Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben; dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung über den Widerspruch - allenfalls nach Verfahrensergänzung - aufgetragen.
Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die Gegnerin der gefährdeten Partei beauftragte die gefährdete Partei mit Auftragsschreiben vom 17. Dezember 1998 mit Klima- und Haustechnikarbeiten bei einem Bauprojekt in Moskau. Dabei wurde zwischen den Parteien vereinbart, dass ein Haftungsrücklass von der Gegnerin der gefährdeten Partei einbehalten werde, der durch die Beibringung einer Bankgarantie abgelöst werden könne. Von der gefährdeten Partei wurde daher eine Bankgarantie im Betrag von EUR 30.335,75 bestellt und der Haftungsrücklass von der Gegnerin der gefährdeten Partei ausgezahlt. Mit Schreiben vom 4. November 2002 nahm die Antragsgegnerin die Bankgarantie in Anspruch.
Mit dem am 7. November 2002 beim Erstgericht eingelangten Sicherungsantrag beantragte die gefährdete Partei die Erlassung einer angemessen zu befristenden einstweiligen Verfügung, mit der der Garantiebank zur Sicherung des Anspruchs auf Widerruf des schon erfolgten Abrufs durch die Gegnerin die Einlösung der Garantie untersagt werde.
Die Inanspruchnahme der Bankgarantie sei evident rechtsmissbräuchlich. Sämtliche Arbeiten seien von der Antragstellerin ordnungsgemäß durchgeführt und mit Abnahmeprotokoll vom 30. Juli 1999 von der Antragsgegnerin abgenommen worden. In der Folge habe die Antragsgegnerin für diverse andere Nebenarbeiten einer anderen Gesellschaft einen Zusatzauftrag erteilt. Diese Gesellschaft und die gefährdete Partei seien zwar Schwesterunternehmen, jedoch vollkommen getrennt und eigenständig. Von Seiten der anderen Gesellschaft liege keine Bankgarantie vor. Von der Antragsgegnerin würden diverse Mängel behauptet, die einerseits tatsächlich nicht vorlägen, andererseits behaupte die Antragsgegnerin selbst, dass diese Mängel von der anderen Gesellschaft zu verantworten seien. Es sei nicht Sicherungszweck des Vertrags der Antragstellerin mit der Antragsgegnerin gewesen, mit der gelegten Bankgarantie auch einen Haftungsrücklass der anderen Gesellschaft abzudecken. Es sei somit klar ersichtlich, dass die Bankgarantie für einen Anspruch herangezogen werden solle, für den sie nicht bestimmt sei.
Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung ohne vorherige Anhörung der Gegnerin und nahm aufgrund der vorgelegten Urkunden insbesondere als bescheinigt an, die Gegnerin der gefährdeten Partei habe mit Mängelbehebungsprotokoll vom 30. Juli 1999 bestätigt, dass alle Mängel behoben seien. In weiterer Folge sei nur die andere Gesellschaft tätig geworden. Am 1. November 2002 habe die Gegnerin der gefährdeten Partei der anderen Gesellschaft mitgeteilt, dass im Rahmen der Inanspruchnahme ihrer Bankgarantie die Mängelbehebung und Restleistung zum Großteil bereits durchgeführt worden sei. Dabei sei wörtlich ausgeführt worden: "Zur Abdeckung der anerlaufenen Kosten, die "Ihre Gewerke" betreffen, werden wir Ihre uns vorliegende Bankgarantie in Anspruch nehmen". Das Erstgericht zog daraus den rechtlichen Schluss, die Inanspruchnahme der Bankgarantie sei evident rechtsmissbräuchlich erfolgt, weil sie von der Begünstigten für ein Ereignis in Anspruch genommen worden sei (nämlich die Abdeckung von Mängelbehebungs- und Ersatzvornahmekosten gegenüber der anderen Gesellschaft, somit einem von der gefährdeten Partei verschiedenen Rechtssubjekt), für das sie nicht übernommen worden sei.
