Spruch:
Den Nichtigkeitsbeschwerden wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil, welches im Übrigen unberührt bleibt,
1) im Schuldspruch des Ernst M***** wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (Punkt VII des Urteilssatzes) und
2) im Schuldspruch der Rosina M***** wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 erster und zweiter Fall StGB insoweit, als ihr angelastet wird, nackt in der Badewanne liegend den am 1. Mai 1986 geborenen, sohin unmündigen Andreas H***** aufgefordert zu haben, sie im Scheidenbereich anzugreifen (I 2 c),
und demgemäß auch im Strafausspruch und im Adhäsionserkenntnis aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen. Im Übrigen werden die Nichtigkeitsbeschwerden zurückgewiesen. Mit ihren Berufungen gegen den Strafausspruch und das Adhäsionserkenntnis werden die Angeklagten auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.
Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ernst M***** der Verbrechen der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 erster Fall StGB idF vor BGBl I 1998/153 (I 1 des Urteilssatzes) und des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB idF vor BGBl I 1998/153 (III) sowie der Vergehen der (tateinheitlich mit III als [richtig:] Beitragstäter begangenen) Blutschande nach § 211 Abs 1 StGB (IV), der sittlichen Gefährdung von Personen unter sechzehn Jahren nach § 208 StGB (V) und (in Tateinheit mit I, III und IV) des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB (VI) sowie der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (VII) schuldig erkannt, Rosina M***** der Verbrechen der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 erster und zweiter Fall StGB idF vor BGBl I 1998/153 (I 2) und des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB idF vor BGBl I 1998/153 (II) sowie der Vergehen der sittlichen Gefährdung von Personen unter sechzehn Jahren nach § 208 StGB (V) und, in Tateinheit mit I 2 und II, des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB (VI).
Danach haben die beiden Angeklagten von Mitte 1995 bis Mitte 1998 in ***** und *****
I. den unmündigen, am 1. Mai 1986 geborenen Andreas H***** auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht missbraucht und zu unzüchtigen Handlungen mit einer anderen Person verleitet, und zwar
1) Ernst M***** durch im Urteilsspruch unter a bis h detailliert angeführte Tathandlungen, wobei die Tat eine schwere Körperverletzung des unmündigen Tatopfers, nämlich eine schwere Depression (ausgeprägte Schlafstörungen, Erschöpfbarkeit, eine ausgeprägte Entscheidungsunfähigkeit, Reizbarkeit, erhöhte Selbstkritik, Unzufriedenheit und Langeweile sowie häufige Schuldgefühle) verbunden mit einer Selbstmordgefährdung zur Folge hatte;
2) Rosina M*****, indem sie
- a) den Minderjährigen am Penis erfasste „und diesen onanierte",
- b) sich vor dem Minderjährigen entkleidete, mit den Fingern an ihrer Scheide spielte und, als der Minderjährige dadurch eine Erektion bekam, einen Analverkehr durchführte, indem sie sich auf seinen Penis setzte,
c) nackt in der Badewanne liegend die Beine spreizte und den anwesenden Minderjährigen aufforderte, sie im Scheidenbereich anzugreifen,
d) sich vom Minderjährigen über Aufforderung ihres Gatten Ernst M***** im Scheidenbereich schlecken ließ;
II. Rosina M***** einmal mit dem unmündigen Andreas H***** den außerehelichen Beischlaf unternommen;
III. Ernst M***** den unmündigen Andreas H***** je zur Vornahme eines außerehelichen Beischlafs mit seiner Gattin Rosina M***** und mit seiner leiblichen (zurechnungsunfähigen) Mutter Marianne H***** angestiftet;
IV. Ernst M***** den unmündigen Andreas H***** durch die zu III beschriebene Tathandlung zum Vollzug des Beischlafs mit dessen leiblicher Mutter Marianne H*****, sohin einer Person, die mit ihm in gerader Linie verwandt ist, angestiftet;
V. Handlungen, die geeignet sind, die sittliche, seelische und gesundheitliche Entwicklung von Personen unter sechzehn Jahren zu gefährden, vor dem unmündigen Andreas H***** vorgenommen, um sich dadurch geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen, und zwar:
1) Ernst M***** und Rosina M***** als Mittäter, indem sie
a) wiederholt im Beisein des Minderjährigen den Geschlechtsverkehr vollzogen und ihn zum Zusehen aufforderten,
b) den Minderjährigen im Anschluss an einen durchgeführten Analverkehr aufforderten, am After von Rosina M***** zu riechen;
2) Rosina M***** alleine, indem sie den Minderjährigen aufforderte, aus ihrer Scheide ein Kondom, das Ernst M***** beim zuvor durchgeführten Geschlechtsverkehr „verloren" hatte, herauszuziehen;
3) Ernst M***** alleine durch die im Urteilsspruch unter a bis m näher angeführten Tathandlungen;
VI. Ernst M***** und Rosina M***** als Mittäter unter Ausnützung ihrer Stellung durch die zu Punkt I, II, III und V beschriebenen Tathandlungen den ihrer Aufsicht unterstehenden minderjährigen Andreas H***** zur Unzucht missbraucht;
VII. Ernst M***** am 13. November 2000 in ***** Andreas H***** dadurch, dass er ihm mit dem Mopedauto auflauerte und ihn unter anderem durch die Äußerung „Du Rotzer! Du Kleiner, ich erwisch dich eh noch!" anherrschte, gefährlich mit der Zufügung von Körperverletzungen bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen. Gegen dieses Urteil richten sich die Nichtigkeitsbeschwerden der beiden Angeklagten, welche sie auf die Z 5, Rosina M***** auch auf die Gründe der Z 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO, stützen.
