OGH 8Ob15/05x

OGH8Ob15/05x8.9.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuras und Dr. Jensik sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek und Dr. Glawischnig als weitere Richter im Konkurs über das Vermögen der S*****, vertreten durch Dr. Franz Christian Sladek, Rechtsanwalt in Wien, Masseverwalter Dr. Gottfried F*****, wegen Schlussrechnung über den Rekurs des Masseverwalters gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 30. November 2004, GZ 28 R 116/04s-63, mit dem infolge Rekurses der Gläubigerin S*****, vertreten durch Saxinger Chalupsky Weber & Partner, Rechtsanwälte GmbH in Wien der Beschluss des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom 11. Mai 2004, GZ 10 S 238/99z-57, teilweise aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Nachdem mit 24. 9. 1999 über das Vermögen der Gemeinschuldnerin der Anschlusskonkurs eröffnet worden war, legte der Masseverwalter in seinem Bericht vom 23. 11. 1999 die Gründe für das Scheitern des Ausgleichs dar. Insbesondere hätten infolge der mittlerweile eingetretenen Insolvenz eines Abnehmers fix eingeplante Einnahmen nicht mehr einbringlich gemacht werden können. Am 18. 10. 1999 sei über das Vermögen der Abnehmerin, einem Hauptkunden der Gemeinschuldnerin, der Konkurs eröffnet worden. Es bestünden Forderungen der Gemeinschuldnerin. Durch die Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber einer Kreditversicherung könnten sämtliche bevorrechteten Forderungen aus dem Ausgleichsverfahren und sämtliche Masseforderungen bezahlt werden. Auf diese Forderung gegenüber der Kreditversicherung verwies der Masseverwalter auch in der Prüfungstagsatzung vom 25. 11. 1999.

Die Gemeinschuldnerin hatte während des Ausgleichsverfahrens einen Versicherungsvertrag abgeschlossen, demzufolge sie im Zeitraum vom 1. 5. 1999 bis 30. 4. 2000 gegen Verluste wegen Zahlungsunfähigkeit der versicherten Kunden versichert war. Auf das Vertragsverhältnis waren die Allgemeinen Bedingungen für die Warenkreditversicherung EG (AVB WKV EG) mit den aus dem Versicherungsschein Nr 02/6950805/75 ersichtlichen Änderungen anzuwenden.

Diese AVB enthalten ua folgende Bestimmungen:

"§ 1 Gegenstand der Versicherung

Der Versicherer ersetzt dem Versicherungsnehmer Ausfälle an Forderungen aus Warenlieferungen und Dienstleistungen, die dadurch entstehen, dass versicherte Kunden mit Sitz in den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften (EG) während der Laufzeit des Versicherungsvertrages zahlungsunfähig werden.

...

§ 4 Beginn und Ende des Versicherungsschutzes ...

3) Der Versicherungsschutz erlischt für alle versicherten Forderungen mit Beendigung des Versicherungsvertrages, soweit nicht der Versicherungsfall eingetreten ist.

...

...

§ 9 Versicherungsfall

1) Der Versicherungsfall tritt ein mit Zahlungsunfähigkeit des Kunden.

Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn

a) das Konkursverfahren eröffnet oder dessen Eröffnung vom Gericht mangels Masse abgelehnt worden ist oder

b) das gerichtliche Vergleichsverfahren zur Abwendung des Konkurses eröffnet worden ist oder

c) mit sämtlichen Gläubigern ein außergerichtlicher Liquidations- oder Quotenvergleich zustande gekommen ist oder

d) eine vom Versicherungsnehmer vorgenommene Zwangsvollstreckung nicht zur vollen Befriedigung geführt hat.

2) Als Zeitpunkt für den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit gilt

im Falle a) und b) der Tag des Gerichtsbeschlusses,

im Falle c) der Tag, an dem sämtliche Gläubiger ihre Zustimmung zum Vergleich gegeben haben;

im Falle d) der Tag der Zwangsvollstreckung.

...

