OGH 7Ob135/05m

OGH7Ob135/05m28.9.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** GmbH, *****, vertreten durch Ploil Krepp & Partner, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Dipl. Ing. Rolf R*****, 2. Ulrich W*****, beide pA D***** GmbH, *****, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte OEG in Wien, wegen EUR 72.000 sA, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 29. März 2005, GZ 4 R 280/04g-16, womit infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 22. Juni 2004, GZ 29 Cg 112/03w-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 2.037,22 (darin enthalten EUR 339,54 USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Mit der am 3. 10. 2003 beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien eingebrachten, am 22. 10. 2003 an das Erstgericht (Handelsgericht Wien) überwiesenen Klage begehrt die klagende Gesellschaft mit Sitz in Wien von den beiden Beklagten, die ihren Wohnsitz jeweils in Deutschland haben, EUR 72.000 sA aus dem Titel des Schadenersatzes. Im Zusammenhang mit der Errichtung eines Hotel- und Geschäftshauses in Warschau (kurz: Projekt „S*****") habe sie mit der D***** Sp. z

o. o (kurz: D***** Sp. z o.o) vereinbart, sämtliche für die Baugenehmigung erforderlichen Arbeiten auszuführen, wofür die Klägerin nur dann ein Entgelt erhalten sollte, wenn für das Projekt letztlich ein Investor gefunden werden könne. Für die Klägerin sei dieses Risiko kalkulierbar gewesen, weil sie über ausreichende Kontakte verfügt habe.

Als Geschäftsführer bzw Prokurist der D***** GmbH (kurz: D***** GmbH) und der D***** Sp. z o.o hätten die beiden Beklagten der Klägerin wiederholt zugesichert, dass sich diese Gesellschaften das notwendige Grundstück für das Projekt vertraglich gesichert hätten und über die Verwertungsrechte verfügten. Im Vertrauen auf diese Zusage habe die Klägerin - durch die zu 100 % in ihrem Eigentum stehende Tochtergesellschaft T***** Sp. z o.o (kurz: T***** Sp. z o.o) in Polen (AS 53, 67 und 78) - umfangreiche Vorarbeiten für die Erteilung der Baubewilligung im Wert von EUR 693.000,96 erbracht. In der Folge habe sich aber herausgestellt, dass die genannten (von den beiden Beklagten vertretenen) Gesellschaften nicht über die entsprechenden Rechte an der für das Projekt notwendigen Liegenschaft verfügten und die Liegenschaftseigentümer ihre Zustimmung versagten. Die Beklagten hafteten daher solidarisch neben den von ihnen repräsentierten Gesellschaften für den an frustriertem Aufwand (für die Vorarbeiten) vorsätzlich durch Täuschung über Tatsachen verschuldeten Schaden, wovon vorerst nur ein Teilbetrag von EUR 72.000 sA begehrt werde.

Die Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes ergebe sich aus Art 5 Z 3 EuGVVO, weil der geltend gemachte (Vermögens-) Schaden am Sitz der Klägerin in Wien eingetreten sei, nachdem ihre Tochtergesellschaft die durchgeführten Vorarbeiten an die Klägerin „weiterverrechnet" (AS 53, 67) habe.

Die Beklagten wendeten die Unzuständigkeit des Erstgerichtes ein. Art 5 Z 3 EuGVVO sei nicht anwendbar, weil er einen Wahlgerichtsstand am Ort des Schadenseintritts nur für rein deliktische Schadenersatzansprüche eröffne und daher ausgeschlossen sei, wenn die Ansprüche - wie hier - an einen Vertrag iSd Art 5 Z 1 EuGVVO anknüpften. Außerdem sei das für den Wahlgerichtsstand nach Art 5 Z 3 EuGVVO notwendige Tatbestandselement des Eintritts des Schadens in Österreich nicht gegeben. Gegenstand des Vertrages sei ein Investitionsvorhaben in Polen. Der vorgesehene Handlungs- und (zufolge der angeblich abredewidrigen Vorgangsweise der Beklagten) der Erfolgsort des schädigenden Ereignisses lägen daher in Polen. Es bestehe keinerlei Anknüpfung, die eine Zuordnung der Schadensereignisse nach Österreich ermögliche, weil der behauptete Schaden im Vermögen der polnischen Niederlassung der Klägerin eingetreten sei. Eine allfällige „Weiterverrechnung" an ihre im Inland gelegene Hauptniederlassung könne den Wahlgerichtsstand nach Art 5 Z 3 EuGVVO nicht begründen.

