OGH 14Os113/05g

OGH14Os113/05g22.11.2005

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. November 2005 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Hon. Prof. Dr. Ratz, Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Schroll als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Eck als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Rudolf P***** wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 5. Juli 2005, GZ 22 Hv 53/05t-70, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Eisenmenger, des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Walchshofer zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Aus deren Anlass (§ 290 Abs 1 StPO) wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen IV. 2. und VI. 2. betreffend die oralen Penetrationen sowie die vaginale Penetration der Astrid P*****, demgemäß auch im Strafausspruch (mit Ausnahme der Vorhaftanrechnung) aufgehoben.

Gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO erkennt der Oberste Gerichtshof in der Sache selbst:

Rudolf P***** wird von der wider ihn erhobenen Anklage, er habe von 1994 bis etwa 2000 in Altenfelden

(zu IV. 2.) Patrick P***** außer dem Fall des § 201 Abs 1 StGB mit Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zur Vornahme oder Duldung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt, wobei er (auch) durch diese Taten längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzt wurde, indem er ihn durch Schläge und körperliche Züchtigungen mit einem Besenstiel und dadurch, dass er ihm sein Knie in die Magengegend stieß, gefügig gemacht und ihn zur oralen Penetration an seinem Glied, zur oralen Penetration an seiner Schwester Jennifer sowie zu oralen und vaginalen Penetration bei seiner Schwester Astrid veranlasst, und

(zu VI. 2.) durch diese Handlungen mit seinem am 28. November 1987 geborenen Sohn Patrick P*****, sohin mit einer mit ihm in absteigender Linie verwandten minderjährigen Person, geschlechtliche Handlungen vorgenommen oder von einer solchen Person an sich vornehmen lassen,

gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Für die ihm weiter zur Last liegenden Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 erster Fall StGB idF BGBl I 1998/153, der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 erster und zweiter Fall StGB idF BGBl 1974/60, des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB idF BGBl 1974/60, des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 2 erster Fall StGB idF BGBl 1998/153, der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 und Abs 3 erster und zweiter Fall StGB idF BGBl 1989/242, der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB idF BGBl 1989/242, der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 2 StGB sowie der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB, der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB und der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 StGB wird Rudolf P***** unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB sowie unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 26. November 2002, AZ 42 Hv 25/02t, nach § 206 Abs 1 StGB zu einer (Zusatz-)Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt.

Mit seiner Berufung gegen den Strafausspruch wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Seiner Berufung gegen das Adhäsionserkenntnis wird nicht Folge gegeben.

Ihm fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Teilfreispruch enthält, wurde Rudolf P***** der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 erster Fall StGB idF BGBl I 1998/153 (I.), der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 erster und zweiter Fall StGB idF BGBl 1974/60 (II.), des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB idF BGBl 1974/60 (III. 1.), des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 2 erster Fall StGB idF BGBl 1998/153 (III. 2.), der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 und Abs 3 erster und zweiter Fall StGB idF BGBl 1989/242 (IV.), der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB idF BGBl 1989/242 (V.) und der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 2 StGB (VII.) sowie der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB (VI.), der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (VIII.) und der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 StGB (IX.) schuldig erkannt. Danach hat er in Altenfelden und anderen Orten

I. außer dem Fall des § 206 StGB eine geschlechtliche Handlung an einer unmündigen Person vorgenommen oder von einer unmündigen Person an sich vornehmen lassen sowie eine unmündige Person zu einer geschlechtlichen Handlung mit einer anderen Person verleitet, indem er

1. von Ende November 1987 bis 19. Mai 1994 seine am 20. Mai 1980 geborene Stieftochter Martina P***** in zahlreichen Angriffen

  1. a) im Bereich der Scheide berührte;
  2. b) dadurch, dass er ihre Hand zu seinem Penis führte sowie sie dazu veranlasste, seinen Penis anzugreifen und mit der Hand an seinem Penis einen Handverkehr teilweise bis zum Samenerguss durchzuführen;

