OGH 12Os57/98

OGH12Os57/9825.6.1998

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. Juni 1998 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler, Dr. E.Adamovic, Dr. Holzweber und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kofler als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Gerhard A***** wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 5. März 1998, GZ 7 Vr 106/97-37, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Fabrizy, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Aus deren Anlaß wird das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch A/1 wegen des Vergehens nach § 36 Abs 1 Z 1 WaffG und demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und dem Erstgericht die neue Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung aufgetragen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Gerhard A***** des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB (A/3) sowie der Vergehen nach § 36 Abs 1 Z 1 und 2 WaffG 1986 (A/1 und 2) schuldig erkannt.

Demnach hat er in Braunau am Inn

A/1. vom ersten Halbjahr 1994 bis 9. Jänner 1997, wenn auch nur fahrlässig, unbefugt Faustfeuerwaffen, nämlich eine Pistole Marke Luger und eine Pistole Marke Frommer, besessen;

A/2. von 1995 bis 9. Jänner 1997 unbefugt eine verbotene Waffe, nämlich ein Springmesser, besessen;

A/3. am 27. Dezember 1996 als Beamter der örtlichen Sicherheitswache mit dem Vorsatz, einen anderen an seinem Recht auf Geheimhaltung personenbezogener Daten, an denen dieser auch ein schutzwürdiges Interesse hat, zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch wissentlich mißbraucht, daß er beim örtlichen Gendarmeriepostenkommando eine Auskunft darüber einholen ließ, ob Gerhard L***** zur Verhaftung ausgeschrieben sei und die negative Mitteilung an Martin A***** weitergab.

Die dagegen aus den Nichtigkeitsgründen der Z 5, 9 lit a und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.

Rechtliche Beurteilung

Dem auf den Verbrechenstatbestand (A/3) bezogenen Einwand der Mängelrüge (Z 5) zuwider kann von formell fehlerhafter Urteilsbegründung der für die Tatbestandsverwirklichung vorausgesetzten Wissentlichkeit hinsichtlich der Mißbrauchshandlung keine Rede sein. Dazu stützt sich das Schöffengericht nämlich unter ausdrücklicher Ablehnung der eine (vermeintliche) Berechtigung zur Weitergabe der Erhebungsergebnisse an den angeblichen "V-Mann" Martin A***** behauptenden (im übrigen wechselhaften) Verantwortung des Beschwerdeführers (S 345 ff/I, 49 ff/II) aktenkonform auf die übrigen Verfahrensresultate, insbesondere auf die Aussage des Zeugen Klaus E***** (S 62 ff/II) sowie auf das Ergebnis der Überwachung der Fernmeldeanlage des Martin A***** (wonach der Angeklagte durch Einholung der Fahndungsauskunft den wegen Suchtgifthandels behördlich verfolgten Martin A***** in seinem Bemühen, den gegen ihn gerichteten Verdacht auf den vermeintlich zur Verhaftung ausgeschriebenen Gerhard L***** umzulenken, zu unterstützen trachtete - S 147 ff, 181/I iVm US 7 ff). Die punktuell herausgegriffene Verantwortungspassage des Angeklagten in der Hauptverhandlung, wonach die Vornahme derartiger Anfragen an seiner Dienststelle im Rahmen des "Bürgerservice üblich" seien und "sogar von oben verlangt" würden (S 51/II), bedurfte - dem Beschwerdestandpunkt zuwider - schon im Hinblick auf das Gebot gedrängter Darstellung der wesentlichen entscheidungstragenden Tatsachen und der für deren Annahme maßgebenden Erwägungen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) keiner gesonderten Erörterung, abgesehen davon, daß nach dem auf "Anfragen" schlechthin bezogenen Beweisdetail eine andere Lösung der Schuldfrage in bezug auf die inkriminierte unberechtigte Erlangung und Weitergabe geheimer Informationen vorweg ausschied.

Soweit die gegen diesen Schuldspruch erhobene Rechtsrüge (Z 9 lit a) Feststellungsmängel betreffend einen - die Wissentlichkeit ausschließenden - Rechtsirrtum behauptet, knüpft sie prozeßordnungswidrig an urteilsfremden Tatsachenprämissen an. Lassen doch die ausdrücklichen Konstatierungen über das Vorliegen der in Rede stehenden verstärkten Vorsatzform unter (implizierter) Verneinung eines Irrtums über den Umfang seiner Befugnisse (US 6, 8 f) für die reklamierte Annahme keinen Raum.