Das Erstgericht wies die Klage zurück.

Es beurteilte den geltend gemachten Schadenersatzanspruch als Anspruch aus einem Vertrag iSd Art 5 „Abs" 1 EuGVVO, weshalb die Zuständigkeit nicht auf Art 5 Nr 3 EuGVVO gestützt werden könne. Ob es sich bei der polnischen Niederlassung der Klägerin um eine eigenständige Zweigstelle iSd Handelsrechtes oder um ihre 100 %ige Tochtergesellschaft handle, könne dahingestellt bleiben, weil sich in beiden Fällen ein allfälliger Schaden zunächst im Vermögen der Niederlassung in Polen bzw der Tochtergesellschaft verwirklicht hätte und erst durch Weiterverrechnung an die Klägerin „zum Tragen gekommen" wäre. Damit liege der Ort des Schadenseintrittes wie auch der Erfüllungsort aus der vertraglichen Vereinbarung in Polen. Ihren Wohnsitz hätten die Beklagten aber in Deutschland, weshalb kein Anknüpfungspunkt für eine inländische Zuständigkeit gegeben sei. Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Nach dem - als Ausnahme vom Wohnsitzgerichtsstand des Art 2 Abs 1 EuGVVO - allein in Betracht kommenden Art 5 Z 3 EuGVVO könne die Klage beim Gericht jenes Ortes eingebracht werden, an dem das schädigende Ereignis eingetreten sei oder einzutreten drohe. Zu der im Wesentlichen gleichlautenden Vorgängerbestimmung des LGVÜ/EuGVÜ habe der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach ausgeführt, dass die Begriffe der „unerlaubten Handlung" und der „Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist", ebenso wie der in Art 5 Z 1 LGVÜ festgelegte Begriff des Vertrages autonom bestimmt würden. Entscheidend sei daher nicht, ob der fragliche Anspruch nach österreichischem Recht deliktischer Natur sei, sondern ob der Anspruch von Art 5 Z 3 EuGVVO in seiner Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof erfasst werde. Es sei zwar richtig, dass die (eine Anwendung des Art 5 Nr 3 EuGVVO ausschließende) von Art 5 Z 1 EuGVVO vorausgesetzte vertragliche Beziehung zwischen den Streitparteien bestehen müsse, was hier nicht der Fall sei. Der Umkehrschluss, dass bei Fehlen einer vertraglichen Beziehung zwischen den Streitteilen automatisch Art 5 Z 3 EuGVVO zur Anwendung gelange, wie ihn die Klägerin offenbar ziehe, erscheine jedoch nicht gerechtfertigt. Zum einen sei auch hier von einem so engen Zusammenhang mit einem Vertrag auszugehen, dass dieses vertragliche Element ganz im Vordergrund stehe und auch den Charakter des deliktischen Rechtsverhältnisses ganz entscheidend präge. Zum anderen entspreche der hier geltend gemachte Schadenersatzanspruch auch nicht im Entferntesten den unter Art 5 Z 3 EuGVVO fallenden „Deliktstypen" wie Straßenverkehrsunfälle, Umweltbeeinträchtigungen, Kartellverstöße, unlauterer Wettbewerb, Verletzung von Immaterialgüterrechten udgl. Die Klägerin mache vielmehr ausschließlich einen bloßen (primären, reinen) Vermögensschaden geltend, worunter Nachteile zu verstehen seien, die nicht durch die Verletzung eines absolut geschützten Gutes des Geschädigten (zB des Lebens, der Gesundheit oder des Eigentums) oder als deren Folge eintreten, sondern sich nur sonst im Gesamtvermögen des Geschädigten auswirken.

