Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auch einen rechtskräftig gewordenen Freispruch enthaltenden Urteil wurden Yousef S***** und Haim A***** des Verbrechens nach § 28 Abs 2 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG als Beteiligte nach § 12 dritter Fall StGB (I.), darüber hinaus Haim A***** der Vergehen des Betruges nach § 146 StGB (II.) und nach § 27 Abs 1 (erster und zweiter Fall) SMG (III.) sowie Yousef S***** des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs 2, 224 StGB (IV.) schuldig erkannt.
Danach haben sie
I. zur Tat des Joshua Z*****, der am 22. Juni 2004 in Schwechat den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift, dessen Menge zumindest das 25fache der Grenzmenge ausmacht, nämlich ca 954,38 g Heroin und Monoacethylmorphin sowie ca 19.608 Stück Methamphetamintabletten verborgen im doppelten Boden seiner Reisetasche nach Österreich einführte, dadurch beigetragen, dass Yousef S***** am 10. Juni 2004 in Bangkok die mit Suchtmittel gefüllte Tasche im Hotelzimmer des Joshua Z***** deponierte, diesen telefonisch zum Weitertransport der Tasche nach Wien aufforderte und Yousef S***** und Haim A***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken in Kenntnis des Tatplanes das Suchtgift am 23. Juni 2004 in Wien von Joshua Z***** zum Weitertransport übernehmen sollten;
Haim A***** alleine
II. am 13. Juni 2004 in Wien mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, Verfügungsberechtigte des Hotels Post durch Vortäuschung seiner Zahlungsfähigkeit und -willigkeit zur Überlassung eines Hotelzimmers bis 16. Juni 2004 verleitet, wodurch dieses Hotel im Betrag von 384,75 Euro geschädigt wurde;
III. am 15. bzw 16. Juni 2004 in Wien zumindest 1 g Cannabis von einem Unbekannten erworben und somit für den Eigenbedarf besessen;
Yousef S***** alleine
IV. in Schwechat den auf Yousef S*****, geboren am 30. Juli 1965 lautenden und mit seinem Lichtbild versehenen israelischen Reisepass mit der Nummer 8483518, somit eine verfälschte ausländische öffentliche Urkunde, die gemäß § 1 Abs 1 (richtig Abs 4) FrG inländischen öffentlichen Urkunden gleichgestellt ist, durch Vorweisen gegenüber Organen der Grenzkontrollstelle Flughafen Wien-Schwechat bei der wiederholten Ein- und Ausreise nach bzw aus Österreich sowie (zum Nachweis) des rechtmäßigen Aufenthaltsortes gebraucht, und zwar
1. in der ersten Jahreshälfte 2004 bei der Einreise sowie bei der Ausreise;
2. am 22. Juni 2004 bei der Einreise nach Österreich.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richten sich die vom Angeklagten Yousef S***** aus Z 3, 4, 5, 10 und vom Angeklagten Haim A***** aus Z 3, 4, 5, 5a, 9 lit a, 9 lit b, 10 und 10a des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden, denen keine Berechtigung zukommt.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Yousef S*****:
Nach der auf § 281 Abs 1 Z 3 StPO Bezug nehmenden Rüge seien dem Nichtigkeitswerber die Aussagen des in seiner vorübergehenden Abwesenheit vernommenen Joshua Z***** nachfolgend nicht zur Kenntnis gebracht worden. Dieses Vorbringen geht indes schon deswegen ins Leere, weil dieser in der neu durchgeführten (§ 276a StPO) Hauptverhandlung am 14. und 21. Jänner 2005 weder als Angeklagter noch als Zeuge vernommen wurde, sondern dessen Aussagen einverständlich (§ 252 Abs 1 Z 4 StPO) in Anwesenheit des Beschwerdeführers verlesen wurden (S 83, 212 ff, 219 f und 222/IV). Im Übrigen ignoriert der Nichtigkeitswerber, dass ihm die Angaben dieses ehemaligen Mitangeklagten in der Hauptverhandlung am 16. Dezember 2004 nach seiner Wiedervorführung und Übersetzung der Zeugenaussage iSd § 250 StPO sehr wohl vorgehalten wurden (S 472 ff/III).
