OGH 12Os98/05m

OGH12Os98/05m17.11.2005

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. November 2005 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber, Dr. Philipp, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Besenböck als Schriftführer, in der Strafsache gegen Gertrud B***** sowie einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens der Brandstiftung nach § 169 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Staatsanwaltschaft sowie des Angeklagten Karl-Heinz Z***** gegen das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Schöffengericht vom 28. April 2005, GZ 13 Hv 17/03y-130, und die Beschwerden beider Rechtsmittelwerber gegen den unter einem gefassten Widerrufsbeschluss nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Knibbe, des Angeklagten Karl-Heinz Z***** sowie der Verteidiger Mag. Lackner und Dr. Eichinger zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerden wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung sowie Entscheidung an das Landesgericht Leoben zurückverwiesen. Mit ihren Berufungen und ihren Beschwerden werden die Staatsanwaltschaft sowie der Angeklagte Karl-Heinz Z***** auf diese kassatorische Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Karl-Heinz Z***** des (als Bestimmungstäter nach § 12 zweiter Fall StGB begangenen) Verbrechens der Brandstiftung nach § 169 Abs 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Zusatzstrafe (§§ 31, 40 StGB) zu den mit den Urteilen des Landesgerichtes St. Pölten vom 4. Mai 2000, AZ 25 Hv 40/99, sowie des Landesgerichtes Korneuburg vom 23. November 2004, AZ 504 Hv 61/02m, verhängten Sanktionen verurteilt. Gleichzeitig wurde die mit letzterer Entscheidung gewährte bedingte Strafnachsicht widerrufen. Nach dem Urteilstenor hat er in der Zeit vom Februar 1999 bis zum 19. Mai 1999 drei unbekannt gebliebene unmittelbare Täter dadurch, dass er ihnen Geld versprach, dazu bestimmt, am 19. Mai 1999 an dem in Predlitz-Turrach gelegenen Ferienhaus des Gasthofes Badwirt durch Verschütten sowie Entzünden von Benzin ohne Einwilligung der Eigentümer Gertrud B***** und Michael B***** eine Feuersbrunst zu verursachen.

Unter einem wurden Gertrud B***** und Karl-Heinz Z***** von den Anklagevorwürfen, es haben

Gertrud B***** (im einverständlichen Zusammenwirken mit Karl-Heinz Z*****) in der Zeit vom Februar 1999 bis zum 19. Mai 1999 drei unbekannt gebliebene unmittelbare Täter dadurch, dass sie ihnen Geld versprach, dazu bestimmt, am 19. Mai 1999 an dem in Predlitz-Turrach gelegenen Ferienhaus des Gasthauses Badwirt durch Verschütten sowie Entzünden von Benzin ohne Einwilligung des Eigentümers Michael B***** eine Feuersbrunst zu verursachen und

im Juni 1999 mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Angestellte der Interunfall Versicherungs-AG durch die Abgabe einer Schadensmeldung betreffend das Ferienhaus des Gasthofes Badwirt, in der sie die oben bezeichnete Tathandlung verschwieg, zur Auszahlung eines Entschädigungsbetrages von 850.000 S (ds 61.771,91 EUR) verleitet, sowie

Karl-Heinz Z***** durch seine Bestimmungstäterschaft zur Brandlegung am Ferienhaus des Gasthofes Badwirt sowie dadurch, dass er mit den unmittelbaren Tätern im Februar 1999 und am 18. Mai 1999 zum Tatobjekt fuhr und dieses vorzeigte sowie öffnete, zu der zum Nachteil der Interunfall Versicherungs-AG begangenen strafbaren Handlung der Gertrud B***** beigetragen,

gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Die Staatsanwaltschaft bekämpft dieses Urteil mit einer auf die Z 4, 5 und 11, der Angeklagte Karl-Heinz Z***** seinen Schuldspruch mit einer auf die Z 1, 4, 5, 9 „lit a bis c" und 11 des § 281 Abs 1 StPO gegründeten Nichtigkeitsbeschwerde. Beide Beschwerden sind im Recht. Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:

Rechtliche Beurteilung

Zutreffend kritisiert die Verfahrensrüge (Z 4) die Abweisung (s 241/III) des Antrags auf Beischaffung der Akten 10 Cg 169/96z des Handelsgerichtes Wien und 69 E 5671/97f des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien zum Beweis dafür, dass sich Gertrud B***** im Tatzeitpunkt in ungünstigen finanziellen Verhältnissen befunden hat und Gläubiger exekutiv angedrängt haben (S 215/III), weil die Tatrichter die wirtschaftliche Situation der Gertrud B***** als äußerst positiv konstatierten (US 12) und diesem Umstand im Rahmen der Beweiswürdigung zentrale Bedeutung beimaßen (US 13 f). Der Beweisantrag bezog sich somit auf Umstände, die nach den Denkgesetzen und der Lebenserfahrung geeignet waren, den Ausspruch über die Schuldfrage zu beeinflussen, womit die Anklagebehörde durch dessen Abweisung in ihren prozessualen Rechten verletzt wurde (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 340 f). Das Formerfordernis des Vorbehalts der Nichtigkeitsbeschwerde durch den Ankläger (§ 281 Abs 3 zweiter Satz StPO) ist erfüllt (S 243/III).

