Spruch:
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerden sowie aus deren Anlass (§ 290 Abs 1 StPO) wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Umfang der Schuldsprüche der Angeklagten Stefan F*****, Petra Re*****, Alexandra R***** und Wieslaw K***** zu A I. 1. bis 3. in der rechtlichen Unterstellung der festgestellten Tatsachen auch unter § 28 Abs 3 erster Fall SMG sowie im zu A II. 1. ergangenen Schuldspruch, demgemäß auch im alle vier Angeklagten treffenden Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.
Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten Stefan F***** und Alexandra R***** sowie die Staatsanwaltschaft auf das kassatorische Erkenntnis verwiesen.
Den Angeklagten Alexandra R***** und Wieslaw K***** fallen auch die Kosten des bisherigen Verfahrens über ihre Rechtsmittel zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auch einen rechtskräftigen Freispruch aller Angeklagten enthaltenden Urteil wurden Stefan F*****, Petra Re*****, Alexandra R***** und Wieslaw K***** der Verbrechen nach § 28 Abs 2 zweiter und dritter Fall, Abs 3 erster Fall SMG als Bestimmungstäter nach § 12 zweiter Fall (A I.) und der teils in der Entwicklungsstufe des Versuchs (§ 15 StGB) verbliebenen Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster Fall SMG (A II. 1.), Stefan F***** weiters der Vergehen nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG (A II. 2.a), des Diebstahls nach § 127 StGB (B I.) und der Hehlerei nach § 164 Abs 1 StGB (B II.), Petra Re***** überdies des Vergehens nach § 27 Abs 1 (erster und zweiter Fall) SMG (A II. 2.b) schuldig erkannt. Demnach haben sie in Graz
A) im bewussten und gewollten Zusammenwirken gewerbsmäßig
I. eine bislang unbekannte Person dazu bestimmt, am 6. Juni 2003 durch den Transport von ca 981 Gramm Speed (203,43 +/- 12,09 Gramm in Reinsubstanz) von Polen oder Tschechien nach Österreich den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgifte in einer großen Menge ein- und auszuführen, und zwar
1. Stefan F***** und Petra Re***** zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt zwischen Anfang und Mitte Mai 2003, indem sie Alexandra R***** ersuchten, Wieslaw K***** aufzufordern, über seinen Bekannten Lucjan W***** bei dessen polnischen Hintermännern das Suchtgift zu bestellen und die Lieferung des Suchtgiftes nach Österreich in Auftrag zu geben,
2. Alexandra R***** zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt Mitte Mai 2003, indem sie Wieslaw K***** aufforderte, über seinen Bekannten Lucjan W***** bei dessen polnischen Hintermännern das Suchtgift zu bestellen und die Lieferung des Suchtgiftes in Österreich in Auftrag zu geben,
3. Wieslaw K***** zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt Anfang Juni 2003, indem er über Lucjan W***** bei dessen polnischen Hintermännern das Suchtgift bestellte und die Lieferung des Suchtgiftes nach Österreich in Auftrag gab;
II. den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift
1. Stefan F*****, Petra Re*****, Alexandra R***** und Wieslaw K***** vom 7. Juni 2003 bis 11. Juni 2003 in einer großen Menge (§ 28 Abs 6 SMG) teils in Verkehr gesetzt, teils in Verkehr zu setzen versucht, indem sie das zu A) I. angeführte Suchtgift von einem polnischen Mittelsmann auf Kommissionsbasis zu einem vereinbarten Kaufpreis von 15.000 Euro übernahmen, hievon insgesamt ca 8 Gramm (aktenkonform: zumindest 4 Gramm [US 16]) zu einem Grammpreis von 50 Euro gewinnbringend in Verkehr setzten, wobei Stefan F***** als Verteiler des Suchtgiftes fungierte und Petra Re***** teilweise am Abpacken des Suchtgiftes beteiligt war und das restliche Suchtgift zwecks gewinnbringenden Verkaufes an Kaufinteressenten bereithielten, wobei der erwartete Erlös unter ihnen aufgeteilt werden sollte;
2. mit Ausnahme der zu 1. angeführten Mengen erworben und besessen, und zwar
a) Stefan F***** von Anfang 2001 bis zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt vor dem 11. Juni 2003, indem er unbekannte Mengen Marihuana, Haschisch, Kokain und Speed in zahlreichen Angriffen von teils namentlich angeführten, teils unbekannten Personen kaufte und in der Folge konsumierte;
b) Petra Re***** zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt vor dem 11. Juni 2003, indem sie eine unbekannte Menge Heroin von einer bislang unbekannten Person kaufte und in der Folge konsumierte;
B) Stefan F*****
I. nachgenannten Personen die nachangeführten fremden beweglichen Sachen in einem 2.000 Euro nicht übersteigenden Gesamtwert mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar
1. Mitte August 2000 einer bislang unbekannten Person ein Mountainbike der Marke "Genesis" in unbekanntem Wert und
2. Ende März 2003 einer bislang unbekannten Person ein Mountainbike der Marke "Lotus" in unbekanntem Wert;
II. am 1. April 2003 den Täter einer mit Strafe bedrohten Handlung gegen fremdes Vermögen nach der Tat dabei unterstützt, die Sache, die dieser durch sie erlangt hatte, zu verwerten, indem er das Mountainbike der Marke "Nakamura" im Wert von ca 400 Euro, welches zuvor Richard A***** dem Karlheinz K***** gestohlen hatte, im Second-Hand-Shop "Cash-4-You" zu einem Preis von 75 Euro verkaufte. Während die Schuldsprüche der Angeklagten Stefan F***** und Petra Re***** in Rechtskraft erwuchsen, bekämpfen Alexandra R***** und Wieslaw K***** ihre mit getrennt ausgeführten, jeweils auf § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden.