Rechtliche Beurteilung
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Ernst M*****:
Im Recht ist der Beschwerdeführer, soweit er zum Schuldspruch wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (VII) einen Begründungsmangel (Z 5 zweiter Fall) releviert. Denn es trifft zu, dass sich das Erstgericht mit den (in der Hauptverhandlung vorgekommenen; S 54/III) Angaben der Zeugin Maria B*****, wonach sie dem Angeklagten ein Alibi für die Tatzeit verschaffen könnte (S 309/I), nicht auseinandergesetzt hat. In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde war daher der von diesem Nichtigkeitsgrund betroffene Schuldspruch aufzuheben und insoweit die Verfahrenserneuerung anzuordnen. Dabei wird das Erstgericht im Falle des neuerlichen Schuldspruchs zur rechtsrichtigen Subsumtion nach § 107 Abs 1 StGB weitergehende Feststellungen, etwa zu dem durch die unter Anklage gestellte Äußerung „... ich erwisch dich eh noch!" (US 17) konkret angedrohten Übel, zu treffen haben.
Hingegen vermag der Beschwerdeführer eine darüber hinausgehende Urteilsnichtigkeit mit seiner, letztlich bloß gegen die Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit des Zeugen Andreas H***** nach Art einer im Kollegialgerichtsverfahren nicht vorgesehenen und damit unzulässigen Schuldberufung gerichteten Argumentation nicht aufzuzeigen. Die Behauptung, „gerade durch das Urteilsfaktum VII hätten Rückschlüsse hinsichtlich der Richtigkeit des Aussageverhaltens des Opfers gezogen werden können", ist schon angesichts der - die Richtigkeit der Angaben des Tatopfers teils bestätigenden - Verantwortung des Angeklagten, nicht nachvollziehbar. Dass die Taten laut neuropsychiatrischem Gutachten (ON 41, S 42 ff/III) wesentlich durch ein distanzloses Sexualverhalten und der aus der einfach strukturierten primitiven Persönlichkeit herrührenden Kritiklosigkeit des Angeklagten bestimmt waren und zudem aus den situativen Gegebenheiten resultierten, hat das Erstgericht dem Beschwerdeeinwand zuwider berücksichtigt (US 18). Soweit der Angeklagte auf einzelne Aussagen dieses Gutachtens verweist (etwa dass er nicht an einer sadistischen oder anderen Störung der Sexualpräferenz leidet) und eine explizite Erörterung, „inwiefern sich insbesondere die extremen Spitzen des vorgeworfenen angefochtenen Sexualverhaltens einerseits situativ ergeben haben" und (zu ergänzen: diese Spitzen) andererseits mit seiner Persönlichkeit, „die an einer schnellen Befriedigung der äußersten sexuellen Bedürfnisse orientiert ist, in Einklang zu bringen sind", fordert, übersieht er, dass der Schöffensenat durch pauschale Bezugnahme auf das - eine solche Vereinbarkeit bejahende (S 50 f/III) - Gutachten (US 18) der im § 270 Abs 2 Z 5 StPO normierten Verpflichtung zur gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe nach Lage des Falles entsprochen hat und nicht verhalten war, vorweg seine Überlegungen zu dieser im Rechtsmittel nachträglich relevierten Frage minutiös darzulegen.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Rosina M*****:
Mit dem auf die Z 5 gestützten Einwand mangelhafter Begründung der Feststellungen zu dem für eine Strafbarkeit nach § 212 StGB maßgeblichen Aufsichtsverhältnis (US 16) zeigt die Angeklagte einen Begründungsfehler in der Bedeutung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes nicht auf, weil sie bloß die Beweiswürdigung des Schöffensenates zur Zuverlässigkeit der entsprechenden Angaben des Ernst M***** in Frage stellt, nicht aber unerörtert gebliebene Beweisergebnisse aufzuzeigen vermag, die (bei Berücksichtigung des Umstandes, dass der Minderjährige auch alleine bei den Angeklagten nächtigte) für sie günstigere Schlüsse zugelassen hätten. Der unsubstatiierten Kritik zum Urteilspunkt II zuwider konnten explizite Feststellungen (der Sache nach Z 10), „durch welche Handlungen konkret dieser behauptete Beischlaf ausgeführt worden sein soll", mangels Entscheidungsrelevanz ebenso