OGH 7Ob267/05y

OGH7Ob267/05y28.11.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P*****, vertreten durch Dr. Michael Metzler, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei Dr. Stephan K*****, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Firma H*****, vertreten durch Univ. Doz. Dr. Johannes Reich-Rohrwig, Rechtsanwalt in Wien, sowie der auf Seiten der beklagten Partei beigetretenen Nebenintervenientin N*****, vertreten durch Univ. Doz. Dr. Johannes Reich-Rohrwig, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei und der Nebenintervenientin gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 7. September 2005, GZ 14 R 63/05s-45, womit infolge Berufung der beklagten Partei und der Nebenintervenientin das Urteil des Bezirksgerichtes Traun vom 2. Februar 2005, GZ 11 C 1329/04m-30 (idF des Berichtigungsbeschlusses 11 C 1329/04m-33, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei und der Nebenintervenientin wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1.) Das Urteil des Berufungsgerichtes wurde dem Vertreter der beklagten Partei und der Nebenintervenientin am Dienstag, den 4. 10. 2005, zugestellt (Rückschein in AS 598); die Revisionsschrift wurde am Mittwoch, den 2. 11. 2005 (letzter Tag) zur Post gegeben, jedoch an das falsche Gericht (Bezirksgericht Dornbirn) geschickt, wo sie am 4. 11. 2005 einlangte und von dort dem richtig adressierten Gericht Bezirksgericht Traun weitergeleitet wurde; dort langte sie am 8. 11. 2005 ein (Eingangsvermerke am Revisionsschriftsatz ohne ON). Da jedoch am 2. 11. - somit fristwahrend - um 23.09 Uhr die Revision auch per Fax an das (richtige) Erstgericht gesandt worden war (ON 46), ist letztlich von der Rechtzeitigkeit des erhobenen Rechtsmittels auszugehen.

2.) Maßgebliche Streitfrage zwischen den Parteien (und der Nebenintervenientin als behaupteter Rechtsnachfolgerin der vormaligen Bestandnehmerin und nunmehrigen Gemeinschuldnerin) sowie gemäß § 502 Abs 1 ZPO zu beurteilende Rechtsfrage ist jene nach der Qualifikation des Bestandvertrages der Parteien als Geschäftsraummiete oder Unternehmenspacht. Das Berufungsgericht hat die diesbezügliche Judikatur des Obersten Gerichtshofes (samt Schrifttum) ausführlich, gewissenhaft und genau wiedergegeben und aufgelistet (AS 624 ff) - wobei der nunmehr beklagte Masseverwalter selbst in seinem Bericht an das Konkursgericht vom 22. 6. 2004 (Beilage C) noch von einem „Pachtverhältnis" ausgegangen war, wovon nunmehr nach seinem Prozessstandpunkt jedoch keine Rede mehr sein soll. Diese Qualifikation entspricht nicht nur der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (s hiezu etwa auch die Übersicht von Iro, Die Rechtsnatur von Bestandverträgen in Einkaufszentren, RdW 2005, 666 FN 2), sondern auch der weitaus überwiegenden Auffassung im Schrifttum (Iro, aaO FN 1; abl allerdings Iro selbst aaO). Dass hiebei die Bezeichnung als „Mietvertrag" (unter Verwendung eines „Standardmietvertrages") die Qualifizierung als Pachtvertrag (auch im Rahmen eines Bestandvertrages wie hier in einem Einkaufszentrum) nicht ausschließt, hat der Oberste Gerichtshof bereits zu 6 Ob 59/00w ausdrücklich ausgesprochen (vgl auch 4 Ob 249/97i und SZ 2002/160 sowie insbes Jud, Bestandverträge in Einkaufszentren, wobl 2005, 121 ff). Daran ist festzuhalten; jedenfalls ist dem Gericht zweiter Instanz angesichts dieses überwiegenden Meinungsgleichklangs keine Überschreitung seines immer von den Umständen des jeweils zu beurteilenden Einzelfalles abhängigen Beurteilungsspielraumes vorzuwerfen.

Dass bei einem derartigen Dauerschuldverhältnis wichtige Gründe zur vorzeitigen Auflösung berechtigen, ergibt sich aus § 1 Abs 4 letzter Satz iVm § 8 Abs 1 lit j desselben (Beil B), worin die Einleitung eines Konkursverfahrens (über die Bestandnehmerin) ausdrücklich zwischen den Streitteilen als Grund für eine „Aufkündigung aus wichtigem Grund" vereinbart worden war.

Das Berufungsgericht hat sich diesbezüglich auch ausführlich und sorgfältig mit der Auslegung dieses Vertrages im Zusammenhalt mit den Vertragsgesprächen der befassten Personen und den örtlichen Lokalitätsverhältnissen befasst.