Die Verfahrensrüge (Z 4) stützt sich zu Unrecht auf eine angeblich geltend gemachte Befangenheit der Vorsitzenden des Schöffensenates. Denn dem am 20. Jänner 2005 außerhalb der Hauptverhandlung beim Erstgericht eingebrachten Ablehnungsantrag des Rechtsmittelwerbers (ON 158, 161) gab der Präsident des Landesgerichtes Korneuburg mit am selben Tag gefasstem Beschluss keine Folge (ON 162). In der Hauptverhandlung am 21. Jänner 2005 stellte der Beschwerdeführer aber keinen neuerlichen Antrag auf Ablehnung der Vorsitzenden. Ohne ein solches neuerliches Begehren bestand demgemäß keine iSd Z 4 mit Nichtigkeit bedrohte Pflicht zur Entscheidung des Schöffensenates (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 311).
In der Mängelrüge (Z 5) releviert der Angeklagte eine Unvollständigkeit, ohne darzustellen, welche konkreten Beweismittel zu entscheidenden Tatsachen zu erörtern gewesen wären. Der unsubstantiierte Verweis auf nicht näher genannte Verfahrensergebnisse („das Verfahren hat allerdings ergeben, ...") ist zu unbestimmt, um daran die Voraussetzungen des § 281 Abs 1 Z 5 zweiter Fall StPO zu messen.
Soweit er jedoch mangelnde Erörterung der Divergenzen zwischen seiner Einlassung und den Angaben des ihn belastenden Zeugen Joshua Z***** anspricht, übergeht er die zur Glaubwürdigkeit der Aussagen dieses Zeugen und zur fehlenden Überzeugungskraft seiner Verantwortung ausführlich angestellten Erwägungen der Tatrichter (US 56 f). Die Subsumtionsrüge (Z 10) behauptet lediglich lapidar, die angelastete Tat (gemeint offenbar zum Schuldspruch I.) sei nur versucht worden. Sie lässt aber dazu alle Urteilsannahmen außer Betracht, mit welchen eine durch mehrfache Tathandlungen vor dem Schmuggel vollendete Beitragstäterschaft zu der vom unmittelbaren Täter vorgenommenen Aus- und Einfuhr von Suchtmitteln festgestellt wurde (US 15 bis 19).
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Haim A*****:
Die auf § 281 Abs 1 Z 3 StPO iVm § 250 StPO gestützte Rüge ist auf die Ausführungen betreffend die im Wesentlichen inhaltsgleiche Beschwerde des Yousef S***** zu verweisen. A***** lässt ebenso außer Acht, dass auch ihm anlässlich der Hauptverhandlung am 16. Dezember 2004 die in seiner Abwesenheit abgelegte Aussage des Joshua Z***** vorgehalten wurde. Dem Rechtsmittelvorbringen zuwider geht aus dem Protokoll eindeutig hervor, dass „das Wesentliche" dieser Zeugenangaben vom Dolmetscher tatsächlich übersetzt wurde und Haim A***** nach Aufforderung der Vorsitzenden zur näheren Präzisierung ausdrücklich erklärte, zu dieser Darstellung keine Stellungnahme abgeben zu wollen (S 472/III).
