OGH 2Ob380/50

OGH2Ob380/5025.1.1951

SZ 24/28

Normen

ABGB §415
ABGB §418
ABGB §435
ABGB §914
Mietengesetz §19 Abs2 Z9a
ZPO §498
ABGB §415
ABGB §418
ABGB §435
ABGB §914
Mietengesetz §19 Abs2 Z9a
ZPO §498

 

Spruch:

Über die Rechtsverhältnisse an Almhütten und Schutzhütten auf forstärarischem Grund.

Entscheidung vom 25. Jänner 1951, 2 Ob 380/50.

I. Instanz: Bezirksgericht Bad Ischl; II. Instanz: Kreisgericht Wels.

Text

Auf einer Alpe befand sich schon vor dem Jahre 1938 eine Mannschaftsbaracke für militärische Zwecke. Eigentümerin des Baugrundes und der Baracke war damals die Republik Österreich, später das Deutsche Reich (Reichsforstverwaltung). Im Juli 1945 übergab der zuständige amerikanische Abschnittskommandant dem Kläger die Baracke zum Ausbau und Betrieb einer Schutzhütte. Am 14. August 1946 erteilte die Forstverwaltung dem Kläger die Genehmigung, auf Grund eines Planes einen Zubau zu der Mannschaftsbaracke vorzunehmen. Der Kläger schloß am 5. September 1946 mit der Forstverwaltung einen auf fünf Jahre lautenden Pachtvertrag über die Mannschaftsbaracke samt einer dazugehörigen unproduktiven Grundfläche im Ausmaß von 3600 m2. In diesem Vertrage stimmte die Forstverwaltung der Errichtung eines Gaststättenbetriebes auf der Pachtfläche zu. Der Kläger errichtete aus eigenen Mitteln über einem Teil der alten Baracke ein Haus mit zwei Geschossen, das die alte Baracke zu zwei Dritteln einschloß. Der Anteil der alten Baracke an dem neu errichteten Bau betrug fünf Prozent. Die Kosten des bisherigen Baues betragen 250.000 S. Der Bau entspricht im wesentlichen dem vorgelegten Plane, wurde von der Forstverwaltung nicht beanstandet und vom Bundesministerium für Unterricht durch die Ausstellung einer Dringlichkeitsbescheinigung vom 27. Juni 1946 gefördert. Seit 18. November 1946 ist der Pachtgrund wieder im Eigentum der Republik Österreich (Österreichische Bundesforste). Ein Ansuchen des Klägers vom 22. Oktober 1946 um käufliche Überlassung der Baracke wurde mit Entscheidung des Bundesministeriums für Unterricht abgewiesen. In diesem Schreiben wurde dem Kläger mitgeteilt, daß das fragliche Gebiet von der amerikanischen Militärbehörde der österreichischen Regierung zur Errichtung moderner Anlagen für Jugendpflege und Jugenderholung und Jugendsport übergeben wurde und daß nunmehr der Republik Österreich, vertreten durch das Bundesministerium für Unterricht, über dieses Gebiet die volle Verfügungsgewalt zustehe.

Dem Kläger wurde von der beklagten Partei der Pachtvertrag gemäß § 19 Abs. 2 Z. 9a MietG. aufgekundigt.

Der Kläger begehrt nunmehr die Feststellung, daß das von ihm auf der Alpe errichtete Bauwerk und die verbaute Grundfläche sein Eigentum seien und verlangt die Verurteilung der beklagten Partei (Republik Österreich) zur Einwilligung in die grundbücherliche Einverleibung seines Eigentumsrechtes an dieser Grundfläche.

Das Erstgericht stellte das Eigentumsrecht des Klägers an dem Bauwerk fest und wies das darüber hinausgehende Mehrbegehren ab. Die Bestimmungen des § 418 ABGB. könnten nicht Anwendung finden, weil der Kläger durch den Abschluß des Pachtvertrages und die Bezahlung des Pachtzinses das Eigentumsrecht der beklagten Partei an dem Gründe anerkannt habe. Hingegen stehe ihm an dem von ihm errichteten Bauwerke das Eigentumsrecht zu. Den Vereinbarungen zwischen den Parteien sei der Wille zugrunde gelegen, daß der Kläger Eigentümer des aus seinen Mitteln erbauten Schutzhauses werden solle und die beklagte Partei Eigentümerin des Gründes bleibe.

Das Berufungsgericht gab auch dem Begehren des Klägers hinsichtlich der verbauten Grundfläche Folge. Da eine ausdrückliche Vereinbarung der Parteien über das Schicksal des Bauwerkes und der erwähnten Grundfläche im Pachtvertrage nicht getroffen worden sei, kämen die Bestimmungen des § 418 ABGB. zur Anwendung. Der Kläger habe den Bau mit Zustimmung und Wissen des Gründeigentümers und mit eigenen Mitteln errichtet und sei daher trotz Vorliegens eines Pachtvertrages über die Grundfläche gemäß § 418 ABGB. Eigentümer der erwähnten Grundfläche geworden.

