Spruch:
Den Nichtigkeitsbeschwerden wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil - das im Übrigen unberührt bleibt - in den Schuldsprüchen des Angeklagten Nikolay A***** zu A./I./2., 6., 7., 8., 9., 12. und des Angeklagten Kacha Ch***** zu A./I./2. und 10., demzufolge auch in der zu A./I. und II. (A*****) sowie A./I. und III. (Ch*****) gemäß § 29 StGB gebildeten Subsumtionseinheit nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4 und Abs 2, 129 Z 1, 130 erster bis vierter Fall und 15 StGB sowie in den Strafaussprüchen, weiters der den Angeklagten Ch***** betreffende Beschluss auf Widerruf bedingter Strafnachsicht aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.
Im Übrigen werden die Nichtigkeitsbeschwerden zurückgewiesen. Mit ihren Berufungen werden die beiden Angeklagten, mit seiner Beschwerde wird der Angeklagte Ch***** auf diese Entscheidung verwiesen.
Den Angeklagten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden Nikolay A***** und Kacha Ch***** des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs Z 4, 128 Abs 2, 129 Z 1, 130 erster bis vierter Fall, 15 StGB (A./), sowie des Vergehens der kriminellen Vereinigung nach § 278 Abs 1 StGB (B./), Ch***** auch des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs 2, 224 StGB (C./) schuldig erkannt. Danach haben sie - soweit im Nichtigkeitsverfahren von Bedeutung - in Wien und anderen Orten
A./ als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung unter Mitwirkung anderer Mitglieder dieser Vereinigung durch Einbruch in Wohnungen, Geschäftsräume oder PKWs fremde bewegliche Sachen in insgesamt 50.000 Euro übersteigendem Wert mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, weggenommen oder wegzunehmen versucht, und zwar
(I./1. bis 13.) Nikolay A***** und Kacha Ch***** in bewusstem und gewollten Zusammenwirken als Mittäter von 15. September bis 13. Oktober 2004 in 13 im Ersturteil näher genannten Fällen Sachen im Wert von ca 45.000 Euro,
(II./1. bis 20.) Nikolay A***** von 6. September bis 20. Oktober 2004 in 20 im Ersturteil näher genannten Fällen Sachen im Wert von ca 40.000 Euro,
III./1. bis 9.) Kacha Ch***** von 23. September bis 13. Oktober 2004 in neun im Ersturteil näher genannten Fällen Sachen im Wert von ca 40.000 Euro,
B./ Nikolay A***** und Kacha Ch***** zumindest von Anfang September 2004 bis 14. Oktober 2004 sich an einem auf längere Zeit angelegten Zusammenschluss von mehr als zwei Personen, der darauf angelegt war, dass von einem oder mehreren Mitgliedern der Vereinigung mehrere Verbrechen, nämlich Diebstähle durch Einbruch in Wohnungen, Geschäftsräume und Kraftfahrzeuge ausgeführt werden, als Mitglieder beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richten sich die getrennt ausgeführten, inhaltlich gegen die Schuldsprüche zu A./ und B./ gerichteten Nichtigkeitsbeschwerden der beiden Angeklagten, von A***** gestützt auf Z 5, 5a, 9 lit a, 9 lit b und 11, von Ch***** gestützt auf Z 5a des § 281 Abs 1 StPO; sie sind teilweise im Recht.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Nikolay A*****:
Der Sache nach zutreffend zeigt die Mängelrüge (Z 5) zu den Schuldspruchfakten A./I./2., 6., 7., 8., 9. und 12. eine den Erstangeklagten betreffende aktenwidrige Begründung auf. Das Erstgericht hat den Schuldspruch des ausschließlich als unmittelbarer Täter verurteilten Beschwerdeführers zu sämtlichen Einbruchsdiebstählen unter anderem darauf gestützt, dass sein Mobiltelefon zu den jeweiligen Tatzeiten im Bereich der jeweiligen Tatorte in Betrieb gewesen sei (US 20). Dies war aber - wie ein Vergleich der in Frage kommenden Tatzeiträume (S 229 ff/III, zu A./I./2. s S 35/V, zur Tatzeit zu A./I./8. s S 1/IV) mit den Rufdatenlisten (S 117 - 151/III) ergibt - in den angeführten sechs Fällen, in denen zu den entsprechenden Zeiten keine in den betreffenden Wiener Bezirken geführten Gespräche des Beschwerdeführers registriert wurden - gerade nicht gegeben. Im Übrigen versagt die Beschwerde.