Die Gegnerin der gefährdeten Partei brachte in ihrem dagegen erhobenen Widerspruch zusammengefasst vor, die von der gefährdeten Partei erbrachten Leistungen seien zwar im Juli 1999 noch mängelfrei erschienen, beginnend mit dem Jahr 2001 sei jedoch eine Vielzahl von Mängeln aufgetreten, die die gefährdete Partei zu verantworten habe. Im Zuge der Mängelbehebung sei der gefährdeten Partei ein Zusatzauftrag erteilt worden. Bloß dessen Abrechnung sei auf Wunsch der gefährdeten Partei über die andere Gesellschaft durchgeführt worden; ein Vertragsverhältnis mit dieser sei nicht zustandegekommen. Es sei vereinbart gewesen, dass "die Bestimmungen des Hauptauftrags gelten" würden, weshalb die Bankgarantie auch zur Besicherung von Ansprüchen aus dem Zusatzauftrag dienen würde. Die gefährdete Partei sei weder ihren vertraglichen Verpflichtungen aus dem ersten Auftrag noch jenen aus dem Auftrag aus dem Jahr 2001 nachgekommen. Die Inanspruchnahme der Bankgarantie sei daher nicht rechtsmissbräuchlich.
Das Erstgericht wies den Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung ab, hielt diese aufrecht und stellte im Rahmen der Würdigung der Bescheinigungsmittel ergänzend fest, dass der Einwand der Gegnerin der gefährdeten Partei, die behaupteten Mängel seien dem ersten Bauabschnitt und somit dem Auftrag vom 17. Dezember 1998 zuzurechnen, nicht eindeutig als bescheinigt angesehen werden könne.
Das Rekursgericht bestätigte die erstgerichtliche Entscheidung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Die Bankgarantie sei nicht für Ansprüche gegen die andere Gesellschaft begeben worden.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der gefährdeten Partei ist zulässig und berechtigt.
Zutreffend wendet sich die Rechtsmittelwerberin gegen die Ansicht des Rekursgerichts, die getroffenen Feststellungen ließen den rechtlichen Schluss zu, die Antragsgegnerin habe die Bankgarantie evident rechtsmissbräuchlich in Anspruch genommen:
Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs kann der Anspruch des Garantieauftraggebers gegen den Begünstigten auf Widerruf des Abrufs einer Bankgarantie durch einstweilige Verfügung unter bestimmten Umständen gesichert werden (4 Ob 602/95 = ÖBA 1997, 384 = ecolex 1997/18; 6 Ob 149/02 h; 10 Ob 120/97p mwN). Im Hinblick auf die Abstraktheit der Bankgarantie, die einen Einwand aus dem Valutaverhältnis grundsätzlich nicht zulässt, kommt eine solche einstweilige Verfügung nach ständiger oberstgerichtlicher Rechtsprechung jedoch nur dann in Frage, wenn der Begünstigte die Garantie rechtsmissbräuchlich oder arglistig (evident unberechtigt) in Anspruch genommen hat, was eindeutig feststehen muss, ohne dass dazu der Prozess über das Grundverhältnis schon im Bescheinigungsverfahren vorweggenommen wird (6 Ob 149/02h ua). Rechtsmissbrauch setzt eine Rechtsausübung in alleiniger oder doch ganz überwiegender Schädigungsabsicht voraus (§ 1295 Abs 2 ABGB).
