OGH 6Ob10/06y

OGH6Ob10/06y26.1.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Schenk und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Firmenbuchsache der T***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Forcher-Mayr & Kantner Rechtsanwälte Partnerschaft in Innsbruck, über den Revisionsrekurs der M***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Wolfgang Rainer, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 15. November 2005, GZ 3 R 134/05p-11, womit der Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom 31. August 2005, GZ 60 Fr 1889/05w-2, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Revisionsrekurswerberin ist schuldig, der Gesellschaft binnen 14 Tagen die mit EUR 1.754,82 (darin EUR 92,47 USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung

Im beim Landesgericht Innsbruck geführten Firmenbuch ist zu FN ***** die T***** Gesellschaft mbH eingetragen. Gesellschafter sind nach dem Stand des Firmenbuches Robert B*****, Brigitte M***** und Michael R*****; alleiniger Geschäftsführer ist Robert B*****. Mit Schriftsatz vom 21. 8. 2005 beantragte die M***** Gesellschaft mbH die Bestellung eines Notgeschäftsführers gemäß § 15a GmbHG. Sie habe mit Abtretungsvertrag vom 21. 4. 2005 die Geschäftsanteile der ehemaligen Gesellschafterin Brigitte M***** erworben; der alleinvertretungsbefugte Geschäftsführer Robert B***** weigere sich jedoch trotz Aufforderung, die Anmeldung des Gesellschafterwechsels im Firmenbuch vorzunehmen. Vielmehr habe er eine Klage gegen die Antragstellerin und die Vorgesellschafterin Brigitte M***** auf Feststellung der Rechtsunwirksamkeit der Abtretung der Geschäftsanteile eingebracht.

Mit Beschluss vom 31. August 2005, 60 Fr 1889/05w-2, wies das Erstgericht diesen Antrag ab. Die Bestellung eines Notgeschäftsführers setze voraus, dass entweder überhaupt keine Geschäftsführer vorhanden seien oder vorhandene Geschäftsführer ganz allgemein oder im Einzelfall nicht handeln könnten. Lehne ein Geschäftsführer bloß einzelne Geschäftsführungsakte ab, weil er der Auffassung sei, es würde damit der Gesellschaft Schaden zugefügt, liege kein Fall für die Bestellung eines Notgeschäftsführers vor (unter Berufung auf SZ 58/27).

Über Rekurs der M*****Gesellschaft mbH bestätigte das Rekursgericht diesen Beschluss. Die Bestellung eines Notgeschäftsführers solle lediglich Handlungen der Gesellschaft ermöglichen, die mangels vertretungsbefugter Personen nicht durchgeführt werden könnten. Sie diene aber nicht dazu, eine an sich mögliche Handlung der Gesellschaft zu erzwingen. Das Firmenbuchgericht sei nicht dazu berufen, im außerstreitigen Verfahren die Notwendigkeit von Rechtshandlungen zu überprüfen. Eine derartige Überprüfung solle nach dem GmbHG gesellschaftsintern durch die Generalversammlung oder im streitigen Verfahren erfolgen. Auch Dritte, die behaupten, einen Anspruch auf die Vornahme einer bestimmten Handlung zu haben, müssten diese im streitigen Verfahren durchsetzen. Der Rekurswerberin stehe die Möglichkeit einer Klage auf Vornahme der Änderungsanmeldung gegen die Gesellschaft mbH offen (unter Berufung auf Kastner/Doralt/Nowotny, Grundriss des österreichischen Gesellschaftsrechts5 425 mwN; Danzl, ecolex 1991, 165). Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil eine gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zum Fehlen eines Geschäftsführer iSd § 15a Abs 1 GmbHG nicht vorliege. Gegen diesen Beschluss richtet sich der ordentliche Revisionsrekurs der M*****Gesellschaft mbH mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss im antragsstattgebenden Sinn abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Gesellschaft beantragt, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise diesem nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

Nach § 15a GmbHG hat, soweit die zur Vertretung der Gesellschaft erforderlichen Geschäftsführer fehlen, sie in dringenden Fällen das Gericht auf Antrag eines Beteiligten für die Zeit bis zur Behebung des Mangels zu bestellen.

