OGH 8Ob108/05y

OGH8Ob108/05y19.12.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Kuras und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. *****, 2. *****, beide vertreten durch Draxler & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien 1. *****, 2. ***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Michael Prager, Rechtsanwalt in Wien, 3. *****‑KG, 4. *****gmbH, 5. *****, 6. *****, Dritt- bis Sechstbeklagte vertreten durch Charim, Steiner & Hofstetter, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung, über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 31. Mai 2005, GZ 13 R 35/05w‑60, womit über Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 24. November 2004, GZ 24 Cg 95/04y‑44, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2005:0080OB00108.05Y.1219.000

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie zu lauten haben:

„1. Die Beklagten sind gegenüber dem Erstkläger schuldig, es zu unterlassen, den Erstkläger mittels technisch unterstützter Überwachungsmethoden, insbesondere Videokamera, durchgehend zu filmen, bzw aufzuzeichnen und darüber schriftliche Aufzeichnungen zu verfassen.

2. Die Beklagten sind gegenüber der Zweitklägerin schuldig, es zu unterlassen, die in deren Eigentum stehende Liegenschaft ***** in ***** W***** mittels technisch unterstützter Überwachungsmethoden, insbesondere Videokamera, durchgehend zu filmen bzw aufzuzeichnen und darüber schriftliche Aufzeichnungen zu verfassen.

3. Die Beklagten sind zur ungeteilten Hand schuldig, den Klägern die mit 6.376,32 EUR bestimmten Verfahrenskosten (darin enthalten 819,27 EUR USt 1.460,7 EUR Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Die Beklagten sind zur ungeteilten Hand schuldig, den Klägern die mit 10.882,12 EUR bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin enthalten 977,8 EUR USt 5.015,3 EUR Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

 

Die Zweitklägerin (Mutter des Erstklägers) ist Alleineigentümerin der Liegenschaft mit der Grundstücksadresse ***** W*****. Das Haus ist grundsätzlich unbewohnt, wird jedoch zeitweise von Gästen benützt. Die Zweitklägerin sucht die Liegenschaft immer wieder auf, um Nachschau zu halten und Post auszuheben.

Der Erstbeklagte ist Rechtsvertreter der Drittbeklagten.

Die Zweitbeklagte ist zur Ausübung des Gewerbes „Berufsdetektive" berechtigt.

Die Viertbeklagte ist Komplementärin der Drittbeklagten. Der Fünft- und der Sechstbeklagte sind handelsrechtliche Geschäftsführer der Viertbeklagten.

Dem Erstkläger wurde mit einstweiliger Verfügung des Handelsgerichtes Wien vom 4. 12. 2003, 34 Cg 124/03x über Antrag der Drittbeklagten aufgetragen, bestimmte kreditschädigende Behauptungen über die *****‑Gruppe (gemeint: die dem Konzern der Drittbeklagten angehörenden Unternehmen) zu unterlassen.

Im Verfahren 34 Cg 124/03x des Handelsgerichtes Wien teilte der Erstkläger mit Schriftsatz vom 11. 12. 2003 mit, dass er sich seit 27. 10. 2003 ununterbrochen im Ausland befunden habe und am Freitag, dem 5. 12. 2003 in der Nacht nach Österreich zurückgekehrt sei. Er habe den beabsichtigten Auslandsaufenthalt durch Bekanntgabe an das für ihn zuständige Postamt angekündigt. Mit diesem Schriftsatz legte der Erstkläger ua ein von ihm verfasstes Telefax vom 27. 10. 2003 an das Postamt ***** W***** mit folgendem Inhalt vor:

„..... Zustellung ***** W*****

Nachsendeauftrag ***** N***** ..........

Ihr Amt bekommt die mir aus ***** N*****, nachsandte Post. Nunmehr werde ich ab heute, 27. 10. 2003 bis einschließlich 8. 12. 2003 im Ausland weilen. ...... Zustellungen können dann ab 8. 12. 2003 wieder wie gewohnt erfolgen."

Am 17. 12. 2003 stellte der Erstbeklagte als Vertreter der Drittbeklagten wegen eines behaupteten Verstoßes des Erstklägers gegen das ihm auferlegte Unterlassungsgebot durch eine in einer österreichischen Tageszeitung veröffentlichte Äußerung einen Exekutionsantrag nach § 355 EO beim BG D*****.