Alle diese Fragen sind - wie das Berufungsgericht zutreffend in seinem Nichtzulassungsausspruch hervorhob - typische Einzelfallbeurteilung (RIS-Justiz RS00311839), wogegen in der außerordentlichen Revision - im Wesentlichen nur die Standpunkte bereits in den Vorinstanzen wiederholt, jedoch nichts Substantielles neu vorgebracht wird.

Die Frage des in § 28 des „Mietvertrages" verankerten Weitergaberechtes im Sinne einer Unternehmensveräußerung kommt hiebei auch deshalb nicht entscheidend zum Tragen, weil nach den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen der Konkurs am 11. 5. 2004 eröffnet wurde, bereits am nächsten Tag (also am 12. 5. 2005) die Kündigung durch die Klägerin erfolgte und erst am 21. 6. 2004 der Notariatsakt zwischen Masseverwalter und nunmehriger Nebenintervenientin (als Erwerberin) geschlossen wurde (Beil 2); das Datum des Einlangens der Klage am 1. 7. 2004 ist damit unmaßgeblich. Dass die Gemeinschuldnerin dem Räumungsbegehren bislang nicht nachgekommen ist, ist unstrittig. Ein bezeichnendes Licht wirft auch die Tatsache, dass trotz behaupteter rechtlicher wie faktischer Vermögensübertragung (Unternehmensübernahme) sogar beim gerichtlichen Augenschein am 7. 10. 2004 noch nicht einmal die Geschäftsschilder ausgetauscht waren (ON 16, AS 172). Die auch in der Revision beharrlich monierte fehlende Passivlegitimation ist damit ebensowenig gegeben wie von einer „grob unrichtigen" Abgrenzung zwischen Miete und Pacht noch von einem Widerspruch mit der ständigen Rechtsprechung bei der Auslegung von Verträgen ausgegangen werden kann.

Die Ausübung des vertraglich ausdrücklich eingeräumten Kündigungsrechtes durch die Bestandgeberin steht auch nicht mit § 23 Abs 1 KO im Widerspruch. Die Revision argumentiert hiegegen auch bloß rechtspolitisch mit dem Bemühen des Gesetzgebers, den Fortbestand insolventer Unternehmen sicherzustellen, wobei auch arbeitsmarktpolitische Argumente ins Treffen geführt werden, welche jedoch allesamt an der in der Vertragsfreiheit grundgelegten (und zulässigen: vgl RIS-Justiz RS0020908) Vereinbarung eines ausdrücklichen Kündigungsrechtes der Streitteile, welches seitens der Klägerin auch fristgerecht ausgeübt wurde, vorbeigehen. Auch die Ausführungen, wonach Sittenwidrigkeit deshalb vorliege, weil andernfalls die Mieterin „zum Spielball des EKZ-Eigentümers" würde, ist nicht nachvollziehbar. Da nach den Feststellungen das Vertragswerk ausführlich zwischen den maßgeblichen natürlichen Personen der Streitteile ausverhandelt wurde, kann auch nicht von gröblicher Benachteiligung oder gar „Nichtigkeit" von AGB ausgegangen werden, schon gar nicht von einer sittenwidrigen Marktbeherrschung der Bestandgeberin zu Lasten der immerhin fast eineinhalb Jahrzehnte den Bestandvertrag kritiklos ausübenden Bestandnehmerin, bei der es sich so wie bei der Bestandgeberin im Übrigen um einen Kaufmann handelt. Dass aber der Grundsatz der Vertragsfreiheit im Schuldrecht zu oberst steht, gestehen die Rechtsmittelwerber letztlich selbst zu (S 29 des Rechtsmittels).

3.) Der Nichtigkeitsgrund nach § 477 Abs 1 ZPO (S 40 und 97 des Rechtsmittels) ist nicht näher begründet, damit auch nicht inhaltlich nachvollziehbar und bedarf schon deshalb keines weiteren Eingehens durch den Obersten Gerichtshof. Auch die geltend gemachte Mangelhaftigkeit liegt nicht vor, was gemäß § 510 Abs 3 dritter Satz ZPO ebenfalls keiner weiteren Begründung bedarf. Hiezu wird bloß moniert, dass das Berufungsgericht eine (nochmalige?) Erörterung mit den Parteien gemäß § 182a ZPO unterlassen habe. Dabei waren aber bereits alle Rechtsstandpunkte offengelegt und hatte ja schon das Erstgericht ausführliche Erörterungsgespräche geführt, wie den Protokollen erster Instanz nachhaltig entnommen werden kann.

4.) Mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage ist die Revision somit als unzulässig zurückzuweisen.

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