OGH 14Os154/03

OGH14Os154/0316.12.2003

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Dezember 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Hon. Prof. Dr. Ratz, Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Schroll als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Allmayer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Peter E***** wegen des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 8. August 2003, GZ 22 Hv 31/03f-52, nach Anhörung des Generalprokurators in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Peter E***** wurde der Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (I/1), der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (I/3), der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 3 StGB (VI/1/a), der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB (IV/1 und 3/b), nach § 201 Abs 2 und 3 erster Satz (dritter Fall) StGB (IV/3/a und e) und nach § 201 Abs 2 und 3 erster Satz (zweiter und dritter Fall) StGB (IV/3/c), der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 und 2 erster Satz (zweiter und dritter Fall) StGB (VI/1/b) sowie der Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (I/2), der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (II/2/a und b), der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs 1 Z 7 StGB (III), der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs 1 StGB (IV/2 [§§ 15, 202 Abs 1 StGB], IV/3/d [§ 201 Abs 2 und 3 erster Satz {dritter Fall} StGB]), der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 StGB (V) und der versuchten geschlechtlichen Nötigung nach §§ 15, 202 Abs 1 StGB (VI/2) schuldig erkannt.

Danach hat er

"I. Ingrid E***** in F***** bei Graz mit Gewalt und durch gefährliche Drohung mit dem Tod zu den nachangeführten Unterlassungen teils genötigt, teils zu nötigen versucht, und zwar 1. im April 2000 durch die Ankündigung, sie umzubringen, wobei er ihr zur Bekräftigung seiner Drohung ein Messer an den Hals hielt, zur Abstandnahme von weiteren Unterhaltungen mit anderen Männern im Internet (Chatten),

2. am 18. Jänner 2003, indem er ihr den Telefonhörer aus der Hand schlug, zur Abstandnahme von der Vornahme eines Telefonates und

3. am 19. Jänner 2003 durch die Ankündigung, sie umzubringen, zur Abstandnahme von der Erstattung einer Anzeige gegen ihn, wobei es beim Versuch blieb;

II. 2. Ingrid E***** vorsätzlich am Körper verletzt, und zwar

a) im Juni 2000 in Wien, indem er sie zu Boden stieß, sie an den Haaren riss und ihr zahlreiche heftige Schläge mit den Händen gegen den Körper versetzte (Hämatome) und

b) am 5. Februar 2001 in F***** bei Graz, indem er sie an den Haaren riss, zu Boden stieß und ihr zahlreiche heftige Fußtritte und Schläge mit einem Ledergürtel versetzte (Hämatome im Bereich des linken Schienbeines, Striemen im Bereich des Rückens und des Gesäßes);

III. fremde Sachen vorsätzlich zerstört, wobei er einen insgesamt 2.000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführte, und zwar

1. im April 2000 in F***** bei Graz, indem er ein T-Shirt der Ingrid E***** zerriss (Schaden in unbekannter Höhe) und

2. am 28. April 2000 in Wien, indem er einen Schrank, einen Tisch, ein Bett und einen CD-Player der Nora G***** zertrümmerte und ein Aquarium auf die Couch der Genannten warf (Schaden von insgesamt 36.950 ATS [2.685 Euro]);

IV. Ingrid E***** außer dem Fall des § 201 Abs 1 StGB mit Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben, teils zur Duldung des Beischlafes und einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung, teils zur Vornahme einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung teils genötigt, teils zu nötigen versucht, wobei er sie teilweise in besonderer Weise erniedrigte und zwar

1. im Juni 2000 in Wien, indem er ihr heftige Schläge gegen den Körper versetzte, ihr die Kleidung vom Körper riss, sie auf das Bett warf, dort niederhielt und trotz Gegenwehr gegen ihren Willen mit ihr den Geschlechtsverkehr vollzog,

2. am 31. Dezember 2000 in B*****, indem er sie an den Händen erfasste, gegen eine Wand stieß, an den Haaren riss, auf das Bett warf und sich auf sie legte, wobei es jedoch beim Versuch blieb, nachdem er sich vorher, wenn auch nur fahrlässig, durch den Genuss von Alkohol in einen die Zurechnungsunfähigkeit ausschließenden Rauschzustand versetzt hatte und im Rausch die angeführte Handlung beging, welche ihm außer diesem Zustand als Verbrechen der versuchten Vergewaltigung nach den §§ 15, 201 Abs 2 StGB zugerechnet würde,

