OGH 16Ok48/05

OGH16Ok48/0517.10.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Kartellrechtssachen durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Birgit Langer als Vorsitzende, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel und Dr. Kuras gem § 92 Abs 2 KartG in der Kartellrechtssache der Antragsteller 1. K***** Betriebsgesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Michael Metzler, Rechtsanwalt in Linz, 2. K***** KG, *****, 3. C***** GmbH, *****, Zweit- und Drittantragsteller vertreten durch Mag. Daniela Karollus-Bruner, Rechtsanwältin in Wien, 4. Dr. Matthias Schmidt, Rechtsanwalt in Wien, besonderer Verwalter im Konkursverfahren über das Vermögen der C***** Gesellschaft mbH (2 S 41/02w HG Wien), wider die Antragsgegner

1. C***** Gesellschaft mbH, 2. C***** Gesellschaft mbH, 3. L***** Betriebsgesellschaft mbH, *****, 4. Ing. Christian L*****, 5. S*****-GmbH, *****, 6. L***** Privatstiftung, *****, 7. C***** GmbH, *****, alle vertreten durch Dr. Norbert Gugerbauer, Rechtsanwalt in Wien, über den Kostenrekurs der Erstantragsgegnerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Kartellgericht vom 8. Juni 2005, GZ 26 Kt 230/02-125, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Kostenrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Erst- und die Zweitantragstellerin betreiben Großkinos in Österreich. Auch die Drittantragstellerin betrieb Großkinos in Österreich, ihre Kinos wurden im Laufe des Verfahrens von der Zweitantragsgegnerin übernommen. Der Viertantragsteller ist besonderer Verwalter im Konkurs über das Vermögen eines Kinounternehmens und war im Zeitpunkt der Einbringung des Antrags mit dem Fortbetrieb einiger Kinos der Gemeinschuldnerin in Wien betraut. Die Erstantragsgegnerin betreibt österreichweit einen Filmverleih. Die Zweit- und die Drittantragsgegner betreiben traditionelle Kinos und Multiplexe in Österreich. Die Siebentantragsgegnerin hat ihre Geschäftsanteile an der Erstantragsgegnerin Ende 2002 an die Sechstantragsgegnerin abgetreten. Bei den Zweit- bis Sechstantragsgegnern handelt es sich um Tochtergesellschaften oder Gesellschafter der Erstantragsgegnerin.

Die Antragsteller beantragten im Juni 2002, den Antragsgegnern Aufträge nach § 35 Abs 1 und 2 KartG zu erteilen. Überdies beantragten sie die Ermächtigung zur Entscheidungsveröffentlichung. Die Drittantragstellerin zog ihre Anträge gegen Ende des Verfahrens erster Instanz - als auch zu ihrem Vorbringen schon umfassend Beweis aufgenommen war - mit Schriftsatz vom 4. 2. 2004 "unter Anspruchsverzicht" zurück, nachdem ihre Kinos von der Zweitantragsgegnerin übernommen worden waren. Der Viertantragsgegner schränkte seinen Antrag, nachdem er diesen in der Tagsatzung am 26. 2. 2003 in einen Feststellungsantrag geändert hatte, mit Schriftsatz vom 19. 9. 2003 auf Kosten ein. Antragsteller und Antragsgegner erstatteten während des Verfahrens laufend neues Sach- und Rechtsvorbringen.

Die Bundeswettbewerbsbehörde beteiligte sich am Verfahren unter Erstattung umfangreichen Vorbringens und eigener Anträge (26 Kt 93-95/03). Der Bundeskartellanwalt war in der mündlichen Verhandlung vertreten.

Nach einem außergewöhnlich aufwändigen Beweisverfahren traf das Kartellgericht mit Beschluss vom 28. 4. 2004 folgende Entscheidung über die Anträge der Erst- und der Zweitantragstellerin (ON 103):

Stattgegeben wurde den gegenüber der Erstantragsgegnerin erhobenen Anträgen (gemäß § 35 Abs 1 KartG),

a) die von der Erst- und der Zweitantragstellerin betriebenen Kinos mit Filmkopien von Filmen, welche österreichweit mit mindestens 10 Kopien gestartet und von der jeweiligen Antragstellerin bestellt werden, zum Starttermin zu beliefern,

b) der Erst- und der Zweitantragstellerin rechtzeitig, und zwar mindestens vier Wochen vor dem Filmstart, die Starttermine bekannt zu geben und die Belieferung zu bestätigen, sowie ihnen unverzüglich Werbe- und Promotionsmaterial auszuliefern, sobald es zur Verfügung steht, sowie