Einen dem Erstgericht unterlaufenen Rechtsirrtum macht der Angeklagte ferner mit der Begründung geltend, wegen des Inhalts der Weitergabe einer für den Betroffenen per se nicht nachteiligen Information - nämlich der Tatsache, nicht zur Fahndung ausgeschrieben zu sein - scheide mangels Verletzung schutzwürdiger Interessen Schädigungsvorsatz aus. Hiebei übersieht der Beschwerdeführer jedoch zunächst, daß der Tatbestand des Amtsmißbrauches nach § 302 Abs 1 StGB bereits mit der Mißbrauchshandlung vollendet ist, ohne daß es des (vom Täter gewollten) Schadenseintritts bedarf (Leukauf/Steininger Komm3 § 302 RN 42), der Täter vielmehr sogar dann nach dieser Gesetzesstelle strafbar bleibt, wenn die von seinem Vorsatz umfaßte Rechtsschädigung gar nicht eintreten kann (Mayerhofer/Rieder StGB4 § 302 E 40). Ausgehend vom (insoweit unbekämpft gebliebenen) Tatsachensubstrat, wonach der Angeklagte die Offenbarung einer durch wissentlichen Befugnismißbrauch (zufolge Vornahme von Erhebungshandlungen ohne gesetzliche Ermächtigung) angestrebten Auskunft über die Ausschreibung des Gerhard L***** zur Verhaftung gewollt hat, handelte er mit (zumindest bedingtem) Schädigungsvorsatz in bezug auf berechtigte Geheimhaltungsansprüche des Opfers. Aus dieser Sicht kommt es auf das tatsächliche (in bezug auf die Ausschreibung zur Verhaftung negative) Resultat der Anfrage nicht mehr an, dessen objektive Eignung zu einem dem Anwendungsbereich des § 302 Abs 1 StGB unterfallenden Schutzsubstrat sich nach Lage des Falles (informative Förderung der Anbahnung krimineller Manipulationen) von selbst versteht.

Inwieweit aus der im Rahmen der Telefonüberwachung zutage getretenen Bekundung des Martin A*****, wonach Gerhard L***** angeblich wegen "100.000 Strafsachen" gesucht werde (S 149/I), für den Angeklagten ein günstigerer Standpunkt zu gewinnen wäre, läßt die insoweit der Sache nach eine Unvollständigkeit der Entscheidungsgründe (Z 5) ins Treffen führende Rüge nicht substantiiert erkennen.

Es versagt aber auch der Einwand der Rechtsrüge (Z 9 lit a) zum Faktum A/2 (Vergehen nach § 36 Abs 1 Z 2 WaffG 1986), wonach der Schöffensenat in bezug auf den inkriminierten Besitz eines Springmessers zu Unrecht die Günstigkeitsprüfung iS des § 61 StGB zwischen den Bestimmungen des Waffengesetzes 1986 und jenen des Waffengesetzes 1996 unterlassen habe.

Während § 11 Abs 1 Z 7 WaffG 1986 die unter der Bezeichnung "Springmesser" bekannten Stichwaffen wegen der besonderen Gefährlichkeit in den Kreis verbotener Waffen (Mayerhofer/Rieder Nebenstrafrecht3 § 11 WaffG E 9) und damit unter die Bestimmung des § 36 Abs 1 Z 2 WaffG aufgenommen hat, entfällt nunmehr nach § 17 Abs 1 (iVm § 50 Abs 1 Z 2) WaffG 1996 - im Hinblick auf das Fehlen einer diesbezüglichen Verbotsnorm in den übrigen EU-Staaten (Ellinger/Wieser WaffG 1996 S 82) - die Strafbarkeit in bezug auf den Besitz derartiger Waffen.

