OGH 4Ob602/95

OGH4Ob602/9512.8.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf. Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek und Dr.Niederreiter sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr.Griß und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Parteien 1. R***** G*****, 2. R***** G*****, beide ***** ***** vertreten durch Dr.Erich Aichinger, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, wider die Gegnerin der gefährdeten Parteien V***** GmbH & Co KG, ***** vertreten durch Braunegg, Hoffmann & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen Erlassung einer einstweiligen Verfügung (Streitwert im Provisorialverfahren S 408.713,20), infolge Revisionsrekurses der Gegnerin der gefährdeten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Wels als Rekursgericht vom 11.Oktober 1995, GZ 22 R 371/95-7, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Vöcklabruck vom 1.September 1995, GZ 5 C 561/95g-2, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit S 20.146,50 (darin enthalten S 3.357,75 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung

Mit Kaufvertrag vom 16.8.1994 veräußerten die Antragsteller (gefährdete Parteien) eine ihnen gehörende Liegenschaft an die Antragsgegnerin. Punkt XII. des Kaufvertrages enthielt nachstehende Vereinbarung:

""Mietausfallsgarantie"

Die Verkäufer verpflichten sich, entweder

a) spätestens bei Unterfertigung dieses Vertrages der Käuferin einen Bestandnehmer namhaft zu machen, der in der auf dem Kaufobjekt errichteten "grünen Halle" ab 1.September 1994 zumindest 1000 m2 zu einem Bestandzins von S 55 pro m2 zuzüglich Mehrwertsteuer für zumindest fünf Jahre in Bestand nimmt, oder

b) bei Unterfertigung dieses Vertrages der Käuferin eine Mietausfallgarantie in Form einer Bankgarantie zu übergeben, mit einer Laufzeit beginnend mit 1.9.1994 auf die Dauer von 12 Monaten für eine Bestandfläche von 1000 m2 und einem Bestandzins von S 55 pro m2 zuzüglich Mehrwertsteuer. Diese Mietausfallgarantie kann von der Käuferin jeweils monatlich ab 1.9.1994 abgerufen werden."

Die von der Bank für O*****, im Auftrag der gefährdeten Parteien am 1.9.1994 übernommene Bankgarantie lautete:

"Wir haben davon Kenntnis, daß zwischen Ihnen und Herrn R***** G*****

und Frau R***** G*****.... ein Kaufvertrag betreffend die Liegenschaft... abgeschlossen wurde. In diesem Zusammenhang verlangen

Sie vom Verkäufer eine Bankgarantie gemäß Punkt XII. b des Kaufvertrages in Höhe von S 726.000 mit einer Laufzeit von 12 Monaten.

Dies vorausgeschickt übernehmen wir im Auftrag von Herrn R***** G***** und Frau R***** G***** Ihnen gegenüber diese unwiderrufliche Garantie und verpflichten uns, den uns namhaft gemachten Betrag, höchstens jedoch S 726.000 (in Worten......) innerhalb von acht Tagen nach Erhalt Ihrer schriftlichen Aufforderung ohne Prüfung des zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses an Sie zu überweisen. Der Garantiebetrag vermindert sich jeweils um einen eventuell in Anspruch genommenen Betrag in gleicher Höhe. Diese Garantie erlischt durch die Rückgabe dieses Garantieschreibens an uns, spätestens jedoch am 31. August 1995".

Beginnend mit 1.10.1994 vermietete die Antragsgegnerin eine Teilfläche der übernommenen Liegenschaft an die T***** GesmbH um einen Bestandzins von S 50.000 monatlich zuzüglich Mehrwertsteuer. Ab 1.10.1995 betrug der vereinbarte Bestandzins S 52.250 zuzüglich Mehrwertsteuer. Mit Schreiben vom 23.8.1995 legte die Antragsgegnerin Rechnung über entstandenen Mietausfall für die Zeiträume September 1994 bis August 1995 (nach Abzug bereits geleisteter Teilzahlungen restlich S 77.560) und für September 1995 bis August 1999 (S 399.703,20). Gleichzeitig kündigte sie an, den Gesamtbetrag von S 477.263,20 durch teilweise Inanspruchnahme der Bankgarantie vom 1.9.1994 auszugleichen.

Der Rechtsvertreter der Antragsteller übersendete mit Schreiben vom 30.8.1995 den Kaufvertrag vom 16.8.1994, den Mietvertrag vom 8.9.1994 sowie das Anspruchsschreiben der Antragsgegnerin vom 23.8.1995 an die Garantin und vertrat die Ansicht, die Antragsteller hätten eine Mietzinsgarantie nur für die Dauer eines Jahres übernommen. Soweit die Antragsgegnerin Mietzinsausfall für den Zeitraum ab Oktober 1995 begehre, nehme sie die Bankgarantie rechtswidrig in Anspruch (Beilage J). Das Urkundenkonvolut kam der Filiale der Garantin in Vöcklabruck zu.

