OGH 7Ob277/05v

OGH7Ob277/05v14.12.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Alois H*****, vertreten durch Dr. Michael Kinberger, Dr. Alexander Schuberth und Mag. Rene Fischer, Rechtsanwälte in Zell am See, gegen die beklagten Parteien 1. Josef H*****, und 2. Walter H*****, beide vertreten durch Schreckenender & Schröder, Rechtsanwälte OEG in Zell am See, wegen Unterlassung (Streitinteresse EUR 9.800), über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgericht vom 25. Juli 2005, GZ 54 R 100/05b-11, womit infolge der Berufungen beider Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Saalfelden vom 3. Februar 2005, GZ 2 C 2110/04w-5, als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Rekurs wird, soweit er Nichtigkeit geltend macht, verworfen.

Im Übrigen wird dem Rekurs keine Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien zu Handen ihrer Vertreter binnen 14 Tagen die mit EUR 732,23 (hierin enthalten EUR 122,04 USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung

Mit der am 23. 12. 2004 eingebrachten Klage begehrte der Kläger

1. die beklagten Parteien zur ungeteilten Hand schuldig zu erkennen, Beeinträchtigungen des Klägers bei Nutzung des Güterweges Sch***** bzw von Gästen und Lieferanten zu unterlassen;

2. darüber hinaus den Erstbeklagten schuldig zu erkennen, es zu unterlassen

a) das im nordwestlichen Bereich des Stallgebäudes auf Grundstück 271 befindliche den Güterweg Sch***** überspannende Tor zu schließen bzw verschlossen zu halten sowie

b) den Güterweg Sch***** ca 10 bis 15 Meter nördlich des unter 2.a) bezeichneten Tores durch Gülle und Abwässer zu verunreinigen.

Zur Begründung brachte der Kläger vor, dass seine Liegenschaft über den genannten Güterweg aufgeschlossen sei, wobei sämtliche Streitteile Interessenten, nicht aber Mitglieder der Bringungsgemeinschaft seien. Die Beklagten hätten die ihm sowie sämtlichen Bewohnern seines Hauses samt Gästen und Lieferanten zustehende Zu- und Abfahrt mehrfach gestört. Im Übereinkommen zur Gründung des Güterweges Sch***** hätten sich jedoch die Mitglieder der Bringungsgemeinschaft verpflichtet, dass der Güterweg weder abgeschrankt noch der Verkehr durch Hinweiszeichen auf den Anrainerverkehr eingeschränkt werde.

Die beklagten Parteien bestritten Störungshandlungen gesetzt zu haben und beantragten Klageabweisung.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zu P.1 statt (allerdings ohne den Zusatz „zur ungeteilten Hand", jedoch ohne nähere Begründung bezüglich einer allfälligen Abweisung desselben als Mehrbegehren); die beiden übrigen, nur gegen den Erstbeklagten gerichteten Begehren wurden hingegen abgewiesen.

Gegen dieses Urteil erhoben sämtliche Parteien Berufungen, wobei in jener der beklagten Parteien ausdrücklich Nichtigkeit nach „§ 474 Abs 1 Z 3 ZPO" geltend gemacht wurde, weil für die gegenständliche Auseinandersetzung ausschließlich die Agrarbehörde zuständig sei.

Das Berufungsgericht gab der Nichtigkeitsberufung der beklagten Parteien Folge, hob das angefochtene Urteil samt dem vorausgegangenen Verfahren als nichtig auf und wies die Klage zurück; der Kläger wurde mit seiner Berufung auf diese Entscheidung verwiesen. Die erstinstanzlichen Verfahrenskosten wurden gegenseitig aufgehoben, darüber hinaus der Kläger zur Zahlung der Berufungskosten der beklagten Partei verpflichtet.