Soweit das Erstgericht die abweisliche Erledigung sinngemäß auf das Argument stützt, aus den im Beweisantrag genannten Gerichtsakten seien keine Rückschlüsse auf die Vermögenslage der Gertrud B***** in den Jahren 1998 und 1999 zu ziehen (S 241/III), würdigt es nicht durchgeführte Beweise - nach ständiger Judikatur unzulässig - vorgreifend auf ihren Beweiswert (SSt 57/37, zuletzt 11 Os 49/03). Die Mängelrüge (Z 5) moniert zutreffend eine Urteilsunvollständigkeit, indem sie aufzeigt, dass das Erstgericht die Aussage des Zeugen Sepp H*****, der beide Angeklagten hinsichtlich der von den Freisprüchen umfassten Vorwürfe massiv belastet hatte (S 157 f/III), mit Stillschweigen übergangen hat. Schließlich trifft auch der Einwand der Sanktionsrüge (Z 11) zu, dass die angefochtene Entscheidung zu Unrecht (nicht nur auf das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten vom 4. Mai 2000, sondern auch) auf das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg vom 23. November 2004, Bedacht nimmt (US 2). Liegen nämlich zwischen der Tatbegehung und der Aburteilung mehrere bestrafende Urteile, ist nach ständiger Rechtsprechung nur dann auf alle Bedacht zu nehmen, wenn sämtliche Taten vor dem ersten Urteil liegen, somit alle Entscheidungen durch das in § 31 Abs 1 StGB beschriebene Verhältnis verknüpft sind. Im Fall mehrerer nicht gemäß § 31 Abs 1 StGB verbundener Vor-Urteile ist somit nur auf das tatnächste Bedacht zu nehmen (zuletzt 12 Os 126/04, 13 Os 143/04, 14 Os 39/05).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Karl-Heinz Z*****:

Die Mängelrüge (Z 5, inhaltlich Z 9 lit a) weist zutreffend darauf hin, dass die angefochtene Entscheidung keine Feststellungen zur subjektiven Tatseite enthält und solcherart die tatrichterlichen Konstatierungen den Schuldspruch wegen des (als Bestimmungstäter iSd § 12 zweiter Fall StGB begangenen) Verbrechens der Brandstiftung nach § 169 Abs 1 StGB nicht tragen.

Es war daher den Nichtigkeitsbeschwerden Folge zu geben, das angefochtene Urteil zur Gänze aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung sowie Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen. Im Hinblick darauf erübrigt sich das Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen.

Im zweiten Rechtsgang werden die im Beweisantrag der Staatsanwaltschaft vom 28. April 2005 (S 215/III) genannten Akten beizuschaffen, alle für und gegen die Angeklagten sprechenden Verfahrensergebnisse, insbesonders auch die in der angefochtenen Entscheidung stillschweigend übergangene Aussage des Zeugen Sepp H*****, einer eingehenden Beweiswürdigung zu unterziehen und auf dieser Basis (gegebenenfalls) die erforderlichen Feststellungen zur objektiven sowie zur subjektiven Tatseite zu treffen sein. Hiebei wird mit Blick auf das Tatbestandserfordernis des § 169 Abs 1 StGB, die Feuersbrunst „ohne Einwilligung des Eigentümers" verursacht zu haben, auch die Verantwortung des Angeklagten Karl-Heinz Z*****, er habe geglaubt, Gertrud B***** sei Alleineigentümerin des gegenständlichen Ferienhauses gewesen (S 85/III), kritisch zu beleuchten sein. Sollte ein Schuldspruch des Genannten ergehen, wird die angeführte Judikatur zur Bedachtnahme auf frühere Urteile (§§ 31, 40 StGB) zu berücksichtigen sein.

Mit ihren Berufungen und ihren Beschwerden waren die Staatsanwaltschaft sowie der Angeklagte Karl-Heinz Z***** auf das kassatorische Erkenntnis zu verweisen, wobei mit Blick auf die Ausführungen zur Sanktionsrüge der Staatsanwaltschaft festgehalten sei, dass auch der Widerruf nach § 55 Abs 1 StGB rechtlich verfehlt war. Entsprechendes gilt für die in den Entscheidungsgründen als Grundlage für den Widerrufsbeschluss herangezogene Bestimmung des § 53 Abs 1 StGB (US 19), weil die präsumtiven Tatzeiten vor dem Beginn der zu AZ 504 Hv 61/02m des Landesgerichtes Korneuburg gesetzten Probezeit liegen.

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