Der (ua) aus § 61 iVm § 1 StGB erhellende Grundsatz, daß der Täter für eine zur Tatzeit nach dem damals geltenden Gesetz pönalisierte Tat nicht mehr bestraft werden darf, wenn diese nach dem zur Zeit der Entscheidung geltenden Recht nicht mehr unter Strafsanktion steht, gilt dann nicht, wenn im Einzelfall spezielle Übergangsvorschriften etwas anderes anordnen (Leukauf/Steininger aaO § 61 E 3 und 7). Da § 62 Abs 2 WaffG 1996 ausdrücklich die Anwendbarkeit des WaffG 1986 auf vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des (neuen) Waffengesetzes (1. Juli 1997 - Abs 1 leg.cit.) verwirklichte Straftatbestände statuiert, entfällt eine Bedachtnahme auf die Günstigkeitsregel des § 61 StGB. Dem Bestreben des Beschwerdeführers, aus der Diktion des § 62 Abs 2 WaffG 1996 die Zulässigkeit des Günstigkeitsvergleichs bei Heranziehung der früheren Gesetzeslage abzuleiten, steht die klare Zielrichtung der Rechtsnorm entgegen, wonach für die Beurteilung von vor Inkrafttreten des neuen Waffengesetzes begangenen Taten das frühere Waffengesetz heranzuziehen ist, in welchem Fall sich die Frage einer Günstigkeitsprüfung aber nicht stellt.

Unter der (wie dargelegt unzutreffenden) Prämisse eines umfassenden Erfolges seiner Nichtigkeitsbeschwerde reklamiert Gerhard A***** zum Schuldspruch A/1 (Vergehen nach § 36 Abs 1 Z 1 WaffG 1986) - auf dessen materiellrechtliche Problematik aus anderen Gründen im folgenden noch eingegangen wird - die Annahme der Voraussetzungen mangelnder Strafwürdigkeit der Tat nach § 42 StGB (Z 9 lit b). Wenngleich die Anwendung dieser Gesetzesstelle auf ein Vergehen bei Zusammentreffen mit einem Verbrechen nach § 28 StGB an sich nicht ausgeschlossen ist (SSt 56/27), stehen der Annahme dieses besonderen Strafausschließungsgrundes nach Lage des Falles präventive Erwägungen entgegen, weshalb das Erstgericht diese Bestimmung zu Recht nicht anwendete.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Aus deren Anlaß war jedoch vom Obersten Gerichtshof gemäß § 290 Abs 1 StPO von amtswegen wahrzunehmen, daß das Urteil hinsichtlich des (anklagekonform ergangenen) Schuldspruchs A/1 mit ungerügt gebliebener und sich zum Nachteil des Angeklagten auswirkender materiellrechtlicher Nichtigkeit (Z 9 lit a) behaftet ist.

Zu diesem Schuldspruch stellte das Erstgericht fest, daß der Beschwerdeführer als Inhaber eines am 29. Juni 1993 von der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn ausgestellten Waffenpasses zum Besitz von zwei Faustfeuerwaffen berechtigt war. Nachdem er ursprünglich eine Pistole der Marke Glock legal in seinem Besitz hatte, erwarb er im ersten Halbjahr 1994 zusätzlich die zwei vom Schuldspruch erfaßten Pistolen, sodaß er ab diesem Zeitpunkt insgesamt drei Fausfeuerwaffen besaß (US 4). Damit wurde aber der dem Angeklagten behördlich erlaubte Berechtigungsumfang des Waffenpasses (entgegen der Auffassung des Erstgerichtes) nur in bezug auf eine der beiden neu erworbenen Pistolen überschritten. Konstatierungen, die (aufgrund der zeitlichen Abfolge oder sonstiger Umstände - S 271/I, 43 f, 55 f/II) eine abschließende rechtliche Beurteilung zuließen, welche der inkriminierten Pistolen als Deliktsobjekt nach § 36 Abs 1 Z 1 WaffG ausscheidet, wurden rechtsirrtümlich nicht getroffen. Da dieser Feststellungsmangel, der eine endgültige rechtliche Beurteilung des Verhaltens des Angeklagten unmöglich macht, vom Obersten Gerichtshof nicht saniert werden kann, erwies sich gemäß § 290 Abs 1 StPO eine Kassierung des betreffenden Schuldspruchs und die Anordnung der partiellen Verfahrenserneuerung in erster Instanz als unabdingbar.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die mit dem kassatorischen Teil der Entscheidung notwendig verbundene Beseitigung des Strafausspruchs zu verweisen.

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