    2. von etwa 1994 bis etwa 2000 seinen am 28. November 1987 geborenen Sohn Patrick P***** in zahlreichen Angriffen

  1. a) am Glied berührte;
  2. b) diesen dazu veranlasste, seinen Penis anzugreifen und zu massieren;

    c) gelegentlich veranlasste, die Geschlechtsteile seiner unmündigen Schwester Astrid (geboren am 30. Juli 1993) und Jennifer (geboren am 15. Mai 1989) zu berühren und zu schlecken;

    II. eine unmündige Person auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht missbraucht oder zu einer unzüchtigen Handlung mit einer anderen Person verleitet, indem er

    1. seine am 20. Mai 1980 geborene Stieftochter Martina P*****

    a) von Ende 1989 bis etwa 1991 in mehreren Angriffen einen Finger oder eine Kerze in die Scheide einführte;

    b) von Ende 1989 bis 19. Mai 1994 in zahlreichen Angriffen veranlasste, sein erigiertes Glied in den Mund zu nehmen und ihn teilweise bis zum Samenerguss oral zu befriedigen;

    2. seinen am 28. November 1987 geborenen Sohn Patrick P***** ab etwa 1994 bis 30. September 1998 veranlasste, in mehreren Angriffen einen Finger oder eine Zahnbürste in die Scheide seiner unmündigen Schwester Jennifer (geboren am 15. Mai 1989) einzuführen;

    III. 1. mit einer unmündigen Person den außerehelichen Beischlaf unternommen, indem er mit seiner am 20. Mai 1980 geborenen Stieftochter Martina P*****

    a) von Ende 1989 bis etwa 1991 mindestens einmal einen Vaginalverkehr unternahm und dabei seinen Penis teilweise in die Scheide des Mädchens einführte;

    b) ab 1991 bis 19. Mai 1994 in zahlreichen Angriffen vaginal verkehrte;

    2. eine unmündige Person zur Vornahme einer dem Beischlaf gleichzusetzenden Handlung mit einer anderen Person verleitet, indem er im Zeitraum von 1. Oktober 1998 bis etwa 2000 seinen am 28. November 1987 geborenen Sohn Patrick P***** zu den unter II. 2. beschriebenen Tathandlungen veranlasste;

    IV. außer dem Fall des § 201 Abs 1 StGB Personen mit Gewalt oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zur Vornahme oder Duldung des Beischlafs oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt, wobei die Personen durch die Taten längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzt wurden, und zwar

    1. von etwa Ende 1989 bis ca 2001 Martina P***** in zahlreichen Angriffen zum Oral- und Vaginalverkehr, wobei er den verbalen und körperlichen Widerstand des Mädchens mit Gewalt brach, indem er sie an den Haaren riss, mit den Daumen fest hinter den Ohren drückte, sie am Genick packte, an den Oberarmen und im Brustbereich festhielt, ihr Schläge und Ohrfeigen versetzte, sie mit seinem überlegenen Körpergewicht niederdrückte, sowie teilweise zusätzlich durch Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben dadurch einschüchterte, dass er äußerte, er werde ihr heißes Wasser ins Gesicht schütten, ihre Fratze entstellen oder sie mit einer abgeschlagenen Bierflasche vergewaltigen, wobei die Tat bei Martina P***** eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB), nämlich eine schwere psychische Störung mit Krankheitswert, zur Folge hatte;

    2. von 1994 bis etwa 2000 Patrick P***** in mindestens 15 Angriffen mit Gewalt zur oralen Penetration an seinem Glied sowie zur oralen und vaginalen Penetration bei seinen Schwestern Jennifer und Astrid in der jeweils unter II. 2. beschriebenen Weise veranlasste, wobei er ihn durch Schläge und körperliche Züchtigungen mit einem Besenstiel oder dadurch, dass er ihm sein Knie in die Magengegend stieß, gefügig machte;