Das Berufungsgericht ging - zusammengefasst - davon aus, dass der Kläger keinen zivilrechtlichen Anspruch geltend mache, sondern einen solchen, wie er im Übereinkommen vom 15. 7. 1998 vor der Agrarbehörde geregelt worden sei, woraus sich die Zuständigkeit derselben und nicht der Gerichte ergäbe. Nur dann, wenn der Kläger nicht schon in der Klage das „dem" (richtig: den) Beklagten zustehende Bringungsrecht erwähnt hätte, wäre die Zulässigkeit des Rechtsweges „überhaupt nicht in Zweifel zu ziehen". So aber habe er dargelegt, dass hinsichtlich sämtlicher Streitteile das Recht auf Benützung des Güterweges auf dem Übereinkommen zur Gründung desselben beruhe. Damit mache er aber einen Anspruch nach § 18 des Salzburger Güter- und Seilwegegesetzes 1970 (im Folgenden kurz: Sbg GSLG) geltend, also keinen zivilrechtlichen Anspruch.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der auf die Rechtsmittelgründe der Nichtigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Rekurs der klagenden Partei mit dem Antrag, in Stattgebung des Rechtsmittels den bekämpften Beschluss aufzuheben und dem Berufungsgericht eine Entscheidung über die Berufungen beider Parteien unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen.

Die beklagten Parteien haben eine Rekursbeantwortung erstattet, in welcher der Antrag gestellt wird, dem Rechtsmittel des Gegners keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig (§ 510 Abs 1 Z 1 ZPO), jedoch nicht berechtigt.

Als Nichtigkeitsgrund wird geltend gemacht, dass die beklagten Parteien in ihrer Berufung das Ersturteil wegen § 477 Abs 1 Z 3 ZPO angefochten hätten, sodass das Berufungsgericht nicht den „nicht platzgreifenden Nichtigkeitsgrund" nach § 477 Abs 1 Z 6 ZPO (Unzulässigkeit des Rechtsweges) aufgreifen hätte dürfen. Dabei wird jedoch einerseits übersehen, dass es sich bei den diesbezüglichen Ausführungen im Rechtsmittelschriftsatz an das Gericht zweiter Instanz bezüglich der zitierten Gesetzesstelle um einen bloßen (offenkundigen) Schreib- oder Diktatfehler handelt, inhaltlich jedoch durch die Relevierung der „Zuständigkeit der Agrarbehörde" in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise das Prozesshindernis der Rechtswegunzulässigkeit geltend gemacht wurde (wobei die Berufungswerber auch gar nicht gehalten waren, hiezu eine bezughabende Gesetzesstelle gesondert zu nennen: vgl RIS-Justiz RS0111425; wenn sie dies trotzdem taten, kann die bloße paragrafenmäßige Falschbezeichnung schon gemäß § 84 Abs 2 letzter Satz ZPO nicht zu ihrem Nachteil ausschlagen: RIS-Justiz RS0036258). Andererseits handelt es sich jedoch bei der Unzulässigkeit des Rechtsweges um eine absolute, in jeder Lage des Verfahrens bis zur Rechtskraft der Entscheidung (auch) von Amts wegen wahrzunehmende Prozessvoraussetzung (Mayr in Rechberger, ZPO² Rz 1 zu § 42 JN; Ballon in Fasching/Konecny, ZPO² Rz 8 zu § 42 JN; RIS-Justiz RS0046249). Damit ist aber der Rekurs, soweit er - einzig mit der Begründung des Fehlzitats - Nichtigkeit geltend macht, zu verwerfen.

Darüber hinaus hat der Oberste Gerichtshof Folgendes erwogen:

Bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsweges ist maßgeblich, ob nach dem Inhalt der Klage (Klagebegehren und Klagebehauptungen) - unabhängig von der rechtlichen Beurteilung durch die klagenden Partei (1 Ob 33/99f = SZ 72/130; 10 Ob 86/05b) - seiner Natur nach ein zivilrechtlicher Anspruch erhoben wird, über den die ordentlichen Gerichte zu entscheiden haben (RIS-Justiz RS0045584; 10 Ob 86/05b mwN). Dies gilt auch dann, wenn dem erhobenen Anspruch eine Einwendung, die sich auf einen öffentlich-rechtlichen Titel stützt, entgegengehalten wird (SZ 47/40; 10 Ob 86/05b) - was hier (jedenfalls im erstinstanzlichen Verfahren) seitens der beklagten Parteien ohnedies nicht geschehen ist.

In diesem Sinn ist für die Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtsweges im vorliegenden Fall zu untersuchen, ob die klagende Partei die beklagten Parteien inhaltlich aus einem privatrechtlichen Titel oder aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschrift in Anspruch nimmt.

