OGH 11Os61/05p

OGH11Os61/05p27.9.2005

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. September 2005 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Danek, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Lang als Schriftführer, in der Strafsache gegen Peter K***** sowie einen anderen Angeklagten wegen Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall SMG und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Peter K***** und Karl H***** gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 6. April 2005, GZ 38 Hv 220/04v-41, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Peter K***** wird zurückgewiesen.

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Karl H***** und aus deren Anlass (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO) wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch I, gemäß § 289 StPO auch im Schuldspruch II sowie demzufolge auch in den Strafaussprüchen aufgehoben und die Strafsache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Salzburg zurückverwiesen.

Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten Peter K***** fallen auch die auf seine Nichtigkeitsbeschwerde entfallenden Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Peter K***** zweier vollendeter und eines versuchten Verbrechens nach § 28 Abs 2 vierter Fall SMG und § 15 StGB (I A) sowie (richtig:) der Vergehen nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG (II A) und der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall (richtig:) StGB, Karl H***** sechs vollendeter und eines versuchten Verbrechens nach § 28 Abs 2 vierter Fall SMG und § 15 StGB (I B) sowie (richtig:) der Vergehen nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG (II B) schuldig erkannt.

Danach haben

(I) in der Zeit von der Jahresmitte 2001 bis Juli 2004 Suchtgift in einer großen Menge (§ 28 Abs 6 SMG) in Verkehr gesetzt, nämlich (A) Peter K*****

(1) durch Verkauf von ca 800 g Cannabisharz mit einem Reinheitsgehalt von rund 6 % an Hans Peter A***** sowie

(2) - (4) durch Weitergabe unbekannter Mengen von Cannabisharz und Cannabiskonzentrat an im Urteilsspruch namentlich genannte Personen, (B) Karl H***** durch Verkauf von etwa 2.285 g Cannabisharz mit einem Reinheitsgehalt von ungefähr 6 % an Peter K*****,

(II) Suchtgift erworben und bis zum Eigenkonsum besessen, nämlich (A) Peter K***** in der Zeit von 1997 bis 2. Juli 2004 Cannabisprodukte und Kokain sowie

(B) Karl H***** bis zum 5. Juli 2004 Cannabiskraut, (III) Peter K***** im Oktober 2004 durch die Behauptung, der ihn im gegenständlichen Verfahren vernehmende Gendarmeriebeamte Insp W***** habe ihm mehrfach mit der Verhaftung gedroht und seine (K*****s) Angaben nicht wahrheitsgemäß protokolliert sondern „erfunden bzw vorformuliert", den Genannten dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, dass er ihn des Verbrechens des Amtsmissbrauchs nach § 302 Abs 1 StGB wissentlich falsch verdächtigte.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen erhoben die beiden Angeklagten Nichtigkeitsbeschwerde aus Z 4, Karl H***** darüber hinaus aus Z 5, 5a, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO. Die Beschwerde Peter K*****s geht fehl, die - nur gegen den Schuldspruch I B gerichtete - Karl H*****s ist im Recht.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Karl H*****:

Wie die Mängelrüge (Z 5) zutreffend aufzeigt, sind die Feststellungen zum Reinheitsgrad der Suchtmittelmengen und (insbesonders hinsichtlich des angenommenen Additionseffekts) zur subjektiven Tatseite (US 6) gänzlich unbegründet. Auch die Konstatierung der nach dem Urteilstenor vom Beschwerdeführer an Peter K***** weitergegebenen Suchtgiftmenge hätte in Anbetracht dessen, dass sie nach der Aktenlage allein das Ergebnis einer von der Anklagebehörde aufgrund von ungefähren Angaben Peter K*****s (S 201) vorgenommenen Rückrechnung (S 270) wiedergibt, einer eingehenderen Begründung bedurft als des bloßen Hinweises auf das - später widerrufene - Geständnis des Genannten im Vorverfahren (US 7), um dem Bestimmtheitsgebot des § 270 Abs 2 Z 5 StPO zu genügen. Hinzu kommt, dass die Feststellung, die beiden Angeklagten hätten bei jedem Einzelakt mit dem Vorsatz gehandelt, insgesamt eine große Suchtmittelmenge in Verkehr zu setzen, den Schuldspruch des Beschwerdeführers wegen mehrerer Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall SMG (US 4) nicht trägt.