§ 15 Aufhebung und Erlöschen des Versicherungsvertrages

Der Versicherer kann den Versicherungsvertrag mit sofortiger Wirkung aufheben, wenn der Versicherungsnehmer zahlungsunfähig im Sinne der Konkursordnung wird. Unabhängig davon erlischt der Versicherungsvertrag spätestens in dem Zeitpunkt, in welchem beim Versicherungsnehmer einer der Tatbestände des § 9 Nr 1 a) bis d) AVB vorliegt.

...

§ 17 Schlussbestimmungen

1) Änderungen oder Ergänzungen des Versicherungsvertrages gelten nur, soweit sie in einem Nachtrag zum Versicherungsschein festgelegt oder in anderer Form vom Versicherer schriftlich bestätigt worden sind. Mündliche Nebenabreden haben keine Gültigkeit.

Im Übrigen gelten die Vorschriften des Gesetzes über den Versicherungsvertrag sowie des Bürgerlichen Rechts.

2) Erfüllungsort und Gerichtsstand ist, soweit gesetzlich zulässig, der Sitz des Versicherers."

Die laut Versicherungsschein vereinbarten "Konditionen" enthalten, unter anderem) folgende "Hinweise und Ergänzungen zu den AVB WKV EG auf Grund der neuen Insolvenzordnung (InsO)":

Zu § 9 Versicherungsfall

Zahlungsunfähigkeit liegt in diesem Fall vor, wenn das gerichtliche Insolvenzverfahren eröffnet oder dessen Eröffnung mangels Masse abgewiesen worden ist. Die Bestimmungen zu den Versicherungsfällen außerhalb des gerichtlichen Insolvenzverfahrens gelten weiterhin.

Ziff 1 zusätzlich liegt Zahlungsunfähigkeit vor, wenn die Annahme eines Insolvenzplanes vom Gericht festgestellt worden ist.

Ziff 2 Als Zeitpunkt für den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit gilt beim gerichtlichen Insolvenzverfahren und bei der Annahme des Insolvenzplanes der Tag des Gerichtsbeschlusses.

...

Zu § 15 Aufhebung und Erlöschen des Versicherungsvertrages

In Abänderung zu Satz 1 hat der Versicherer das Recht, im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Versicherungsnehmers den Versicherungsvertrag mit einer Frist von einem Monat zu kündigen."

Das Kündigungsschreiben des Versicherers vom 1. 10. 1999 lautete:

"Warenkreditversicherung Nr 02/6 950 805/76 Nachricht von R***** vom 29. 09. 1999

Sehr geehrter Herr F*****

wir haben zur Kenntnis genommen, dass über das Vermögen der S***** GesmbH das Anschlusskonkursverfahren eröffnet wurde.

Daher kündigen wir mit Wirkung vom 30.09.1999 den oben genannten Vertrag bedingungsgemäß."

Das in Beantwortung einer nicht aktenkundigen "Korrespondenz" vom 17. 11. 1999 an den Masseverwalter gerichtete Schreiben vom 22. 11. 1999 lautete:

"Warenkreditversicherung Nr. 02/6950805/75 und 02/6950388/80 S*****gesellschaft

Sehr geehrter Herr Dr. F*****

wir beziehen uns auf Ihre Korrespondenz vom 17. 11. 1999 zum Konkurs der Firmen K*****gesellschaft, *****gesellschaft und des Anschlusskonkurses der S*****gesellschaft.

Im Rahmen der Warenkreditversicherung 02/6950388/80 und 02/6950805/75 hat für beide Abnehmer des Versicherungsnehmers Versicherungsschutz bestanden. Jedoch endete der Versicherungsschutz spätestens mit Eintritt des Versicherungsfalles der betreffenden Abnehmer bzw mit Eintritt des Versicherungsfalles unseres Versicherungsnehmers. Da gem § 4 Pkt 3 i.V.m. § 15 AVB der Versicherungsvertrag aufgrund der Insolvenz des Versicherungsnehmers laut § 9 AVB beendet wurde, besteht insofern kein Versicherungsschutz und auch kein Anspruch auf Inanspruchnahme des Kreditversicherers aus den vormals versicherten Forderungen."