In der vom BG D***** eingeräumten Äußerung zum Exekutionsantrag wendete der Erstkläger die örtliche Unzuständigkeit des BG D***** ein. Sein einziger inländischer Wohnsitz liege in N*****. An der im Exekutionsantrag angeführten Adresse ***** W***** habe er weder Wohnsitz noch gewöhnlichen Aufenthalt. Es handle sich um eine von mehreren Wohnadressen seiner Eltern, an der er sich lediglich vereinzelt als Gast aufhalte.

Der Erstbeklagte war - insbesondere wegen des im Verfahren 24 Cg 124/03x des Handelsgerichtes Wien vorgelegten Telefax an das Postamt ***** W***** und wegen einer in der erwähnten Tageszeitung wiedergegebenen Äußerung des Erstklägers, dass er bis auf weiteres in W***** bleiben wolle, der Ansicht, dass es starke Hinweise für die Unrichtigkeit der der Unzuständigkeitseinrede zugrundeliegenden Behauptung des Erstklägers, er habe in W***** keinen Wohnsitz, gebe.

Er nahm Kontakt mit der Geschäftsführerin der Zweitbeklagten auf. Er besprach mit ihr, wie das wahrheitswidrige Vorbringen des Erstklägers widerlegt werden könne. Die Geschäftsführerin der Zweitbeklagten schlug vor, einen PKW mit einer getarnt angebrachten Videokamera bei der Liegenschaft in ***** W***** abzustellen. Die Videoaufzeichnungen könne man anschließend auswerten und auf diese Weise feststellen, ob der Erstkläger dort ein- und ausgehe. Eine derartige Vorgangsweise sei kostengünstiger als die Beobachtung der Liegenschaft durch einen Detektiv.

Der Erstbeklagte beauftragte in weiterer Folge die Zweitbeklagte mit der vorgeschlagenen Beobachtung der Liegenschaft. Er erteilte den Auftrag aus eigenem Antrieb. Er hielt vorher nicht Rücksprache mit der Drittbeklagten. Erst später, als die Überwachung der Liegenschaft im Gange war, informierte er den Sechstbeklagten über die Auftragserteilung. Dieser widersprach der Überwachung nicht. Ob der Sechstbeklagte den Fünftbeklagten über die Videoüberwachung informierte, steht nicht fest.

Mitarbeiter der Zweitbeklagten stellten in Entsprechung des vom Erstbeklagten am 28. 1. 2004 erteilten Auftrages am 3. 2. 2004 um 13. 00 Uhr einen PKW mit getarnter Videokamera vor der Liegenschaft ab. Das Grundstück des Hauses kann entweder durch die Gartentür betreten oder durch ein Gartentor, das mit Fernbedienung zu öffnen ist, befahren werden. Über die Zufahrt ist die auf dem Grundstück befindliche Garage erreichbar. Neben der Gartentür befindet sich eine Glocke und ein Briefkasten. Auf Grund der abgeschwächten Straßenbeleuchtung in der Zeit von 0.00 Uhr bis 5.00 Uhr konnten Personen beim Betreten bzw Verlassen des Grundstückes nicht registriert werden, während zu- oder abfahrende PKW mit eingeschalteter Beleuchtung, nicht aber deren Kennzeichen, problemlos erkannt werden konnten.

Die Videoüberwachung wurde zunächst im Zeitraum 3. 2. 2004 13.00 Uhr bis 5. 2. 2004 10.53 Uhr, anschließend von 5. 2. 2004 11.17 Uhr bis 9. 2. 2004 10.26 Uhr und dann von 24. 2. 2004 10.45 Uhr bis 30. 3. 2004, 14.29 Uhr mit gelegentlichen ungeplanten Unterbrechungen durch Sichtbehinderungen (starke Sonneneinstrahlung, Schnee, Regen, andere Fahrzeuge) durchgeführt. Mit der Videokamera wurden lediglich jene Vorgänge aufgenommen, die sich im Bereich des Hauseinganges auf öffentlichem Straßengrund bzw zwar innerhalb der Liegenschaft ereigneten, die jedoch vom öffentlichen Straßengrund aus sichtbar waren.

Ein Mitarbeiter der Zweitbeklagten suchte am 2. 3. 2004 gemeinsam mit einem Kollegen die Liegenschaft in N***** auf. Zum damaligen Zeitpunkt waren die Wege und Grundstücke der meisten Häuser in dieser kleinen Ortschaft tief verschneit, auch der zum Anwesen der Familie der Kläger führende Weg war nur teilweise vom Schnee geräumt. Fahr- und Fußspuren waren nicht zu sehen.

