OGH 9ObA139/05i

OGH9ObA139/05i25.1.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Hopf sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Carl Hennrich und ADir. Reg.Rat Winfried Kmenta als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Werner R*****, Portier, *****, vertreten durch Dr. Aldo Frischenschlager ua, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei OÖ. S*****, Verein *****, vertreten durch Dr. Peter Wiesauer und Mag. Johannes Mühllechner, Rechtsanwälte in Linz, wegen EUR 6.998,03 brutto sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 2. Juni 2005, GZ 11 Ra 38/05w-15, womit das Urteil des Landesgerichts Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 9. November 2004, GZ 10 Cga 105/04z-11, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 499,39 (darin EUR 83,23 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte, ein gemeinnütziger Verein, betreibt ua das aus einem Studentenheim und einem Hotel bestehende J*****-Studentenzentrum. Bei diesem handelt es sich um einen einheitlichen Wirtschaftskörper, der drei Gebäude mit 1.300 Betten umfasst. Beide Bereiche - Studentenheim und Hotel - bilden eine organisatorische Einheit. Es gibt intern keine Trennung zwischen Heim- und Hotelbetrieb. Alle Beschäftigten der Beklagten arbeiten für beide Bereiche. Der Umsatz der Beklagten wird zu 90 % aus dem Studentenheim erwirtschaftet. Die Beklagte verfügt über eine Gewerbeberechtigung für Hotellerie bzw Hotel-Restaurants und ist Mitglied der Wirtschaftskammer Österreich, Fachverband Hotellerie.

Der Kläger war ab 5. 6. 2001 bei der Beklagten im J*****-Studentenzentrum als Portier beschäftigt; auch er war für beide Bereiche - Studentenheim und Hotel - tätig. Er hatte Dienst von 7.30 bis 24.00 Uhr; in der Zeit von 16.30 bis 24.00 Uhr waren zwei Portiere anwesend. Die Beklagte wendet auf alle Beschäftigten die von ihr beschlossene Lohnordnung an. Danach war der Kläger in das Schema A/Dienstklasse 1/Bezugsstufe 4 eingestuft und verdiente zuletzt bei einer wöchentlichen Normalarbeitszeit von 40 Stunden EUR 1.016,39 monatlich. Das Arbeitsverhältnis wurde vom Kläger durch Kündigung zum 30. 11. 2003 beendet.

Der Kläger begehrt mit der am 30. 4. 2004 eingebrachten Klage EUR 6.998,03 brutto sA als Differenz zwischen dem von der Beklagten auf Grund der Lohnordnung gezahlten Lohn und jenem Lohn als „Alleinportier", der ihm auf Grund des Kollektivertrags für Arbeiter im Hotel- und Gastgewerbe zustehe.

Die Beklagte wendete ein, dass hier kein Kollektivvertrag Anwendung finde. Der Hotelbetrieb habe im Gegensatz zum Heimbetrieb nur eine völlig untergeordnete Bedeutung (6 %). Die anzuwendende Lohnordnung kenne nur die Einstufung „Portier". Die bis zum 5. 6. 2001 zurückreichenden Ansprüche des Klägers seien gemäß Pkt VII. des Dienstzettels verfallen, weil sie spätestens am Ende des dritten Monats ab Entstehen des Anspruchs beim Arbeitgeber schriftlich hätten geltend gemacht werden müssen. Im Übrigen habe der Kläger die Endabrechnung anerkannt und sei voll lohnbefriedigt aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren unter Zugrundelegung der wiedergegebenen Feststellungen ab. Es stünden sich hier einerseits der Kollektivvertrag für Arbeiter im Hotel- und Gastgewerbe und andererseits die Lohnordnung der Beklagten gegenüber. Mangels organisatorischer Abgrenzung sei vom Grundsatz der Tarifeinheit auszugehen. Alle Beschäftigten der Beklagten seien in beiden Bereichen - Studentenheim und Hotel - tätig. In analoger Anwendung des § 9 Abs 3 ArbVG komme die Lohnordnung zum Tragen, weil dem Studentenheim, aus dem ca 90 % des Umsatzes erwirtschaftet werden, die maßgebliche wirtschaftliche Bedeutung zukomme. Die Anwendung der Lohnordnung auf alle Beschäftigten der Beklagten sei sachbezogener.