Am 29. 5. 2001 bezifferte der Masseverwalter den Stand des Massekontos mit S 3.690,02. Für die vom Masseverwalter angemeldeten Forderungen gebe es noch keine Ausschüttungen. Es sei neuerlich überprüft worden, was es mit der Ablehnung der Warenkreditversicherung auf sich habe. Nach Auffassung des Masseverwalters sei klageweise vorzugehen, wobei jedoch wegen der derzeitigen Massearmut noch mit dem Konkursgericht Rücksprache gehalten werde. Am 17. 10. 2001 berichtete der Masseverwalter von einer Teilausschüttung im Konkurs der Abnehmerin, nach welcher der Stand des Massekontos S 126.957,54 betrage. Die hier antragstellende Massegläubigerin regte am 14. 10. 2002 beim Erstgericht an, dem Masseverwalter die Vorlage einer Zwischenabrechnung über das Entstehen und die Begleichung der Masseforderungen aufzutragen. Sie habe aus Lieferungen eine bereits eingeklagte offene Masseforderung gemäß § 46 Abs 2 KO von EUR 91.841,83 unberichtigt. Die vom Masseverwalter gelegte Zwischenrechnung per 25. 11. 2002 wies einen Einnahmenüberschuss von EUR 4.311,87 aus.

Am 2. 4. 2003 beantragte die Gläubigerin, das Konkursgericht möge im Rahmen des Rechnungslegungsverfahrens das Vorliegen eines Schadens für die Konkursmasse aus dem pflichtwidrigen Vorgehen des Masseverwalters dem Grunde und der Höhe nach prüfen, jedenfalls aber diesem auftragen, EUR 91.841,83 auf das Massekonto zu überweisen. Sie bemängelte die Zwischenrechnung des Masseverwalters mit der Begründung, diese weise keinen Eingang aus Versicherungsleistungen der Kreditversicherung auf. Die sofortige Kündigung durch die die Versicherung wegen der Konkurseröffnung sei nicht berechtigt gewesen. Es wäre eine Kündigungsfrist von einem Monat einzuhalten gewesen, innerhalb dessen die Konkurse über die Abnehmer eröffnet worden seien, sodass der Versicherer zur Abdeckung der Ausfälle verpflichtet sei. Der Masseverwalter habe jedoch die per 30. 9. 1999 ausgesprochene Kündigung des Versicherers unwidersprochen zur Kenntnis genommen. Durch die pflichtwidrige Führung seines Amtes habe er dem gesamten Befriedigungsfonds aller Konkursgläubiger einen erheblichen Vermögensnachteil zugefügt, für den er persönlich hafte.

Der Masseverwalter zeigte mit 16. 5. 2003 dem Konkursgericht die Masseunzulänglichkeit im Sinne des § 124a KO an und sprach sich gegen die Bemängelung seiner Rechnung durch die Gläubigerin aus. Er habe die Rechtsansicht des Versicherers seinerzeit als zutreffend erachtet und von einer gerichtlichen Geltendmachung auf Kosten der ohnedies nicht vorhandenen Masse Abstand genommen. Am 28. 10. 2003 berichtete er, dass er im Konkurs der Abnehmer eine Quote von 8,89 % lukriert habe und dem Massekonto EUR 37.309,73 gutgeschrieben worden seien. Dem Kontostand von EUR 33.272,53 stünden Masseforderungen von EUR 115.647,05 gegenüber. Schließlich bezifferte der Masseverwalter die Summe der bekannten Masseforderungen mit EUR 133.648,62, wovon EUR 91.841,83 (Kapital), EUR 7.511,53 (Zinsen) sowie EUR 10.490,04 (Kosten) auf die Massegläubigerin entfielen. Der vom Masseverwalter vorgelegte Verteilungsentwurf im Sinne des § 47 Abs 2 KO sieht unter Berücksichtigung der Forderung der Gläubigerin als Masseforderung der Gruppe 6 einer Quote von 10,41 % (EUR 11.429,49) vor.

Die Gläubigerin erklärte, ihre Bemängelungen in Ansehung der Schlussrechnung aufrecht zu erhalten und wiederholte dies auch in der "Schlussrechnungs- und Verteilungstagsatzung" vom 11. 5. 2004.

