OGH 3Ob103/05a

OGH3Ob103/05a30.6.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer, Dr. Zechner, Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Felix S*****, und 2.) Maria S*****, beide vertreten durch Dr. Felix Haid, Rechtsanwalt in Eben im Pongau, wider die beklagten Parteien 1.) Barbara S*****, und 2.) Ernst S*****, beide vertreten durch Dr. Michael Wonisch und Dr. Hansjörg Reiner, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen Eigentumseinverleibung (Streitwert 3.633,64 EUR), infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 10. Jänner 2005, GZ 22 R 148/04z-37, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichts Radstadt vom 25. Mai 2004, GZ 2 C 189/01p-31, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, den klagenden Parteien die mit 459,71 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 76,62 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Kläger sind auf Grund eines 1969 geschlossenen Kaufvertrags je zur Hälfte Eigentümer einer mehrere Grundstücke umfassenden Liegenschaft mit einer Fläche von mehr als 450.000 m2, welche überwiegend aus Wald und etwa 27.000 m2 Almland besteht. Die Beklagten sind auf Grund eines 1995 geschlossenen Übergabsvertrags je zur Hälfte Eigentümer einer benachbarten Liegenschaft mit einer Fläche von mehr als 100.000 m2, welche ebenfalls überwiegend aus Wald und über 22.000 m2 Almland besteht. Auf einem zur Liegenschaft der Beklagten gehörenden Grundstück befindet sich im unmittelbaren Anschluss an ein zur Liegenschaft der Kläger gehörendes Grundstück eine Berghütte (mit mehrfachen Bezeichnungen, im Folgenden nur Berghütte), in der von den Klägern eine Jausenstation sowie eine Schihütte betrieben wird.

In einem die Liegenschaft der Kläger betreffenden Übergabsvertrag aus dem Jahr 1938 wurde bereits die Liegenschaft der Kläger unter Nennung ihres Alpnamens erwähnt. Auch in einem Rechtsvorgänger der Kläger betreffenden Verlassenschaftsverfahren wird die Berghütte im Jahr 1960/61 mit Namen als „Alpshütte mit Stall" genannt.

Im Sommer 1986 suchten die Kläger um die Genehmigung des Teilumbaus der bestehenden Berghütte in einen gastgewerblichen Betrieb an. Der Rechtsvorgänger der Beklagten stimmte bei der Bauverhandlung dem Bauvorhaben zu und forderte lediglich, den gastgewerblichen Betrieb nur im Winter auszuüben. Die Baubewilligung wurde erteilt und 1990 nach einer Überprüfungsverhandlung die Übereinstimmung des Umbaus mit der Baubewilligung festgestellt.

Im Übergabsvertrag aus dem Jahr 1995, mit dem die Beklagten den landwirtschaftlichen Betrieb erhielten, der u. a. auch die Liegenschaft umfasste, auf der sich die Berghütte befindet, ist festgehalten, dass die Beklagten den gesamten landwirtschaftlichen Betrieb samt allen Baulichkeiten kennen und insbesondere über die in der Natur gegebenen Grenzen und Raine informiert sind. Zu diesem Zeitpunkt verlief der Zaun zwischen den Grundparzellen der Streitteile südlich der Berghütte etwa so, wie dies auf dem Vermessungsplan des Geometers Beilage C festgehalten ist. Bereits 1981 hatten der Erstkläger und der Rechtsvorgänger der Beklagten im Zuge einer Vermessung der Schipiste den Grenzverlauf einvernehmlich südlich der Berghütte festgelegt. Dieser Grenzverlauf war dem Beklagten bei Übernahme der Landwirtschaft im Jahr 1995 bekannt. Sie gingen davon aus, dass die Grenze zwischen den Liegenschaften der Streitteile so verläuft und die Berghütte im Eigentum der Kläger steht.