Der Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten sei, sei jedoch nach der Rsp des Europäischen Gerichtshofes nicht auch der Ort, an dem der Geschädigte einen Vermögensschaden in der Folge eines in einem anderen Vertragsstaat entstandenen und dort von ihm erlittenen Erstschadens erlitten zu haben behaupte und auch nicht schon deshalb der Ort des Klägerwohnsitzes als Ort des Mittelpunktes seines Vermögens, weil dem Kläger nach seinem Vorbringen durch Verlust von Vermögensbestandteilen in einem anderen Vertragsstaat ein finanzieller Schaden entstanden sei.

Die - nach ihrem Vorbringen - durch das Verhalten der Beklagten ausschließlich in ihrem Vermögen geschädigte Klägerin könne sich daher nicht auf Art 5 Z 3 EuGVVO berufen, weil ihr Sitz als Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten sei, bei der Geltendmachung eines reinen Vermögensschadens keinen ausreichenden Anknüpfungspunkt iSd Bezug habenden Wahlgerichtsstandes darstelle.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil Rsp des Obersten Gerichtshofs zur Frage fehle, ob bei der Geltendmachung eines bloßen Vermögensschadens [auch] der Sitz des davon betroffenen Unternehmens als Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, iSd Art 5 Z 3 EuGVVO zu werten sei.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs der Klägerin wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Beschlüsse der Vorinstanzen aufzuheben und dem Erstgericht die Durchführung des gesetzmäßigen Verfahrens aufzutragen; in eventu, die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Rekurs- bzw an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

Die beklagten Parteien beantragen den Revisionsrekurs zurückzuweisen, in eventu, ihm nicht Folge zu geben.

Die Klägerin macht Ansprüche auf Ersatz von Vermögensschäden gegen die in Deutschland wohnhaften Beklagten vor einem österreichischen Gericht geltend. Sie beruft sich auf den Gerichtsstand des Art 5 Nr 3 EuGVVO. Danach kann eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaats hat, in einem anderen Mitgliedsstaat verklagt werden, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden. Der Europäische Gerichtshof definiert Klagen aus „unerlaubten Handlungen" als Klagen, „mit denen eine Schadenshaftung des Beklagten geltend gemacht wird und die nicht an einen Vertrag iSd Art 5 Nr 1 anknüpfen" (EuGH Slg 1988, 5565 - Kalfelis/Schröder; Klauser, JN-ZPO II, EuZPR [2002], Art 5 EuGVVO, E 91 mwN; RIS-Justiz RS0109739; zuletzt: 9 Ob 2/05t mwN). Darunter fallen auch Ansprüche auf Ersatz von Vermögensschäden, die durch deliktische Handlungen (hier: die behauptete vorsätzliche Täuschung über Tatsachen) entstanden sind, sofern (wie nach den Klageangaben) zwischen Schädiger und Geschädigtem kein Vertragsverhältnis bestanden hat (vgl 4 Ob 149/04x betreffend eine private Kapitalveranlagung).

Örtlich zuständig für derartige Klagen ist nach Art 5 Nr 3 EuGVVO das Gericht des Orts, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist „oder einzutreten droht". Nur diese letzte - hier nicht relevante - Wortfolge wurde in der im Übrigen unveränderten Vorgängerbestimmung des Art 5 Nr 3 EuGVÜ/LGVÜ ergänzt (Burgstaller/Neumayr, IZVR II [Oktober 2002], Art 5 EuGVO Rz 43). Die zit Bestimmung wird in der Rsp des Europäischen Gerichtshofs vertragsautonom dahin ausgelegt, dass sie sowohl den Ort, an dem der Schaden eingetreten ist, als auch den Ort des ursächlichen Geschehens meint (EuGH Slg 1976, 1735 - Bier/Mines de Potasse D`Alsace; Klauser, aaO Art 5 EuGVVO, E 113 mwN).