3. in F***** bei Graz

a) am 5. Februar 2001, indem er sie auf das Bett stieß, ihr drohte, sie umzubringen und gegen ihren Willen mit ihr den Geschlechtsverkehr sowie einen Analverkehr vollzog, wobei er ihr währenddessen mehrmals ins Gesicht, in den Mund und auf den Genitalbereich spuckte,

b) im Jahr 2002 in zahlreichen Angriffen, indem er sie an den Haaren riss, ihr den Mund zuhielt, sie gewaltsam niederhielt und trotz Gegenwehr gegen ihren Willen an ihr einen Analverkehr vollzog, wobei er teilweise versuchte, seine Faust in ihre Vagina einzuführen,

c) am 14. Dezember 2002, indem er sie durch Zubodenstoßen, Verdrehen ihres Fußes und Versetzen mehrerer Schläge gegen den Kopf zur Durchführung eines Oralverkehrs an ihm zwang, währenddessen versuchte, seine Faust in ihre Vagina einzuführen und ihr zwei leere Bierflaschen in ihre Vagina und ihren After steckte, wobei er sie durch die Tat längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzte,

d) in der Nacht zum 20. Dezember 2002, indem er sie an den Haaren riss, in das Kinn und in ihren Unterarm biss, ihren Mund zuhielt, das Polster gegen ihr Gesicht drückte und gegen ihren Willen gewaltsam mit ihr den Geschlechtsverkehr und einen Analverkehr vollzog und ihr seinen Penis in den Mund steckte, wobei er währenddessen versuchte, seine Faust in ihre Vagina einzuführen und sie in besonderer Weise erniedrigte, nachdem er sich vorher, wenn auch nur fahrlässig, durch den Genuss von Alkohol in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand versetzt hatte und im Rausch die angeführte Handlung beging, welche ihm außer diesem Zustand als Verbrechen der Vergewaltigung nach dem § 201 Abs 2 und 3 dritter Fall StGB zugerechnet würde,

e) zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt zwischen Juni 2000 und Dezember 2002, indem er sie am Köper erfasste, in die Duschkabine zerrte, zu Boden drückte, sie unter Androhung von Schlägen aufforderte, ihn zu bitten, seine Notdurft auf sie zu verrichten, sie an den Haaren aus der Duschkabine zerrte und gegen ihren Willen an ihr einen Analverkehr vollzog;

V. am 5. Februar 2001 in F***** bei Graz Ingrid E***** mit dem Tod gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er sich auf sie setzte, ihr den Lauf einer Gaspistole in den Mund steckte, die Pistole entsicherte und der Genannten ankündigte, sie umzubringen;

VI. 1. a) Ingrid E***** am 14. Dezember 2002 in F***** bei Graz mit Gewalt, indem er sie an den Haaren riss, mit der Hand gewaltsam ihren Mund öffnete, sich über sie stellte und dabei onanierte, zu einer Duldung, nämlich der Ejakulation in ihren Mund und auf ihr Gesicht genötigt, wodurch besonders wichtige Interessen der Ingrid E*****, nämlich ihre sexuelle Selbstbestimmung, verletzt wurden,

VI. 1. b) Ingrid E***** am 18. Jänner 2003 in F***** bei Graz außer den Fällen des § 201 StGB mit Gewalt und durch gefährliche Drohung zur Duldung einer geschlechtlichen Handlung genötigt, indem er sie auf das Bett stieß, ihr die Kleidung vom Leib riss, ihr ankündigte, sie umzubringen, ihren Mund zuhielt, heftig an ihren Brustwarzen zog und biss, sich auf ihren Bauch setzte, ihre Arme mit einer Hand über ihrem Kopf fixierte und dabei onanierte, wobei er schließlich auf ihren Oberkörper und ihr Gesicht ejakulierte, wobei er sie durch die Tat längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzte und in besonderer Weise erniedrigte,

VI. 2. Nora W***** am 28. April 2000 in Wien außer den Fällen des § 201 StGB mit Gewalt zur Duldung einer geschlechtlichen Handlung zu nötigen versucht, indem er ihr mehrere heftige Schläge mit seinen Händen gegen den Körper versetzte und seine Hand gegen ihren Willen in ihre Scheide einzuführen versuchte."

Rechtliche Beurteilung

Der aus Z 3, 4, 5, 5a, "9" und 10 des § 281 Abs 1 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu. Die aus Z 3 vorgetragene Kritik, wonach das Protokoll über die kontradiktorische Abhörung der Ingrid E***** und amtliche Protokolle über davor abgelegte Aussagen dieser Zeugin zu Unrecht nach § 252 Abs 1 Z 2a StPO verlesen worden seien, stellt den der prozessleitenden Verfügung zugrunde liegenden Sachverhaltsannahmen bloß die aktenwidrige (S 425, 434) Behauptung entgegen, die Zeugin habe die Aussage nicht nach § 152 Abs 1 Z 2a StPO verweigert (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 49 f, 14 Os 87/03).