Das Berufungsgericht änderte über Berufung des Klägers das Ersturteil iSd Klagestattgebung ab. Die Lohnordnung der Beklagten sei eine bloße Vertragsschablone, die keine unmittelbaren Rechtswirkungen erzeuge. Ihr Geltungsgrund sei die jeweilige arbeitsvertragliche Unterwerfung. Stünden sich wie hier Kollektivvertrag und kollektivvertragsfreier Raum gegenüber, dann komme eine analoge Anwendung des § 9 Abs 3 ArbVG nicht in Betracht. Das Berufungsgericht gelangte nach ausführlicher Wiedergabe der Rechtsprechung und des Schrifttums zum Ergebnis, dass auf das Arbeitsverhältnis des Klägers der Kollektivvertrag für Arbeiter im Gastgewerbe anzuwenden sei. Nur so könnten das soziale Schutzprinzip und der Grundsatz der Tarifeinheit verwirklicht werden. Da der Kläger weder „Chefportier" noch „Portiergehilfe" gewesen sei, sei er nach Pkt 2.2. des Kollektivvertrags als „Alleinportier/in, Tag- und Nachtportier/in" einzustufen. Die ordentliche Revision sei nach § 502 Abs 1 ZPO zuzulassen, weil eine einschlägige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur gegenständlichen, in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausgehenden Frage fehle.

Gegen die Berufungsentscheidung richtet sich die Revision der Beklagten wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung iSd Wiederherstellung des klageabweisenden Ersturteils abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.

Eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens nach § 503 Z 2 ZPO liegt nicht vor. Diese Beurteilung bedarf keiner näheren Begründung (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO). Soweit unter dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens in Wahrheit Aspekte der rechtlichen Beurteilung der Sache geltend gemacht werden, wird hierauf noch einzugehen sein. Vorweg kann jedenfalls in rechtlicher Hinsicht auf die zutreffende, überaus gründliche rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts verwiesen werden (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO). Ergänzend und zusammenfassend ist der Revisionswerberin Folgendes entgegenzuhalten:

Im vorliegenden Fall geht es um die Geltung bzw Nichtgeltung des normativen Teils des Kollektivvertrags für Arbeiter im Hotel- und Gastgewerbe für das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Beklagten. Dieser Kollektivvertrag wurde zwischen dem Fachverband Gastronomie und dem Fachverband der Hotel- und Beherbergungsbetriebe einerseits und der Gewerkschaft Hotel, Gastgewerbe, Persönlicher Dienst andererseits abgeschlossen. Er gilt räumlich für das Gebiet der Republik Österreich, fachlich für alle Betriebe, die der Bundeswirtschaftskammer, Bundessektion Fremdenverkehr, Fachverband Gastronomie und Fachverband der Hotel- und Beherbergungsbetriebe angehören, und persönlich für alle in diesen Betrieben beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen (Lehrlinge). Eine andere generelle Regelung existiert für den vorliegenden Fall nicht. Die Beklagte hat keine Kompetenz, die Arbeitsverhältnisse mit ihren Arbeitnehmern durch einseitigen Akt zu regeln. Die von ihr erlassene Lohnordnung ist daher eine bloße Vertragsschablone, die nur über die einzelarbeitsvertragliche Unterwerfung Geltung beanspruchen kann (vgl RIS-Justiz RS0114722 ua).