Nach § 18 Sbg GSLG, LGBl 1970/41 idgF hat die Agrarbehörde „unter Ausschluss des Rechtsweges über Streitigkeiten zu entscheiden, die

1. Bestand, Inhalt, Umfang und Ausübung eines Bringungsrechtes einschließlich der Erhaltung von Bringungsanlagen betreffen,

2. Entschädigungs- oder Beitragsleistungen nach diesem Gesetz betreffen,

3. zwischen einer Bringungsgemeinschaft und ihren Mitgliedern oder den Mitgliedern untereinander aus dem Gemeinschaftsverhältnis entstehen und nicht bereits nach den Schlichtungsbestimmungen iSd § 14 Abs 1 Z 5 beigelegt werden konnten."

Aus der von der klagenden Partei vorgelegten und von den beklagten Parteien in der Streitverhandlung vom 31. 1. 2005 sowohl als echt als auch als richtig ausdrücklich anerkannten Urkunde Beilage D (Verhandlungsschrift der Agrarbehörde Land Salzburg vom 15. 7. 1998 betreffend Güterwegprojekt Sch***** in M*****) geht hervor, dass nach dem zwischen den Beteiligten, darunter auch den nunmehrigen Streitteilen, protokollierten „Übereinkommen" das wechselseitig zugestandene land- und forstwirtschaftliche Bringungsrecht nicht bloß in einem Geh-, Fahrt- und Viehtriebsrecht besteht, sondern „auch die Erschließung der Höfe in sozialer Sicht (d.i. Fahrten für private Zwecke und den persönlichen Bedarf ...) umfasst und auch sämtliche Nutzungen im Rahmen des bäuerlichen Nebenerwerbes (d.i. Privatzimmervermietung ...) sowie die Benützung der Weganlage durch sonstige Gäste und Bestandnehmer, insbesondere auch die Zufahrt durch die Gäste des Jugendheimes S***** beinhaltet." Darüber hinaus ist hierin ausdrücklich festgehalten, dass die Mitglieder der Bringungsgemeinschaft und die Grundeigentümer vereinbaren, „dass der Güterweg weder abgeschrankt noch der Verkehr durch Hinweiszeichen auf den Anrainerverkehr eingeschränkt wird. Des weiteren sichern sich die Beteiligten die Nutzung des Güterweges für gastgewerbliche Zwecke, auch für zukünftige Gewerbe - bzw die Erweiterung bestehender Gewerbe zu."

Da sich der Kläger ausdrücklich (und ausschließlich) auf dieses Übereinkommen beruft (siehe Beweisanbot in seiner Klage), kann es auch keinem Zweifel unterliegen, dass er seinen Anspruch aus dem ihm hierin zugestandenen und wie vor inhaltlich umschriebenen Bringungsrecht ableitet und dieses Bringungsrecht auch zum Gegenstand der beantragten (gerichtlichen) Entscheidung machte (vgl 1 Ob 63/02z = EvBl 2002/161, der allerdings ein anders gelagerter Sachverhalt zugrunde lag). Streitigkeiten darüber sind aber nach der wiedergegebenen Anordnung des § 18 Sbg GSLG der Agrarbehörde und nicht den Gerichten überantwortet. Einen darüber hinaus gehenden Privatrechtstitel macht er für seine Eigentumsfreiheitsklage nicht geltend, somit auch keinen privatrechtlichen Anspruch, dessen Beurteilung im ordentlichen Rechtsweg zu erfolgen hätte (RIS-Justiz RS0012079). Es trifft - nach dem Inhalt der Urkunde der Agrarbehörde Salzburg - demnach auch nicht (wie im Rechtsmittel ausgeführt) zu, dass er seinen Unterlassungsanspruch auf eine (bloße) „zivilrechtliche Vereinbarung" bzw das Nachbarrecht (§ 364 ABGB) gestützt habe, sondern vielmehr das gemäß § 2 Abs 1 lit b Sbg GSLG auch durch „Parteienübereinkommen" begründete und in § 18 leg cit näher umschriebene Bringungsrecht. Die nunmehr zum Gegenstand der Unterlassungsklage gemachten Verhaltensweisen treffen dabei auch gleichermaßen „Mitglieder der Bringungsgemeinschaft" wie auch (bloße) „Grundeigentümer" (S 12 vorletzter Absatz der Verhandlungsschrift). Da somit die Entscheidung des Berufungsgericht nicht auf einer „Verkennung der Rechtslage", sondern vielmehr zutreffender Rechtsauffassung beruht, war dem Rekurs auch insoweit keine Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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