Zu fordern ist daher der liquide und eindeutige Nachweis des Nichteintritts des Garantiefalls (SZ 54/189, RdW 1986, 340 uva), weil dem Begünstigten arglistiges oder rechtsmissbräuchliches Verhalten dann nicht vorgeworfen werden kann, wenn nicht eindeutig feststeht, dass er keinen Anspruch hat. Damit obliegt es - entsprechend der Bescheinigungslastverteilung im Provisorialverfahren - der gefährdeten Partei, zu bescheinigen, dass der Garantiefall nicht eingetreten ist, und im konkreten Fall daher, dass von ihr aus dem durch die Bankgarantie gesicherten Vertragsverhältnis (Auftrag vom 17. Dezember 1998) - auch nach dem 30. Juli 1999 - kein anspruchsbegründender Mangel zu verantworten ist. Entgegen der Auffassung der Revisionsrekurswerberin haben die Vorinstanzen als bescheinigt angenommen, dass die gefährdete Partei nicht Vertragspartnerin der "Zusatzaufträge" war. Die vom Erstgericht getroffene Negativfeststellung, der Einwand der Gegnerin der gefährdeten Partei, dass die behaupteten Mängel dem ersten Bauabschnitt und somit dem Auftrag vom 17. 12. 1998 zuzurechnen seien, könne nicht eindeutig als bescheinigt angesehen werden, reicht daher für den Schluss, die Inanspruchnahme der Bankgarantie sei rechtsmissbräuchlich erfolgt, nicht aus.
Die Vorinstanzen haben trotz des Vorbringens der Gegnerin der gefährdeten Partei, es gäbe Mängel aus dem (ersten) Vertragsverhältnis mit der gefährdeten Partei, zur entscheidenden Frage, ob es im obigen Sinn geradezu auszuschließen ist, dass nach der Abnahme des Bauprojekts durch das Mängelbehebungsprotokoll vom 30. Juli 1999 noch Mängel aus dem ersten Vertragsverhältnis bestanden haben bzw hervorgekommen sind, keine Feststellungen getroffen. Die Schlussfolgerung des Erstgerichts, die Bankgarantie sei von der Begünstigten für ein Ereignis in Anspruch genommen worden (nämlich für die Abdeckung der Kosten von Mängelbehebung und Ersatzvornahme gegenüber der anderen Gesellschaft, somit einem von der gefährdeten Partei verschiedenen Rechtsobjekt), für das sie nicht erklärt worden sei, ist entgegen der Meinung des Rekursgerichts keine ergänzende Feststellung, sondern rechtliche Beurteilung des als bescheinigt angenommenen Sachverhalts. Die Argumentation der Revisionsrekursgegnerin, die Garantieforderung sei schon deshalb nicht fällig, weil gegenüber der garantierenden Bank keine "Substantiierung des Anspruchs" erfolgt sei, betrifft nicht das Rechtsverhältnis zwischen den Streitteilen; im Übrigen wurde Derartiges entgegen dem Neuerungsverbot des § 482 ZPO erstmals im Rechtsmittelverfahren behauptet.
Ob, wie von der Rechtsmittelwerberin moniert, auch bei der Erfüllung des Zusatzauftrags Mängel aufgetreten sind und ob diese von der gefährdeten Partei oder der anderen Gesellschaft zu verantworten sind, ist für die Beantwortung der hier zu prüfenden Rechtsfrage nicht von Bedeutung, weil festgestellt werden konnte, dass die Bankgarantie nur der Besicherung von Schadenersatz- und Gewährleistungsansprüchen aus dem ersten Vertragsverhältnis - jenem mit der gefährdeten Partei - dient. Der Zusatz: "Es gelten die Bestimmungen des Hauptvertrages" kann mangels gegenteiliger Anhaltspunkte doch nur bedeuten, dass auch beim Zusatzauftrag die Möglichkeit bestehen soll, einen von der Gegnerin der gefährdeten Partei einbehaltenen Haftungsrücklass durch Beibringung einer (neuen) Bankgarantie abzulösen.
Da eine abschließende rechtliche Beurteilung mangels klarer Feststellungen nicht möglich ist, ist die Rückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht zur Ergänzung der Sachverhaltsgrundlagen erforderlich. Dies wird - allenfalls nach Verfahrensergänzung - zu beurteilen haben, ob der gefährdeten Partei die Bescheinigung der Mängelfreiheit der im Rahmen des ersten Auftrags erbrachten Leistungen gelungen ist.
Der Kostenvorbehalt stützt sich auf § 52 ZPO und §§ 78, 402 EO.
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