1999 wollte die Liftgesellschaft im Bereich der an der Berghütte vorbeiführenden Piste Erdbewegungsarbeiten durchführen. Dabei musste auch der südlich der Hütte vorbeiführende Zaun entfernt werden. Die Beklagten wünschten vor Zaunentfernung eine exakte Vermessung durch einen Geometer sowie eine grundbücherliche Durchführung. Dies wurde zwischen den Streitteilen vereinbart. Nach Erhalt des Plans Beilage C wollte der Zweitbeklagte entgegen der ursprünglichen, eine gleichteilige Kostentragung vorsehenden Vereinbarung der Streitteile, dass der Erstkläger die gesamten Vermessungskosten trägt, weil er die Vorteile ziehen würde. Zu einem späteren Zeitpunkt realisierte der Zweitbeklagte, dass die Berghütte laut Plan Beilage C nicht auf dem Grund der Kläger steht; dessen ungeachtet unterfertigte er am 21. Juli 2000 eine notarielle Anerkennungsurkunde, welche festhält, dass die Kläger bzw. ihre Rechtsvorgänger im Besitz der gegenständlichen Alpe seit mehr als 30 Jahren je zur Hälfte redliche und echte Besitzer und demgemäß je zur Hälfte Eigentümer infolge Ersitzung bestimmter näher bezeichneter Flächen samt der darauf stehenden, im Zeitpunkt der Inbesitznahme völlig verfallenden Almhütte seien, während die Beklagten bzw. deren Rechtsvorgänger seit mehr als 30 Jahren je zur Hälfte redliche und echte Besitzer und demgemäß je zur Hälfte Eigentümer infolge Ersitzung anderer näher bezeichneter Flächen einer bestimmten Alpe seien.

Die Kläger begehrten von den Beklagten die Einwilligung in die lastenfreie Abschreibung bestimmter Teilflächen von ihren Gutsbestand und die Zuschreibung zu jenem der Kläger, weil sie diese Trennstücke, auf denen sich u. a. die Berghütte befinde, ersessen bzw durch den Grundstückstausch 1981 erworben haben. Die Kläger hätten bereits seit 1968 durchgehend „Sach- und Alleinbesitz" an den ab-/zuzuschreibenden Grundstücksteilen ausgeübt. Für sie habe nie ein Zweifel über die Richtigkeit des Grundbuchsstands bestanden; dem gegenüber hätten die Beklagten nie gutgläubig erworben. Die Kläger seien in der Nutzung des Grundstücks nie behindert worden. Die Beklagten hätten allerdings bei gehöriger Aufmerksamkeit im Jahr 1995 das Abweichen des Grundbuchsstands von der wahren Sachlage erkennen können. Sie könnten sich daher nicht auf einen gutgläubigen Erwerb der strittigen Grundstücksteile samt Baulichkeit berufen.

Die Beklagten wendeten ein, mangels redlichen Besitzes und Ablauf der 30-jährigen Ersitzungszeit habe keine Ersitzung stattgefunden. Die Kläger seien überdies spätestens zu Beginn der 80iger Jahre schlechtgläubig gewesen, die Beklagten hingegen gutgläubig anlässlich ihres Erwerbs 1995. Überdies sei die Berghütte auf ihrem Grundstück von den Rechtsvorgängern der Kläger bloß als Superädifikat errichtet worden.