Der Oberste Gerichtshof hat der Revision der beklagten Partei teilweise Folge gegeben und das Berufungsurteil dahin abgeändert, daß das erstgerichtliche Urteil wiederhergestellt wurde.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

In rechtlicher Hinsicht ist die Revision teilweise begrundet. Sowohl das Berufungsgericht als auch die Revision übersehen, daß das Erstgericht, dessen Feststellungen unberührt blieben, als erwiesen annahm, daß der Wille der Parteien dahin ging, der Kläger solle Eigentümer des aus eigenen Mitteln erbauten Schutzhauses sein und die beklagte Partei Eigentümerin des verbauten Gründes bleiben, der in Form einer Pacht vom Kläger zu benützen sei. Die Grenze zwischen tatsächlichen Feststellungen und rechtlicher Beurteilung ist oft schwer zu ziehen und vielfach streitig. Was jedoch die Parteien wollten, ist tatsächliche Feststellung, rechtliche Beurteilung nur, was sie gewollt hätten oder hätten wollen müssen (vgl. die in der 10. Auflage der Manz'schen Ausgabe der Zivilprozeßordnung zu § 498, S. 985 unter Nr. 2 - 4 abgedruckten Oberstgerichtlichen Entscheidungen). Das Erstgericht läßt keinen Zweifel, daß es feststellt, von welchem Gedanken die Parteien sich bei Abschluß des Pachtvertrages und Errichtung des Bauwerkes leiten ließen. Den Parteien habe ein Rechtsverhältnis vorgeschwebt, wie es in diesem Gebiete allgemein üblich sei, daß nämlich Schutzhütten, Almhütten und Wirtschaftsgebäude als Überbauten auf forstärarischem Gründe errichtet werden. Die beteiligten Stellen hätten niemals daran gedacht, daß dem Kläger nach mühevoller Aufführung des Bauwerkes jederzeit gekundigt werden könne. Diese Tatsachenfeststellungen sind dem Revisionsverfahren zugrunde zu legen. Die Revision verweist auf Punkt 5 des Pachtvertrages, der unter der Bezeichnung "Verbesserungen" die Bestimmung enthält, daß Veränderungen auf den Pachtgrundstücken (Neuerrichtung von Zäunen, Gräben, Wegen oder Baulichkeiten) der Zustimmung des Verpächters bedürfen und daß für solche Verbesserungen dem Pächter bei Ablauf der Pachtzeit nur insoweit eine Vergütung gebühre, als dies vom Verpächter anläßlich der Zustimmung zugestanden sei. Diese Bestimmung kann auf das gegenständliche Bauwerk keine Anwendung finden, weil der stillschweigende, beiden Teilen erkennbare Wille dahin ging, daß das Bauwerk Eigentum des Klägers bleiben, dieses also nicht unter Punkt 5 fallen solle. Die verbaute Fläche sollte aber im Eigentum der beklagten Partei bleiben. Andernfalls hätte die Aufrechterhaltung des Pachtvertrages durch die Bezahlung des Pachtzinses keinen Sinn gehabt. Für die Anwendung des § 418 ABGB. ist daher wegen des Vorliegens einer besonderen Vereinbarung kein Raum.

Aber auch wenn die Feststellungen über die Absicht und den Willen der Parteien der Überprüfung durch das Revisionsgericht unterlägen, wäre der Vertrag so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht (§ 914 ABGB.).

Ein großer Teil der Schutzhütten in den Alpen und nicht nur im fraglichen Gebiet steht auf fremdem Gründe. Gehört der Grund einem Privaten oder einer Gemeinde, so wird es dem Hüttenerwerber in der Regel gelingen, den Hüttenplatz käuflich zu erwerben. Der Fiskus hingegen pflegt sich seines Eigentums nicht zu entäußern, sondern räumt dem Erwerber in der Regel mehr oder minder ausgedehnte Benutzungsrechte ein. Ein gesondertes Eigentum des Klägers an dem Bauwerk ist rechtlich möglich (Klang, 2. Auflage, zu § 435, S. 370). Nicht einzusehen ist, warum die Parteien von dieser verbreiteten Übung abgegangen wären. Der Kläger hat durch den Pachtvertrag das Eigentumsrecht der Beklagten an der Grundfläche anerkannt. Die Anwendung des Punktes 5 des Pachtvertrages auf das Bauwerk würde aber der Übung des redlichen Verkehrs widersprechen.

Die Revision versucht noch darzutun, daß der Beklagten zumindestens ein Miteigentumsrecht an dem Bauwerke zustehe, weil das umgebaute Gebäude mit dem unveränderten Barackenteil des Mannschaftsgebäudes wirtschaftlich eine Einheit bilde. Die Anwendung des § 415 ABGB. scheitert aber an dem Umstande, daß diese Gesetzesstelle eine Verarbeitung ohne Zustimmung des Eigentümers voraussetzt.

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