Die im - abgewiesenen - Antrag auf ergänzende Vernehmung der Zeugin unter Berufung auf die Aussage "ihrer Tochter bzw ihres damaligen Lebensgefährten Horst S*****" vage vorgetragene Behauptung, wonach Ingrid E***** "schon in Vorbeziehungen Probleme gehabt hat, die sie bisher in der kontradiktorischen Einvernahme nicht angegeben hat und sie auch im Vorfeld misshandelt worden ist, und zwar nicht von Herrn E*****, sondern offenkundig von einem vorigen Lebensgefährten" (Z 4), stellte die "Glaubwürdigkeit" der Zeugin in Hinsicht auf den angeklagten Sachverhalt nicht in Frage.

Mit der Zuordnung des an konkreten Gegenständen entstandenen Schadens (III/2) zu einzelnen Tätigkeiten des Angeklagten spricht die Mängelrüge (Z 5 erster Fall) keine entscheidende Tatsache an. Als Grundlage für die Feststellung der Schadenshöhe haben die Tatrichter ausdrücklich die Aufstellung der Elisabeth L*****, Seite 79, herangezogen (US 25), was die Beschwerde übergeht.

Warum der vor Eheschließung gelegene Zeitpunkt der zu I/1, II/2/a, III/1 und IV/1 genannten Taten zu der auf IV/1 gemünzten Erwägung:

"Auch dieser (erste) sexuelle Übergriff war für Ingrid E***** kein Grund, die Beziehung mit dem Angeklagten zu beenden. Vielmehr kam es am 31. 7. 2000 zur Eheschließung zwischen Peter und Ingrid E*****."

im Widerspruch stehen sollte, ist nicht nachzuvollziehen. Mit der Aussage der Manuela K***** hat sich das Schöffengericht - dem Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe entsprechend - ohnehin auseinandergesetzt (US 25 f). Gleiches gilt für die Angaben der Zeugen Brigitte E*****, Monika Sv*****, Isabella P*****, Sissi K*****, Ingrid W***** und Horst S*****. Die Aussage des Angeklagten wurde ebenfalls gewürdigt (US 23 f). Aus jener der Zeugin Nora W*****, wonach der Angeklagte versucht habe, gegen ihren Willen "die Hand in die Scheide einzuführen" (S 441), durften die Tatrichter in tatsächlicher Hinsicht auf versuchte Nötigung zu einer geschlechtlichen Handlung schließen (Z 5 vierter Fall). Aus dem Umstand, dass sich Ingrid E***** trotz gegen sie gesetzter Gewaltakte zum Angeklagten hingezogen fühlte, ergeben sich für den Obersten Gerichtshof keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruches über entscheidende Tatsachen (Z 5a). Soweit unter dem Gesichtspunkt der Aufklärungsrüge erneut die nicht erfolgte ergänzende Einvernahme dieser Zeugin kritisiert wird, ist auf das oben Gesagte zu verweisen.

Warum das Aus-der-Hand-Schlagen eines Telefonhörers ohne Verletzung oder Sachbeschädigung unterhalb der für den Einsatz von Gewalt bei der Nötigung verlangten Erheblichkeitsschwelle liegen sollte (vgl Kienapfel/Schroll BT I5 § 105 Rz 22), sagt die Rechtsrüge nicht (Z 9 lit a; I/2). Soweit sie aus Z 9 lit b einen von § 203 Abs 1 StGB verlangten Antrag vermisst, geht sie nicht von den Urteilsfeststellungen aus (US 21; vgl auch S 7). Aus dem selben Grund nicht am Verfahrensrecht ausgerichtet ist die Beschwerde insoweit, als sie bei der Behauptung, der Anschluss als Privatbeteiligte genüge dafür nicht, die erteilte Ermächtigung (S 7) in Betreff des zu V. ergangenen Schuldspruchs übergeht.

Mit angeblich mangelnder Ernstlichkeit der zu I/1 ausgestoßenen Todesdrohung kritisiert der Beschwerdeführer - aus Z 10 unzulässig - die Lösung einer Tatfrage (vgl Jerabek, WK2 § 74 Rz 34; zust Kienapfel/Schroll BT I5 § 105 Rz 42). Ebensowenig an den getroffenen Feststellungen orientiert ist die Kritik an der rechtlichen Unterstellung der zu VI/1/b genannten Tat unter § 202 Abs 2 StGB. Indem abschließend die Annahme nach § 201 Abs 3 erster Satz (dritter Fall) StGB qualifizierender Umstände bei der zu IV/3/a genannten Tat statt anhand der in Wahrheit getroffenen Feststellungen (vgl US 14) nur vermittels eines eigenmächtig entschärften Sachverhaltes ("mehrfaches Anspucken") beurteilt wird, geht auch dieser Teil der Beschwerde an den gesetzlichen Anforderungen vorbei. Die Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde bereits in nichtöffentlicher Sitzung (§ 285d Abs 1 Z 1 und 2 StPO) hat die Zuständigkeit des Oberlandesgerichtes Graz zur Entscheidung über die Berufung zur Folge (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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