unterbleiben wie nähere Ausführungen zu der im Verfahren bisher nicht in Frage gestellten und nach den Angaben des Andreas H***** und des Ernst M***** (S 10 f/III) nicht zweifelhaften Annahme einer Beischlaffähigkeit des Opfers. Die Rechtsrüge (Z 9 lit a, inhaltlich Z 10) gelangt mit der Behauptung fehlender Feststellungen zur Frage der nach § 208 StGB tatbestandsessentiellen Eignung der Taten laut Schuldspruch V 1 nicht zu einer am Gesetz orientierten Darstellung, weil sie von der urteilsfernen Annahme ausgeht, Rosina M***** habe zeitlich nach dem Erstangeklagten delinquiert, und auch nicht darlegt, weshalb das Schöffengericht (anders etwa als bei der unangefochten gebliebenen Subsumtion der Tat der Rosina M***** laut Schuldspruchpunkt V 2) bei Beurteilung des - einen wiederholten Beischlaf im Beisein des Minderjährigen (V 1 a) und die an ihn gerichtete Aufforderung, am After der Rosina M***** zu riechen (V 1 b), umfassenden - Tatsachensubstrats (US 3, 13 f) einem Irrtum zur Rechtsfrage der Eignung dieser Handlungen, die sittliche und seelische gesundheitliche Entwicklung des Knaben zu gefährden, unterlegen gewesen sein soll.
Zutreffend bemängelt die Angeklagte dagegen zum Schuldspruch I 2 c, dass dem Urteil (US 3, 12) die für eine Unterstellung der Tat unter § 207 Abs 1 StGB erforderliche Feststellung einer sexualbezogenen Berührung zwischen ihrem Geschlechtsorgan und dem Körper des Andreas H***** nicht zu entnehmen ist (Schick in WK2 § 207 Rz 7 ff). Soweit die beiden Angeklagten über die erörterten Einwendungen hinaus ohne substantiiertes Vorbringen eine Aufhebung des gesamten gegen sie ergangenen Schuldspruchs begehren, mangelt es an einer deutlichen und bestimmten Bezeichnung jener Punkte, durch welche sie sich beschwert erachten, weshalb die Beschwerde insoweit zurückzuweisen war. Anzumerken ist, dass der zu den Urteilspunkten I 1 a, c, d, e, f, h und 2 a, c, d durch Unterstellung nicht beischlafsähnlicher geschlechtlicher Handlungen unter die im Vergleich zur geltenden Rechtslage nicht günstigere Bestimmung des § 207 Abs 1 StGB, bei Ernst M***** auch unter Abs 2 leg cit, in der Fassung vor dem BGBl I 1998/153 unterlaufene (13 Os 168/01, 14 Os 111/02), ungerügt gebliebene Subsumtionsfehler ohne Nachteil für die - überdies jeweils bloß wegen eines Verbrechens verurteilten - Angeklagten geblieben ist und daher ein Vorgehen nach § 290 Abs 1 StPO ebenso wenig erfordert wie das irrige Zitat des § 12 zweiter Fall StGB zum Faktum I 1 h (Schick aaO § 206 Rz 13) im Hinblick auf die Gleichwertigkeit der Täterschaftsformen Urteilsnichtigkeit zu bewirken vermag. Auch der Umstand, dass die im Schuldspruch II angeführten Taten dem § 206 Abs 1 StGB in der geltenden Fassung und nicht der bezüglich Beischlafshandlungen nicht günstigeren Bestimmung des § 206 Abs 1 StGB in der Fassung vor dem BGBl I 1998/153 zu unterstellen gewesen wären (13 Os 149/99) und Ernst M***** die Taten in den Urteilspunkten III und IV nicht als Bestimmungstäter nach § 12 zweiter Fall StGB sondern als Beitragstäter nach § 12 dritter Fall StGB zu verantworten hat (Schick aaO § 206 Rz 13, § 211 Rz 10; RV 1230 BlgNr XX. GP, 21), wirkte sich nicht nachteilig aus, weshalb diese Fehler ein amtswegiges Vorgehen nach § 290 Abs 1 StPO gleichermaßen nicht erfordern.
In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten war daher die angefochtene Entscheidung in den Urteilspunkten I 2 c (Rosina M*****) und VII (Ernst M*****) und demgemäß auch in den Strafaussprüchen aufzuheben und im Umfang der Aufhebung die Verfahrenserneuerung vor dem Gerichtshof erster Instanz anzuordnen. Daraus folgt, dass die Angeklagten mit ihren Berufungen auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen waren.
Im Übrigen waren aber die Nichtigkeitsbeschwerden zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Die Kostenentscheidung ist in § 390a StPO begründet.
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