Als „beteiligt" iSd § 15a Abs 1 GmbHG ist jeder anzusehen, der ein Interesse an der ordnungsgemäßen Organzusammensetzung geltend machen kann. Dazu gehören die Gesellschafter, die Organe der Gesellschaft sowie diejenigen Personen, die einen gegen die Gesellschaft durchzusetzenden Anspruch behaupten (RIS-Justiz RS0113161 und RS0113945; zuletzt 6 Ob 26/04y). Entgegen der Kritik von P. Bydlinski (Veräußerung und Erwerb von GmbH-Geschäftsanteilen 89) gehört dazu auch der Erwerber eines Geschäftsanteils, steht doch der Antrag nach § 15a GmbHG nach einhelliger Auffassung nicht nur Gesellschaftern und Gesellschaftsorganen, sondern auch Gläubigern der Gesellschaft offen. Das von P. Bydlinski gegen die Legitimation des noch nicht eingetragenen Erwerbers eines Geschäftsanteils zur Antragstellung nach § 15a GmbHG ins Treffen geführte Argument, dieser habe kein schutzwürdiges Interesse, weil er seine Ansprüche gerichtlich geltend machen könne, betrifft in Wahrheit nicht die Antragslegitimation, sondern die meritorische Berechtigung des Antrags.

Nach herrschender Rechtsprechung sind die Voraussetzungen für die Bestellung eines Notgeschäftsführers durch das Firmenbuchgericht streng auszulegen (6 Ob 8/93). Nach dem klaren Gesetzeswortlaut setzt die gerichtliche Bestellung eines Notgeschäftsführers voraus, dass entweder überhaupt keine Geschäftsführer vorhanden sind oder vorhandene Geschäftsführer ganz allgemein oder im Einzelfall nicht handeln können (SZ 58/27 = EvBl 1986/39; RIS-Justiz RS0059994). Lehnt ein Geschäftsführer hingegen bloß einzelne Geschäftsführungsakte ab, weil er der Auffassung ist, es würde damit der Gesellschaft Schaden zugefügt, liegt es an der Gesellschafterversammlung, die ihr notwendig erscheinenden Maßnahmen zu ergreifen (SZ 58/27 = EvBl 1986/39; RIS-Justiz RS0059994).

Dieses Ergebnis entspricht auch der überwiegenden Auffassung der Lehre. In ihrer eingehenden Untersuchung hat Pöltner (Der Notgeschäftsführer in der GmbH [2002] 50 ff), die Auffassung vertreten, dass von einer Handlungsunfähigkeit der Gesellschaft dann, wenn ein Geschäftsführer vorhanden sei, jedoch die Vornahme einzelner Vertretungshandlungen verweigere, keine Rede sein kann. Die Überprüfung von Geschäftsführungsentscheidungen habe gesellschaftsintern durch die Generalversammlung zu erfolgen. Nur in Ausnahmefällen wäre ein Zivilgericht mit Geschäftsführungsentscheidungen befasst. Diesfalls handle es sich jedoch um das streitige Verfahren. Eine Überprüfung von Geschäftsführungsentscheidungen im außerstreitigen Verfahren kenne das Gesetz nicht. Diese Auffassung ist - entgegen der Meinung der Revisionsrekurswerberin - keineswegs „vereinzelt". Vielmehr gelangte schon etwa 10 Jahre zuvor P. Bydlinski in seiner Monographie (Veräußerung und Erwerb von GmbH-Geschäftsanteilen 88 ff) zum selben Ergebnis. Demnach sei die Gesellschaft nicht handlungsunfähig, wenn ein vorhandener Geschäftsführer die Vornahme einzelner Vertretungsakte verweigere. Außerdem fehle es bei Weigerung des Geschäftsführers an der Anmeldung eines Gesellschafterwechsels an der Dringlichkeit iSd § 15a GmbHG. Der Erwerber des Geschäftsanteiles könne seine Ansprüche gerichtlich (offensichtlich gemeint: im Streitverfahren) geltend machen; § 15a GmbHG sei jedoch keinesfalls einschlägig. Auch nach Umfahrer (GmbHG5 Rz 197) reicht die Weigerung der Vornahme bloß einzelner und konkreter Geschäftsführungsakte für die Bestellung eines Notgeschäftsführers nicht aus. Dieser Auffassung ist beizupflichten. Zweck des § 15a GmbHG ist - soweit diese Bestimmung überhaupt nicht nur dem Schutz der Gesellschaft, sondern auch von Dritten dient - die Rechtsdurchsetzung gegen die Gesellschaft auch dann zu ermöglichen, wenn keine Organe zu deren Vertretung vorhanden sind. Ist die Gesellschaft hingegen - wie im vorliegenden Fall - rechtlich uneingeschränkt handlungsfähig, so besteht für die Bestellung eines Notgeschäftsführers kein Raum. Durch diese Auffassung ist auch der Rechtsschutz der Revisionsrekurswerberin in keiner Weise beeinträchtigt, steht dieser doch nach völlig einhelliger Auffassung im Schrifttum die Klage gegen die Gesellschaft offen (Kastner/Doralt/Nowotny, Gesellschaftsrecht5 425; vgl auch Danzl, ecolex 1991, 164 [165]).

