OGH 13Os123/04

OGH13Os123/043.11.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. November 2004 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Hon. Prof. Dr. Ratz, Hon. Prof. Dr. Schroll und Dr. Kirchbacher als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Diewok als Schriftführerin in der Strafsache gegen Siegfried L***** wegen der teils beim Versuch (§ 15 StGB) gebliebenen Verbrechen nach § 28 Abs 2 zweiter, dritter und vierter Fall, Abs 3 erster und zweiter Fall SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 22. Juni 2004, GZ 8 Hv 151/03z-48, sowie über die implizierte Beschwerde gegen den gleichzeitig gefassten Beschluss nach § 494a Abs 1 Z 4 StPO nach Anhörung des Generalprokurators in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde sowie aus deren Anlass (§ 290 Abs 1 StPO) wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt,

in der rechtlichen Unterstellung auch unter § 15 StGB, § 28 Abs 2 vierter Fall ferner unter § 28 Abs 3 erster und zweiter Fall SMG, demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) sowie

der zugleich gefasste Beschluss nach § 494a Abs 1 Z 4 StPO aufgehoben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Mit seiner Berufung und der implizierten Beschwerde wird der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung verwiesen. Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf rechtskräftig gewordene Schuldsprüche aus dem ersten Rechtsgang Bedacht nehmenden Urteil wurde Siegfried L***** der teils beim Versuch (§ 15 StGB) gebliebenen Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster und zweiter Fall SMG schuldig erkannt. Danach hat er den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen Menge (§ 28 Abs 6 SMG) gewerbsmäßig und als Mitglied einer kriminellen Vereinigung Ende Oktober 2001 in Graz in Verkehr gesetzt, indem er 188 Gramm Kokain dem Johann F***** übergab.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen auf § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde kommt - in Übereinstimmung mit der Ansicht der Generalprokuratur - Berechtigung zu:

Die zur Verneinung der Privilegierung nach § 28 Abs 3 zweiter Satz SMG getroffene Urteilsannahme, der Angeklagte habe sich zu den Tathandlungen vorwiegend deshalb entschlossen, um sich künftig dadurch seinen (gemeint: sonstigen) Lebensunterhalt aufzubessern, teilweise (und somit nicht vorwiegend) sei es ihm aber auch darum gegangen, auf diese Weise selbst zu Suchtgift zu kommen (US 8), übergeht nämlich, wie die Mängelrüge zutreffend aufzeigt, eine Auseinandersetzung mit entgegenstehenden Beweisergebnissen (Z 5 zweiter Fall). Der pauschale Verweis der Tatrichter auf die grundsätzlich geständige Verantwortung des Beschwerdeführers lässt die der Negativfeststellung zu den Privilegierungsvoraussetzungen des § 28 Abs 3 zweiter Satz SMG entgegenstehenden Angaben des Siegfried L***** zum Umfang seines Suchtgiftkonsums und der hiefür aufgewendeten Mittel unerörtert (vgl insbesondere AS 356 bis 358, 450 f, 453). Insoweit erweist sich daher eine Neudurchführung des Verfahrens als unumgänglich (§ 285e StPO).

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde war aber auch hinsichtlich des im zweiten Rechtsgang gefällten Schuldspruches der vom Beschwerdeführer nicht geltend gemachte Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 10 StPO von Amts wegen wahrzunehmen (§ 290 Abs 1 StPO; vgl 13 Os 40/04):

Die Tatrichter trafen hiezu die Feststellung, dass der Angeklagte vorsätzlich 188 Gramm Kokain mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 70 % an Johann F***** übergab (US 10 f). Diese Urteilsannahmen sind nicht geeignet, den Schuldspruch wegen teils auch versuchten Inverkehrsetzens einer großen Suchtgiftmenge nach § 15 StGB, § 28 Abs 2 vierter Fall SMG zu tragen. Durch die solcherart konstatierte Weitergabe von 131,6 Gramm reinem Kokain wurde zwar eine die Grenzmenge (15 Gramm Reinsubstanz) achtmal erreichende Suchtgiftmenge in Verkehr gesetzt. Hinsichtlich der verbleibenden Restmenge von 11,6 Gramm reinem Kokain mangelt es allerdings an tragfähigen Konstatierungen zur Beurteilung, ob der Tatentschluss zum (allenfalls) kontinuierlichen Inverkehrsetzen zumindest einer weiteren großen Suchtgiftmenge (§ 28 Abs 6 SMG) durch eine der Ausführung unmittelbar vorangehende Handlung bereits betätigt wurde oder das inkriminierte Verhalten nach Lage des Falles (der Beschwerdeführer wurde nach dieser inkriminierten Weitergabe von Johann F***** nicht mehr als Suchtgiftkurier eingesetzt - US 11) hinsichtlich der übergebenen Restmenge möglicherweise nur nach § 27 Abs 1 sechster Fall SMG zu beurteilen wäre. Auch dieser Mangel an Feststellungen zwingt zu einer Neudurchführung des Verfahrens (vgl 14 Os 70/04).

Dabei wird zu beachten sein, dass das Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall SMG dadurch ausgeführt wird, dass eine große Menge eines Suchtgiftes (§ 28 Abs 6 SMG), über welche der Täter tatsächlich verfügt, in Verkehr gesetzt wird. Wird bei einem Suchtgiftdeal auch eine über die große Menge (§ 28 Abs 6 SMG) hinausgehende Restmenge weitergegeben, so läge eine Ausführungsnähe zum Inverkehrsetzen einer weiteren großen Menge Suchtgift nur dann vor, wenn sich diese tatsächliche Verfügungsgewalt über eine insgesamt (weiters) große Menge (also zusätzlich zur bereits übergebenen Restmenge jenes Suchtgiftquantum, welches zur - weiteren - großen Menge fehlt) bereits zur Gänze realisiert hat und daher jener Akt unmittelbar bevorsteht, der beim in Verkehr zu setzenden Suchtgift zum Erreichen der (zusätzlichen) Grenzmenge führt, gleichsam "das Fass zum Überlaufen bringt" (vgl auch Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 146 Rz 124; 13 Os 40/04; 11 Os 55/04).

Zugleich werden deutliche und mängelfreie Feststellungen zu treffen sein, ob es dem Angeklagten anlässlich der Übergabe von 188 Gramm Kokain an Johann F***** Ende Oktober 2001 darauf angekommen ist, ob er also in der Absicht (§ 5 Abs 2 StGB) gehandelt hat, sich durch wiederkehrendes Inverkehrsetzen einer jeweils großen Menge (das ist die in § 28 Abs 2 SMG bezeichnete Tat) eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (14 Os 106/03; vgl jedoch US 11: " ... mit dem Vorsatz

...").

Mit seiner Berufung und der implizierten Beschwerde (§ 498 Abs 3 StPO) war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO (vgl Lendl in WK-StPO § 390a Rz 7).

Stichworte