Die Videoaufnahmen wurden von Mitarbeitern der Zweitbeklagten ausgewertet und in einem schriftlichen Bericht (Beilage/A) festgehalten. Kein anderer Beklagter, insbesondere nicht der Erstbeklagte, sahen die Videoaufnahmen. Die Zweitbeklagte bewahrt die Videoaufzeichnungen in ihrem Unternehmen auf, um sie im Bedarfsfall insbesondere Gerichten vorlegen zu können.

Der Erstbeklagte veranlasste die Vorlage des Berichtes in einer Tagsatzung vor dem BG D***** im Juli 2004. Ansonsten gab er dem Bericht niemandem weiter.

Die Kläger streben mit ihrem Hauptbegehren die Verurteilung der Erst- bis Sechstbeklagten (die Abweisung des Klagebegehrens gegenüber ursprünglich Siebent- bis Zwölftbeklagte erwuchs in Rechtskraft) zu der aus dem Spruch ersichtlichen Unterlassung an. Die ohne Wissen und Zustimmung der Kläger erfolgte, mehrwöchige Observierung mittels Videoüberwachung stelle einen rechtswidrigen Eingriff in die Privat- und Geheimsphäre der Kläger dar. Dieser Eingriff sei durch kein legitimes Interessen der Beklagten gerechtfertigt: Der Rechtsschutz in einem Exekutionsverfahren sei beim BG D***** nicht besser als beim (nach den Behauptungen des Erstklägers zuständigen) BG F***** gewährleistet. Gegenüber der Zweitklägerin bestehe überhaupt kein Interesse, das eine durchgehende Überwachung des Grundstückes rechtfertigen könnte. Als Eigentümerin des Hauses genieße sie den Schutz ihrer Privatsphäre unabhängig davon, ob sie sich im Haus aufhalte: Allein der Umstand, dass sie im Haus Gäste empfange, sei ausreichend, die durchgehende Überwachung als unzulässigen Eingriff anzusehen. Auch vor dem Hintergrund eines zwischen dem Gatten der Zweitklägerin und der Drittbeklagten anhängigen Schiedsverfahrens stelle sich die Überwachung als rechtswidrig dar. Jedenfalls müsse bei einem Eingriff in die Privatsphäre das schonendste Mittel angewendet werden. Zahlreiche schonendere Mittel als eine geheime durchgehende Videoüberwachung wären zur Verfügung gestanden. Es bestehe keine Gewähr dafür, dass die Videoaufzeichnungen künftig den übrigen Beklagten oder Dritten nicht vorgeführt würden.

Die Beklagten wenden ein, mit der an dem PKW angebrachten getarnten Videokamera sei nur der Bereich des Hauseinganges, wie er auch vom öffentlichen Straßengrund sichtbar sei, überwacht worden. Es seien daher lediglich Vorgänge aufgezeichnet worden, die auch von jedem Passanten wahrgenommen werden könnten. Ein rechtswidriger Eingriff in die Privatsphäre der Kläger liege daher nicht vor. Überdies habe wegen des dringenden Verdachtes, der Erstkläger wolle sich durch falsche Behauptungen im Exekutionsverfahren dem tatsächlich zuständigen Gericht entziehen, ein wesentliches Interesse an der Überwachung der Liegenschaft bestanden. Die Videoüberwachung sei das möglicherweise einzig wirksame, jedenfalls schonendste Verteidigungsmittel gewesen. Da die Zweitklägerin das Haus nicht bewohne, demnach auch durch die Videoaufzeichnungen nicht erfasst worden sei, sei in ihre Privatsphäre überhaupt nicht eingegriffen worden. Im Übrigen stellten die Videoaufnahmen nur ein Hilfsmittel für die Tätigkeit der Zweitbeklagten dar. Den übrigen Beklagten seien die Aufnahmen niemals vorgeführt worden. Ihnen sei nur der schriftliche Bericht der Zweitbeklagten zugekommen. Die Gefahr einer missbräuchlichen Verwendung der Videoaufnahmen bestehe nicht. Das beantragte Verbot, über die Videoaufzeichnungen schriftliche Aufzeichnungen zu verfassen, sei mangels gesetzlicher Grundlage unzulässig.