Das Erstgericht gab der Ersitzungsklage statt. Die Kläger hätten die strittigen Flächen seit 1968 in einer Art und Weise genützt, die der Ausübung des Eigentums entspreche. Diese Art der Nutzung hätten auch ihre Rechtsvorgänger vorgenommen. Demgegenüber hätten die Beklagten und ihre Rechtsvorgänger die strittigen Flächen bis zum Jahr 2000 nie beansprucht. Ein Nachweis der Schlechtgläubigkeit der Kläger, der die Ersitzung verhindert hätte, sei den Beklagten nicht gelungen. Diese hätten die Liegenschaft ihrerseits 1995 übernommen, an deren Rand sich eine bereits seit längerer Zeit von den Klägern betriebene Alm- und Schihütte befunden habe. Hier habe ein offenkundiges Recht der Kläger bestanden, weshalb das Vertrauen der Beklagten auf den Grundbuchsstand bzw. den Katasterplan nicht geschützt sei. Der von den Klägern behauptete Grenzverlauf sei von den Streitteilen mehrfach wechselseitig anerkannt worden. Das Bestehen eines Superädifikats hätten die Beklagten nicht bewiesen.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und die Revision zulässig sei, weil der Einwand der Beklagten überprüfungswürdig sei, die Kläger wären im Zuge ihres Bauansuchens 1985 zu eigenen Recherchen verpflichtet gewesen, welche den wahren Sachverhalt aufgedeckt hätten. In rechtlicher Hinsicht vertrat die zweite Instanz die Ansicht, weder für die Kläger noch für ihre Vorbesitzer hätten sich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Berghütte von der Eigentumsübertragung und von der tatsächlichen Benützung und Bewirtschaftung ausgeklammert gewesen wäre und die Beklagten oder ihre Rechtsvorgänger zu irgendeinem Zeitpunkt das Eigentum der Kläger oder ihrer Rechtsvorgänger in Frage gestellt hätten. Der Sachverhalt bedürfe daher auch keiner Ergänzungen. Die Ersitzungsvoraussetzungen seien für den wesentlichen Teil der strittigen Teilflächen erfüllt, darüber hinaus liege eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung der Streitteile (ihrer Rechtsvorgänger) in Ansehung eines schmalen Grundstreifens im Wege eines Grundtausches vor, welche das Klagebegehren begründe.

Die Revision der Beklagten ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch (§ 508a Abs 1 ZPO) nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Voraussetzungen für die Ersitzung sind neben dem Zeitablauf echter und redlicher Besitz eines Rechts, das seinem Inhalt nach dem zu erwerbenden Recht entsprochen hat, sowie Besitzwille. Echtheit des Besitzes ist auch für die uneigentliche Ersitzung des § 1477 ABGB erforderlich, den Nachweis, dass der Besitz fehlerhaft sei, hat aber der Ersitzungsgegner anzutreten (stRsp; 1 Ob 42/82 = JBl 1983, 480 uva; RIS-Justiz RS0034138). Der Ersitzungsbesitzer hat außer einer Besitzausübung, die nach Inhalt und Umfang dem zu erwerbenden Recht entspricht, nur noch die Vollendung der Ersitzungszeit zu beweisen, wobei es genügt, wenn der Bestand des Rechtsbesitzes am Beginn und Ende der Ersitzungszeit feststeht, während der Gegner einen in deren Verlauf eingetretenen Verlust des Besitzes oder eine Unterbrechung der Ersitzung zu beweisen hat, ferner auch, dass der Besitz nicht redlich und (oder) echt gewesen sei (stRsp; 5 Ob 903/76 = EvBl 1978/1 = JBl 1978, 257 uva; RIS-Justiz RS0034251; RS0010185; RS0010175).

Der für die Ersitzung erforderliche gute Glauben fällt weg, wenn der Besitzer entweder positiv Kenntnis erlangt, dass sein Besitz nicht rechtmäßig ist, oder wenn er zumindest solche Umstände erfährt, die zu Zweifeln an der Rechtmäßigkeit seines Besitzes Anlass geben (stRsp; 7 Ob 549/77 = SZ 50/53 = JBl 1978, 144 [zust. Sprung] = EvBl 1978/25 uva; RIS-Justiz RS0010184). Auch leichte Fahrlässigkeit in der Beurteilung der Frage, ob der Besitzerwerb in fremde Rechte eingreife, schließt den guten Glauben aus; aber auch Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Besitzwerbers zerstören ihn und nur entschuldbarer Irrtum vermag ihn zu sichern.

