OGH 9ObA153/05y

OGH9ObA153/05y16.12.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Manfred Engelmann und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Erika V*****, Angestellte, *****, vertreten durch Gabler, Gibel & Partner, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei M***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Korn/Frauenberger, Rechtsanwälte OEG in Wien, wegen Anfechtung einer Kündigung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 17. August 2005, GZ 9 Ra 8/05w-59, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Bei der Lösung der Frage, ob eine Kündigung sozial ungerechtfertigt ist, muss vorerst ohne Rücksicht auf andere Anfechtungsvoraussetzungen und ohne Koppelung mit anderen Tatbeständen oder Tatbestandsmerkmalen geprüft werden, ob durch sie wesentliche Interessen des betroffenen Arbeitnehmers beeinträchtigt werden (RIS-Justiz RS0051640; zuletzt etwa 8 ObA 4/04b). Schließlich soll der Kündigungsschutz des § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG (nur) jenen Arbeitnehmern gewährt werden, die auf ihren Arbeitsplatz zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes angewiesen sind (WBl 1999/369; 9 ObA 223/02p). Gelingt dem Arbeitnehmer der ihm obliegende Nachweis einer wesentlichen Interessenbeeinträchtigung nicht, ist das Klagebegehren abzuweisen, ohne dass es einer Prüfung der weiteren Anfechtungsvoraussetzungen bedarf (Arb 10.771; DRdA 1992/53 [Mosler]; 9 ObA 223/02p). Ob der Arbeitgeber seiner sozialen Gestaltungspflicht entsprochen hat (s dazu RIS-Justiz RS0051827) bzw ob er die Klägerin durch neu aufgenommene Arbeitnehmer ersetzt hat, ist nur im Zusammenhang mit der Frage zu prüfen, ob die - wesentliche Interessen des Gekündigten beeinträchtigende - Kündigung betriebsbedingt iSd § 105 Abs 3 Z 2 lit b ArbVG gerechtfertigt ist. Diese Frage ist aber, wenn - wie hier - die wesentliche Beeinträchtigung der Interessen des Gekündigten verneint wird, nicht mehr zu prüfen.

Ob die Kündigung wesentliche Interessen des gekündigten Arbeitnehmers beeinträchtigt, kann letztlich immer nur an Hand der Umstände des Einzelfalls geprüft werden. Die Anwendung einer richtig erkannten Rechtslage auf den konkreten Einzelfall stellt aber im Allgemeinen keine iSd § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage dar, die die Zulässigkeit der Revision rechtfertigen könnte.

Dass das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgegangen sei, indem es die Frage der Beeinträchtigung wesentlicher Interessen der Klägerin ausschließlich unter Hinweis auf die von deren Ehegatten bezogene Abfertigung verneint habe, trifft nicht zu.

Dass bei der Gesamtprüfung der Sozialwidrigkeit einer Kündigung ua auch auf das Einkommen des Ehegatten des gekündigten Arbeitnehmers Bedacht genommen wird, entspricht grundsätzlich der ständigen Rechtsprechung. Dabei kann es sich aber - wie der Oberste Gerichtshof in 9 ObA 174/01f klargestellt hat - nur um einen von mehreren Faktoren handeln, dem kein Vorrang gegenüber anderen Aspekten beigemessen werden darf. Vielmehr kommt es darauf an, alle sozialen Aspekte zueinander in Beziehung zu setzen und die jeweiligen Umstände des Einzelfalls zu gewichten, um nicht allenfalls auf diesem Weg Frauen bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu diskriminieren (näher 9 ObA 174/01f). All das hat aber das Berufungsgericht ohnedies berücksichtigt, das eine umfassende Betrachtung der sozialen Verhältnisse der Klägerin und ihres Ehegatten vorgenommen hat. Richtig ist, dass das Berufungsgericht im Rahmen dieser umfassenden Beurteilung auch berücksichtigt hat, dass der Ehegatte im Vorfeld des hier maßgebenden Zeitpunkts aus Anlass der Beendigung nicht nur eine Abfertigung von S 2,95 Mio netto und weitere namhafte finanzielle Begünstigungen erhalten hatte, sondern auch auf Grund seiner in der Folge ausgeübten Tätigkeiten ein laufendes Einkommen erzielte, sodass die Eheleute insgesamt in der Lage waren, „mit dem Geld großzügig" umzugehen, „weil eine höhere Summe vorhanden" war (zu den im Detail festgestellten, außerordentlich großzügigen Anschaffungen der Eheleute siehe S 10 des Ersturteils). Vor diesem Hintergrund kann in der Rechtsauffassung der zweiten Instanz, die angesichts der Lebensverhältnisse der Klägerin und ihres Gatten eine wesentliche Interessenbeeinträchtigung iSd § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG verneinte, keine unvertretbare Fehlbeurteilung erblickt werden, die die Zulässigkeit der Revision rechtfertigen könnte.

Dass ein „Sozialvergleich" zu Gunsten der Klägerin ausfallen würde - sie behauptet, dass andere Mitarbeiter weniger von einer Kündigung betroffen gewesen wären - würde keineswegs zwingend den Schluss rechtfertigen, dass eine wesentliche Beeinträchtigung ihrer Interessen erwiesen wäre. Ihr entsprechender Einwand ist daher von vornherein nicht geeignet, die Unvertretbarkeit der Rechtsauffassung der zweiten Instanz aufzuzeigen. Abgesehen davon bedürfte es für die Durchführung des Sozialvergleichs genauer Feststellungen über die dienstliche Stellung, die Tätigkeit sowie die persönlichen, familiären und wirtschaftlichen Verhältnisse der in diesen Vergleich einzubeziehenden Personen (SZ 62/27). Derartige Feststellungen konnten aber - obwohl das Erstgericht über das entsprechende Tatsachenvorbringen der Klägerin hinausging - nur ansatzweise getroffen werden. Die Behauptung, dass andere Arbeitnehmer anstelle der Klägerin aufgenommen worden seien, hat mit dem von ihr angestrebten Sozialvergleich nichts zu tun.

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