Schließlich trifft auch der Einwand der Subsumtionsrüge (Z 10) zu, dass der angefochtenen Entscheidung kein hinreichendes Feststellungssubstrat zum Schuldspruch (auch) des versuchten Verbrechens nach § 28 Abs 2 vierter Fall SMG (I B) zu entnehmen ist. Das Deliktsstadium des Versuches setzt nämlich die Ausführungsnähe voraus, die beim mehraktigen Inverkehrsetzen einer großen Suchtmittelmenge erst dann gegeben ist, wenn sich die tatsächliche Verfügungsgewalt über eine insgesamt große Menge zur Gänze realisiert hat. Ist dies nicht der Fall, ist durch das Inverkehrsetzen eines nicht die Grenzmenge (§ 28 Abs 6 SMG) erreichenden Suchtgiftquantums (objektiv) nicht der Tatbestand des § 28 Abs 2 vierter Fall SMG iVm § 15 StGB, sondern nur jener des § 27 Abs 1 sechster Fall SMG erfüllt (11 Os 55/04, 13 Os 123/04, 12 Os 21/05).

Aufgrund der dargelegten Feststellungs- und Begründungsmängel war der Nichtigkeitsbeschwerde (hinsichtlich des Schuldspruchs I B) schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort Folge zu geben (§ 285e StPO). Im Hinblick darauf erübrigt sich das Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen.

Da die aufgezeigten Begründungsmängel auch dem Angeklagten Peter K*****, der das Urteil insoweit unangefochten ließ, zustatten kommen, war gemäß § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO von Amts wegen auch der diesen betreffende Schuldspruch I A aufzuheben.

Die Kassation des Schuldspruchs I hat auch jene des Schuldspruchs II (wegen der Vergehen nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG) zur Folge (§ 289 StPO), um ein - für den Fall der Erledigung der Anklage wegen der Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall SMG (I) auf andere Weise als durch Schuldspruch - allenfalls gesetzlich gebotenes diversionelles Vorgehen (hier: §§ 35 Abs 1, 37 SMG) zu ermöglichen (12 Os 69/04, 12 Os 105/04).

Im zweiten Rechtsgang werden Feststellungen zu den von der Anklage umfassten Suchtmittelquanten, zum diesbezüglichen Reinheitsgehalt sowie zu allen subjektiven Tatbestandsmerkmalen (auch hinsichtlich eines allenfalls angenommenen Additionseffekts) zu treffen und mängelfrei zu begründen sein.

Sollten die Tatrichter dabei vom Inverkehrsetzen (auch) einer die Grenzmenge (§ 28 Abs 6 SMG) nicht übersteigenden, aber vom Erreichen dieser Menge umfassten Tätervorsatz getragenen Suchtmittelmenge ausgehen, wären auch die zur Beurteilung der Ausführungsnähe iS der Bestimmungen des § 15 StGB und des § 28 Abs 2 vierter Fall SMG erforderlichen Konstatierungen zu treffen.

Im Fall der Erledigung des auf das Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall SMG gerichteten Anklagevorwurfs auf andere Weise als durch Schuldspruch wären die Auskünfte und Stellungnahmen nach § 35 Abs 3 SMG einzuholen und auf der hiedurch geschaffenen Basis das Vorliegen der Voraussetzungen für die vorläufige Verfahrenseinstellung (§ 37 iVm § 35 Abs 1 SMG) zu prüfen.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Peter K*****:

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wies das Erstgericht den Antrag auf zeugenschaftliche Vernehmung von Astrid Z***** zum Beweis dafür, „dass es tatsächlich den Eindruck erweckt hat, dass der Beschuldigte K***** abgeführt worden ist und man ihm das Handy abgenommen hat, da bei seiner Mitnahme das Handy in Händen der Polizei war" (S 371), ohne Verletzung von Verteidigungsrechten ab (S 373), weil die unter Beweis zu stellenden Umstände weder schuld- noch subsumtionsrelevant waren. Das diesen Beweisantrag ergänzende Beschwerdevorbringen hat auf sich zu beruhen, weil allein der Antrag den Gegenstand der Entscheidung des Erstgerichts bildet und demnach auch der Oberste Gerichtshof dessen Berechtigung stets auf den Antragszeitpunkt bezogen überprüft (SSt 41/71, zuletzt 11 Os 55/05). Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Peter K***** zum Schuldspruch III war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Die Erörterung des gegen den Schuldspruch I A gerichteten Beschwerdevorbringens erübrigt sich im Hinblick auf die diesbezüglich gemäß § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO getroffene kassatorische Entscheidung.

Mit ihren Berufungen waren die Angeklagten auf die Aufhebung des Strafausspruchs zu verweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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