Die Beurteilung der Frage, ob in einem bestimmten Fall die konkret zu berücksichtigenden Umstände die Qualifikation des Verhaltens des Besitzers als redlich oder unredlich fordern, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab und stellt daher regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar (vgl. 8 Ob 88/02b = MietSlg 54.036). Die vom Berufungsgericht als erheblich angesprochene Frage, ob die Kläger anlässlich des Um- und Ausbaus der Berghütte weitergehende Recherchen über die Richtigkeit des bereits einige Jahre früher einvernehmlich mit dem Rechtsvorgänger der Beklagten festgelegten Grenzverlaufs (Grundstückstausch Anfang der 80er Jahre) anstellen hätten müssen, bildet - mangels einer in diesem Fall vorliegenden, die Rechtssicherheit gefährdender Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht - daher keine erhebliche Rechtsfrage.

Der Hinweis der Revisionswerber auf die Rsp des Obersten Gerichtshofs zur Bauführung auf fremdem Grund sowie die hiebei zur Redlichkeit des Bauführers ergangenen Entscheidungen ändert nichts, sind doch die Grundsätze gleich. Auch zu § 418 ABGB hat der Oberste Gerichtshof wiederholt ausgesprochen, dass bereits durch leichte Fahrlässigkeit Redlichkeit ausgeschlossen wird (1 Ob 519/96 = SZ 69/50 = RZ 1997/20 ua; RIS-Justiz RS0103701). Sind auch an die Aufmerksamkeit des Bauführers strenge Anforderungen zu stellen, kann doch die Nachlässigkeit desjenigen, in dessen Eigentum durch die Bauführung eingegriffen wird, nicht vernachlässigt werden (vgl. 9 Ob 32/02z = bbl 2003, 34 = ecolex 2003, 94 = immolex 2003, 307). Deshalb kommt dem Umstand, dass die Beklagten (ihre Rechtsvorgänger) nicht nur den Grenzverlauf Anfang der 80iger Jahre mit den Klägern einvernehmlich festlegten, sondern auch als dem Bauverfahren anlässlich des Zu- und Umbaus der Berghütte beigezogene Anrainer ohne Bedenken hinsichtlich des Grundeigentums zustimmten, besondere Bedeutung zu.

Die von den Beklagten weiters aufgeworfenen Fragen im Zusammenhang mit dem von ihnen behaupteten Superädifikat stellen sich nicht, weil die Vorinstanzen eine Vereinbarung zwischen Grundeigentümer und Bauführer, wonach diesem im Hinblick auf den besonderen Charakter des Bauwerks das selbständige Eigentum daran zukommen sollte, nicht festzustellen vermochten. In der von den Beklagten herangezogenen E 2 Ob 380/50 = SZ 24/28 wird auf die besonderen Verhältnisse bei Schutzhütten auf ärarischem Grund Bezug genommen und ausgeführt, dass es einem Hüttenerwerber in der Regel gelingen werde, den Hüttenplatz käuflich zu erwerben, wenn der Grund einem Privaten (oder einer Gemeinde) gehöre.

Schließlich besteht auch der von den Revisionswerbern behauptete Widerspruch zur Rsp des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Unzulässigkeit einer räumlichen oder widmungsmäßigen Ausdehnung einer eingeräumten Nutzung (RIS-Justiz RS0011725) nicht, zumal es im hier zu beurteilenden Fall nicht um die Ersitzung einer bloßen Dienstbarkeit, sondern nach den getroffenen Feststellungen der Vorinstanzen um die jegliche andere Nutzung ausschließende Besitzausübung geht, die der Stellung als Eigentümer entspricht, welche von den Beklagten und ihren Rechtsvorgängern über einen die 30-jährige Ersitzungszeit hinausgehenden Zeitraum weder beanstandet noch in Zweifel gezogen wurde.

Da die Beklagten sohin keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen vermögen, ist ihre Revision zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 und 50 ZPO; die Kläger haben auf die Unzulässigkeit der gegnerischen Revision hingewiesen.

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