Die Zweitbeklagte wendet überdies ein, dass das Vorbringen der Kläger, die Videoüberwachung stelle nicht das schonendste Mittel dar, deshalb unzutreffend sei, weil bei einer Überwachung durch Personen Irrtümer auftreten und behauptet werden könnten. Eine Videokamera „irre" hingegen nie. Die Videoüberwachung sei abgeschlossen. Wiederholungsgefahr bestehe daher nicht. Die Zweitbeklagte als gewerblich befugte Detektivagentur sei zur Beweismittelbeschaffung berechtigt. Die Stattgebung des Unterlassungsbegehrens käme einem Berufsverbot für die Zweitbeklagte gleich.

Das Erstgericht wies das Hauptbegehren ebenso wie mehrere Eventualbegehren ab. Nach Lehre und Rechtsprechung genieße das Recht auf Achtung der Geheimsphäre als absolutes Persönlichkeitsrecht Schutz gegen Eingriffe Dritter. Es habe eine Interessenabwägung zwischen den geschützten Interessen und dem Interesse des Handelnden bzw der Allgemeinheit stattzufinden. Aus den zum Thema der Videoüberwachung ergangenen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes (7 Ob 89/97g; 6 Ob 2401/96y = SZ 70/18) sei abzuleiten, dass eine andauende Videoüberwachung eines fremden Grundstücks dann unzulässig sei, wenn sie nur der Druckausübung in einem Nachbarschaftsstreit diene. Hingegen sei die Videoüberwachung eines Hauses zulässig, wenn sie dem Sicherheitsbestreben des im Haus wohnenden Liegenschaftseigentümers entspringe. Vor diesem Hintergrund scheine die nicht unbefristete, sondern nur sechs Wochen vorgenommene Videoüberwachung angesichts des Motivs der Überwachung (Widerlegung einer als wahrheitswidrig vermuteten Prozessbehauptung) zulässig. Das gelte auch für die Zweitklägerin, die zwar keine zur Videoüberwachung führende Handlung gesetzt habe, die aber - weil es sich nicht um die „männliche Zielperson" handle - durch die Videoaufzeichnung nicht identifiziert worden sei.

Das Berufungsgericht gab der dagegen von den Klägern erhobenen Berufung nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Zur Zulässigkeit einer mehrwöchigen Videoüberwachung zum Zweck der Erlangung von Beweismitteln in einem Gerichtsverfahren und den dabei zu berücksichtigenden Interessen fehle es an höchstgerichtlicher Rechtsprechung.

Inhaltlich billigte das Berufungsgericht die Rechtsauffassung des Erstgericht. Die Videoüberwachung habe - im Unterschied zu einer Überwachung des Erstklägers „auf Schritt und Tritt" - das gelindeste Mittel dargestellt, um den legitimen Zweck - nämlich die Widerlegung der Prozessbehauptungen des Erstklägers im Zuständigkeitsstreit, an deren Richtigkeit der Erstbeklagte begründet gezweifelt habe, zu erreichen. Zum Unterschied von heimlichen Tonbandaufzeichnungen, die nur bei Notwehr, Notstand oder ähnlichen hier nicht vorliegenden Interessen gerechtfertigt seien, seien nur Vorgänge aufgezeichnet worden, die für jeden Passanten wahrnehmbar gewesen seien. Die von der Drittbeklagten vorgelegte Videoaufzeichnung über die Videoüberwachung stelle offenbar die einzige Möglichkeit dar, die Behauptungen des Erstklägers im Zuständigkeitsstreit zu widerlegen. Überdies bestehe keine Missbrauchsgefahr: Die Videoaufzeichnungen seien von der zur Verschwiegenheit verpflichteten Zweitbeklagten angefertigt und ausgewertet worden. Eine konkret drohende Gefahr der unbefugten Verwendung der Aufzeichnungen bestehe nicht.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen von den Klägern erhobene Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig. Die Revision ist auch berechtigt.

Vorauszuschicken ist, dass auch gegenüber den in Deutschland ansässigen bzw wohnhaften Dritt- bis Sechstbeklagten österreichisches Recht anzuwenden ist: Die Kläger machen Persönlichkeitsrechte geltend. Ob Abwehransprüche gegen Eingriffe in Persönlichkeitsrechte unmittelbar dem § 48 Abs 1 IPRG zu unterstellen sind („außervertragliche Schadenersatzansprüche") oder ob eine Analogie zu § 13 Abs 2 IPRG zu ziehen ist (Schutz des Namens) kann deshalb dahingestellt bleiben, weil in beiden Fällen maßgeblicher Anknüpfungspunkt jener Ort ist, an dem das beanstandete Verhalten gesetzt wurde (SZ 2002/107 zum vergleichbaren Fall eines Unterlassungsanspruches wegen ehrverletzender Äußerungen).

