OGH 10Ob41/05k

OGH10Ob41/05k28.6.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon. Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei B***** EOOD, *****, Bulgarien, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte OEG in Wien, gegen die beklagte Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei V***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Dr. Rainer Kurbos, Rechtsanwalt in Graz, wegen Unterlassung (EUR 35.000,- -), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden und gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgericht vom 1. März 2005, GZ 5 R 24/05x-14, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs der klagenden und gefährdeten Partei wird gemäß § 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Die klagende und gefährdete Partei (im Folgenden „klagende Partei"), eine in Bulgarien ansässige Gesellschaft, sowie die beklagte und Gegnerin der gefährdeten Partei (im Folgenden „beklagte Partei"), eine Kommanditgesellschaft mit dem Sitz in Österreich, standen Ende Mai 2004 in Verhandlungskontakt. Die Muttergesellschaft der beklagten Partei übermittelte der klagenden Partei schließlich eine Bestellung mit der Nr 025/70863117 über im Einzelnen bestimmte Waren. Der klagenden Partei war dabei bewusst, dass als ihr formeller Vertragspartner ein Konsortium auftrat, während der Vertrag (auf Abnehmerseite) tatsächlich von der beklagten Partei durchgeführt wird. Die klagende Partei nahm die Bestellung am 28. 5. 2004 uneingeschränkt an. Auf Wunsch der klagenden Partei war dabei festgelegt, dass 40 % der Kaufsumme als Anzahlung zu überweisen sind, wenn eine uneingeschränkte Bestellungsannahme, eine Rechnung sowie eine Bankgarantie, die der Besicherung dieser Anzahlung dienen sollte, vorliegt.

In weiterer Folge wurde der Text der Bankgarantie zwischen den Streitteilen schriftlich festgelegt. Die klagende Partei beauftragte daraufhin die U***** Bank in Sofia, der beklagten Partei eine Anzahlungsgarantie mit der Nr 36/0726/04 über EUR 522.120,-- auszustellen. Der Finanzchef der beklagten Partei erteilte den Auftrag zur Überweisung des Anzahlungsbetrages von der beklagten Partei an deren Muttergesellschaft, die den Anzahlungsbetrag wiederum auf das von der klagenden Partei bekannt gegebene Konto überwies. Am 9. 7. 2004 langte der Betrag von EUR 522.120,-- auf dem Konto der klagenden Partei bei der U***** Bank ein, wobei als Überweisungsinformation „Anzahlung für Auftrag 025/70863117" genannt wurde.

Im Hinblick auf Vertragsverletzungen durch die klagende Partei drohte die beklagte Partei die Vertragsauflösung an und erwog die Inanspruchnahme der Bankgarantie. Mit Schreiben vom 16. 9. 2004 erklärte die Muttergesellschaft der beklagten Partei im Namen des von ihr vertretenen Konsortiums unter Hinweis auf Vertragsverletzungen durch die klagende Partei die Kündigung des Auftrages mit der Nr 025/70863117; diese Erklärung ging der klagenden Partei zu.

Im November 2004 erteilte die beklagte Partei der Bank ***** AG den Auftrag, die Bankgarantie per 31. 12. 2004 abzurufen. Nach dem 27. 12. 2004 rief die beklagte Partei die Bankgarantie bei der U***** Bank ab; der Garantiebetrag wurde noch nicht ausbezahlt.

Mit Zessionsvereinbarung vom Dezember 2004 trat das durch die Muttergesellschaft der beklagten Partei vertretene Konsortium seine Ansprüche auf Rückzahlung der Anzahlung aus der Purchase Order Nr 025/70863117 zum Inkasso an die beklagte Partei ab, welche diese Abtretung annahm. Die klagende Partei wurde von dieser Zession verständigt.