Das ArbVG regelt die mit der gegenständlichen Problematik zusammenhängenden Fragen in den §§ 8 bis 10 und 12. Aus dem Zusammenhalt der §§ 8 und 12 ArbVG ergibt sich nach herrschender Lehre und Rechtsprechung, dass primär von jener Rechtslage auszugehen ist, die auf Arbeitgeberseite gegeben ist. Grundvoraussetzung für die Anwendung eines Kollektivvertrags auf ein Arbeitsverhältnis ist der Umstand, dass zumindest der Arbeitgeber kollektivvertragsunterworfen gemäß § 8 ArbVG ist. Es ist daher zu prüfen, ob er zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kollektivvertrags kollektivvertragsangehörig war, dh Mitglied der am Kollektivvertrag beteiligten Partei war oder später wurde (§ 8 Z 1 ArbVG; Strasser, Zur Kollektivvertragsgeltung im Mischbetrieb mit überwiegendem kollektivvertragsfreien Bereich, in FS Krejci Bd 2, 1693 [1694 f] ua). Dabei kommt die speziell für die gewerbliche Wirtschaft Österreichs gegebene Besonderheit ins Spiel, wonach in der Mehrzahl der Fälle die Fachgruppen der Wirtschaftskammerorganisation ihre ihnen ex lege zukommende Kollektivvertragsfähigkeit ausüben. Dadurch ist die Mitgliedschaftsfrage überwiegend auf Grund der einschlägigen Bestimmungen der Fachorganisationsordnung (FOO), BGBl II 1999/365, iVm Wirtschaftskammergesetz 1998 (WKG), BGBl I 1998/103, zu lösen. Danach wird ein Unternehmen mit der Erteilung einer Gewerbeberechtigung ipso iure Mitglied der dieser Berechtigung entsprechenden Fachgruppe der Wirtschaftskammerorganisation (Strasser aaO 1695; 9 ObA 83/89 ua). Dies ist nach den Feststellungen bei der Beklagten der Fall und im Übrigen auch nicht weiter strittig.

Die vorliegende Situation ist dadurch gekennzeichnet, dass der sowohl ein Studentenheim als auch ein Hotel umfassende Betrieb der Beklagten nicht weiter gegliedert ist, dh eine organisatorische Trennung in Haupt- und Nebenbetrieb bzw in Betriebsabteilungen ist nicht gegeben. Es handelt sich damit um einen sog „Mischbetrieb" (vgl Strasser aaO 1698 ua). Dieser weist die weitere Besonderheit auf, dass der Tätigkeitsbereich Hotel kollektivvertragsunterworfen, der Tätigkeitsbereich Studentenheim hingegen - mangels Ertragserzielungsabsicht (vgl § 13 Studentenheimgesetz, BGBl 1986/291) ist auf Studentenheimträger die Gewerbeordnung (GewO) 1994, BGBl 1994/194, nicht anzuwenden (Grabler/Stolzlechner/Wendl, GewO² § 1 Rz 12 ua) - nicht kollektivvertragsunterworfen ist. Unstrittig hat der Bereich Studentenheim maßgebende wirtschaftliche Bedeutung (gegenüber dem Hotelbetrieb).

Die §§ 9, 10 ArbVG sind - entgegen der Auffassung der Revisionswerberin - unmittelbar nur auf jene Fälle anwendbar, in denen der Arbeitgeber tatsächlich zwei oder mehreren Kollektivverträgen unterworfen ist (Strasser aaO 1699; RIS-Justiz RS0050897 ua). Dies ist hier nicht der Fall. Die Beklagte ist nur einem Kollektivvertrag unterworfen, nämlich dem bereits mehrfach genannten Kollektivvertrag für Arbeiter im Hotel- und Gastgewerbe. Eine unmittelbare Anwendung der §§ 9, 10 ArbVG scheidet damit aus. Zu prüfen bleibt aber, ob allenfalls eine analoge Anwendung geboten ist. Bislang hatte der Oberste Gerichtshof vor allem in drei Fällen mit Konstellationen zu tun, in denen es um Mischbetriebe mit einem überwiegenden Tätigkeitsbereich ging:

Im Fall 9 ObA 83/89 („Sprachschule"), bei dem im überwiegenden Tätigkeitsbereich ein Mindestlohntarif (für Sprachlehrer an privaten Schulen), im anderen Bereich jedoch ein Kollektivvertrag (für die Handelsangestellten) anwendbar war, entschied der Oberste Gerichtshof auf Grund des Mindestlohntarifs gegen die Ausdehnung des Kollektivvertrags auf Arbeitnehmer in den Sprachschulen, die nicht als Sprachlehrer angestellt waren, wie dies in der Klage verlangt worden war. Im zweiten Fall 9 ObA 194/90 („Tankstelle"), DRdA 1991/39 (Resch), bestand im überwiegenden Bereich (Tankstelle) für Angestellte keine generelle Regelung (nur: Kollektivvertrag für Arbeiter der Garagen-, Tankstellen- und Servicestationsunternehmungen); der andere Bereich (Lebensmittelhandel) war hingegen in Bezug auf Angestellte kollektivvertragsunterworfen (Kollektivvertrag für die Handelsangestellten). Der Oberste Gerichtshof verneinte ausdrücklich eine Analogie zu § 9 Abs 3 ArbVG und sprach der klagenden Angestellten, die in beiden Bereichen beschäftigt war, die von ihr geforderten Ansprüche nach dem für den nicht überwiegenden Bereich geltenden Kollektivvertrag zu. Es musste kein Aussage darüber getroffen werden, ob im Fall der Klage eines ausschließlich im überwiegenden Bereich (Tankstelle) Angestellten auch diesem die Ansprüche aus dem Kollektivvertrag (für die Handelsangestellten) zugestanden wären (vgl Strasser aaO 1700). Im dritten Fall 9 ObA 188/00p („Kreuzfahrtschiff"), DRdA 2001/32 (Weiß), ging es um einen Kläger, der als Beschäftigter eines Reisebüros auf einem Kreuzfahrtschiff als Barkellner verwendet worden war. In der Situation der in einem Mischbetrieb ausgeübten Tätigkeit, für die ein Arbeiter-Kollektivvertrag (für das Gastgewerbe) und ein auf den Kläger als Arbeiter nicht anwendbarer Angestellten-Kollektivvertrag (für Reisebüroangestellte) bestanden, verneinte der Oberste Gerichtshof sowohl die unmittelbare als auch die analoge Anwendung des § 9 Abs 3 ArbVG - erstere mangels zweier konkret anwendbarer Kollektivverträge, zweitere wegen Verletzung tragender Grundsätze des kollektiven Arbeitsrechts, wenn sich ein Arbeitnehmer auf keinen Kollektivvertrag berufen könnte - und sprach aus, dass der für den Arbeitnehmer nicht anwendbare Kollektivvertrag nicht den für ihn anwendbaren und seiner Tätigkeit entsprechenden Kollektivvertrag verdrängen könne.

Liegt bei einem mehrfach tätigen und mehrfach kollektivvertragsunterworfenen Arbeitgeber ein Mischbetrieb (ohne Aufgliederung in organisatorisch abgegrenzte Betriebsabteilungen) vor, so ist nach § 9 Abs 3 ArbVG im Betrieb nur ein Kollektivvertrag anzuwenden. Dies bedeutet, dass der Gesetzgeber in diesem Fall die Nichtberücksichtigung der fachlichen Unterschiede zwischen den Tätigkeitsbereichen auf Kollektivvertragsebene bewusst in Kauf nimmt, dass ihm somit im Mischbetrieb die Verwirklichung des Grundsatzes der Tarifeinheit wichtiger ist als die durchgehende fachliche Adäquanz der kollektivvertraglichen Normen. Dahinter kann nur die Überlegung stehen, dass für alle im Mischbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer gleiche generelle Arbeitsbedingungen gelten sollen (Tarifeinheit). Diese gesetzgeberische Entscheidung lässt sich damit legitimieren, dass die Organisationsstruktur eines Unternehmens ausschließlich durch den Arbeitgeber bestimmt wird (Tomandl, Zur Problematik des kollektivvertragsfreien Raumes, ZAS 1995, 152 [156]). Dass sich der Gesetzgeber in diesen Fällen für die Geltung des Kollektivvertrags des überwiegenden Bereichs entschieden hat, ist nur konsequent (Strasser aaO 1703). Eine ganz andere Problemlage ergibt sich jedoch im Mischbetrieb der vorliegenden Art. Hier gibt es nur eine generelle Regelung in Gestalt des für den nicht überwiegenden Bereich geltenden Kollektivvertrags. Legt man nun die Grundsätze zugrunde, die das ArbVG, im Besonderen dessen Regelungskomplex „Kollektive Rechtsgestaltung" beherrschen, so ergibt sich Folgendes:

Maßgebend für die Schaffung eines umfassenden Systems von in ihrer Geltung aufeinander abgestimmten Instrumenten der generellen Regelung von Arbeitsbedingungen, die entweder durch Verhandlungen zwischen einigermaßen sozial gleich starken Partnern (Kollektivvertrag) oder durch staatliche, der Objektivität verpflichtete Behörden geschaffen werden, war die Überlegung des Gesetzgebers, dass nur auf dies Weise den Gefährdungen der einzelnen Arbeitnehmer beim Einzelvertragsabschluss wirksam begegnet werden kann, dh dass nur durch Regelungen auf der Ebene der kollektiven Rechtsgestaltung den Arbeitnehmern ein entsprechender aus gesellschaftspolitischen Erwägungen wünschenswerter und erforderlicher sozialer Schutz gewährt werden kann (soziales Schutzprinzip). Diese Überlegungen verbieten es, für Mischbetriebe der gegenständlichen Art eine Analogie zu § 9 Abs 3 ArbVG mit dem Ergebnis, dass die Tatsache des Nichtbestehens eines Kollektivvertrags im überwiegenden Bereich die Geltung des Kollektivvertrags für den nicht überwiegenden Bereich verdrängt, zu ziehen (vgl Tomandl aaO 152 ff; Weiß, Tarifeinheit und Tarifvielfalt im ungegliederten Mischbetrieb?, JBl 1999, 781 [790]; Strasser aaO 1704 f ua).

Für die Anwendung und Auslegung des § 9 ArbVG sind drei Prinzipien wesentlich, und zwar das soziale Schutzprinzip, das Prinzip der Tarifeinheit und das Prinzip der fachlichen Adäquanz (auch Spezialitätsprinzip oder Prinzip der Betriebsnähe genannt). Das soziale Schutzprinzip beherrscht die Bestimmungen des ArbVG im Bereich der kollektiven Rechtsgestaltung. Es soll - entgegen der Auffassung der Revisionswerberin - kollektivvertragsfreie Räume vermeiden und für die Arbeitnehmer einen möglichst intensiven Schutz schaffen. Das Prinzip der Tarifeinheit kommt im Hinblick auf die organisatorische Einheit des Arbeitgebers in § 9 Abs 1 und 2 ArbVG bzw im Hinblick auf den einzelnen Arbeitnehmer in § 10 ArbVG zum Ausdruck. Nach den Regelungen des § 9 ArbVG sollen für alle Arbeitnehmer, die in einer Organisationseinheit - also einem Betrieb (Abs 1) oder einer Betriebsabteilung (Abs 2) - tätig sind, einheitliche Arbeitsbedingungen gelten. Hintergrund dafür ist vor allem auch die Wahrung des betrieblichen Friedens. Das Prinzip der fachlichen Adäquanz schließlich ist in Abs 3 erkennbar, worin jener Kollektivvertrag für anwendbar erklärt wird, der für den fachlichen Wirtschaftsbereich gilt, der für den Betrieb die maßgebliche wirtschaftliche Bedeutung hat (vgl Tomandl aaO 155 ff; Weiß aaO 790; Strasser aaO 1706 f).

Eine Lösung, die diese drei Prinzipien - ihrer Wertigkeit nach und so weit als möglich - verwirklicht, kann im vorliegenden Fall nur in der Anwendung des Kollektivvertrags des nicht überwiegenden Bereichs auf den gesamten Betrieb bestehen. Denn nur dadurch wird dem sozialen Schutzprinzip und dem Prinzip der Tarifeinheit im ausreichenden Maß Rechnung getragen. Diese Lösung kann allerdings in Bezug auf die Arbeitnehmer des überwiegenden Bereichs - die es hier in reiner Form ohnehin nicht gibt, weil alle Arbeitnehmer in beiden Bereichen (Studentenheim und Hotel) tätig waren - dem Prinzip der fachlichen Adäquanz widersprechen. Dabei muss jedoch bedacht werden, dass die Unterlassung einer organisatorischen Gliederung des Betriebs durch den Arbeitgeber offenbar darauf hindeutet, dass nach seiner Auffassung die Anwendung einheitlicher Arbeitsbedingungen auf alle Arbeitnehmer des Betriebs keine allzu großen Probleme in Bezug auf die fachliche Adäquanz der einheitlichen Regelung bewirkt (Strasser aaO 1707 ff).