Gemäß § 16 ABGB hat jeder Mensch angeborene, schon durch die Vernunft einleuchtende Rechte und ist daher als eine Person zu betrachten. Diese Bestimmung wird heute allgemein nicht als bloßer Programmsatz, sondern als Zentralnorm unserer Rechtsordnung angesehen. Sie anerkennt die Persönlichkeit als Grundwert. Aus ihr wird - ebenso wie aus anderen durch die Rechtsordnung geschützten Grundwerten (Art 8 EMRK§ 1 DSG) das jedermann angeborene Persönlichkeitsrecht auf Achtung seines Privatbereiches und seiner Geheimsphäre abgeleitet (SZ 2002/107; SZ 2002/ 83; SZ 67/173; RIS‑Justiz RS0008993). Grundfreiheiten und Menschenrechte richten sich primär an den Staat, während sie im Privatrecht ihre Verwirklichung im Allgemeinen in Form der mittelbaren Drittwirkung finden (SZ 2002/83; Posch in Schwimann, ABGB3 I, § 16 Rz 4). Soweit das nicht durch besondere einfachgesetzliche Normen geschieht, transportiert § 16 ABGB die verfassungsmäßig garantierten Grundrechte in das Privatrecht. Sie dienen damit nicht nur der Absicherung von fundamentalen Freiheiten und Rechten der Bürger gegenüber der Staatsmacht, sondern haben darüber hinaus auch Auswirkungen auf das Verhältnis der Bürger untereinander, indem die durch sie verkörperten Wertungen bei der Auslegung und Lückenfüllung privatrechtlicher Beziehungen zu berücksichtigen sind (Koch in KBB, § 16 Rz 10 mwN).

Die Berechtigung des von den Klägern geltend gemachten Unterlassungsbegehrens setzt zunächst voraus, dass das Recht der Kläger auf Achtung ihrer Privatsphäre (Geheimsphäre), das als absolutes Persönlichkeitsrecht Schutz gegen Eingriffe Dritter genießt ( SZ 70/18; SZ 51/146 ua) verletzt wurde. Aus dem Charakter der Persönlichkeitsrechte als absolute Rechte bejaht die Rechtsprechung Unterlassungsansprüche bei Persönlichkeitsverletzungen auch dann, wenn sie gesetzlich nicht ausdrücklich vorgesehen sind (Aicher in Rummel3 § 16 ABGB Rz 35 mH auf die Rsp). Das Recht auf Wahrung der Geheimsphäre schützt sowohl gegen das Eindringen in die Privatsphäre der Person als auch gegen die Verbreitung rechtmäßiger erlangter Information über die Geheimsphäre (Aicher aaO Rz 24).

Hier wurde die verdeckte Videoüberwachung über sechs Wochen, somit einen längeren Zeitraum systematisch, also von nicht vorhergesehenen Zwischenfällen (Wetter; Sichtverhältnisse) abgesehen durchgehend vorgenommen. Darüber hinaus ist die Videoüberwachung als identifizierend anzusehen: Eine identifizierende Videoüberwachung liegt nicht erst dann vor, wenn es sich um aufgezeichnete Informationen handelt, die von jedermann unmittelbar einer bestimmten Person zugeordnet werden können, sondern schon dann, wenn die Betroffenen nachträglich bestimmbar sind. Bestimmbarkeit und damit Identifizierbarkeit bedeutet, dass die Videoaufzeichnung auf Grund eines oder mehrere Merkmale letztlich einer bestimmten Person zugeordnet werden kann (vgl zum Kriterium der Bestimmbarkeit die E der Datenschutzkommission vom 21. 6. 2005, K507.515‑21/0004‑DVR/2005).

Systematische, verdeckte, identifizierende Videoüberwachung mit abrufbarer Bildaufzeichnung stellt immer einen Eingriff in das gemäß § 16 ABGB iVm Art 8 EMRK geschützte Recht auf Achtung der Geheimsphäre dar (König, Grundrechte und Videoüberwachung in ÖJK, Grundrechte in der Informationsgesellschaft, 119 [123]; BAG, 2 AZR 51/02; BAG 1 ABR 21/03; zur systematischen Videoüberwachung im Allgemeinen siehe BGH, NJW 1995, 1955; BAG, 1 ABR 21/03; ferner SZ 70/18; 7 Ob 89/97g).