    V. außer den Fällen des § 201 StGB Personen mit Gewalt oder durch gefährliche Drohung zur Vornahme oder Duldung einer geschlechtlichen Handlung genötigt, wobei er die genötigt Personen durch die Taten längere Zeit hindurch in einem qualvollen Zustand versetzte, und zwar:

    1. von etwa Ende 1989 bis 19. Mai 1994 seine Stieftochter Martina P***** zu den in I. 1. und II. 1. beschriebenen Tathandlungen durch die in IV. 1. angeführten Gewalttaten und gefährlichen Drohungen;

    2. von etwa 1994 bis etwa 2000 Patrick P***** zu den in I. 2. beschriebenen Tathandlungen durch die in IV. 2. angeführten Gewalttaten;

    VI. mit einer mit ihm in absteigender Linie verwandten minderjährigen Person und seinem Stiefkind geschlechtliche Handlungen vorgenommen oder, von einer solchen Person an sich vornehmen lassen, und zwar:

    1. von Ende November 1987 bis 19. Mai 1998 (mit Ausnahme des Zeitraums Oktober 1994 bis Oktober 1996) seine am 20. Mai 1980 geborene Stieftochter Martina P***** durch die unter I. 1., II. 1.,

    III. 1., IV. 1. und V. 1. beschriebenen Tathandlungen;

    2. von 1994 bis 2000 seinen am 28. November 1987 geborenen Sohn Patrick P***** durch die unter I. 2., II. 2., III. 2., IV. 2. und V.

    2. beschriebenen Tathandlungen;

    VII. von November 1987 bis etwa 1994 Martina P***** mit Gewalt und durch gefährliche Drohung zu einer Handlung oder Unterlassung genötigt, und zwar durch die Äußerungen, sie komme in ein Heim und sie werde ihre Großeltern und ihre Mutter nie mehr wiedersehen, zur Abstandnahme jemanden von den unter I. 1., II. 1., III. 1., IV. 1. und V. 1. beschriebenen Tathandlungen zu erzählen, wobei er Martina P***** zumindest zu Beginn dieser sexuellen Handlung dadurch längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzte;

    VIII. im Juni 2001 seine Stieftochter Martina P***** durch Versetzen eines Stoßes, sodass sie aus dem Fenster stürzte, und anschließend durch Schläge auf ihre Finger, sodass sie letztendlich ihre Umklammerung am Fensterbrett loslassen musste und aus dem 1. Stock zu Boden stürzte, vorsätzlich am Körper verletzt und an der Gesundheit geschädigt, nämlich ihr Prellungen an der Wirbelsäule und linken Unterschenkel sowie Rissquetschwunden an der linken Ferse verbunden mit einer kurzfristigen Bewusstlosigkeit zugefügt;

    IX. im Jahr 2001 in mehreren Angriffen seine Stieftochter Martina P***** während der Zeit ihrer Schwangerschaft durch die telefonischen Äußerungen, er werde ihr zukünftiges Kind töten, sowie, er werde einmal vergessen zu bremsen und das Kind überfahren, mit dem Tod eines Angehörigen bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil gerichtete, auf § 281 Abs 1 Z 5a und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht.

Die Tatsachenrüge (Z 5a, der Sache nach teilweise Z 5) behauptet eine Verletzung der Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung, weil das Erstgericht ihm zugängliche Beweismittel unvollständig ausgeschöpft habe. Weder dem Beschwerdeführer noch seinem Verteidiger sei die Gelegenheit geboten worden, an der kontradiktorischen Vernehmung der Zeugen Martina und Patrick P***** teilzunehmen oder diese Personen in der Hauptverhandlung zu befragen, obwohl sich die Urteilsfeststellungen im Wesentlichen auf diese als glaubwürdig erachteten Zeugen stützen. Dem Sachverständigen Prim. Hofrat Dr. Werner L***** sei es nicht möglich gewesen, Martina P***** mit den von ihr verfassten Liebesbriefen zu konfrontieren.