Rechtliche Beurteilung
Mit Mängelrüge machen beide Beschwerdeführer zu A I. 2. bzw 3. des Schuldspruchs zutreffend eine offenbar unzureichende Begründung (Z 5 vierter Fall) der subjektiven Tatseite geltend, soweit ihnen wegen der einmaligen Bestimmung zur ebenfalls einmaligen Ein- und Ausfuhr einer die große Menge zwar um ca das Zwanzigfache überschreitenden (reinen) Amphetaminmenge gewerbsmäßiges Handeln angelastet wird. Sie verweisen sinngemäß darauf, dass die Feststellung der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung der strafbaren Handlung zumindest für einen längeren Zeitraum eine (Neben-)Einkommensquelle zu erschließen, nicht ausreichend begründet ist.
Zwar setzt Gewerbsmäßigkeit nicht voraus, dass der Täter die strafbare Handlung tatsächlich wiederholt hat; fallbezogen fehlt es jedoch an jeglichem Substrat, in dem eine dem § 70 StGB entsprechende Zielsetzung Deckung findet. Konstatierungen zu trister Einkommens- und Vermögenslage sowie Beschäftigungslosigkeit allein reichen hiefür nicht aus. Die den Feststellungen zu Grunde gelegten, die Tathandlungen nicht in Abrede stellenden Verantwortungen der Angeklagten F***** und Re***** lassen - teils mangels gezielter Befragung - ebenfalls keine Rückschlüsse zu, ob die wiederholte Ein- und Ausfuhr großer Suchtgiftmengen zwecks Erzielung einer fortlaufenden Einnahmequelle von der Absicht (§ 5 Abs 2 StGB) der Angeklagten umfasst war. Völlig unerörtert blieb auch die Verantwortung F*****s, für ihn sei die Sache jedenfalls eine einmalige Angelegenheit gewesen, er habe mit dem Geld auf längere Zeit seine Sucht finanzieren und seine Schulden abdecken wollen und es wäre dann ein Schritt gewesen, wieder in ein normales Leben hineinzukommen (S 31/III).
Die geplante fortlaufende Verwertung der anlässlich einer einzigen von den Mittätern angestifteten Schmuggelfahrt aus- und eingeführten Speedmengen vermag ein diesbezüglich gewerbsmäßiges Handeln ebenfalls nicht zu begründen (Jerabek in WK² § 70 Rz 9).
Berechtigt ist ferner die Kritik des Angeklagten Wieslaw K***** an der nur ihn treffenden Urteilsannahme, er hätte durch die zu A I. 3. beschriebenen Handlungen für sich eine Einnahmequelle zu erschließen beabsichtigt. Der Beschwerdeführer verweist dazu auf die von den Tatrichtern zwar konstatierten (US 13), in der Beweiswürdigung aber mit Stillschweigen übergangenen Depositionen der Mitangeklagten F*****, Re***** und R*****, die mehrfach und übereinstimmend von der geplanten Drittelung des angestrebten Gewinnes nur zwischen ihnen berichteten.
Die aufgezeigten Begründungsmängel zwingen den Obersten Gerichtshof zur Kassation der rechtlichen Unterstellung der zu A I. 2. und 3. festgestellten Tatsachen auch unter § 28 Abs 3 erster Fall SMG. Dieselben Gründe, auf denen die Verfügung zu Gunsten der beiden Beschwerdeführer beruht, kommen auch den rechtskräftig verurteilten Mitangeklagten F***** und Re***** zu statten, weshalb mit gleichartiger Behebung des diese betreffenden Schuldspruchs zu A I.
1. vorzugehen war (§ 290 Abs 1 StPO).
Damit erübrigt sich aber ein Eingehen auf das (gleichfalls allein die Gewerbsmäßigkeit bekämpfende) Vorbringen der Beschwerdeführer im Rahmen der Tatsachenrügen (Z 5a).