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht auch nicht deshalb zu verneinen, weil die lückenlose Videoüberwachung des Hauseinganges von einer Stelle aus erfolgte, von der auch jeder unbeteiligte Passant die Geschehnisse hätte beobachten können: Bei der systematischen Videoüberwachung ist der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht wegen des Überwachungsdruckes zu bejahen: Die systematische Videoüberwachung unterscheidet sich von der ohne Hinzutreten besonderer Umstände im Regelfall zulässigen Beobachtung mit dem bloßen Auge dadurch, dass eine Videokamera im Unterschied zu einem menschlichen Beobachter in Bezug auf Wahrnehmungs- und Erinnerungsfähigkeit keinerlei Beeinträchtigung unterliegt und damit in der Lage ist, ein komplettes Gesamtbild der aufgenommenen Personen zu erstellen, wobei die gemachten Aufzeichnungen zeitlich nahezu unbegrenzt aufbewahrt werden können (BGH, NJW 1995,1955; Helle, Die heimliche Videoüberwachung - zivilrechtlich betrachtet, JZ 7/2004, 340 [341]). Die Summe von Informationen in ihrer systematischen Ausformung ist auch dann geschützt, wenn die einzelne Information für sich keinen Schutz genießt („Mosaiktheorie"- siehe dazu König, Grundrechte 123).

Auch gegenüber der Zweitklägerin ist der Eingriff in die Privatsphäre zu bejahen: Die Argumentation, die Zweitklägerin bewohne die Liegenschaft nicht; sie sei auch nicht gezielt beobachtet worden, ist nicht stichhältig: Zum einen reicht es, wie bereits dargelegt, zur Annahme einer identifizierenden Videoüberwachung, dass die Identität aufgenommener Personen zumindest bestimmbar ist. Zum anderen kann es für die Zulässigkeit einer systematischen, identifizierenden und verdeckten Videoüberwachung nicht darauf ankommen, ob sich ex post herausstellt, dass der Eigentümer der von der Überwachung betroffenen Liegenschaft konkret diese Liegenschaft nicht nützt. Vielmehr ist die Zulässigkeit ex ante zu beurteilen. Dabei ist ein Recht des Liegenschaftseigentümers zu bejahen, dass die auf seiner Liegenschaft ein- und ausgehenden Personen (Familienangehörige, Mieter, Gäste, Angestellte) nicht systematisch beobachtet werden. Zur Gewährleistung der Privatsphäre des Liegenschaftseigentümers ist somit auch erforderlich, dass er nicht gewärtigen muss, dass die Nutzung (oder Nichtnutzung) seiner Liegenschaft durch ihn selbst oder Dritte systematisch überwacht und aufgezeichnet wird.

Ist aber ein Eingriff in die Privatsphäre beider Kläger zu bejahen, muss geprüft werden, ob dem Eingriff ein berechtigtes Interesse des Überwachers entgegensteht. Für dessen Vorliegen ist der Überwacher behauptungs- und beweispflichtig, den auch die Behauptungs- und Beweislast dafür trifft, dass die Maßnahme ihrer Art nach überhaupt geeignet ist, das angestrebte Ziel zu erreichen.

Die Beklagten haben ihr Interesse an der Videoüberwachung damit begründet, dass damit die Behauptungen des Erstklägers im Zuständigkeitsstreit vor dem BG D***** in einem Exekutionsverfahren widerlegt werden sollten. Im Unterschied zu Zielen, die die Gewährleistung von Sicherheit (Recht auf körperliche Unversehrtheit; Schutz des Eigentums) verfolgen, begründen „bloße Informationsinteressen" nur dann ein von der Rechtsordnung anerkanntes Ziel, wenn die angestrebte Information einem legitimen Zweck dient. Aus diesem Grund rechtfertigt etwa weder reine Neugier (König,Videoüberwachung, Verlag Österreich [2001], 171f) noch der Wunsch, Nachbarn wegen eines schwelenden Nachbarschaftsstreites „abzuschrecken" (7 Ob 89/97g) die Überwachung.