Soweit sie - der Sache nach aus Z 5a - behauptet, die Beweisführung sei unzureichend gewesen, das Gericht hätte von Amts wegen weitere Erhebungen durchführen, insbesondere die Standorte der Mobiltelefon-Gesprächsparter des Beschwerdeführers ausforschen und die Identität des von anonymen Hinweisen als „Kacha" bezeichneten Täters klären müssen, legt sie nicht dar, wodurch der Angeklagte an der Ausübung seines Rechtes, diese Beweisaufnahmen in der Hauptverhandlung sachgerecht zu beantragen, gehindert gewesen wäre (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 480; RIS-Justiz RS0114036). Mit der Behauptung, die Begründung zu den Freispruchfakten (US 22) stünde in Hinblick auf den innerhalb eines Zeitraums von eineinhalb Tagen möglichen Tatzeitpunkt beim den Angeklagten Ch***** betreffenden Freispruchfaktum III./1. zu den Annahmen hinsichtlich der einen gleich großen Zeitraum bietenden Schuldspruchfakten (A./I./4., 9., A./II./11., 17., 18.) in innerem Widerspruch (Z 5), bezieht sich die Beschwerde auf keinen eine entscheidende Tatsache - sondern die unangefochtenen Freispruchsfakten - betreffenden Begründungsteil und bekämpft im Ergebnis nur die Beweiswürdigung. Die Beschwerdebehauptung, in den Fällen, in denen „der Zeitraum zwischen Telefonat und Tat zu kurz war", sei der Schuldspruch „rechtswidriger Weise" erfolgt, macht keinen Begründungsmangel geltend, sondern rügt der Sache nach wiederum die Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung. Zu A./II./4. zieht sie überdies den nicht nachvollziehbaren Schluss, dass sich aus zwei im Abstand von zwei Minuten nacheinander erfolgten Telefonaten aus dem Tatortbereich ergebe, der Telefonierende könne nur zwei Minuten dort gewesen sein. Warum gerade bei im Bereich des Wiener Mexikoplatzes erfolgten Einbruchsdiebstählen die Täterschaft des Angeklagten nicht erwiesen sein könne, vermag die - auch in diesem Punkt nur die Beweiswürdigung bekämpfende - Beschwerde mit dem bloßen Hinweis auf die Vielzahl in Wien täglich begangener gleichartiger Taten und den Umstand, dass am Mexikoplatz viele Russen und Georgier Handel treiben und telefonieren, nicht deutlich zu machen.
Soweit die Beschwerde „eine entsprechende Entfernung vom Tatort" sowie „eine zu große Entfernung zwischen den Gesprächspartnern" auch zu den Schuldspruchfakten A./I./4., 10., 11. und 13. als entlastend behauptet, bekämpft sie wiederum nur die Beweiswürdigung und lässt im Übrigen die - eine Anwesenheit des Mobiltelefons des Beschwerdeführers im Tatortbereich nachweisenden - Rufdatenlisten (S 121, 141, 151; 157, 195/III) zu diesen Fakten außer Acht. Inwieweit die tatsächliche Absenz des Zweitangeklagten zu A./I./10. (S 187/III) eine Besserstellung des Beschwerdeführers herbeiführen soll, ist der Beschwerde nicht zu entnehmen.
Die Beschwerdebehauptung, aus einem anonymen Hinweis auf einen „Kacha" hätte nicht auf den Zweitangeklagten geschlossen werden dürfen, bekämpft - im Übrigen unter Vernachlässigung der vom Urteil herangezogenen Zeugenaussagen, die nicht ausschließlich die Nennung dieses Vornamens, sondern darüberhausgehende Informationen boten (S 394 ff/V) - die Beweiswürdigung und betrifft überdies keinen für den Schuldspruch des Beschwerdeführers erheblichen Umstand. Ebensowenig entscheidend ist es, mit welchen nicht ausgeforschten Personen der Beschwerdeführer vom Zeugen Josef W***** (S 396 f/V) - am 5. Oktober 2004 in Himberg (S 127ff/I) - in dem von ihm benützten silbermetallic lackierten PKW Opel Omega gesehen worden ist.