Diesem Vorbringen ist zunächst nicht zu entnehmen, dass der Rechtsmittelwerber an der Ausübung seines Rechtes gehindert war, entsprechende Beweisaufnahmen in der Hauptverhandlung sachgerecht zu beantragen (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 480). Im Übrigen wurde Rudolf P***** zur kontradiktorischen Vernehmung der Zeugen Martina und Patrick P***** am 15. September 2004 mit internationalem Rückscheinbrief, zugestellt am 3. August 2004 (S 3b verso), geladen. Bis 8. September 2004 versuchten überdies Beamte der Polizeiinspektion 23 in München mehrfach ihn davon zu verständigen, dass von der Staatsanwaltschaft München ein offizielles Rechtshilfeersuchen mit der Ladung zum Termin zuzustellen sei. Er hat aber alle diese Mitteilungen ignoriert, obwohl er den Briefkasten, in welchen diese hinterlegt worden waren, täglich entleerte (S 271/I). Der in diesem Verfahrensstadium noch unvertretene Angeklagte hat daher die ihm eingeräumte Möglichkeit an den Vernehmungen teilzunehmen, nicht wahrgenommen.

Beide Zeugen haben berechtigt erklärt, in der Hauptverhandlung nicht mehr aussagen zu wollen (S 231 und S 253/I), sodass eine Befragung in dieser nicht möglich war.

Die Liebesbriefe hat der Sachverständige Prim. Hofrat Dr. L***** sehr wohl berücksichtigt, weil diese Gegenstand der kontradiktorischen Vernehmung der Zeugin Martina P***** waren (S 216 ff/I) und dieses Protokoll der Befunderhebung ausdrücklich zugrundegelegt wurde (S 493/I). In der Hauptverhandlung wurde der Experte hiezu insbesondere durch ausführliche Vorhalte durch den Verteidiger befragt (S 64 ff/II). Das Gericht hat dazu im Urteil ausdrücklich Stellung genommen (US 21 f).

Dass der Sachverständige aus psychiatrischer Sicht einen Racheakt der Stieftochter und des Sohnes nicht mit letzter Sicherheit ausschließen konnte, bedurfte keiner weiteren Erörterung im Urteil; denn die Tatrichter haben mit eingehender Begründung (US 17 bis 27) den Aussagen der Zeugen Glauben geschenkt und die Behauptung, es handle sich um einen Racheakt, abgelehnt (insbesondere US 18). Diese Begründung entspricht den Denkgesetzen und grundlegenden Erfahrungswerten.

Das ohnehin nur Randdetails betreffende Vorbringen der Beschwerde ist insgesamt nicht geeignet, erhebliche Bedenken iSd Z 5a des § 281 Abs 1 StPO zu erzeugen.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) macht geltend, das Erstgericht habe zum Schuldspruch wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung (IX.) keine Feststellungen dahin getroffen, ob die dem Angeklagten angelasteten Drohungen geeignet waren, begründete Besorgnis zu erregen. Sie übersieht dabei aber, dass die angesprochene Eignung Gegenstand der rechtlichen Beurteilung ist (Jerabek in WK2 § 74 Rz 34). Sie wäre daher im Rahmen der Rechtsrüge nur insoweit zu bekämpfen, als aufgrund aller hiezu im Urteil getroffenen Konstatierungen darzulegen wäre, warum die ausgesprochenen Drohungen - entgegen der ausdrücklich auf den Urteilsfeststellungen beruhenden Annahme der Tatrichter (US 32) - im vorliegenden Fall nicht ausreichen sollten, diese Eignung zu begründen. Eine solche Argumentation unterlässt die Beschwerde jedoch.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof aber davon, dass das Urteil mit einer nicht geltend gemachten, dem Angeklagten zum Nachteil gereichenden Nichtigkeit behaftet ist. Die vom Schuldspruch IV. 2. erfasste gewaltsam bewirkte orale und vaginale Penetration der Astrid P***** und die orale Penetration der Jennifer P***** durch ihren Bruder Patrick P***** sowie der gewaltsam erzwungene orale Geschlechtsverkehr des Patrick P***** mit dem Angeklagten scheinen im europäischen Haftbefehl (ON 20), der zur Auslieferung des Rudolf P***** aus Deutschland führte, nicht auf. Da Deutschland auf die Einhaltung des Spezialitätsgrundsatzes nicht verzichtet hat (ON 40) und auch der Angeklagte im Verfahren keinen solchen Verzicht erklärt hat, steht der Verurteilung diesbezüglich das Prozesshindernis des § 31 Abs 1 EU-JZG entgegen. Gleiches gilt für den Schuldspruch VI. 2., soweit er sich auf die angeführten Penetrationen bezieht.

