OGH 8ObS23/05y

OGH8ObS23/05y16.11.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Glawischnig sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Ernst Galutschek und Thomas Albrecht als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Jaroslava K*****, vertreten durch Dr. Peter Ozlberger, Rechtsanwalt in Wien als Verfahrenshelfer, gegen die beklagte Partei IAF-Service GmbH, *****, wegen EUR 12.464,54, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 30. August 2005, GZ 7 Rs 65/05p-13, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Auf den vorliegenden Fall sind - da der Beschluss über die Abweisung des Konkursantrags nach dem 31. 12. 2000 erfolgte - § 3 Abs 2 und § 3a Abs 1 IESG idF BGBl I 142/2000 anzuwenden. Nach dieser Rechtslage ist die Sicherung der Geldansprüche ohnehin auf die letzten sechs Monate vor dem Stichtag, dem Ende des Dienstverhältnisses bzw Klagseinbringung eingeschränkt. Im Hinblick auf diese Erfassung und ausdrückliche Bewertung des Problems des „Stehenlassens" des laufenden Entgelts durch den Gesetzgeber, ist regelmäßig allein aus der zeitlichen Komponente des Stehenlassens von Entgeltansprüchen nicht darauf zu schließen, dass der Arbeitnehmer missbräuchlich das Finanzierungsrisiko auf den Insolvenzausfallgeld-Fonds überwälzen will (8 ObS 20/04f; 8 ObS 22/04z). Allerdings wurde auch für den Anwendungsbereich dieser Bestimmungen ausgesprochen, dass im Einzelfall dann, wenn zu dem „Stehenlassen" der Entgeltansprüche weitere Umstände hinzutreten, die konkret auf den Vorsatz des Arbeitnehmers schließen lassen, das Finanzierungsrisiko auf den Insolvenzausfallgeld-Fonds zu überwälzen, trotzdem die Geltendmachung von Ansprüchen auf Insolvenzausfallgeld missbräuchlich sein kann (8 ObS 11/04g mwN; 8 ObS 22/04z). In diesem Zusammenhang hat der Oberste Gerichtshof auch darauf hingewiesen, dass dies nicht im Widerspruch zur Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 11. 9. 2003 in der Rechtssache Walcher zu C-201/01 steht, da auch dort ausgesprochen wurde, dass Missbrauchsfälle iSd Art 10 der RL 80/987/EWG ausgeschlossen werden können.

In der von den Vorinstanzen vertretenen Auffassung, dass im vorliegenden Fall Anhaltspunkte für solchen Missbrauch vorliegen, kann eine (grobe) Verkennung der Rechtslage nicht erblickt werden. Die Klägerin war nach den Feststellungen vom 1. 2. 1998 bis 31. 1. 2000 bei der MT Medien- und Beratungsbeteiligungs GmbH (in der Folge: Arbeitgeberin) angemeldet, entfaltete ihre Tätigkeiten allerdings für zwei andere Unternehmen, wobei sie Geschäftsführerin des einen und 25 %ige Gesellschafterin des anderen Unternehmens war. Die Klägerin besaß nicht nur genaue Kenntnis über die wirtschaftliche Situation der Arbeitgeberin, sondern hatte aufgrund ihrer Position bei den anderen Unternehmen maßgeblichen Einfluss auf die unternehmerischen Entscheidungen des Geschäftsführer-Gesellschafters der Arbeitgeberin.

Mit ihrer Argumentation, dass eine enge wirtschaftliche Verflechtung zwischen der Arbeitgeberin und den beiden anderen Unternehmungen, für die die Klägerin tätig war, bestand, weshalb der Klägerin trotz eines Entgeltrückstandes von elf Monaten der Austritt nicht habe zugemutet werden können, erhärtet sie geradezu das Vorliegen eines „atypischen" Arbeitsverhältnisses, das aus dem Schutzbereich des IESG fällt.

Entgegen der Meinung der Rechtsmittelwerberin hat der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung 8 ObS 192/98p ausdrücklich dargelegt, dass ein Arbeitnehmer, der trotz Nichtzahlung des Lohns in voller Kenntnis der prekären finanziellen Lage im Unternehmen verbleibt, selbst dann, wenn er zum damaligen Zeitpunkt die eventuelle Inanspruchnahme des Fonds nicht ins Auge fasste und ihm daher auch kein bedingter Vorsatz vorgeworfen werden könnte, dennoch keinen Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld hat: er musste nämlich wissen, dass rückständige Lohnansprüche grundsätzlich vom Fonds - im gewissen Umfang - abgegolten werden; macht er sie, auch wenn er dies früher nicht bedachte, nunmehr geltend, liegt auch darin ein sittenwidriger Versuch der Schädigung des Insolvenzausfallgeldfonds.

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