In der Verfahrensrüge (Z 4) moniert der Beschwerdeführer die Abweisung seines Antrags auf Vernehmung der Zeugen Mag. Mirjam S***** und Walter F***** zum Beweis dafür, dass Haim A***** keinen wie immer gearteten Vorsatz hatte, das Hotel Post zu schädigen, zumal er mit dem Hotel eine Vereinbarung dahingehend geschlossen hatte, seine Gepäckstücke bis zur endgültigen Bezahlung des Restbetrages der Hotelrechnung als Pfand dort zu belassen (S 228/IV). In Anbetracht dessen, dass sich der Angeklagte stets dahingehend verantwortet hat, das Gepäck erst dann als Pfand zurückgelassen zu haben, als er bereits die bisher aufgelaufenen Hotelkosten nicht bezahlen konnte (S 293/II und S 100 f/IV), hätte es unbedingt einer Konkretisierung dahingehend bedurft, weshalb diese Zeugen auch zum (angeblich) fehlenden Schädigungsvorsatz des Angeklagten im Zeitpunkt der Inanspruchnahme der Hotelleistungen Entlastendes aussagen hätten können. Durch die Abweisung dieses Antrags wurden daher Verteidigungsrechte des Rechtsmittelwerbers nicht hintangesetzt. Über den in der Rüge weiters angesprochenen Antrag auf Ablehnung der Vorsitzenden hatte der Schöffensenat schon in der Hauptverhandlung am 16. Dezember 2004 entschieden (S 473/III). In der neudurchgeführten (§ 276a StPO) Hauptverhandlung am 14. und 21. Jänner 2005 hielt der Verteidiger aber - trotz entsprechender Aufforderung der Vorsitzenden zur Präzisierung - ohne jegliche Substantiierung lediglich „meine bisherigen [Beweis-]Anträge aufrecht" (S 84, 228/IV). Damit fehlt es an einem deutlich und bestimmt vorgetragenen Begehren in Richtung einer neuerlichen Ablehnung der Vorsitzenden, welches notwendig gewesen wäre, um eine iSd Z 4 mit Nichtigkeit bedrohte Pflicht zur Entscheidung des Schöffensenates über diesen Antrag zu begründen (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 311).
Die Mängelrüge (Z 5) behauptet undeutliche und unvollständige Urteilsbegründung, ohne darzutun, welche der als erwiesen angenommenen entscheidenden Tatsachen davon betroffen sei, insbesondere welche Beweisergebnisse das erkennende Gericht mit Stillschweigen übergangen haben soll.
Soweit der Rechtsmittelwerber fehlende bzw unzureichende Begründung vorbringt, weil für den Weitertransport des geschmuggelten Suchtgifts von Wien aus grundsätzlich keine zwei Männer erforderlich seien, versucht er lediglich unzulässig günstigere als die von den Tatrichtern zu seinem Nachteil gezogene Schlussfolgerungen aufzuzeigen, ohne damit einen Mangel iSd § 281 Abs 1 Z 5 StPO zu bezeichnen.
Die Tatsachenrüge (Z 5a) zum Schuldspruch I. erschöpft sich vorweg überhaupt bloß darin, auf den Grundsatz „in dubio pro reo" zu verweisen.
Der Einwand, aus dem gesamten Beweisverfahren sei keine Schädigung des Hotels Post ableitbar, übergeht schlichtweg alle entsprechenden, auf die Angaben des Zeugen H***** und auf die eigene geständige Einlassung des Angeklagten bei seiner Einvernahme vor dem Untersuchungsrichter abstellenden Erwägungen der Erkenntnisrichter (US 22, 49). Der Beschwerde zuwider ergibt sich aus den Beweisergebnissen lediglich, dass das Hotel Post zunächst keine Anzeige erstattet hatte (S 363/I). Daraus leitet sie spekulativ ab, das Hotel sei gar nicht geschädigt worden.
Nach Prüfung der gesamten Aktenlage durch den Obersten Gerichtshof vermag der Rechtsmittelwerber daher insgesamt keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Schuldspruch zugrundegelegten entscheidenden Tatsachen aufzuzeigen. Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zum Schuldspruch I. behauptet, es sei kein Sachverhalt dargestellt worden, der einem gesetzlichen Tatbild entspreche; denn nach den getroffenen Feststellungen hätte er das nach Österreich bereits eingeführte Suchtgift lediglich zum Weitertransport übernehmen sollen. Er missachtet dabei die Urteilsannahmen, wonach Haim A***** durch den zusammen mit Yousef S***** abgesprochenen, dem Joshua Z***** zugesagten Weitertransport des Suchtgifts ein tatsächlich geleisteter Tatbeitrag zur nachfolgend vom unmittelbaren Täter vollendeten Aus- und Einfuhr von Suchtmitteln angelastet wird (vgl US 2 f, 17 und 21 f, 40 f). Die nicht vom gesamten Urteilssachverhalt ausgehenden Spekulationen zu einer mangels Ausführungsnähe fehlenden Versuchsstrafbarkeit gehen daher von vornherein ins Leere.
