OGH 14Os82/05y

OGH14Os82/05y20.9.2005

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. September 2005 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Hon. Prof. Dr. Ratz, Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Schroll als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Lang als Schriftführer, in der Strafsache gegen DI Franz L***** wegen des Verbrechens der gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Personen unter achtzehn Jahren nach § 209 StGB, AZ 2 d E Vr 1474/01 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, über den Antrag des Verurteilten auf Erneuerung des Strafverfahrens gemäß § 363a StPO nach Anhörung des Generalprokurators in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Antrag des DI Franz L***** auf Erneuerung des Strafverfahrens wird Folge gegeben.

Es werden die Urteile des Einzelrichters des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 15. Jänner 2002, GZ 2 d E Vr 1474/01-43, sowie des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 3. Dezember 2002, AZ 19 Bs 186/02 (= ON 58), aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zur Erneuerung des Strafverfahrens an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Mit seinen weiteren Aufhebungsanträgen wird DI Franz L***** auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit durch Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien vom 3. Dezember 2002, AZ 19 Bs 186/02 (= ON 58), bestätigtem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 15. Jänner 2002, GZ 2 d E Vr 1474/01-43, wurde DI Franz L***** des Verbrechens der gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Personen unter achtzehn Jahren nach § 209 StGB schuldig erkannt und zu einer unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt, weil er von Herbst 1994 bis Februar 2001 in Wien mit vier Personen, die das vierzehnte, aber noch nicht das achtzehnte Lebensjahr vollendet hatten, in vielfachen Angriffen gleichgeschlechtliche Unzucht getrieben hatte.

Mit Erkenntnis vom 3. Februar 2005 (Application no. 18297/03) stellte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine in der Verurteilung wegen § 209 StGB gelegene Verletzung des Art 14 iVm Art 8 EMRK fest, weil die in der Strafbestimmung normierte Beschränkung der Strafbarkeit sexueller Kontakte auf nur (männliche) homosexuelle Partner sachlich nicht gerechtfertigt sei und außerdem das Recht auf Achtung des Privatlebens verletzte.

Aufgrund dieses Urteils beantragt DI Franz L***** die Erneuerung des Strafverfahrens gemäß § 363a StPO.

Rechtliche Beurteilung

Ausgehend von der angeführten Entscheidung des EGMR sind die Voraussetzungen für die Erneuerung des Strafverfahrens gegeben:

§ 209 StGB wurde vom Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 21. Juni 2002 (G 6/02) unter Fristsetzung bis 28. Februar 2003 als verfassungswidrig aufgehoben. Durch das am 14. August 2002 in Kraft getretene Strafrechtsänderungsgesetz 2002, BGBl I 2002/134, wurde die Strafbestimmung des § 209 StGB beseitigt. Der neu eingeführte § 207b StGB pönalisiert unter bestimmten, hier nicht erfüllten Voraussetzungen sexuellen Missbrauch von Jugendlichen. Zur Anwendbarkeit dieser Strafbestimmung normiert die Übergangsregelung (Art X), dass nach Aufhebung des Urteils erster Instanz unter anderem infolge Erneuerung des Strafverfahrens im Sinn der §§ 1 und 61 StGB vorzugehen ist.

Da die Konventionsverletzung einen für den Verurteilten, dessen neuerliche Bestrafung wegen des in Rede stehenden Verhaltens nach dem Gesagten nicht mehr in Betracht kommt, nachteiligen Einfluss auf den Inhalt der strafgerichtlichen Entscheidung ausübt (§ 363a Abs 1 StPO) und nicht dem - mit dem Straffall bisher nicht befassten - Obersten Gerichtshof zuzurechnen ist, war in Stattgebung des Erneuerungsantrages und in Übereinstimmung mit der Stellungnahme des Generalprokurators in nichtöffentlicher Beratung gemäß § 363b Abs 3 StPO wie aus dem Spruch ersichtlich zu entscheiden (vgl Reindl WK-StPO § 363c Rz 8, 15 Os 112/04, 13 Os 77/03, 14 Os 109/01, 13 Os 150/98 u.a.).

Mit seinem Antrag auf Aufhebung von weiteren Entscheidungen des Landesgerichtes für Strafsachen Wien und des Oberlandesgerichtes Wien war DI Franz L***** hingegen auf diese Entscheidung zu verweisen, weil durch die Erneuerung des Strafverfahrens unter Aufhebung der schuldigsprechenden Urteile allen anderen Verfahrensschritten der Boden entzogen wurde.

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