OGH 13Os168/01

OGH13Os168/0116.1.2002

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Jänner 2002 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Dr. Schmucker, Dr. Habl und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Lehr als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Dr. Peter Adolf S***** wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 12. Juni 2001, GZ 23 Vr 3522/00-33, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Dr. Peter Adolf S***** wurde der Verbrechen (A) der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB aF (I 1 bis 3) und des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (II 1 bis 3) sowie der Vergehen (B) des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB und (C) der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er in Floing zu nicht näher bekannten Zeitpunkten A I) im Sommer 1998, II) im Sommer 1999 die am 26. Jänner 1991 geborene, mithin unmündige Stefanie K***** auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht missbraucht, indem er

  1. 1) zweimal sein Glied in ihren Mund steckte,
  2. 2) zumindest einmal ihre Schamlippen betastete und sie
  3. 3) etwa neunmal veranlasste, sein entblößtes Glied zu ergreifen und ihn sexuell zu stimulieren oder zu befriedigen,

    B) im Sommer 1998 und 1999 unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber

    der seiner Aufsicht unterstehenden minderjährigen Stefanie K***** in Tateinheit durch die unter Punkt A geschilderten Handlungen zur Unzucht missbraucht,

    C) im Sommer 1998 und 1999 Stefanie K***** durch die im Zug der unter

    Punkt A geschilderten Tathandlungen getätigten Anweisungen, dass sie niemandem etwas davon sagen dürfe, da sonst der Mama oder dem Papa etwas passieren würde, mithin durch gefährliche Drohung mit zumindest einer Verletzung am Körper gegenüber einer Sympathieperson, zur Geheimhaltung der unter Punkt A aufgezeigten Vorfälle genötigt.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Angeklagten aus Z 4, 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel. Zu Unrecht moniert die Verfahrensrüge (Z 4) eine Verletzung von Verteidigungsrechten durch die Abweisung zweier in der Hauptverhandlung vom 12. Juni 2001 gestellter Beweisanträge (S 307 verso und 329).

Wie das Schöffengericht in seinem Zwischenerkenntnis (S 329 verso) im Ergebnis zutreffend darlegt, lässt das Begehren auf Einholung eines weiteren psychiatrischen Gutachtens über die Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten "zum Beweis dafür, dass bei ihm eine geistig-seelische Abartigkeit höheren Grades nicht vorliegt" zum einen jedwede Darlegung jener Umstände vermissen, die die Zuziehung eines weiteren Sachverständigen indizierten, zum anderen behauptet es auch keine Mängel des vom Sachverständigen Dr. R***** erstatteten Befundes oder Gutachtens, sodass die verlangte Beweisaufnahme der Sache nach bloß auf dessen Überprüfung im Sinne eines unzulässigen Erkundungsbeweises hinausliefe. Auch der Antrag auf Einholung eines Gutachtens aus dem Fach der Kinderpsychologie zum Beweis dafür, "dass der Angeklagte die ihm zur Last gelegte Tat nicht begangen hat, insbesondere dazu kommt noch, dass ein Missbrauchsopfer kein derartig freundschaftliches Verhältnis zu dem Täter aufrecht erhalten hätte" lässt mangels jeglicher Bezugnahme auf das tatsächliche Geschehen und mangels Präzisierung, inwiefern durch diesen Beweis eine Förderung der Wahrheitsfindung zu erwarten sei, diesen unschwer als ebenfalls unzulässigen Erkundungsbeweis zuordnen. Abgesehen davon wurde die Zustimmung der Zeugin zu einer an ihr vorzunehmenden Untersuchung nicht einmal behauptet. Der Verweis auf den schriftlich gestellten (in der Hauptverhandlung vom 12. Juni nicht wiederholten) Beweisantrag ON 30 bleibt dabei ebenso unbeachtlich wie die in der Beschwerde zur Begründung der Anträge nachgetragenen Erwägungen auf Grund des Neuerungsverbotes keiner Erwiderung bedürfen. Die aus Z 5 vierter Fall vorgetragene Rüge, wonach ein Schreiben der Kimberly Ann S***** über das Gutachten des Sachverständigen Eingang in das Beweisverfahren der Hauptverhandlung gefunden habe, verneint solcherart selbst eine Verletzung des § 258 Abs 1 StPO, welche Bestimmung es verbietet, bei der Beweiswürdigung auf Umstände Rücksicht zu nehmen, die im Beweisverfahren der Hauptverhandlung nicht vorgekommen sind. Einen - aus Z 4 mit Nichtigkeit bewehrten - Antrag, dem Sachverständigen aufzutragen, einen Bezug zu diesem Schreiben zu unterlassen, hat aber der Angeklagte nicht gestellt (RZ 2001/4; vgl auch EvBl 2000/119, 13 Os 99/00, 13 Os 145/00, 14 Os 85/01, 14 Os 137/01 ua).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) orientiert sich mit dem Vorbringen, es handle sich bei der festgestellten Äußerung, den Eltern des Opfers werde "etwas passieren" wenn es die Missbrauchsvorfälle berichte, um eine unbestimmte, das heißt objektiv als Drohmittel nicht geeignete, nicht an den diesbezüglichen (anderslautenden) Urteilsannahmen in ihrer Gesamtheit (US 2, 3 iVm 8 und 11) und vermisst damit die gesetzeskonforme Darstellung.

Der beim Schuldspruch laut Punkt A unterlaufene, ungerügt gebliebene Subsumtionsfehler erforderte kein Vorgehen nach § 290 Abs 1 StPO, da er nicht zum Nachteil des Angeklagten war. Die durchwegs im Sommer 1998 geschehenen (US 14) Oralpenetrationen, somit nur die Taten laut A I 1, waren § 207 Abs 1 StGB idF vor dem mit 1. Oktober 1998 in Kraft getretenen Strafrechtsänderungsgesetz 1998, BGBl I Nr 153/1998, zu unterstellen. Die im Sommer 1998 verübten Taten laut A I 2 und 3 wären jedoch unter § 207 Abs 1 StGB in der geltenden Fassung zu subsumieren gewesen: Bezüglich nicht dem Beischlaf gleichzusetzender geschlechtlicher Handlungen war die Rechtslage vor dem Strafrechtsänderungsgesetz 1998 für den Täter in ihrer Gesamtauswirkung nicht günstiger als die derzeitige. Die für solche Konstellationen in § 61 zweiter Satz StGB angeordnete Rückwirkung von Strafgesetzen auf vor ihrem Inkrafttreten begangene Taten blieb hier unbeachtet (US 13 f).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war somit nach § 285d Abs 1 (zum Teil nach § 285d Abs 1 Z 1 iVm § 285a StPO, vgl Mayerhofer StPO4 § 285a Nr 61) StPO in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen. Über die Berufung wird das zuständige Oberlandesgericht zu entscheiden haben (§§ 285i StPO).

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