Weshalb es trotz dieses im Urteil konstatierten Tatbeitrags weiterer Feststellungen dahin bedurft hätte, wann und in welchem Umfang der Nichtigkeitswerber in den gemeinsamen Tatplan eingeweiht wurde, wird in den insoweit undeutlich bleibenden Rechtsmittelausführungen nicht dargetan. Entgegen der mangelnde Konstatierungen zur subjektiven Tatseite reklamierenden Rüge stellte das Schöffengericht insoweit sogar ein wissentliches Vorgehen fest (vgl US 17, 41). Das Vorbringen in der Subsumtionsrüge (Z 10), wonach auf der Basis der Urteilsfeststellungen Haim A***** zum Schuldspruch I. lediglich ein versuchtes Verbrechen anzulasten sei, ist auf die Ausführungen zum im Wesentlichen gleichen Vorbringen des Erstangeklagten S***** zu verweisen.
Zu den in der Rechtsrüge (Z 9 lit b) zum Schuldspruch III. geltend gemachten Voraussetzungen des § 42 StGB und zu der in der Diversionsrüge (Z 10a) monierten Unterlassung eines Vorgehens nach dem IXa. Hauptstück der StPO geht die Beschwerde abermals verfahrensvorschriftswidrig nicht von der Gesamtheit der (insbesondere weitere Straftaten des Angeklagten mitumfassenden) Urteilsfeststellungen aus. Sie beschränkt sich vielmehr auf die Behauptung, mit Rücksicht auf die Unbescholtenheit des Haim A***** lägen keine spezialpräventiven Gründe vor, welche eine Bestrafung geboten erscheinen ließen.
Dessen ungeachtet sei ihr darauf erwidert:
Ein realkonkurrierendes Zusammentreffen mehrerer Straftaten hindert die Anwendung des § 42 StGB betreffend eine einzelne dieser Taten grundsätzlich nicht (vgl Leukauf/Steininger, Komm3 § 42 Rz 12; SSt 56/27). Die Mehrfachdelinquenz ist aber bei der Abwägung zur spezialpräventiven Notwendigkeit einer Bestrafung sehr wohl zu beachten (vgl Schroll in WK2 § 42 Rz 58; SSt 56/27; 12 Os 57/98; 11 Os 4/95).
Auch die Präventionsvoraussetzungen des § 90a Abs 1 StPO stellen auf das inkriminierte Geschehen in seiner Gesamtheit ab, sodass das Verhalten des Angeklagten umfassend - und damit auch die realkonkurrierenden Straftaten miteinschließend - zu bewerten ist (vgl Schroll, WK-StPO § 90a Rz 47, Schütz, Diversionsentscheidungen, 72 f; 12 Os 45/04; 15 Os 117/01).
In diesem Sinne ist daher beim Beschwerdeführer in Bezug auf das Vergehen nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG mit Rücksicht auf die übrigen ihm zur Last liegenden - vom Rechtsmittel indes ignorierten - Straftaten davon auszugehen, dass es der Bestrafung auch im Hinblick auf diese Tat bedarf, um den Angeklagten von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abzuhalten. Bleibt noch festzuhalten, dass die ohne nähere Ausführungen (solcherart undeutlich und unbestimmt) geltend gemachten Voraussetzungen des § 35 Abs 1 SMG schon deswegen nicht vorliegen, weil dem Angeklagten auch ein Verbrechen nach dem SMG zur Last liegt (vgl Foregger/Litzka/Matzka SMG § 35 Anm IV.3.; vgl auch 14 Os 35/05m; 11 Os 1/05i).
In der Strafbemessungsrüge (Z 11) vermisst der Beschwerdeführer die Berücksichtigung von weiteren Milderungsgründen und (ohne Blick auf die im Fall des § 28 Abs 4 SMG bereits überschrittene Strafobergrenze) eine auf Basis einer geringer auszumessenden Freiheitsstrafe gebotene Anwendung des § 37 StGB. Solcherart führt er lediglich eine Berufung aus.
Die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten waren daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme des Generalprokurators, jedoch entgegen einer gemäß § 35 Abs 2 StPO dazu erstatteten Äußerung des Angeklagten Yousef S***** - bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO).
Daraus folgt die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufungen (§ 285i StPO).
Die Kostenersatzpflicht der Angeklagten stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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