Mit ihrer am 24. 12. 2004 eingebrachten Klage begehrt die klagende Partei, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, es zu unterlassen, die Bankgarantie Nr 36/0726/04 vom 30. 6. 2004 ganz oder teilweise in Anspruch zu nehmen, in eventu die beklagte Partei zu verpflichten, die Inanspruchnahme der Bankgarantie zu widerrufen. Mit ihrer Klage hat sie den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zur Sicherung ihres Anspruches auf Unterlassung der rechtsmissbräuchlichen Inanspruchnahme der Bankgarantie verbunden. Sie brachte dazu zusammengefasst vor, dass die Inanspruchnahme der Bankgarantie rechtsmissbräuchlich erfolge, weil die beklagte Partei nicht der Vertragspartner der klagenden Partei sei, was der beklagten Partei bewusst sei. Außerdem habe die beklagte Partei keine Anzahlung zugunsten der klagenden Partei geleistet. Vielmehr sei die Zahlung von EUR 522.120,-- durch die Muttergesellschaft erfolgt, weshalb die Bankgarantie nicht in Kraft getreten sei und jeder Versuch, trotz ihrer Unwirksamkeit eine Auszahlung zu erzielen, rechtsmissbräuchlich sei.

Mit Beschluss vom 27. 12. 2004 (ON 3) erließ das Erstgericht die beantragte einstweilige Verfügung ohne Anhörung der beklagten Partei.

Nach Verhandlung über den Widerspruch der beklagten Partei hob das Erstgericht die einstweilige Verfügung auf. Rechtlich führte es im Wesentlichen aus, dass die Bankgarantie nach ihrem Text nur im Zeitraum zwischen 30. 12. 2004 und 31. 1. 2005 abgerufen werden könne und danach außer Kraft trete. Die bereits erlassene Verfügung führe zu keiner Stundung der Abrufsfrist und würde einen unabänderlichen Zustand herbeiführen, sodass bereits aus diesem Grund die einstweilige Verfügung aufzuheben sei, weil sie sonst der Entscheidung in der Hauptsache vorgreife. Der klagenden Partei sei es aber auch nicht gelungen, ihren Anspruch zu bescheinigen, weil die klagende Partei genau jene juristische Person als Begünstigte der Bankgarantie angeführt habe, die sie habe anführen wollen, nämlich die beklagte Partei. Aus dem Text der Bankgarantie sei genau zu entnehmen, welcher Vertrag gemeint sei; eine unrichtige Bezeichnung in der Präambel könne auch bei einer streng auszulegenden Bankgarantie nicht dazu führen, dass der tatsächlich Begünstigte aufgrund eines „gemeinsamen" Fehlers in der Präambel nicht mehr berechtigt sein sollte, die Bankgarantie abzurufen. Die Anzahlung sei tatsächlich von der beklagten Partei geleistet worden, sodass kein Zweifel daran bestehe, dass diese zu Recht die Bankgarantie in Anspruch nehme. Da der klagenden Partei die Bescheinigung ihres Anspruches völlig misslungen sei, komme auch eine Sicherheitsleistung iSd § 390 EO nicht in Betracht.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der klagenden Partei nicht Folge. Es traf ergänzende Feststellungen, wonach in dem an die klagende Partei gerichteten Bestellschreiben vom 28. 5. 2004, Bestellnummer 025/70863117, auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen AGB 6/99 als integrierenden Vertragsbestandteil hingewiesen wird. Nach Punkt 18.1 der AGB 6/99 soll ungeachtet eventuell anderslautender Regelungen dieses Vertrages österreichisches materielles Recht unter Ausschluss des UN-Kaufrechtsübereinkommens angewendet werden. Die Klägerin wusste von der Bezahlung der vereinbarten Anzahlung durch die beklagte Partei.