Die Revisionsrekurswerberin vertritt nun im Wesentlichen den Standpunkt, der eingeklagte Schaden sei nicht am Ort ihrer 100 %-igen Tochtergesellschaft (somit nicht in Polen), sondern an ihrem inländischen Sitz entstanden, weil sie in keinem anderen Vertragsstaat über Vermögen verfüge, sich an ihrem Sitz auch der Sitz ihrer Vermögensverwaltung befinde und nur dort der unmittelbare Schaden eingetreten sei. Dabei wird übersehen, dass die Klägerin - auch nach dem Klagevorbringen - nicht durch die „Weiterverrechnung" der frustrierten Aufwendungen sondern dadurch geschädigt wurde, dass entgegen den angeblichen Zusicherungen der beiden Beklagten eben keine Eigentums- und Verwertungsrechte der Geschäftspartner der Klägerin an der für das Projekt, in Warschau notwendigen Liegenschaft bestanden, und die Liegenschaftseigentümer dem Projekt, in das die Klägerin investiert hatte, letztlich keine Zustimmung erteilten. Im Ausmaß der im Vertrauen auf diese Zusicherungen erbrachten, aber frustrierten Aufwendungen hat die Klägerin in Polen, und zwar im Vermögen der zu 100% in ihrem Eigentum stehenden polnischen Tochtergesellschaft, einen Schaden erlitten.

Die Klägerin macht mit der vorliegenden Klage also einen Schadenersatzanspruch aus culpa in contrahendo (Täuschung über Tatsachen beim Vertragsabschluss) geltend (RIS-Justiz RS0014680; RS0016281; RS0016410; RS0023624; 2 Ob 268/02d mwN); darauf, ob solche Ansprüche nach der EuGVVO vertraglich oder deliktisch einzuordnen sind (vgl zum Meinungsstand: Burgstaller/Neumayr, aaO Art 5 EuGVO Rz 45 letzter Abs bzw Gmeiner in Gmeiner/Schütze, EuZVR, Art 5 EuGVVO, Rn 18, 25, 205 und 221 mwN in FN 33), muss hier jedoch nicht eingegangen werden: Für die - auf Art 5 Nr 3 EuGVVO gestützte - internationale Zuständigkeit des angerufenen Erstgerichts ist vielmehr maßgebend, ob unter dem in leg cit angeführten „Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist", bei reinen Vermögensschäden auch der Sitz der geschädigten Gesellschaft oder nur jener Ort verstanden wird, an dem sich die Vermögensteile befunden haben, die die Klägerin für das Projekt S***** verwendet und verloren hat.

Eine derartige Frage im Zusammenhang mit Art 5 Nr 3 EuGVÜ und der (privaten) Veranlagung von Vermögensteilen eines Geschädigten im Ausland wurde dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften aber bereits mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 9. 4. 2002, 4 Ob 40/02i, gemäß Art 234 EG zur Vorabentscheidung vorgelegt. Mit Urteil vom 10. Juni 2004, C-168/02 , hat der Europäische Gerichtshof daraufhin erkannt, Art 5 Nr 3 EuGVÜ sei dahin auszulegen, „dass sich die Wendung 'Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist' nicht schon deshalb auf den Ort des Klägerwohnsitzes - als Ort des Mittelpunkts seines Vermögens - bezieht, weil dem Kläger nach seinem Vorbringen durch Verlust von Vermögensbestandteilen in einem anderen Vertragsstaat ein finanzieller Schaden entstanden ist". In seinen Erwägungsgründen führte der Europäische Gerichtshof aus (Rz 18), der Umstand, dass sich der in einem anderen Vertragsstaat erlittene Schaden des Klägers gleichzeitig auch auf sein Gesamtvermögen auswirke, rechtfertige nicht die Zuständigkeit der Gerichte eines anderen Vertragsstaates als desjenigen, in dem das ursächliche Geschehen stattgefunden habe und der Schaden eingetreten sei. Die Wendung „Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist", könne nicht so weit ausgelegt werden, dass sie jeden Ort erfasse, an dem die nachteiligen Folgen eines Umstands spürbar werden könnten, der bereits einen - tatsächlich an einem anderen Ort entstandenen - Schaden verursacht habe. Eine derartige Auslegung würde in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens die gerichtliche Zuständigkeit von ungewissen Umständen wie dem Ort des Mittelpunkts des Vermögens des Geschädigten abhängig machen und liefe folglich einem der Ziele des Übereinkommens zuwider, nämlich den Rechtsschutz der in der Gemeinschaft ansässigen Personen dadurch zu stärken, dass ein Kläger ohne Schwierigkeiten festzustellen vermag, welches Gericht er anrufen könne, und einem verständigen Beklagten erkennbar werde, vor welchem Gericht er verklagt werden könne. Überdies würde eine derartige Auslegung zumeist die Zuständigkeit der Gerichte des Klägerwohnsitzes begründen, ein Ergebnis, dem das Übereinkommen außer in den von ihm ausdrücklich vorgesehenen Fällen ablehnend gegenüberstehe (Rz 20).