Die Rechtsrüge („Z 9a in eventu Z 9b") zum Schuldspruch B./ ist nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil sie nicht an den Urteilsfeststellungen erster Instanz festhält, sondern diese unter weitwendiger Zitierung der hiefür im Urteil gegebenen Begründung wiederum nach Art einer Schuldberufung bestreitet.
Eine Strafzumessungsrüge (Z 11) wurde entgegen der Anführung eingangs der Nichtigkeitsbeschwerde inhaltlich nicht ausgeführt.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Kacha Ch*****:
Die gegen den gesamten Schuldspruch gerichtete Tatsachenrüge (Z 5a) führt mit der Behauptung, die Rufdatenauswertung trage nicht zur Überführung des Beschwerdeführers bei, im Ergebnis zu aus den Akten abzuleitenden erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen die Richtigkeit der zu den Schuldspruchfakten A./I./2. und 10. getroffenen Feststellungen. Denn das Schöffengericht hat (auch) in diesen Fällen die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen unmittelbarer Täterschaft unter anderem darauf gestützt, dass dessen Mobiltelefon im Tatzeitraum im Bereich des Tatorts in Betrieb gewesen sei (US 20), wenngleich dies, wie sich aus den Akten (S 155, 187, 245f/III) ergibt, nicht der Fall war. Bei Wegfall des angeführten Indizes für eine Anwesenheit des Zweitangeklagten zur Tatzeit am Tatort stehen aber der Annahme seiner Täterschaft erhebliche Bedenken entgegen.
Im Übrigen versagt die Beschwerde jedoch. Ihr zuwider hat das Schöffengericht die weitere Verurteilung des Zweitangeklagten nicht ausschließlich auf die Präsenz seines Mobiltelefons zu den Tatzeiten in den Tatortbereichen, sondern - in einer gegen die Grundsätze folgerichtigen Denkens und grundlegende Erfahrungssätze nicht verstoßenden Weise - auch auf mehrere andere Beweisergebnisse in ihrer Gesamtheit gestützt (US 20 f), sodass auch aus der Sicht des Obersten Gerichtshofs keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die weiteren, den Schuldspruch des Beschwerdeführers tragenden Konstatierungen bestehen.
Das Urteil war daher in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerden im aufgezeigten Umfang, weiters in der gemäß § 29 StGB gebildeten Subsumtionseinheit nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4 und Abs 2, 129 Z 1, 130 erster bis vierter Fall und 15 StGB, wie auch in den Strafaussprüchen aufzuheben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen (§ 285e StPO).
Im zweiten Rechtsgang wird die aufgelöste Subsumtionseinheit neu zu bilden (§ 29 StGB; 14 Os 72/02, 13 Os 91/02, 15 Os 119/03, 13 Os 94/04) und dabei zu beachten sein, dass bei einem 50.000 Euro übersteigenden Wert des Diebsguts neben der Qualifikation des § 128 Abs 2 StGB nicht auch jene des § 128 Abs 1 Z 4 StGB gegeben sein kann (Ratz in WK2 Vorbem zu §§ 28 - 31 Rz 35; Fabrizy StGB8 § 128 Rz 5; Leukauf/Steininger Komm3 § 128 RN 36). Des weiteren verdrängt im hier gegebenen Fall der infolge Verurteilung ausschließlich durch Einbruch begangener Diebstähle die (strafsatzbestimmende) Qualifikation des § 130 zweiter Satz erster und zweiter Fall StGB jene des § 130 erster Satz erster Fall StGB aus Gründen der Spezialität (11 Os 176/01, 13 Os 52/02, 11 Os 14/04).
Im Übrigen waren die Nichtigkeitsbeschwerden - auch unter Erwägung der in der Äußerung gem § 35 Abs 2 StPO des Verteidigers des Angeklagten A***** zur Stellungnahme des Generalprokurators, welche im Wesentlichen die Argumente der Nichtigkeitsbeschwerde wiederholt - teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt, teils als offenbar unbegründet bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO).
Mit ihren Berufungen waren die beiden Angeklagten, mit seiner Beschwerde war der Angeklagte Ch***** auf diese Entscheidung zu verweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a StPO.
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