In rechtlicher Hinsicht führte das Rekursgericht aus, dass auf die Frage, ob die Bankgarantie zu Unrecht abgerufen werde, österreichisches Sachrecht anzuwenden sei. Da dem Begünstigten nach der Vereinbarung das Recht zustehe, die Anzahlungsgarantie unabhängig von Einwendungen aus dem Grundverhältnis geltend zu machen, könne dem Auftraggeber kein Anspruch auf Unterlassung der Inanspruchnahme zustehen. Der Ausnahmefall, dass der Begünstigte die Garantie rechtsmissbräuchlich in Anspruch nehmen wolle, liege nicht vor, zumal in der Präambel der an die beklagte Partei adressierten Garantie ausdrücklich auf die Bestellnummer, das Bestelldatum, den Gegenstand der Bestellung und den Auftragswert Bezug genommen werde; des Weiteren finde sich dort auch die Wiedergabe der getroffenen Vereinbarung über die Höhe der Anzahlung. Der Garantiegeber habe sich unwiderruflich und vorbehaltslos zur Zahlung eines Höchstbetrages von EUR 522.120,-- verpflichtet, und zwar widerspruchslos und unbeschadet jeder Bestreitung unter den Vertragsparteien gegen erste schriftliche Aufforderung unter der Angabe, dass die Auftraggeber der Bank ihre vertraglichen Verpflichtungen nicht erfüllt haben, zu überweisen. Bei Beurteilung der Rechtsmissbräuchlichkeit des Abrufs komme es nicht auf allfälliges Wissen der Bank über das Grundgeschäft an, sondern lediglich auf die materielle Berechtigung zwischen Garantieauftraggeber und dem Begünstigten. Im vorliegenden Fall könne überhaupt kein Zweifel daran bestehen, welche Anzahlung für welches Geschäft mit der Garantie in der Sache abgesichert werden hätten sollen. Den Beteiligten des Grundgeschäftes und somit auch der klagenden Partei sei vollkommen bewusst gewesen, dass die richtig genannte Anzahlung auf das bekanntgegebene Konto einen bestimmten, mit der richtigen Auftragsnummer bezeichneten Auftrag betroffen habe und dass diese Anzahlung durch die Bankgarantie abzusichern gewesen sei. Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände zeige sich, dass nach dem Willen der Parteien, die über die Erstellung der Garantie verhandelt hätten, die Garantie einen bestimmten, in der Sache genau bezeichneten Auftrag betreffe und eine bestimmte, genau bezeichnete Anzahlung sichern solle.

Außerdem sei nach dem Text der Bankgarantie nur darauf abgestellt worden, dass die Anzahlung geleistet werde; es werde nicht darauf Bezug genommen, von wem die Anzahlung zur Gültigkeit der Garantie geleistet werden müsse. Wer die Anzahlung geleistet habe sei nicht entscheidend. Im Übrigen habe die klagende Partei nach dem bescheinigten Sachverhalt jedoch Kenntnis davon gehabt, dass die Anzahlung ohnehin durch die Beklagte erfolgt sei.

Von einem Rechtsmissbrauch durch die beklagte Partei wäre nur dann zu sprechen, wenn sie materiell zum Schaden der Klägerin gehandelt habe. Dass der klagenden Partei über den Zweck der Garantie, die Anzahlung zurückzuleiten, hinaus weitere Nachteile entstehen könnten, habe sie nicht aufzuzeigen vermocht.

Letztlich komme es im Rahmen der einstweiligen Verfügung nicht darauf an, in welcher rechtlichen Position die beklagte Partei konkret in Ansehung des Kaufvertrages zur klagenden Partei gestanden sei, weil auch dieser bewusst gewesen sei, dass das Konsortium als formeller Vertragspartner diene, während der Vertrag tatsächlich von der beklagten Partei durchgeführt werde. Die Garantie sei ausdrücklich an die beklagte Partei gerichtet worden; in der Präambel seien die näheren Umstände eindeutig umschrieben worden. Eine rechtsmissbräuchliche Inanspruchnahme der Bankgarantie liege nicht vor. Da der klagenden Partei nicht einmal die Bescheinigung ihres Anspruches gelungen sei, habe das Erstgericht zutreffend die einstweilige Verfügung aufgehoben. Im Hinblick auf die fehlende Anspruchsbescheinigung stelle sich die Frage einer Sicherheitsleistung im Sinn des § 390 EO gar nicht mehr.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig, weil eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO nicht zu lösen gewesen sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der klagenden Partei aus dem Revisionsrekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung dahingehend, dass die einstweilige Verfügung vom 27. 12. 2004 aufrecht erhalten werde, gegebenenfalls unter Auferlegung einer Sicherheitsleistung.

