OGH 8ObA51/05s

OGH8ObA51/05s8.9.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuras und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Krüger und Georg Eberl als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. Hemma O*****, vertreten durch Freimüller/Noll/Obereder/Pilz, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Ö*****, vertreten durch Burgstaller & Preyer, Rechtsanwälte in Wien, wegen Kündigungsanfechtung, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 13. April 2005, GZ 9 Ra 161/04v‑70, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2005:008OBA00051.05S.0908.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

 

 

Begründung:

 

Die zum Zeitpunkt der Kündigung 41‑jährige Klägerin absolvierte das Doktoratstudium für Geschichte mit dem Nebenfach Englisch und war danach ohne fachspezifische Ausbildung als Sprachlehrerin im Wesentlichen zuerst freiberuflich und dann bei der Beklagten tätig. Bei der Kündigung war nicht zu erwarten, dass die Klägerin, die zuletzt bei der Beklagten ein Gehalt von ca S 26.500,‑- netto bezog, innerhalb eines Jahres nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses einen annähernd gleichwertigen Arbeitsplatz findet. Sie konnte in absehbarer Zeit nur wieder mit einer Beschäftigung auf freiberuflicher Basis rechnen. Das Einstiegsgehalt von entsprechend ausgebildeten Übersetzerinnen, Lehrerinnen, Bibliothekarinnen oder Dolmetscherinnen beträgt unter S 20.000,‑- netto. Bei der Beklagten wurde die Klägerin schwerpunktmäßig für die Abhaltung von Englischseminaren aber auch für die Organisation und Durchführung von internationalen Konferenzen, englischer Korrespondenz und für die Betreuung ausländischer Gäste sowie die Mitarbeit an der Erstellung von Unterlagen in englischer Sprache eingesetzt. Die Beklagte entschloss sich, die Sprachschulungen wieder an externe Unternehmen auszugliedern. Die Klägerin wurde in die Bibliothek versetzt. Entsprechend dem Bibliothekskonzept waren drei Arbeitsplätze vorgesehen. Im Bibliotheksbereich arbeitete bereits eine unkündbare Arbeitnehmerin im administrativen Bereich und eine weitere im EDV‑Bereich. Das Anforderungsprofil für den als dritten Arbeitsplatz vorgesehenen Leiter erfüllte die Klägerin aber nicht. Dafür hätte die Klägerin einen einjährigen Kurs besuchen müssen, den sie aber infolge der Überbelegung erst etwa 2 Jahre nach der Versetzung hätte abschließen können. Alleine für die tägliche Bibliotheksarbeit wäre nur eine kürzere Einschulung erforderlich gewesen. Nachdem bereits wenige Monate nach der Versetzung der Klägerin ihre Leistungen als nicht positiv beurteilt wurden, kündigte sie die Beklagte mangels passender anderer Arbeitsplätze.

 