Das Erstgericht genehmigte die Zwischenrechnung, die Schlussrechnung und den Verteilungsentwurf. Die Bemängelungen der Gläubigerin verwarf es. Die Rechtslage habe die Geltendmachung von Ansprüchen der Gemeinschuldnerin gegen den Versicherer zumindest fragwürdig erscheinen lassen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs - den es als nicht gegen die Genehmigung des Verteilungenwurfes im Sinne des § 47 Abs 2 KO gerichtet qualifizierte - Folge, hob den Beschluss des Erstgerichtes auf und verwies die Sache zur Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück.

Es befasste sich vorweg sehr umfassend mit der Frage, inwieweit einer Massegläubigerin zur Bemängelung der Rechnung berechtigt ist. Es verwies auf die unterschiedlichen Meinungen im Schrifttum zu dieser Frage und schloss sich schließlich der Meinung von Bartsch/Pollak (I³, 565) an, wonach als Beteiligte, nicht bloß ein nach § 121 Abs 3 KO individuell Geladener, Bemängelungen gegen die Rechnung vorbringen können. Dabei verweis es auch auf die InsNov 2002 durch die in § 122 KO ein dritter Absatz angefügt wurde, nach dessen zweiten Satz eine Verständigung bestimmter „Gläubiger", also nicht bloß der "Konkursgläubiger" zu erfolgen hat. Im Ergebnis ging das Rekursgericht davon aus, dass auch Massegläubiger zur Bemängelung der Schlussrechnung befugt sind, sofern sie damit nicht bloß einen Individualanspruch verfolgen.

Die Möglichkeit einer Haftung des Masseverwalters bejahte das Rekursgericht hier hinsichtlich der Nichterhebung von Ansprüchen aus dem Versicherungsvertrag.

§ 15 AVB könne in der durch die Zusatzvereinbarung modifizierten Fassung nur dahin verstanden werden, dass Satz 2 dieser Klausel im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Versicherungsnehmers nicht anwendbar sei. Nach dem Bundesgesetz über internationales Versicherungsvertragsrecht für den europäischen Wirtschaftsraum, BGBl 1993/89 (IVVG) sei im Ergebnis österreichisches Recht anzuwenden. Grundsätzlich hätten besondere Bedingungen stets Vorrang vor den AVB. Selbst wenn man aber § 17 Z 1 Abs 2 AVB WKV EG im Sinne einer Wahl deutschen Rechts zu verstehen wäre, könnte aus der Anwendung deutschen Rechts insoweit keine inhaltliche Änderung abgeleitet werden. Der Vorrang der Individualabrede gelte unabhängig davon, zu wessen Gunsten sich der Vorrang auswirkt. § 15 AVB WKV EG in der durch Individualabrede geänderten Fassung könne aber bei objektiver Auslegung nur dahin verstanden werden, dass im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Versicherungsnehmers der Versicherungsvertrag nicht "automatisch" erlösche, sondern nur unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist durch den Versicherer gekündigt werden könne. Im Übrigen wäre sowohl nach der Auslegungsregel des § 915 2. Fall ABGB als auch nach § 305c Abs 2 BGB eine undeutliche Äußerung zum Nachteile desjenigen auszulegen, der sich ihrer bedient hat. Die Annahme eines für die Schmälerung der Konkursmasse ursächliches Verhalten des Masseverwalters erfordere aber auch die Feststellung, wann und welche Unterlagen dem Masseverwalter zur Verfügung standen, bzw wann genau er das Kündigungsschreiben erhalten, wie er darauf reagierte und wann er den Sachverhalt und die Rechtsfrage geprüft habe. Es gehe auch um den Inhalt der im Schreiben des Versicherers erwähnte, "Korrespondenz" und aus welchen Gründen der Masseverwalter noch in seinem Bericht vom 29. 5. 2001 die Auffassung vertreten habe, gegen den Versicherer sei - nach Rücksprache mit dem Konkursgericht - klageweise vorzugehen, sich dann aber dem Rechtsstandpunkt des Versicherers angeschlossen habe. Die an den Masseverwalter gestellten Anforderungen dürften auch nicht überspannt werden. Auch müsse noch festgestellt werden, ob und in welcher Höhe bei richtiger Auslegung Versicherungsleistungen für die Konkursmasse lukriert hätten werden können.

Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof erachtete das Rekursgericht als zulässig, weil noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Befugnis eines Massegläubigers, die Schlussrechnung des Masseverwalters im Hinblick auf einen "Gemeinschaftsschaden" zu bemängeln, vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluss erhobenen Rekurs ist aus dem vom Rekursgericht genanten zulässig, aber nicht berechtigt.

Im Rahmen der Regelungen über die Stellung des Masseverwalters legt § 81 Abs 1 KO fest, dass der Masseverwalter die durch den Gegenstand seiner Geschäftsführung gebotene Sorgfalt anzuwenden und über seine Verwaltung genaue Rechnung zu legen hat. Entsprechend Abs 3 dieser Bestimmung ist er allen Beteiligten für Vermögensnachteile, die sie durch rechtswidriges Führen seines Amtes erleiden, verantwortlich. Bei den Ansprüchen gegen den Masseverwalter aus der pflichtwidrigen Führung seines Amtes wird zwischen jenen unterschieden, die den Befriedigungsfonds aller (Konkurs-)Gläubiger schädigen (den sogenannten Gemeinschaftsschäden) und jenen, die nur einen einzelnen Geschädigten betreffen (Einzel- oder Individualschäden; vgl allgemein Hierzenberger/Riel in Konecny/Schubert, Kommentar zu den Insolvenzgesetzes §§ 80, 81a KO Rz 30 ff; Dellinger/Oberhammer, Insolvenzrecht, Rz 132; Chalupsky/Duursma-Kepplinger in Bartsch/Pollak, Österreichisches Insolvenzrecht3 §§ 81 Rz 208 ff; RIS-Justiz RS0045964 mwN insb EvBl 1992/86). Die sogenannten Gemeinschaftsschäden können nun während des Konkursverfahrens nur im Rechnungslegungsverfahren im Sinne des §§ 121 ff KO oder durch einen neuen Masseverwalter geltend gemacht werden (vgl insbesondere zu den Massegläubigern in Abgrenzung zum eine im Einzelschaden OGH 17. 10. 2002 8 Ob 74/02v = ZIK 2003/83; RIS-Justiz RS0045964, insb EvBl 1992/86; Chalupsky/Duursma-Kepplinger aaO, Rz 211 ff; Hirtzenberger/Riel aaO Rz 30 ff; Petschek/Reimer/Schiemer, Das österreichische Insolvenzrecht, 172). Können doch auch Massegläubiger als Beteiligte im Sinne des § 81 Abs 3 KO geschädigt sein (vgl Hirtzenberger/Riel aaO Rz 21 f mwN).

Schon dies spricht dafür, auch den Massegläubigern bei der Rechnungslegung im Zusammenhang mit behaupteten Gemeinschaftsschäden Parteistellung einzuräumen. So stellt nun auch § 122 KO seit der Insolvenzrecht-Novelle 2002 in seinem Abs 3 bei der Frage der Zustellung der Entscheidung über die Genehmigung der Rechnungslegung ausdrücklich darauf ab, ob „Gläubiger", also nicht bloß „Konkursgläubiger" Bemängelungen erhoben haben. Dass der Gesetzgeber mit dem Abstellen auf „Gläubiger" regelmäßig auch Massegläubiger erfassen möchte, hat das Rekursgericht schon überzeugend anhand der RV zum Insolvenzrechtsänderungsgesetz 1997 BGBl 114 herausgearbeitet. Heißt es dort (vgl RV 734 BlgNR 20 GP, 49) doch zu der damals das Verfahren betreffend den Verteilungsentwurf vorgenommen Abänderungen von „Konkursgläubiger" auf „Gläubiger" wörtlich:

„Zu Art I Z 31 und 32 (§§ 129 und 130):

1. Massegläubiger können gegen die Verteilung der Konkursmasse Rekurs erheben, wenn sie sich durch die Verteilung in ihrem den Konkursgläubigern vorangehenden Befriedigungsrecht beschwert erachten (Mohr, KO8 § 130 E 3). Erinnerungen gegen den Verteilungsentwurf dürfen sie jedoch nicht erheben. Dies wäre jedoch zweckmäßig.