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden war aber auch hinsichtlich des Schuldspruchpunktes A II. 1. der von keiner Seite geltend gemachte Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 10 StPO zu Gunsten aller vier Angeklagten von Amts wegen wahrzunehmen (§ 290 Abs 1 StPO):
Die Tatrichter trafen hiezu die Feststellung, dass die Mittäter vereinbarten, beim kontinuierlichen Inverkehrsetzen der aus Polen oder Tschechien nach Österreich geschmuggelten großen Speedmengen arbeitsteilig zusammenzuwirken, dieses gemeinschaftlich in Österreich an der Raststation Armwiesen zu übernehmen und in der Wohnung von F***** und Re***** (diese sollte es auch verpacken) verkaufsbereit zu lagern und es letztlich von F*****, der Kontakte zu entsprechenden Abnehmerkreisen hatte, in kleinen Mengen verkaufen zu lassen (US 13). Die einzelnen Tathandlungen sollten im Sinne einer fortlaufenden Tatbestandsverwirklichung hinsichtlich der rund 203 Gramm reines Amphetamin enthaltenden Gesamtmenge (US 16) gesetzt werden. Dabei umfasste der Vorsatz der Mitangeklagten jeweils auch den an diese kontinuierliche Begehung geknüpften Additionseffekt (US 13 f). Entsprechend diesem Übereinkommen verkaufte Stefan F***** insgesamt zumindest 4 Gramm Speed (brutto) in drei Lokalen an unbekannte Abnehmer. Petra Re***** war ihm teilweise beim Abpacken des Suchtgifts behilflich (US 16).
Diese Urteilsannahmen sind nicht geeignet, den Schuldspruch wegen teils versuchten, teils vollendeten Inverkehrsetzens großer Suchtgiftmengen nach §§ 28 Abs 2 vierter Fall SMG, 15 StGB (umso weniger jenen in der Qualifikation der gewerbsmäßigen Begehung nach § 28 Abs 3 erster Fall SMG) zu tragen. Durch den konstatierten Verkauf von (aktenkonform) zumindest 4 Gramm (US 16), aber auch von ca 8 Gramm (lt Urteilsspruch US 4) Speed (jeweils brutto) wurde nämlich jedenfalls keine die Grenzmenge (10 Gramm Reinsubstanz) erreichende Suchtgiftmenge in Verkehr gesetzt, sodass das Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall SMG nicht vollendet ist. Bei entsprechendem Vorsatz und ausreichender Ausführungsnähe wäre das Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall SMG vielmehr zur Gänze im Versuchsstadium verblieben. In diesem Zusammenhang mangelt es allerdings an tragfähigen Konstatierungen zur Beurteilung, ob der Tatenschluss zum kontinuierlichen Inverkehrsetzen zumindest einer großen Suchtgiftmenge (Abs 6) durch eine der Ausführung unmittelbar vorangehende Handlung bereits betätigt wurde oder das inkriminierte Verhalten nach Lage des Falles (ein Großteil des Suchtmittels wurde noch in insgesamt 10 Plastiktüten [S 185/I] verpackt und versteckt in "Wurstsemmeln" [S 23/I], in denen es geschmuggelt worden war, sichergestellt) im Stadium der Vorbereitung verblieben ist, was eine geringer sanktionierte Strafbarkeit nach § 28 Abs 1 SMG und hinsichtlich der bereits verkauften Suchtgiftmenge möglicherweise nur nach § 27 Abs 1 sechster Fall SMG nach sich zöge (vgl Foregger/Litzka/Matzka SMG 1998 Erl VI. 3. zu § 28). Diese eine zweifelsfreie Subsumtion bereits des Grunddelikts nicht zulassenden Feststellungsmängeln machen eine Urteilsaufhebung des gesamten Schuldspruchs zu A II. 1. und insoweit eine Verfahrenserneuerung notwendig.
Hingegen erfordert der nicht exakt spezifizierte Tatzeitpunkt zu A
II. 2. b) kein Vorgehen nach § 290 Abs 1 StPO, weil nach den Urteilskonstatierungen der Heroinkonsum wegen diesbezüglichen Nachweises im Harn kurz vor dem 11. Juni 2003 stattfand (US 10), sich mithin keine Verjährungsfrage stellt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO. R***** und K***** waren ungeachtet dessen, dass ihr Rechtsmittel Erfolg hatte, in den Kostenersatz zu verfällen, weil der erstgerichtliche Schuldspruch in Hinblick auf den Grundtatbestand zu A I. 2. bzw 3. bestehen blieb (Lendl, WK-StPO § 390a Rz 7). Hingegen werden die von der amtswegigen Maßnahme nach § 290 Abs 1 StPO betroffenen Angeklagten F***** und Re***** nicht kostenersatzpflichtig (aaO Rz 12).
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