Das Urteil war daher in diesem Umfang aufzuheben und, da eine Ergänzung des europäischen Haftbefehles (§ 31 Abs 4 EU-JZG) bis zum Urteil erster Instanz nicht erfolgte, sogleich mit einem Freispruch gemäß § 259 Z 3 StPO vorzugehen.

Anzumerken bleibt:

Die gewaltsam bewirkte vaginale Penetration der Jennifer P***** durch ihren Bruder (mittels Finger und Zahnbürste laut Schuldspruch IV. 2.) ist hingegen durch die unter Außerachtlassung der Gewaltkomponente und lediglich unter dem Aspekt der Unmündigkeit des Tatopfers erfolgte Darstellung des Tatgeschehens (vgl Schuldspruch II. 2.) im europäischen Haftbefehl (S 289 Punkt II. 2.) im Sinne des Spezialitätsgrundsatzes gedeckt. Denn die Spezialität bezieht sich stets auf die Tat als tatsächlichen Lebenssachverhalt, nicht aber auf die rechtliche Qualifikation des Geschehens (vgl Lagodny in Schomburg/Lagodny, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen3 § 11 IRG Rz 13).

Dies gilt auch für die unter Schuldspruch V. 2. (mit Bezug auf I. 2. c) umschriebenen und als geschlechtliche Nötigung zu qualifizierenden Vorgangsweise der vom Angeklagten erzwungenen Berührungen und des Schleckens der Geschlechtsteile der Jennifer und Astrid P***** durch deren Bruder Patrick P***** (vgl S 291 Punkt III. 2.). Die zum Schuldspruch I. 2. beschriebenen und als Bezugspunkt zum Missbrauch des Autoritätsverhältnisses genannten Tathandlungen (Schuldspruch VI. 2.) sind großteils erzwungene (Schuldspruch IV. 2. und V. 2.) sexuelle Handlungen des Patrick P***** an seinen (ebenfalls als Tatopfer anzusehenden) unmündigen Schwestern Jennifer und Astrid. Der in diesem Schuldspruch angesprochene Tatbestand nach § 212 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall StGB nF („geschlechtliche Handlung vornimmt oder an sich vornehmen lässt" entspricht dem Begriff „zur Unzucht missbraucht" im Sinne des zur Tatzeit geltenden § 212 Abs 1 StGB aF) erfordert allerdings eine geschlechtliche Handlung zwischen dem Täter und seinem Opfer samt einer damit einhergehenden (sexualbezogenen) körperlichen Berührung (vgl Kienapfel/Schmoller, BT III §§ 212 bis 213 Rz 17 f; Schick in WK2 § 212 Rz 8; 12 Os 188/94). Ein solcher unmittelbarer sexueller Kontakt zwischen dem Tatopfer Patrick P***** und dem Angeklagten lag aber in dem im Schuldspruch VI. 2. genannten, aus den Schuldspruchfakten I.