c) der Erst- und der Zweitantragstellerin hinsichtlich deren Kinos in Wien und Linz/Pasching die gleichen Bedingungen bei der Werbetätigkeit im Rahmen des Filmverleihs zu gewähren wie den der Zweit- und der Drittantragsgegnerin gehörigen oder von diesen betreuten ("programmierten") Kinos am jeweiligen Standort. Abgewiesen wurden diese Anträge, soweit sie sich auch gegen die Zweit- bis Siebentantragsgegner richteten; abgewiesen wurde der Antrag, den Antragsgegnern über den erteilten Auftrag hinaus "missbräuchliche Verhaltensweisen zu untersagen", insbesondere ihnen aufzutragen, die Erst- und die Zweitantragstellerinnen im Verhältnis zu den von den Antragsgegnern betriebenen und/oder programmierten Kinos nicht zu diskriminieren, ihnen Werbe- und Promotionsmaterial zumindest gleichzeitig mit der Auslieferung an die von den Antragsgegnern betriebenen und/oder programmierten Kinos, die bestellten Filme zu branchenüblichen Leihmieten zu vermieten und ihnen in jedem Fall die gleichen Bedingungen, insbesondere hinsichtlich Beginnzeiten, Spieldauer, Anzahl der Vorstellungen, Saalgröße, Eintrittspreisgestaltung, Leihmietenhöhe, wie den von den Antragsgegnern und/oder ausgegliederten Rechtsträgern betriebenen oder programmierten Kinos zu gewähren. Ebenso wurden die Anträge abgewiesen, eine "Überbindungsverpflichtung" bezüglich der beantragten Aufträge sowie die Unterlassung "jeglichen Verstoßes gegen diese Aufträge" auszusprechen. Schließlich wurde auch der auf § 35 Abs 2 KartG gegründete Antrag abgewiesen, den Antragsgegnern die Ausgliederung eines ihrer beiden Unternehmen "Filmverleih" oder "Kinobetrieb" in eine oder mehrere rechtlich selbstständige Gesellschaft/Gesellschaften aufzutragen ("Entflechtung"). Dem Antrag auf Ermächtigung zur Entscheidungsveröffentlichung wurde teilweise stattgegeben.

Den gegen diesen Beschluss erhobenen Rekursen der Erst- und der Zweitantragstellerinnen und der Erstantragsgegnerin gab der OGH als Kartellobergericht mit Beschluss vom 4. 4. 2005 nicht Folge; die Rekurse der Zweit- bis Siebentantragsgegner wurden zurückgewiesen (ON 121).

Das Erstgericht setzte mit dem angefochtenen Beschluss - soweit für das Rekursverfahren von Bedeutung - die gerichtlichen Rahmengebühren für die Verfahren über den Antrag der Erstantragstellerin und der Zweitantragstellerin jeweils mit 12.000 EUR fest und bestimmte jeweils als zahlungspflichtig für diese Gebühren im Umfang eines Betrags von 2.000 EUR die Erst- bzw Zweitantragstellerin, im Umfang eines Betrags von 10.000 EUR die Erstantragsgegnerin. Im Hinblick auf die vier verfahrenseinleitenden Schriftsätze von vier Antragstellern sei von vier Verfahren der Missbrauchsaufsicht auszugehen. Die Erledigung der von Erst- und Zweitantragstellerin gestellten Anträge habe einen ungewöhnlich hohen Verfahrensaufwand erfordert, dem Rahmengebühren in Höhe von jeweils 12.000 EUR gerecht würden. Diese Rahmengebühren seien jeweils zum weit überwiegenden Teil, nämlich zu fünf Sechstel, der weitgehend unterlegenen Erstantragsgegnerin zur Zahlung aufzuerlegen. Soweit Anträge gegen diese abgewiesen worden seien, hätten dafür rechtliche Erwägungen den Ausschlag gegeben. Insbesondere hätten weder die Abweisung des "Entflechtungsantrags" noch die Abweisung der Anträge gegen die Zweit- bis Siebentantragsgegner einen besonderen Verfahrens- oder Begründungsaufwand erfordert. Es sei daher gerechtfertigt, Erst- und Zweitantragstellerin nur mit einem verhältnismäßig geringen Teil der ausgemittelten Gebühren für die von ihnen eingeleiteten Verfahren zu belasten.

Nur gegen die in diesem Beschluss ihr jeweils zur Zahlung auferlegte Quote der Rahmengebühren richtet sich der Kostenrekurs der Erstantragsgegnerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Abänderungsantrag dahin, sie jeweils nur mit einer Quote von drei Siebentel der Rahmengebühren zu belasten.

Erst- und Zweitantragstellerin beantragen, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Kostenrekurs ist nicht berechtigt.

