergestellt, dass es in einem finanzbehördlichen Verfahren als Beweismittel gebraucht werde, und II. Dr. Franz S***** im Frühjahr 1995 zur unter I. beschriebenen Herstellung eines falschen Beweismittels dadurch beigetragen, dass er Ingrid W***** Ratschläge erteilte und sie im Tatentschluss bestärkte, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Der Angeklagte Dr. Franz S***** wird mit seiner und die Staatsanwaltschaft mit ihrer diesen Angeklagten treffenden Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten Franz K***** fallen auch die Kosten des Verfahrens über seine Rechtsmittel zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Franz K***** und Ingrid W***** (je zu I.) und Dr. Franz S***** (zu II.) des Vergehens der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 Abs 1 StGB, Dr. Franz S***** als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB, schuldig erkannt. Danach haben in Wien

I. Franz K***** und Ingrid W***** am 6. April 1995 im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter ein falsches Beweismittel, nämlich eine Quittungsurkunde (bezeichnet als Erklärung) über den Erhalt von 27 Mio S als Provision durch Ingrid W***** anlässlich eines Grundstückkaufs, mit dem Vorsatz hergestellt, dass es in einem finanzbehördlichen Verfahren als Beweismittel gebraucht werde;

II. Dr. Franz S***** im Frühjahr 1995 zu der unter I. beschriebenen Herstellung eines falschen Beweismittels dadurch beigetragen, dass er Ingrid W***** Ratschläge erteilte und sie im Tatentschluss bestärkte. Franz K***** und Dr. Franz S***** bekämpfen den Schuldspruch mit (getrennt ausgeführten) Nichtigkeitsbeschwerden, wobei von Franz K***** die Nichtigkeitsgründe der Z 5 und 9 lit b, von Dr. Franz S***** jene der Z 4, 5, 8, 9 lit a, 9 lit b und 9 lit c des § 281 Abs 1 StPO geltend gemacht werden.

Rechtliche Beurteilung

Der Mängelrüge (Z 5) des Angeklagten K***** zuwider ist den Urteilsfeststellungen unmissverständlich zu entnehmen, dass Dr. S***** der Steuerberatungsfirma C***** eine Fotokopie der von Ingrid W***** unterfertigten Erklärung vom 6. April 1996 übermittelte, sodass der behauptete innere Widerspruch bzw eine Undeutlichkeit nicht vorliegt.

Im Übrigen betrifft die Frage, ob eine Kopie oder das Original des zitierten Schreibens übersendet wurde, keine entscheidende Tatsache, weil ein Gebrauch des falschen Beweismittels gegenüber der Finanzbehörde in keinem Fall ausgeschlossen war.

Mit ihren auf Z 9 lit b gestützten Rechtsrügen machen beide Beschwerdeführer zutreffend Feststellungsmängel betreffend verjährungshemmende Umstände geltend, die der Oberste Gerichtshof nicht selbstständig aus den Akten nachtragen darf. Denn die Verjährungsbestimmungen (§ 58 StGB) sind materielle Strafaufhebungsgründe und keine prozessualen Verfolgungshindernisse (eingehend: 13 Os 91/02; jüngst 14 Os 154/03). Verjährungshemmende Tatsachen können aber angesichts der Aktenlage auch in einem nachfolgenden Rechtsgang nicht getroffen werden. Daher war aus prozessökonomischen Gründen von der Verweisung an die Tatsacheninstanz absehen, sogleich in der Sache selbst zu erkennen und der Angeklagte Dr. S***** vom Anklagevorwurf gemäß § 259 Z 3 StPO freizusprechen (zum Ganzen Ratz, WK-StPO § 281 Rz 619 bis 621 und § 288 Rz 24), ohne auf ein weiteres Beschwerdevorbringen einzugehen. Diese materielle Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO) belastet aber auch den Schuldspruch der Angeklagten Ingrid W*****, die keine Nichtigkeitsbeschwerde ergriffen hat. Zufolge § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO war auch sie gemäß § 259 Z 3 StPO - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme des Generalprokurators - freizusprechen. Anders ist die Rechtslage jedoch bei Franz K*****, der mit Urteil des Landesgerichtes Krems an der Donau als Schöffengericht vom 29. Oktober 1997, GZ 14 Vr 350/97-330, wegen des in der Zeit zwischen 29. Jänner und 9. Februar 1996 (sohin nach der Urteilstat) begangenen Verbrechens der versuchten schweren Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 StGB schuldig erkannt wurde. Diese Straftat und die ihm nunmehr zur Last liegende Beweismittelfälschung sind auf den gleichartigen verwerflichen Beweggrund, nämlich unrechtmäßige finanzielle Vorteile in großem Ausmaß zu erlangen, zurückzuführen und beruhen daher auf der gleichen schädlichen Neigung gemäß § 71 StGB (Jerabek in WK2 § 71 Rz 5).