Es wird somit auch den Massegläubigern ein Recht auf Erhebung von Erinnerungen gegeben. Dadurch werden Rechtsmittel, die das Verfahren verzögern und die Konkursaufhebung verhindern, vermieden.

2. In Abs 1 und 4 ist unter anderem vorgesehen, dass der Verteilungsentwurf bzw die Entscheidung darüber durch Anschlag an der Gerichtstafel bekanntzumachen ist. Der Anschlag an der Gerichtstafel wird durch die Eintragung in die Insolvenzdatei ersetzt. Dies war zu berücksichtigen."

Auch durch die Entscheidung über Gemeinschaftsschäden im Zusammenhang mit der Rechnungslegung wird gerade in Fällen, in denen die Masse - wie hier - selbst zur Befriedigung der Massegläubiger nicht ausreicht, deren Rechtsstellung massiv berührt. Daher steht Ihnen auch das Recht auf Bemängelung der Rechnungslegung und Bekämpfung des Beschlusses darüber zu.

Die im Wesentlichen vor der Nov 2002 geäußerten Literaturmeinungen, die teilweise allgemein davon ausgehen, dass Massegläubigern eine Beteiligung am Rechnungslegungsverfahren nicht zukomme, konnten naturgemäß auf die neue Gesetzeslage nicht eingehen und beschäftigen sich auch eher mit der Abgrenzung des Gemeinschaftsschadens von dem von den Autoren angenommenen Einzelschaden (vgl Chalupsky/Duursma-Kepplinger aaO, Rz 156; Petschek/Reimer/Schiemer, aaO, 515; Lentsch, Geltendmachung und Umfang der Haftung des Verwalters bei gescheiterten Unternehmensfortführung, ZIK 2000/49; vgl zur Annahme eines Einzelschadens wegen Verletzung der §§ 47 und 124 KO wenn eine Beauftragung trotz Masseunzulänglichkeit erfolgt nunmehr OGH 17. 10. 2002 8 Ob 74/02v = ZIK 2003/83).

Geht man nun von der dezitierten Ablehnung der Ansprüche durch den Versicherer aus, so wäre die Frage nach dem anzuwendenden Recht bei einer Klage in Österreich (vgl Art 9 und 13 EuGVVO; ebenso Art 8 und 12 EuGVÜ) nach dem Bundesgesetz über internationales Versicherungsvertragsrecht für den Europäischen Wirtschaftsraum (BGBl 89/1993 - im Folgenden IVVG) zu beurteilen. Danach wäre zwar grundsätzlich österreichisches Recht anzuwenden, weil es sich um keine Lebensversicherung handelt und der Versicherungsnehmer ebenso wie das versicherte Risiko in Österreich sind (vgl § 10 IVVG), jedoch stünde es dem Versicherungsunternehmen frei, sich auf eine Rechtswahl im Sinne der §§ 5 ff IVVG zugunsten des deutschen Rechts zu berufen (vgl dazu auch Art 17 der AVB).

Entscheidend ist aber im Ergebnis ohnehin nur die Auslegung der hier zugrundegelegten AVB zuzüglich der getroffenen Individualvereinbarung ua betreffend die Beendigungsmöglichkeiten. Vom Masseverwalter wird nun gar nicht in Zweifel gezogen, dass sowohl nach österreichischem als auch deutschem Recht undeutliche Bestimmungen in AGBs zu Lasten dessen auszulegen sind, der diese AGBs verwendet und dass abweichenden Individualvereinbarungen der Vorrang gegenüber den AGBs zukommt (vgl zur Rechtslage in Deutschland §§ 305b und 305c BGB früher §§ 4 und 5 AGBG; zur Überleitung auch Basedow im Münchener Kommentar zum BGB4 Vor § 305 Rz 16; ähnlich OGH RIS-Justiz RS00176960 mwN, zuletzt etwa OGH 5 Ob 106/04; RIS-Justiz RS0008901 mwN; RIS-Justiz RS0050063 mwN insbes 7 Ob 192/99g).

