Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei zu Handen ihrer Vertreter binnen 14 Tagen die mit EUR 665,66 (hierin enthalten EUR 110,94 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die klagende Partei schloss mit der beklagten Versicherung einen Kraftfahrzeughaftpflichtversicherungsvertrag für einen LKW ihres Fuhrparks, dem die Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung (AKHB 1995; im Folgenden kurz: AKHB) zugrundelagen, ab, deren maßgebliche Bestimmungen auszugsweise wie folgt lauten:
„Art 1
Was ist Gegenstand der Versicherung?
Die Versicherung umfasst die Befriedigung begründeter ... Ersatzansprüche, die auf Grund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen gegen den Versicherungsnehmer ... erhoben werden, wenn durch die Verwendung des versicherten Fahrzeuges ... Sachen beschädigt ... werden ... .
Art 3
Was gilt als Versicherungsfall?
Versicherungsfall ist bei ... Sachschäden ein Schadensereignis ..., aus dem Ersatzansprüche gegen den Versicherungsnehmer ... entstehen können ...
Art 8
Was ist nicht versichert! (Risikoausschlüsse)
Der Versicherungsschutz umfasst nicht ...
2.) Ersatzansprüche wegen Beschädigung ... des versicherten Fahrzeuges und von mit dem versicherten Fahrzeug beförderten Sachen ...
3.) Ersatzansprüche aus der Verwendung des versicherten Fahrzeuges als ortsgebundene Kraftquelle oder zu ähnlichen Zwecken ...!"
Der versicherte LKW war mit einem Multilifthakengerät ausgestattet, welches dazu dient, zu befördernde Sachen auf die Ladefläche zu ziehen; dies geschieht bei laufendem Motor über die zuvor in Schräglage gebrachte Ladefläche des LKW.
Im Dezember 2002 sollte mit dem LKW ein Steinbrecher der Firma Karl H***** GmbH zu einer Baustelle befördert werden. Beim Versuch, diese Maschine mittels des Multilifthakengerätes auf die Ladefläche zu heben, kippte sie um und wurde beschädigt; Grund dafür war, dass - wie sich nachträglich herausstellte - der Steinbrecher am Boden festgefroren war. Die Reparaturkosten für den am Steinbrecher entstandenen Schaden ersetzte die beklagte Versicherung der Firma H***** aus dem gegenständlichen Versicherungsvertrag (jedoch ausdrücklich „nur kulanzhalber" und nicht in der Absicht, hiedurch eine vertragliche Verpflichtung zu erfüllen). Für die Dauer der Reparatur mietete die Firma H***** ein Ersatzgerät an; die hiefür aufgelaufenen Kosten dieser Ersatzmaschine von EUR 8.640,-- wurden von der klagenden Partei mittels Kompensation ersetzt.
Mit der am 26. 4. 2004 eingebrachten Klage begehrt die klagende Partei den Ersatz auch dieser Kosten in Höhe von EUR 8.640,-- samt 9,47 % Zinsen seit 2. 3. 2004.
Die beklagte Partei bestritt das Klagebegehren mit der (zusammengefassten) Begründung, auf Grund der Bestimmung des Art 8 Z 2 AKHB leistungsfrei zu sein, weil es sich beim beschädigten Gerät um eine mit dem versicherten Fahrzeug beförderte Sache gehandelt habe.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es beurteilte den eingangs festgestellten (und zwischen den Streitteilen unstrittig gebliebenen) Sachverhalt rechtlich dahin, dass zwar die Beladung des LKWs mit dem Steinbrecher mittels des motorbetriebenen Hakenliftes unter den Begriff der Verwendung des versicherten Fahrzeuges zu subsumieren sei; nachdem jedoch die Beschädigung beim Vorgang der Beladung zum Zwecke der Beförderung erfolgt sei, welche sohin mit der Beförderung als eine Einheit zu betrachten sei (da ohne die Beladung ja eine Beförderung undenkbar erscheine), sei davon auszugehen, dass der bei dieser Beladung entstandene Schaden gleichfalls unter den Risikoausschluss des Art 8 Z 2 AKHB zu subsumieren sei. Selbst wenn aber dieser Risikoausschlussgrund nicht Platz greife, sei jedenfalls der nach Art 8 Z 3 gegeben, weil der Schaden bei der Verwendung des versicherten Fahrzeuges als ortsgebundene Kraftquelle zur Beladung bzw zum Aufziehen des Steinbrechers entstanden sei. Ein Anerkenntnis durch die beklagte Partei liege nicht vor, weil ihre bloße Kulanzzahlung hiefür keinen Anhaltspunkt liefere.