Gemäß § 58 Abs 2 StPO bewirkt die Begehung einer einschlägigen Straftat innerhalb der Verjährungsfrist Ablaufhemmung; Verjährung der Urteilstat tritt demnach nicht ein, solange nicht auch für die spätere Tat die Verjährungsfrist abgelaufen ist (Foregger aaO § 58 Rz 6; Leukauf/Steininger StGB3 § 58 Rz 13 f). Mit rechtskräftigem Schuldspruch zur Nachtat endet die Frist der Verjährung der Strafbarkeit der ihr zugrunde liegenden strafbaren Handlung nach § 57 StGB. Zugleich beginnt die Frist der Vollstreckungsverjährung gemäß § 59 StGB zu laufen. § 58 Abs 2 StGB normiert demgegenüber in Bezug auf die Vortat lediglich eine Verlängerung der Frist nach § 57 StGB, falls die Frist für die Verjährung der Strafbarkeit für die Nachtat abstrakt, also losgelöst von deren konkreten Ende mit Rechtskraft der Verurteilung, über die der Vortat hinausgeht. Da diese vorliegend zehn Jahre beträgt, ist hinsichtlich Franz K***** Verjährung nicht eingetreten.

Seine Nichtigkeitsbeschwerde war daher - ebenfalls in Übereinstimmung mit der Stellungnahme des Generalprokurators - zur Gänze zu verwerfen.

Das Schöffengericht nahm beim Angeklagten Franz K***** gemäß §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Landesgerichtes Krems an der Donau als Schöffengericht vom 29. Oktober 1997, AZ 14 Vr 350/97, Hv 8/97 (11 Os 67/98), Bedacht und sah von einer Zusatzstrafe ab, wobei es als mildernd den bisher ordentlichen Lebenswandel des Angeklagten wertete; als erschwerend berücksichtigt es demgegenüber das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen und den Umstand, dass das falsche Beweismittel zur Herbeiführung eines hohen Schadens geeignet war.

Mit diesem Urteil des Landesgerichtes Krems an der Donau war Franz K***** wegen des Verbrechens der versuchten schweren Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 StGB (begangen durch versuchte Nötigung der Valentina H***** zur Ausfolgung eines Bargeldbetrages von 6 Mio Schilling unter Inaussichtstellung einer Hilfeleistung durch einen Staatsanwalt bei der Vorbereitung ihrer Vernehmung durch den Untersuchungsrichter in dem gegen sie im Stadium der Voruntersuchung anhängigen Strafverfahren wegen §§ 12, 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB und § 223 Abs 2 StGB sowie eines auf Grund ihrer manipulierten Verantwortung ermöglichten Verzichts des Staatsanwaltes auf ihre weitere Verfolgung) und des Vergehens der Verletzung des Amtsgeheimnisses nach §§ 12 zweiter Fall, 310 Abs 1 StGB (begangen durch Bestimmung des Staatsanwaltes Dr. Wolfgang M***** zur Offenbarung eines Amtsgeheimnisses) zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden. Dabei waren das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen, der überaus intensive Täterwille, mehrere Drohungen und das mehrfache Übersteigen der Qualifikationsgrenze des § 147 Abs 3 StGB als erschwerend, als mildernd hingegen der Umstand, dass es hinsichtlich der Erpressung beim Versuch geblieben ist, sowie der bisherige ordentliche Lebenswandel gewertet worden.

Die von der Staatsanwaltschaft gegen das Absehen von der Verhängung einer Zusatzstrafe (§ 40 zweiter Satz StGB) bei Franz K***** erhobene und eine angemessene Zusatzstrafe anstrebende Berufung der Staatsanwaltschaft erweist sich ebensowenig als berechtigt wie die (unausgeführt gebliebene) schon wegen - mangels Strafausspruchs - fehlender Beschwer erfolglose Berufung (ON 219) dieses Angeklagten. Die vom öffentlichen Ankläger ergänzend für die Strafbemessung reklamierten Umstände erreichen durchwegs nicht die Qualität eines besonderen Erschwerungsgrundes iSd § 33 StGB. Entgegen der Ansicht der Berufungswerberin sieht sich der Oberste Gerichtshof bei entsprechender Gewichtung der vom Schöffengericht im Wesentlichen zutreffend herangezogenen Strafzumessungsgründe und mit Blick auf die allgemeinen Schuldkriterien des § 32 StGB zur Verhängung einer Sanktion zusätzlich zu der seinerzeit über den Angeklagten ausgemessenen dreijährigen Freiheitsstrafe nicht veranlasst. Der Angeklagte Dr. S***** war mit seiner Berufung ebenso wie die Staatsanwaltschaft mit ihrer diesen Angeklagten treffenden Berufung auf die vorliegende Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung hinsichtlich des Angeklagten K***** ist in § 390a Abs 1 StPO begründet.

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