Die AVB haben hinsichtlich der Auflösung nun in Art 15 folgenden Inhalt:

„Der Versicherer kann den Versicherungsvertrag mit sofortiger Wirkung aufheben, wenn der Versicherungsnehmer zahlungsunfähig im Sinne der Konkursordnung wird. Unabhängig davon erlischt der Versicherungsvertrag spätestens in dem Zeitpunkt, in welchem beim Versicherungsnehmer einer der Tatbestände des § 9 Nr 1 a) bis d) AVB vorliegt."

Die Zusatzvereinbarung lautet nun wie folgt (Hervorhebung nicht im Original):

„In Abänderung zu Satz 1 hat der Versicherer das Recht, im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Versicherungsnehmers den Versicherungsvertrag mit einer Frist von einem Monat zu kündigen."

Damit haben aber die Parteien ganz eindeutig für den Fall der Konkurseröffnung die Rechtsfolge einer Kündigungsmöglichkeit für den Versicherungsvertrag unter Einhaltung einer Monatsfrist vereinbart. Dass es daneben auch schon mit Konkurseröffnung automatisch zu einem Erlöschen des Versicherungsvertrages kommen soll, ist damit nicht vereinbar. Entsprechend den oben dargelegten Auslegungsgrundsätzen ist daher davon auszugehen, dass im Fall der Konkurseröffnung der Versicherungsvertrag nicht von selbst erlischt, sondern dem Versicherer nur ein Kündigungsrecht eingeräumt werden sollte. Was der Umstand, dass der Versicherungsnehmer sich im Zeitpunkt des Abschlusses des Versicherungsvertrages bereits im Ausgleich befand, daran ändern sollte, ist nicht ersichtlich. Wird doch nicht dargestellt, warum die Parteien vereinbaren sollten, dass ein Versicherungsvertrag durch die Konkurseröffnung, „automatisch" aufgelöst wird, wenn sie ohnehin vereinbaren, dass der Versicherungsvertrag unter Einhaltung einer Monatsfrist aufgekündigt werden kann, also den Fortbestand des Versicherungsvertrages zugrundelegen.

Soweit der Masseverwalter mit dem Argument, dass die Versicherungsleistung nur einer Gläubigerin zugute gekommen wäre, in Zweifel zieht, dass es sich um einen Gemeinschaftsschaden handelt, ist nicht ersichtlich, woraus sich ergeben sollte, dass nur dieser einen Gläubigerin die Ansprüche der Gemeinschuldnerin aus dem Versicherungsvertrag zugute komme sollten. Im Übrigen hat der Masseverwalter selbst in seinen Berichten vorweg angekündigt, dass durch die Leistungen aus der Versicherung alle Massegläubiger befriedigt werden könnten. Entgegen den Ausführungen des Rekurses wird hier auch nicht ein sogenannter „Quotenschaden" geltend gemacht (vgl auch RIS-Justiz RS0106336 mwN), sondern der Schaden der daraus entstanden ist, dass der Masseverwalter die Masse dadurch geschmälert hat, dass er die Forderungen der Masse aus dem Versicherungsvertrag entgegen seinen eigenen Ankündigungen und obwohl sie offensichtlich das wesentlichste Vermögen der Konkursmasse darstellten, nicht eingetrieben hat (vgl auch § 114 KO).

Nun hat das Rekursgericht bereits zutreffend dargestellt, dass die Anforderungen an den Sorgfaltsmaßstab beim Masseverwalter gerade zu Beginn der Tätigkeit schon wegen der erforderlichen Einarbeitung nicht überspannt werden dürfen (vgl etwa Hierzenberger/Riel aaO Rz 28). Die genauen zeitliche Abläufe werden entsprechend dem Auftrag des Rekursgerichtes noch im Folgenden zu klären sein.

Dem Rekurs des Masseverwalters gegen den Aufhebungsbeschluss des Rekursgerichtes war daher nicht Folge zu geben.

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