OGH 7Ob253/05i

OGH7Ob253/05i9.11.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DDr. Peter M*****, vertreten durch Dr. Mag. Harald Jelinek, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei D***** AG, *****, vertreten durch Dr. Stefan Herdey und Dr. Roland Gsellmann, Rechtsanwälte in Graz, wegen EUR 24.119,46 sA, über die außerordentliche Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 14. Juli 2005, GZ 5 R 64/05a-36, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der Kläger, ein Zahnarzt, der seine Praxis wegen eines Leitungswasserschadens und zweier Erkrankungen vorübergehend geschlossen hatte, macht Ansprüche aus einer mit der Beklagten abgeschlossenen Betriebsunterbrechungsversicherung geltend.

Das Berufungsgericht änderte die klagsstattgebende Entscheidung der ersten Instanz im Sinne einer Klagsabweisung mit der Begründung ab, die Vertragsanfechtung der Beklagten wegen Arglist (§ 22 VersVG) sei berechtigt. Der Kläger habe erhebliche Umstände iSd § 16 VersVG, nach denen im Antragsformular ausdrücklich gefragt worden sei, arglistig verschwiegen, nämlich zwei Vorversicherungen, bei denen der Schadensverlauf bzw die Häufung der Anspruchsstellungen die Versicherer jeweils veranlasst habe, das Vertragsverhältnis zu beenden.

Gegen den Ausspruch des Berufungsgerichtes, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, erhebt der Revisionswerber zwei Einwände: Zum einen, es liege keine oberstgerichtliche Judikatur zur Frage vor, ob eine erfolgreiche Vertragsanfechtung wegen arglistiger Täuschung nach § 22 VersVG die Anwendbarkeit des § 21 VersVG ausschließe oder nicht. Zum anderen seien die verschwiegenen Vorerkrankungen (eine Armverletzung nach Sturz, ein fiebriger Effekt und rektale Blutungen) keine erheblichen Umstände iSd § 16 VersVG. Da sich die arglistige Täuschung nach stRsp auf wesentliche, erhebliche Umstände beziehen müsse, weiche die Berufungsentscheidung von oberstgerichtlicher Judikatur ab.

Damit vermag der Revisionswerber keinen tauglichen Grund für die Zulassung seines Rechtsmittels aufzuzeigen.

Rechtliche Beurteilung

Dass § 21 VersVG im Falle der erfolgreichen Anfechtung nach § 22 VersVG nicht herangezogen werden kann, geht schon aus dem Wortlaut dieser Bestimmung klar und eindeutig hervor: Das Recht des Versicherers, den Vertrag wegen arglistiger Täuschung über Gefahrenumstände anzufechten, bleibt unberührt. Wie der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung EvBl 1958, 387/237 = VersR 1959, 408 ausgesprochen hat, wird damit auf die Anfechtungsmöglichkeit nach bürgerlichem Recht verwiesen. „Das Versicherungsvertragsgesetz sagt dazu nichts und deshalb gehen alle Ausführungen, die sich auf die Bestimmungen dieses Gesetzes stützen, daneben." Dies, dass also ua § 21 VersVG in den Fällen des § 22 VersVG „nicht gilt" (Prölss in Prölss/Martin VVG27 § 22 Rz 1 mwN) wird auch im Schrifttum einhellig betont (vgl etwa auch Römer/Langheid VVG2 § 22 Rz 1 mwN) und stellt daher keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar.

Was den zweiten Einwand betrifft, releviert der Revisionswerber lediglich das Verschweigen von Vorerkrankungen. Er übersieht dabei oder setzt sich darüber hinweg, dass ihm vom Berufungsgericht vor allem zum Vorwurf gemacht wird, dass er zwei Vorversicherungen sowie den Umstand, dass beide wegen des Schadensverlaufes bzw der Häufung der Anspruchsstellungen von den Versicherern beendet wurden, verschwiegen hat. Feststeht, dass der Kläger von den (Vor-)Versicherern hingewiesen wurde, dass es für ihn deshalb schwierig sein werde, einen anderen (Betriebsunterbrechungs-)Versicherer zu finden. Ohne Zweifel musste der Kläger befürchten, dass ein Versicherer in Kenntnis dieser „Vorgeschichte" ihn gar nicht oder nur zu anderen Bedingungen gegen Betriebsunterbrechung versichern werde. Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers ist die Erheblichkeit der verschwiegenen Umstände daher evident. Sind doch nach stRsp Gefahrenumstände iSd § 16 VersVG erheblich, die geeignet sind, auf den Entschluss des Versicherers, den Vertrag überhaupt oder zu dem vereinbarten Inhalt abzuschließen, Einfluss auszuüben (7 Ob 69/00y; 7 Ob 174/01s; 7 Ob 57/05s ua), wobei ein Umstand, nach dem der Versicherer ausdrücklich und schriftlich fragt, im Zweifel als erheblich gilt (§ 16 Abs 1 letzter Satz VersVG; 7 Ob 266/02x mwN; 7 Ob 57/05s). Nach stRsp ist es zur Bejahung der Gefahrenerheblichkeit von Umständen nicht erforderlich, dass der Versicherer bei Kenntnis des wahren Sachverhaltes den Vertrag tatsächlich abgelehnt oder nicht zu den bestimmten Bedingungen geschlossen hätte. Es reicht aus, dass der vom Versicherer nachgewiesene Umstand bei objektiver Betrachtung geeignet ist, einen solchen Entschluss des Versicherers zu motivieren (RIS-Justiz RS0080637, zuletzt etwa 7 Ob 57/05s und 7 Ob 120/05f).

Keine Rede kann daher davon sein, dass die angefochtene Entscheidung von oberstgerichtlicher Judikatur abweichen würde. Vielmehr liegt es auf der Hand, dass das Verschweigen der betreffenden Umstände durch den Kläger mit Täuschungsvorsatz iSd § 22 VersVG erfolgte.

Das mangels eines tauglichen Zulassungsgrundes demnach unzulässige Rechtsmittel des Klägers war zurückzuweisen.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Stichworte