Nach Auffassung der Rechtsmittelwerberin seien Erst- und Zweitantragstellerin nur mit drei von sieben Begehren durchgedrungen; vor allem die „gewichtigsten" Anträge auf Entflechtung seien abgewiesen worden. Diese Verfahrensergebnisse seien bei der Kostenentscheidung zu berücksichtigen und der Erstantragsgegnerin jeweils nur eine Quote von drei Siebentel der - der Höhe nach angemessenen - Rahmengebühren zur Zahlung aufzuerlegen. Gemäß § 80 Z 9 KartG ist für ein Verfahren auf Erteilung von Aufträgen nach den §§ 35 und 36 KartG eine Rahmengebühr von 750 EUR bis 30.000 EUR zu entrichten. Die Zahlungspflicht für diese Gebühr ist, wenn der Antragsteller - wie hier - keine Amtspartei ist, nach Maßgabe des Verfahrenserfolgs dem Antragsteller, dem Antragsgegner oder beiden verhältnismäßig aufzuerlegen (§ 82 Z 3 lit c KartG). Diese Bestimmung statuiert das Prinzip der Erfolgshaftung (16 Ok 3/02; 16 Ok 19/02; 16 Ok 4/04; RIS-Justiz RS0117350). Der Erfolg des Antragstellers im Verfahren misst sich dabei allein daran, ob und allenfalls in welchem Umfang er mit seinen Anträgen (gemessen an der Endentscheidung) letztlich durchgedrungen ist (16 Ok 19/02). Inhaltlich entspricht § 82 Z 3 lit c KartG der Bestimmung des § 43 Abs 1 erster Satz ZPO, weshalb die in der Rechtsprechung zu dieser Kostennorm des streitigen Verfahrensrechts entwickelten Grundsätze gleichermaßen auf die Gebührenbestimmung im außerstreitigen Kartellverfahren Anwendung zu finden haben.

Als Maßstab dafür, inwieweit die eine Partei als obsiegend, die andere als unterliegend anzusehen ist, ist primär auf den Gesamtstreitgegenstand abzustellen (M. Bydlinski in Fasching, ZPO² § 43 Rz 2). Handelt es sich um Ansprüche, die nicht in Geld bestehen und deren Verhältnis sich nicht eindeutig rechnerisch bemessen lässt, hat das Gericht das Verhältnis des erfolgreichen und des abgewiesenen Begehrens nach freiem Ermessen zu bestimmen (Fucik in Rechberger, ZPO² § 43 Rz 1; RIS-Justiz RS0035831). Es besitzt dabei einen größeren Beurteilungsspielraum. Dabei ist vor allem die unterschiedliche rechtliche und wirtschaftliche Bedeutung der jeweiligen Teilbegehren von Bedeutung, aber auch der jeweilige Verfahrensaufwand (M. Bydlinski aaO mwN zur Rsp).

Gemessen an diesen Grundsätzen hat das Kartellgericht bei seiner Entscheidung, mit welchen Quoten die Rahmengebühren auf die jeweils zahlungspflichtigen Parteien zu verteilen sind, den ihm eingeräumten Ermessenspielraum nicht überschritten. Zutreffend hat es nämlich berücksichtigt, dass das Schwergewicht des Verfahrens darin bestand, die marktbeherrschende Stellung und verschiedene marktmissbräuchliche Verhaltensweisen (ua) der Erstantragsgegnerin festzustellen und daran anknüpfend Abstellaufträge gegen diese zu erlassen. Mit dem von Erst- und Zweitantragstellerin erreichten Auftrag, wonach sie die Erstantragsgegnerin für sämtliche von ihnen betriebenen Kinos mit Filmkopien von Filmen, die österreichweit mit mindestens 10 Kopien gestartet und von ihnen bestellt werden, zum Starttermin beliefern muss, haben die genannten Parteien das deklarierte Hauptziel des von ihnen eingeleiteten Missbrauchsverfahrens erreicht. Die wirtschaftlichen Auswirkungen dieses Erfolgs sind beträchtlich, weshalb allein schon das Obsiegen in diesem Punkt gewichtig zu Gunsten der Erst- und Zweitantragstellerin zu der für die Gebührenaufteilung anzustellenden Erfolgsrechnung beiträgt. Dem gegenüber entfiel auf die abweisenden Teile der Endentscheidung - etwa auf die Abweisung des Entflechtungsauftrags oder der Überbindungsverpflichtung - kein stark ins Gewicht fallender Verfahrensaufwand, weil insoweit ausschließlich rechtliche Überlegungen ausschlaggebend waren.

Nicht zielführend ist hingegen die von der Rekurswerberin nur an Hand der Gliederung des Spruchs des verfahrensbeendenden Beschlusses aufgestellte Rechnung, sie habe „vier von sieben Teilbegehren" erfolgreich abgewehrt: Mit dieser Argumentation zerlegt die Erstantragsgegnerin die verfahrenseinleitenden Anträge ohne sachliche Berechtigung in verschiedene - ihrer unzutreffenden Auffassung nach gleichwertige - Teilbegehren, wobei sie sich ausschließlich an formalen Gesichtspunkten orientiert und nicht auf den tatsächlich aufgewendeten Verfahrensaufwand oder den wirtschaftlichen Gehalt der Anträge abstellt.

Dem Rekurs ist ein Erfolg zu versagen.

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