Das von der klagenden Partei lediglich wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung angerufene Berufungsgericht gab deren Rechtsmittel keine Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Es teilte die Rechtsauffassung des Erstgerichtes, dass der Risikoausschluss des Art 8 Z 2 AKHB auch dann eingreife, wenn die zu befördernde Sache im Zuge eines Beladungsvorganges beschädigt wurde, da Beladung und Beförderung insoweit als Einheit zu betrachten seien und der genannte Risikoausschluss (nach Wortlaut und Bedeutungssinn) nicht nur dann Platz greifen solle, wenn die Sache bei der (eigentlichen) Beförderung beschädigt oder zerstört werde. Auf den Risikoausschluss des Art 8 Z 3 AKHB sei hingegen nicht weiter einzugehen, weil die beklagte Partei hiezu kein Vorbringen im erstinstanzlichen Verfahren erstattet habe.
Die Revision wurde für zulässig erklärt, weil eine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Auslegung der Risikoausschlussbestimmung des Art 8 Z 2 AKHB (soweit überblickbar) nicht vorliege.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision der klagenden Partei mit dem Antrag, das bekämpfte Urteil im Sinne einer vollständigen Klagestattgebung abzuändern.
Die beklagte Partei hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in welcher zwar auch die Zulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels mangels Vorliegens der Voraussetzungen des „§ 508" (gemeint wohl: § 502) Abs 1 ZPO bestritten, jedoch lediglich der Antrag gestellt wird, diesem keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.
Vorauszuschicken ist, dass auf den Risikoausschlussgrund des Art 8 Z 3 AKHB („ortsgebundene Kraftquelle") schon deshalb nicht weiter einzugehen ist, weil - wie bereits das Berufungsgericht zutreffend hervorhob - die beklagte Partei hiezu im Verfahren erster Instanz keinerlei Vorbringen erstattet hat (und auch in der Revisionsbeantwortung selbst darauf nicht zurückgreift). Ihre Einwendungen stützten sich vielmehr stets und ausschließlich nur auf die Bestimmung des Art 8 Z 2 leg cit. Den Ausführungen der Rechtsmittelwerberin, wonach die von den Vorinstanzen erfolgte Subsumtion des vorliegenden Sachverhaltes „rechtlich verfehlt", aus der Textierung des Klauselwerkes „nicht ableitbar" sowie das Beladungs- vom Transportrisiko ein zu unterscheidendes und auch zu ersetzendes sei, wobei zufolge der Unklarheitenregelung des § 915 ABGB Unklarheiten in der Formulierung zu Lasten der beklagten Partei gingen, ist Folgendes entgegenzuhalten:
Für den anspruchsbegründenden Eintritt des Versicherungsfalles trifft den Versicherungsnehmer die Beweislast (7 Ob 78/02z mwN); für das Vorliegen eines Risikoausschlussgrundes ist hingegen der Versicherer beweispflichtig (7 Ob 46/04x mwN). Bei einem Risikoausschluss (Risikobegrenzung) wird von Anfang an ein bestimmter Gefahrenumstand von der versicherten Gefahr ausgenommen, ohne dass es dabei auf ein schuldhaft pflichtwidriges Verhalten des Versicherungsnehmers ankäme; das versicherte Risiko wird also objektiv begrenzt (ausführlich 7 Ob 41/04m mwN).
Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach nunmehr herrschender Meinung und ständiger Rechtsprechung nach Vertragsauslegungsgrundsätzen (§§ 914 f ABGB) auszulegen; diese Auslegung hat sich am Maßstab eines durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers zu orientieren (RIS-Justiz RS0050063; RS0008901; zuletzt 7 Ob 32/05i). Einzelne Klauseln sind, wenn sie nicht auch Gegenstand von (besonderen) Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf ihren Wortlaut auszulegen (RIS-Justiz RS0008901). In allen Fällen ist der einem objektiven Betrachter erkennbare Zweck einer Bestimmung zu berücksichtigen (7 Ob 93/00b). Unklarheiten gehen im Sinne des § 915 ABGB in aller Regel zu Lasten des Versicherers (RIS-Justiz RS0017960).
In Anwendung dieser Grundsätze sind die Entscheidungen der Vorinstanzen nicht zu beanstanden. Schon nach dem Wortlaut sowie Wortsinn und Zweck der Regelung (Koziol/Welser I12 97; Bollenberger in KBB ABGB Rz 5 f zu § 914) kann es nach Auffassung des erkennenden Senates keinem vernünftigen Zweifel unterliegen, dass unter den im Risikoausschluss des Art 8 Z 2 AKHB ua genannten „beförderten Sachen" auch solche zu verstehen sind, bei denen sich die vom Ausschluss erfasste Beschädigung oder Zerstörung nicht bloß während der (fahrtmäßigen) Beförderung, sondern vielmehr auch schon bei der Be- bzw Entladung als weitere Teile des Beförderungsvorganges ereignete (vgl Stiefel/Hoffmann Kraftfahrversicherung17 § 11 Rn 26); sämtliche dieser Schritte sind insoweit als zeitliche wie auch (vom deckungsrechtlichen - vgl Reisinger, Versicherungsrechtliche Judikatur für die Wirtschaft, RdW 2004, 265 [266] - Verwendungsbegriff des versicherten Fahrzeuges iS des Art 1 AKHB erfasste) ablaufmäßige Einheit zu sehen, für welche eben gerade nicht Versicherungsschutz bestehen soll. Die von der Revision vorgenommene Beschränkung auf den bloßen „Transport" mit dem Fahrzeug samt Separierung des Beladungs- vom (eigentlichen) Transportrisiko übersieht (und übergeht), dass es sich bei beiden Vorgängen um typische und grundsätzlich gleichermaßen gefahrengeneigte Tätigkeiten handelt, bei denen es nicht von der Zufälligkeit des Ereignisablaufes abhängen darf, wann sich im Rahmen der Beförderung ein (wie hier) schadenstiftendes Herunterfallen oder Umkippen ereignete, welches Risiko vielmehr generell durch die wiedergegebene Bestimmung ausgeschlossen werden soll. Dies wird vorliegendenfalls noch durch den Umstand verstärkt, dass der zu Schaden gekommene Steinbrecher ja bereits am Multilifthakengerät des LKW befestigt und so (im Sinne einer Lageveränderung = Beförderung von seinem bisherigen Standort) hochzuheben versucht worden war, ehe er (zufolge Festfrierung am Erdboden) umkippte, was aber zwanglos gleichfalls als (beginnende, da bereits eingeleitete) Beförderung - mittels des hiefür vorgesehenen, wenngleich noch nicht weggefahrenen LKW - gedeutet werden kann. Die Beschränkung des Versicherungsschutzes auf bloße Schäden bei bewegter Transportbeförderung durch, nicht jedoch schon bei der Bewegung auf das Transportmittel zum Zwecke der Weiterbeförderung, wäre dem gegenüber in der Tat eine unzulässig enge und lebensfremde Verknappung eines solchen Ereignisablaufes, der vom Risikoausschluss typischerweise insgesamt umfasst sein soll.
Wenn aber die Beschädigung als im Zuge der Beförderung eingetreten zu betrachten ist, besteht nach dem Vorgesagten kein Versicherungsschutz, weshalb die Vorinstanzen das darauf gerichtete Klagebegehren zu Recht abgewiesen haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Dabei unterlief der beklagten Partei bei der Kostenverzeichnung insofern ein (geringfügiger) Rechenfehler, als die Zwischensumme (Verdienstsumme + Einheitssatz) richtigerweise nur EUR 554,72 (statt EUR 554,90) beträgt, sodass sich auch die daraus errechnete Umsatzsteuer sowie Gesamtsumme geringfügig ermäßigen (EUR 665,66 statt EUR 665,88).
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