Hingegen ist es nicht Zweck des Verfahrens nach § 15a GmbHG, ein zusätzliches Verfahren zur Klärung von normaler Weise im Streitverfahren durchzusetzenden Ansprüchen zu eröffnen. Dazu kommt, dass im vorliegenden Fall die Bestellung eines Notgeschäftsführers auch keine Beschleunigung der Rechtsdurchsetzung mit sich brächte: Im Hinblick auf das anhängige Feststellungsverfahren, in dem der Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter die Unwirksamkeit der Anteilsübertragung behauptet, wäre ein Eintragungsverfahren ohnedies gemäß § 19 FBG zu unterbrechen. Die im Revisionsrekurs zitierte Entscheidung 6 Ob 168/98v betrifft demgegenüber nur einen behaupteten Verstoß gegen ein gesellschaftsvertragliches Vorkaufsrecht, gilt aber ausdrücklich nicht für den Fall, dass die Unwirksamkeit des der damaligen Anmeldung zugrundeliegenden Einbringungsvertrages behauptet wurde (6 Ob 168/98v = ecolex 1999/39 = GesRZ 1998, 211; vgl auch G. Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG § 19 Rz 16).

Inwieweit die Bestellung eines Notgeschäftsführers auch dann in Betracht kommt, wenn ein Geschäftsführer zwar vorhanden ist, aber eine Interessenkollision vorliegt (6 Ob 36/85 = SZ 59/172), ist im vorliegenden Fall nicht zu beurteilen. Der bloße Umstand, dass der Alleingeschäftsführer die Unwirksamkeit des Abtretungsvertrages vertritt, begründet noch keine Interessenkollision im Rechtssinne. Ob bereits das Interesse an der Aktualität des Firmenbuchstandes die Dringlichkeit iSd § 15a GmbHG begründet, ist nicht entscheidend, weil auch die Bejahung der Dringlichkeit das Fehlen des Tatbestandsmerkmals der fehlenden Vertretung der Gesellschaft bzw der Handlungsunfähigkeit ihrer Organe nicht zu ersetzen vermag. Jene Lehrmeinungen, nach denen ein Notgeschäftsführer auch für einzelne Handlungen bestellt werden kann (so jüngst G. Nowotny, Gesellschaftsrecht 68), haben nur den Fall im Auge, dass die Vertretung der Gesellschaft in einem bestimmten Streitverfahren sichergestellt werden soll. Daraus kann aber keineswegs abgeleitet werden, dass die Nichtvornahme eines einzelnen Vertretungsaktes schon generell die Bestellung eines Notgeschäftsführers gemäß § 15a GmbHG eröffnen würde.

Für die im Revisionsrekurs vertretene Umdeutung des Antrages in eine Klage besteht kein Raum. Über den allein Gegenstand der Eingabe der Revisionsrekurswerberin bildenden Antrag auf Bestellung eines Notgeschäftsführers ist jedenfalls im Außerstreitverfahren zu entscheiden (§ 102 GmbHG). Dass die - durchgehend anwaltlich vertretene - Revisionsrekurswerberin in Wahrheit ihre Eintragung als Gesellschafterin im Firmenbuch im Wege einer Klage erzwingen wollte, ist ihrer Eingabe in keiner Weise zu entnehmen, sodass eine Umdeutung im Sinne des § 40a JN nicht in Betracht kommt.

Der angefochtene Beschluss erweist sich daher als frei von Rechtsirrtum, sodass dem unbegründeten Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen war.

Die Kostenentscheidung fußt auf § 78 Abs 2 AußStrG.

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