2. c, II. 2., III. 2., IV. 2. (soweit damit das gewaltsame Veranlassen eines Oral- und eines Vaginalverkehrs zwischen dem Tatopfer Patrick P***** und seinen ebenfalls als Tatopfer anzusehenden unmündigen Schwestern Jennifer und Astrid umfasst ist) und Schuldspruch V. 2. (mit Bezug auf I. 2. c) übernommenen Tathandlungen nicht zugrunde. Darin ist allerdings ein Verleiten des Patrick P***** zur Vornahme einer geschlechtlichen Handlung an sich selbst enthalten, was aber nach (neuer, wie auch zur Tatzeit geltender alter Fassung) des § 212 Abs 1 StGB voraussetzt, dass der Angeklagte handelte, um sich oder einen Dritten geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen. Dieser Vorsatz wurde im Ersturteil in ausreichendem Maß festgestellt (vgl US 12 Abs 3), sodass insoweit für ein amtswegiges Vorgehen nach § 290 Abs 1 StPO kein Grund besteht. Dem Angeklagten nicht zum Nachteil gereicht auch die Tatsache, dass die im Schuldspruch III. 1. angeführten Taten nicht dem § 206 StGB idF BGBl 1974/60, sondern dem gleichgünstigen § 206 StGB in der geltenden Fassung zu unterstellen gewesen wären (vgl 13 Os 149/99; 11 Os 123/04; 14 Os 3/05f).

Bei der durch die Teilkassation erforderlichen Strafneubemessung wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend, dass der Angeklagte mehrere strafbare Handlungen derselben und verschiedener Art begangen, diese durch längere Zeit hindurch fortgesetzt hat und von seinen Angriffen mehrere Opfer betroffen waren. Als mildernd kam dem Angeklagten lediglich sein ordentlicher Lebenswandel bis zu Beginn der Tathandlungen zugute.

Die zahlreichen Angriffe über einen sehr langen Zeitraum und der Missbrauch von mehreren Kindern zeigen einen besonders intensiven Täterwillen. Dazu kommt, dass der Angeklagte die Taten rücksichtslos unter Ausnützung seiner Stellung als Vater und Stiefvater ausgeführt hat. Daraus resultiert sein hohes persönliches Verschulden. Zudem sind die durch die Taten bei den Opfern eingetretenen psychischen Folgen derart gravierend, dass sie einer mehr als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung entsprechen und einer längeren intensiven Behandlung bedürfen. Der Berufungswerber zeigte auch nach psychologischen Gesprächen keine ausreichende Einsicht, weshalb zu befürchten ist, er werde seine vorhandenen pädophilen Neigungen mangels Krankheitseinsicht und Behandlungswillen weiter ausleben (vgl Gutachten des Sachverständigen Dr. Eduard D***** ON 48, insbesondere S 445 bis 447/I). Es bedarf daher aus spezialpräventiven Gründen der Verhängung einer erheblichen Freiheitsstrafe. Diese war trotz Wegfalls eines (allerdings nur geringen) Teils des Anklagevorwurfes neuerlich (wie vom Erstgericht) mit fünf Jahren zusätzlich zu der wegen §§ 207 Abs 1, und 15; 212 Abs 1 und 15; 15, 105 Abs 1 StGB verhängten Freiheitsstrafe von zwei Jahren als tatschuldgerecht auszumessen.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Strafneubemessung zu verweisen.

Das Schöffengericht verpflichtete Rudolf P***** zur Bezahlung von Teilschmerzensbeträgen von 10.000 Euro an Martina P***** und von 7.000 Euro an Patrick P*****.

Seine dagegen erhobene Berufung ist nicht im Recht. Nach den Ergebnissen des Strafverfahrens haben beide Personen massive sexuelle Traumatisierungen - vergleichbar mit einer schweren Körperverletzung - erlitten, welche langwierige Psychotherapien erforderlich machen werden (vgl Gutachten Prim. HR Dr. Werner L***** ON 57, insbesondere S 521 bis 525/I). Aufgrund dieser Umstände sind die zugesprochenen Beträge entgegen den Rechtsmittelausführungen nicht überhöht.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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