Das Argument der Revisionswerberin, es dürfe nicht dazu kommen, dass einer Mehrheit von Arbeitnehmern ein Kollektivvertrag aufgedrängt werde, der nur auf eine Minderheit zugeschnitten sei, ist nicht stichhältig. Nach § 9 Abs 3 ArbVG besteht kein Zweifel, dass ein Arbeitgeber in einem von ihm geschaffenen Mischbetrieb dazu verpflichtet sein kann, im Fall der Konkurrenz zweier Kollektivverträge einen Kollektivvertrag auch jenseits seines fachlichen Geltungsbereichs anzuwenden (Tomandl aaO 157). Der Einwand der Revisionswerberin, die Lohnordnung sei „insgesamt lohnmäßig besser", ist schon vom Ansatz her unverständlich, weil sie dann wohl kaum die Lohnforderung des Klägers, die sich auf den (diesfalls) „lohnmäßig schlechteren" Kollektivvertrag stützt, bestreiten würde.

Soweit die Revisionswerberin der Klageforderung die Verfallsregelung in Pkt VII. des Lohnzettels entgegenhält, ist sie - ohne dass hier weiter auf die Frage eingegangen werden muss, ob zwischen den Parteien überhaupt eine entsprechende rechtsgeschäftliche Vereinbarung zustandekam, - auf § 3 Abs 1 ArbVG zu verweisen, wonach Bestimmungen in Kollektivverträgen - auch der Kollektivvertrag für Arbeiter im Hotel- und Gastgewerbe enthält in Pkt 6. lit e eine Verfallsregelung - durch Arbeitsvertrag weder beschränkt noch aufgehoben werden können. Sondervereinbarungen sind, soweit sie der Kollektivvertrag nicht ausschließt, nur gültig, soweit sie für den Arbeitnehmer günstiger sind oder Angelegenheiten betreffen, die im Kollektivvertrag nicht geregelt sind. Nichts dergleichen, was der Verfallsregelung im Lohnzettel zur Anwendung verhelfen könnte, wurde von der Beklagten behauptet. Auf einen Verfall laut Kollektivvertrag hat sich die Beklagte nicht berufen.

Soweit die Revisionswerberin schließlich ihr Argument erneuert, der Kläger habe die Endabrechnung „anerkannt" und sei daher voll lohnbefriedigt aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden, ist sie darauf zu verweisen, - ohne dass auf die Frage der Gültigkeit einer allfälligen Anerkenntnisvereinbarung eingegangen werden muss, - dass für das Vorliegen eines über eine bloße Wissenserklärung hinausgehenden konstitutiven Anerkenntnisses des Klägers keine tragfähigen Anhaltspunkte bestehen. Ein solches wurde von der Beklagten auch gar nicht behauptet.

Das Argument der Revisionswerberin, ihre Lohnordnung kenne nicht die Funktion „Alleinportier" ist ebenfalls nicht zielführend, weil die Entlohnung auf der Grundlage des Kollektivvertrags zu erfolgen hat. Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der Kläger nach dem Kollektivvertrag als „Alleinportier/in, Tag- und Nachtportier/in" einzuordnen sei, weil die weiteren Alternativen „Chefportier" bzw „Portiergehilfe" nicht in Frage kommen, ist nicht zu beanstanden. Zusammenfassend wurde dem Klagebegehren vom Berufungsgericht zu Recht stattgegeben. Der unbegründeten Revision der Beklagten muss ein Erfolg versagt bleiben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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