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 erster Satz ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO, somit wegen des Fehlens erheblicher Rechtsfragen zurückzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs kann der Anspruch des Garantieauftraggebers gegen den Begünstigten auf Unterlassung bzw Widerruf des Abrufs einer Bankgarantie durch einstweilige Verfügung unter bestimmten Umständen gesichert werden (4 Ob 602/95 = ÖBA 1997, 384; 6 Ob 149/02 h; 1 Ob 93/03p). Im Hinblick auf die Abstraktheit der Bankgarantie, die einen Einwand aus dem Valutaverhältnis grundsätzlich nicht zulässt, kommt eine solche einstweilige Verfügung nach der Rechtsprechung nur dann in Frage, wenn der Begünstigte die Garantie rechtsmissbräuchlich oder arglistig (evident unberechtigt) in Anspruch genommen hat, was eindeutig feststehen muss, ohne dass dazu der Prozess über das Grundverhältnis schon im Bescheinigungsverfahren vorweggenommen wird (6 Ob 149/02h ua; RIS-Justiz RS0005092). Rechtsmissbrauch setzt voraus, dass zwischen den vom Handelnden verfolgten eigenen Interessen und den beeinträchtigten Interessen des anderen ein krasses Missverhältnis besteht (§ 1295 Abs 2 ABGB; RIS-Justiz RS0018006). Die Rechtsprechung fordert den liquiden und eindeutigen Nachweis des Nichteintritts des Garantiefalls (SZ 54/189; RdW 1986, 340 uva), weil dem Begünstigten arglistiges oder rechtsmissbräuchliches Verhalten dann nicht vorgeworfen werden kann, wenn nicht eindeutig fest steht, dass er keinen Anspruch hat. Damit obliegt es - entsprechend der Bescheinigungslastverteilung im Provisorialverfahren - der gefährdeten Partei, zu bescheinigen, dass der Garantiefall nicht eingetreten ist. Die - sonst ausreichende - bloße Bescheinigung des Unterlassungs- bzw Widerrufsanspruchs genügt in Anbetracht der besonderen wirtschaftlichen Funktion nicht (9 Ob 96/02m = RIS-Justiz RS0005092 [T10]).

Die Bejahung oder Verneinung der Eindeutigkeit und Evidenz des vom Antragsteller zu erbringenden Nachweises über den Rechtsmissbrauch stellt einen Akt der richterlichen Beweiswürdigung dar: Der rechtlichen Beurteilung unterliegt die Frage, ob die Tatsachen geeignet sind, den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs zu rechtfertigen (8 Ob 291/99y = RIS-Justiz RS0018027 [T16]; 7 Ob 109/01g mwN).

In diesem Sinn besteht zur Frage, wann der Abruf einer Bankgarantie als rechtsmissbräuchlich zu beurteilen ist und wann der Nichteintritt des Garantiefalls liquide und eindeutig nachgewiesen ist, eine gesicherte höchstgerichtliche Rechtsprechung. Ob die für die Annahme von Rechtsmissbrauch geforderten Voraussetzungen vorliegen oder nicht, ist letztlich eine Frage des Einzelfalls und entzieht sich schon deshalb einer Beurteilung als erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO.

Von einer auffälligen Fehlbeurteilung des bescheinigten Sachverhalts durch die zweite Instanz, die einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedürfte, kann nicht gesprochen werden. Vielmehr ist die Rechtsansicht des Rekursgerichts, dass die gegebene Tatsachengrundlage nicht von einem solchen Grad an Eindeutigkeit ist, dass daraus berechtigterweise der Vorwurf des Rechtsmissbrauchs abgeleitet werden könne und demnach der von der klagenden Partei geltend gemachte Anspruch als bescheinigt anzusehen wäre, ist durchaus vertretbar.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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