Davon unterscheidet sich der hier zu beurteilende Sachverhalt dadurch, dass ein Interesse der Beklagten an der Erlangung von Beweismitteln für einen Zuständigkeitsstreit in einem Gerichtsverfahren bestand. Insofern ist den Vorinstanzen darin beizupflichten, dass es sich dabei um ein grundsätzlich anzuerkennendes Interesse handelt: Die Auffassung der Beklagten, der Rechtsschutz in einem Exekutionsverfahren sei bei jedem österreichischen Bezirksgericht gleich gut gewährleistet, setzt sich über das bereits vom Berufungsgericht zutreffend hervorgehobene Recht jedes Einzelnen auf den gesetzlichen Richter ebenso hinweg wie über die Überlegung, dass eine - unrichtige - Bestreitung der Zuständigkeit zu Verfahrensverzögerungen führt.

Die Videoüberwachung stellte auch ein geeignetes Mittel dar, den angestrebten Zweck zu erreichen.

Steht fest, dass der Eingriff in die Privatsphäre in Verfolgung eines von der Rechtsordnung anerkannten Interesses erfolgte, steht dem Beeinträchtigten der Einwand offen, dass die Maßnahme nicht das schonendste Mittel zur Zweckerreichung darstellte. Stellt somit die Videoüberwachung nicht das schonendste Mittel zur Zweckerreichung dar, erübrigt sich die Vornahme einer Interessenabwägung (König, Videoüberwachung, 173; im Ergebnis auch BGH, NJW 1995, 1955, der auf die Zumutbarkeit weniger schwerwiegender Maßnahmen als jene der Videoüberwachung abstellt).

Die Kläger haben ausdrücklich vorgebracht, dass die Videoüberwachung nicht das schonendste Mittel dargestellt habe. Diesem Einwand kommt Berechtigung zu: Ob, wie das Berufungsgericht meint, eine personelle Überwachung des Erstklägers auf „Schritt und Tritt" wirklich einen größeren Eingriff in seine Privatsphäre bedeutet hätte als die Videoüberwachung, kann hier deshalb dahingestellt bleiben, weil nicht ersichtlich ist, warum nicht eine Beobachtung der Liegenschaft durch einen abgestellten Detektiv ausgereicht hätte. Dafür, dass diese Maßnahme wirtschaftlich nicht vertretbar (und damit unzumutbar) wäre, bestehen keine Anhaltspunkte. Die Feststellung, es habe sich bei der Videoüberwachung nach Angaben der Geschäftsführerin der Zweitbeklagten um die kostengünstigste Alternative gehandelt, rechtfertigt nicht den Umkehrschluss, dass die Beobachtung der Liegenschaft durch einen Detektiv wirtschaftlich unzumutbar gewesen wäre. Aber auch der Einwand, eine Videokamera „irre" im Unterschied zu einem menschlichen Beobachter nie, ist nicht stichhältig: Abgesehen davon, dass technische Gebrechen bei einer Videoüberwachung nicht auszuschließen sind, hätte der „menschliche Beobachter" (Detektiv) auch gezielt Aufnahmen bei konkreter Beobachtung des Erstklägers beim Betreten oder Verlassen der Liegenschaft anfertigen können. Dass diese punktuellen Maßnahmen jedenfalls schonender als eine systematische Videoüberwachung gewesen wären, ergibt sich aus den bereits dargelegten Überlegungen zum permanenten Überwachungsdruck, den eine durchgehende gezielte Videoüberwachung erzeugt. Vor allem aber darf hier nicht außer Acht gelassen werden, dass diese Maßnahme die Zweitklägerin als gänzlich unbeteiligte Dritte jedenfalls weit weniger beeinträchtigt hätte, weil nicht die Gesamtbenützungssituation der Liegenschaft einer dauernden Videoüberwachung ausgesetzt gewesen wäre.