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichthof hat bereits mit in seiner Vorentscheidung vom 10. 4. 2003 zu 8 ObA 204/02m (= DRdA 2004/21 [zust Mayr]) ausgeführt, dass aus betrieblichen Gründen die Kündigung nur dann als gerechtfertigt angesehen wird, wenn im gesamten Betrieb gerade für den betreffenden Arbeitnehmer kein Bedarf mehr gegeben ist und der Arbeitgeber auch durch keine anderen sozialen Maßnahmen den Arbeitsplatz erhalten kann, die Kündigung also "erforderlich" ist (vgl 8 ObA 204/02m mwN = RIS‑Justiz RS0051942; RIS‑Justiz RS0052025; RIS‑Justiz RS0051899). Auch dass dabei die Gerichte grundsätzlich nicht die Zweckmäßigkeit oder objektive Richtigkeit der vom Betriebsinhaber getroffenen Maßnahmen zu überprüfen oder den Betriebsinhaber wirtschaftliche Maßnahmen vorzuschreiben haben, jedoch dessen Maßnahmen und die jeweils abgeleitete Erforderlichkeit der Kündigung des Arbeitnehmers rational nachvollziehbar sein müssen, wurde bereits betont (vgl 8 ObA 204/02m mwN = RIS‑Justiz RS0051649; OGH 5. 9. 2001, 9 ObA 199/01g). Bei Einführung neuer Arbeitsmethoden hat der Arbeitgeber primär die schon im Betrieb befindlichen Arbeitnehmer zu beschäftigen, wenn sie nach der Einarbeitungszeit bzw einer zumutbaren Einschulung eine durchschnittliche Arbeitsleistung erwarten lassen (vgl 8 ObA 204/02m mwN = RIS‑Justiz RS0051707). Als entscheidend erachtet wurde, inwieweit die Beklagte bei Wegfall des Arbeitsplatzes der Klägerin im Rahmen des Sprachtrainings unter Beachtung ihrer sozialen Gestaltungsverpflichtung auch verpflichtet war, der Klägerin die Position in der Bibliothek anzubieten. Da ausgehend vom Zeitpunkt der Beendigung der Tätigkeit der Klägerin als Sprachtrainerin in der Berufsausbildung und der Berufsqualifikation der Klägerin keine objektiven Anhaltspunkte bestanden, die die Beklagte verpflichtet hätten, der Klägerin die Position als Bibliotheksleiterin anzubieten, wurde der Klägerin die Möglichkeit eingeräumt, den Nachweis anzutreten, dass sie im Zusammenhang mit einer zumutbaren Ein‑ und Umschulung doch die erforderliche Eignung besitzt, dass nach einer gewissen Einarbeitungszeit eine zumindest durchschnittliche Arbeitsleistung zu prognostizieren wäre. Bereits in der Vorentscheidung wurde aber darauf hingewiesen, dass die Klägerin keine besonders umfangreiche Ein‑ und Umschulung erwarten konnte, da die Beeinträchtigung ihrer Interessen zwar als wesentlich zu beurteilen ist, sich das Gewicht aber durch die langjährige freiberufliche Tätigkeit und die doch erst relativ kurze Betriebszugehörigkeit relativiert (vgl 8 ObA 204/02m).

Wenn die Vorinstanzen nun ausgehend von der Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofes hier davon ausgegangen sind, dass der Klägerin dieser Nachweis nicht geglückt ist, so stellt diese Beurteilung im Einzelfall keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO dar (vgl Kodek in Rechberger ZPO2 § 502 Rz 3).

Die Ausführungen der Klägerin, dass das tatsächliche Anforderungsprofil für die Bibliotheksleitung anders gewesen wäre, weil Teile dieser Aufgabe von anderen Beschäftigten übernommen wurden, und für die bloße Routinetätigkeit in der Bibliothek ja eine kürzere Einschulung ausgereicht hätte, orientieren sich an dem faktischen Umstand, dass es bis dahin keine fest angestellte Bibliotheksleiterin gab und die Klägerin bei ihrer versuchsweisen Tätigkeit in der Bibliotheksleitung diese nicht auszufüllen vermochte. Dies vermag aber nicht nachzuweisen, dass eine solche Kompetenz in der Bibiliotheksleitung nicht erforderlich wäre und zusätzlich zu dieser Arbeitsaufgabe noch ein weiterer, „einfacher" für die Klägerin auch ohne langwierige Ausbildung geeigneter Arbeitsplatz vorhanden wäre. Damit kann aber nur davon ausgegangen werden, dass nur der mangels entsprechend geeigneter einzelner Beschäftigter vorweg „fiktiv" im Bibliothekskonzept bestehende Arbeitsplatz der Bibliotheksleitung zusätzlich zu den besetzten Arbeitsplätzen zur Verfügung stand. Gerade jene vorweg befristet Beschäftigte, der die Klägerin in der Bibliothek nachfolgte, verfügte über die umfassende Ausbildung, die der Klägerin fehlt. Dass diese Kompetenz und Berufserfahrung gerade in der Umstellungsphase - die erst mehr als ein Jahr nach der Kündigung der Klägerin endete - unerlässlich war, wurde konkret festgestellt. Insoweit kommt aber auch der Frage, ob die Beklagte der Klägerin die kürzere Einschulung für eine bloße „einfachere" Bibliotheksarbeit hätte zukommen lassen müssen, keine entscheidende Bedeutung zu.

Insgesamt vermag es die Klägerin jedenfalls nicht, eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO darzustellen.

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