Dem Europäischen Gerichtshof folgend hat auch der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, der Gerichtsstand nach Art 5 Nr 3 EuGVÜ werde nicht dadurch am Ort des Kläger-Wohnsitzes als Ort des Mittelpunkts seines Vermögens begründet, dass dem Kläger (nach seinem Vorbringen) durch Verlust von Vermögensbestandteilen in einem anderem Vertragsstaat ein finanzieller Schaden entstanden ist (4 Ob 149/04x = RIS-Justiz RS0119298).

Nichts anderes kann für die klagende Gesellschaft gelten, die sich mit der Begründung auf den Gerichtsstand nach Art 5 Nr 3 EuGVVO beruft, sie habe infolge eines in einem anderen Vertragsstaat (Polen hat das LGVÜ am 1. 11. 1999 ratifiziert [Klausner aaO, LGVÜ-Ratifikationstabelle, 325]) eingetretenen finanziellen Verlustes (hier: im Vermögen der zu 100-% in ihrem Eigentum stehenden Tochtergesellschaft in Polen) einen Vermögensschaden (auch) an ihrem Sitz in Wien erlitten, weil ihr die Aufwendungen „weiterverrechnet" wurden:

Bereits nach der früheren - vom Obersten Gerichtshof übernommenen - Rsp des Europäischen Gerichtshofes war als „Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist", nämlich grundsätzlich nicht jener Ort gemeint, an dem der Geschädigte einen Vermögensschaden in der Folge eines in einem anderen Vertragsstaat entstandenen und dort von ihm erlittenen (Erst-)Schadens erlitten zu haben behauptete (EuGH 7. 3. 1995, Rs C-68/93 - Shevill/Presse Alliance, Slg 1995, I-415; RIS-Justiz RS0114004 [T1] = 7 Ob 127/01d; Klausner, JN-ZPO II Europäisches ZPR, Art 5 EuGVVO, E 116), auch wenn bereits der ursprüngliche Schaden schon ein Vermögensschaden war (EuGH Slg 1995, I-2719 - Mariani/Lloyds Bank; Schlosser, EU-ZPR² [2003] § 5 EuGVVO Rz 19). In diesem - von der Klägerin behaupteten - Fall hat der Europäische Gerichtshof vielmehr ausdrücklich auch einen Schaden (als) für die Zuständigkeitsbestimmung nach leg cit „unbeachtlich" erklärt, den eine Muttergesellschaft erlitten hat, weil das Vermögen ihrer ausländischen Tochter Einbußen erfuhr (Schlosser aaO Rz 19a mit Hinweis auf EuGH Slg 1990 I-49 - Dumez/Hessische Landesbank = NJW 1991, 631).

Entgegen den Rechtsmittelausführungen sind die Vorinstanzen, wenn sie die (auf Art 5 Nr 3 EuGVVO gestützte) internationale Zuständigkeit des Erstgerichtes schon mangels Vorliegens eines ausreichenden Anknüpfungspunktes am Sitz der Klägerin verneinten, ohne auf die strittige Stellung ihrer polnischen Tochtergesellschaft oder „Niederlassung" (laut Klage- bzw Beklagtenvorbringen) näher einzugehen, von der zit Rsp nicht abgewichen. Dem unberechtigten Revisionsrekurs der Klägerin muss daher ein Erfolg versagt bleiben. Die Entscheidung über die Kosten der Rekursbeantwortung gründet sich auf § 41 iVm § 50 Abs 1 ZPO.

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