Dem Einwand, Missbrauchsgefahr bestehe nicht, weil nur die zur Verschwiegenheit verpflichtete Zweitbeklagte Einsicht in die Videoaufzeichnung genommen habe, kommt schon deshalb keine Berechtigung zu, weil nicht einmal behauptet wurde, dass die Drittbeklagte sich vertraglich gegenüber der Zweitbeklagten verpflichtet hätte, auf ein Einsichtsrecht in die in ihrem Namen beauftragten Videoaufzeichnungen zu verzichten. Im Übrigen wurden die Videoaufzeichnungen gerade zu dem Zweck der Verwendung in einem Gerichtsverfahren angefertigt. Hätten daher etwa Zweifel an der Übereinstimmung des von der Zweitbeklagten angefertigten Berichtes Blg./A mit dem Inhalt der Videoaufzeichnungen bestanden, hätte nur die Vorlage der Aufzeichnungen im Gerichtsverfahren dem Zweck ihrer Anfertigung entsprochen. Die sich aus § 130 Abs 5 GewO Satz 1 ergebende Verschwiegenheitspflicht der zweitbeklagten Berufsdetektivin besteht gemäß Satz 2 nicht, wenn und insoweit der Auftraggeber von dieser Pflicht entbindet. Eine Gewähr für die Kläger, dass die Drittbeklagte von diesem Entbindungsrecht nicht Gebrauch macht, besteht nicht.

Die Stattgebung des Unterlassungsbegehrens kommt auch keinem Berufsverbot für die Zweitbeklagte gleich: Die Zweitbeklagte ist zwar gemäß § 129 Abs 1 Z 3 GewO zur Beschaffung von Beweismitteln für Zwecke eines gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Verfahrens berechtigt. Daraus lässt sich aber nicht ableiten, dass dem Berufsdetektiv bei der Beweismittelbeschaffung weitergehende Eingriffe in die Privatsphäre zustehen als seinem Auftraggeber: Vielmehr kann das auftragsgemäße Verhalten eines Detektivs nur dadurch gerechtfertigt sein, dass die Interessen seines Auftraggebers die Art der Beweismittelbeschaffung rechtfertigen und die Maßnahme das schonendste Mittel darstellt (s. auch Lukas, Schadenersatz bei der Verletzung der Privatsphäre, RZ 2004, 33 [38] zu dem am 1. 1. 2004 in Kraft getretenen § 1328a ABGB, und seine zutreffende Ablehnung der EB zu dieser Gesetzesbestimmung - ErläutRV BlgNr 173 22.GP 17 - wonach ein Privatdetektiv niemals rechtswidrig und schuldhaft handeln kann, wenn er in Ausübung einer gewerberechtlichen Befugnis tätig wird).

Der schon in erster Instanz nicht substantiierte Einwand der mangelnden Passivlegitimation (RIS‑Justiz RS0065553) wird in den Rechtsmittelgegenschriften nicht mehr erwähnt.

Die in erster Instanz bestrittene Wiederholungsgefahr ist zu bejahen: Unter sinngemäßer Heranziehung der im Wettbewerbsrecht und zu § 1330 ABGB entwickelten Grundsätze ist es, wenn bereits ein Eingriff in die Privatsphäre erfolgte, Sache des Beklagten, Umstände zu behaupten und zu beweisen, denen gewichtige Anhaltspunkte dafür zu entnehmen sind, dass der Verletzer ernstlich gewillt ist, von künftigen Eingriffen Abstand zu nehmen (RIS‑Justiz RS 0037661; RS0102057). Ein solches Vorbringen wurde hier nicht erstattet. Vielmehr beharren die Beklagten noch im Revisionsverfahren auf dem Standpunkt, dass die Videoüberwachung nicht rechtswidrig erfolgt sei.

Schließlich bestehen auch keine Bedenken gegen die begehrte Verpflichtung der Unterlassung schriftlicher Aufzeichnungen über Videoaufnahmen: Dieser in Zusammenhang mit der begehrten Unterlassung der Videoüberwachung zu verstehende Teil des Urteilsbegehrens ergibt sich als Konsequenz aus der Berechtigung des Begehrens auf Unterlassung der Videoüberwachung.

Bereits aus diesen Gründen war dem Hauptbegehren stattzugeben. Ein Eingehen darauf, dass im Fall einer Videoüberwachung mit digitaler Bildaufzeichnung eine Datenanwendung im Sinne des § 4 Z 7 DSG 2000 stattfindet (E der Datenschutzkommission vom 21. 6. 2005, K. 507.515‑21/0004‑DVR/2005), - worauf sich die Kläger allerdings im Verfahren nie berufen haben - erübrigt sich somit ebenso wie eine Prüfung der zivilrechtlichen Folgen einer solchen Datenanwendung.

Die Entscheidung über die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens gründet sich ebenso wie jene über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens auf §§ 41, 46, 50 ZPO. Den Klägern gebührt lediglich 35 % Streitgenossenzuschlag.

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