Mit ihrem vor Einleitung des Rechtsstreites gestellten Sicherungsantrag (§ 387 Abs 2 EO) begehren die Antragsteller die Erlassung einer an die Bank für O***** gerichteten Anordnung, womit dieser verboten werde, aus der von ihr am 1.9.1994 übernommenen Bankgarantie den S 50.062 übersteigenden Betrag an die Antragsgegnerin auszufolgen. Die begehrte einstweilige Verfügung diene der Sicherung der Ansprüche der Antragsteller gegenüber der Antragsgegnerin, welche die Bankgarantie mißbräuchlich abgerufen, den Betrag jedoch noch nicht erhalten habe. Die Antragsgegnerin nehme eine der getroffenen Vereinbarung widersprechende Abrechnung vor und beabsichtige, den Antragstellern Schaden zuzufügen. Diese wären nach Realisierung der Bankgarantie genötigt, die Bereicherung gerichtlich geltend zu machen. Die Hereinbringung ihrer Forderung sei gefährdet, da die Antragsgegnerin lediglich über hoch belasteten Liegenschaftsbesitz verfüge. Im übrigen befinde sich der Sitz der Hauptgesellschafterin ihrer persönlich haftenden GmbH im Ausland.

Das Erstgericht erließ die begehrte einstweilige Verfügung ohne vorherige Anhörung der Antragsgegnerin insoweit, als sie der Bank für O***** bis auf weitere gerichtliche Anordnung verbot, aus der von ihr am 1.9.1994 übernommenen Bankgarantie den S 68.550 übersteigenden Betrag an die Antragsgegnerin auszufolgen und setzte eine Rechtfertigungsfrist von vier Wochen (§ 391 Abs 2 EO). Das Mehrbegehren wies das Erstgericht ab. Es nahm den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt als bescheinigt an; die Antragsteller hätten Mietzinsausfälle nur bis einschließlich August 1995 garantiert; ein Abruf der Bankgarantie sei daher nur im Umfang der auf dieses Jahr entfallenden Beträge gerechtfertigt. Die Inanspruchnahme der Bankgarantie für Mietzinsausfälle ab September 1995 sei rechtsmißbräuchlich. Der Nachweis des Nichteintrittes des Garantiefalles in diesem Umfang sei eindeutig erbracht, die Gefährdung ausreichend bescheinigt.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsgegnerin nicht Folge und erachtete den Sicherungsantrag als berechtigt. Der Garantieauftraggeber habe einen materiellrechtlichen Anspruch gegen den Begünstigten auf Unterlassung des Abrufes der Garantie bzw von Einziehungshandlungen, durch die die Bankgarantie mißbräuchlich in Anspruch genommen wird. Dieser Anspruch würde durch Auszahlung der Garantiesumme vereitelt, so daß auch eine Gefährdung im Sinne des § 381 Z 1 EO vorliege.

Das Rekursgericht hat erkennbar den Wert des Entscheidungsgegenstandes mit mehr als S 50.000 angenommen und die Zulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses zur Frage der Gefährdung bei Vorliegen von Unterlassungs- und Widerrufsansprüchen bejaht.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin ist nicht berechtigt.

Die Antragsgegnerin verweist zutreffend darauf, daß dem Auftraggeber nach herrschender Lehre und ständiger Rechtsprechung zufolge der Abstraktheit einer Bankgarantie ein Anspruch gegen den Begünstigten auf Unterlassung oder Widerruf der Inanspruchnahme der Garantie und gegen den Garanten (die Bank) auf Unterlassung der Auszahlung nur dann zusteht, wenn das Nichtbestehen des Anspruches des Begünstigten im Valutaverhältis als evident erwiesen wird oder der Begünstigte in Schädigungsabsicht, also betrügerisch handelt (Koziol, Garantievertrag 56 ff; Koziol, in Avancini/Iro/Koziol, Bankvertragsrecht II Rz 3/51 ff, 3/143 und 148; SZ 54/189; JBl 1985, 425; RdW 1986, 340; SZ 61/39 = ÖBA 1988, 609 [P.Doralt]; ÖBA 1992, 167 und 1035; EvBl 1992/131 = ÖBA 1992, 573 uva; zuletzt etwa ecolex 1994, 225 und bezüglich eines Akkreditivs RdW 1995, 54 = ecolex 1994, 673). Das Interesse an der Funktionsfähigkeit einer Bankgarantie im internationalen Handelsverkehr und die Sicherheit des geschäftlichen Verkehrs verlangen nämlich, daß nur im äußerst seltenen Ausnahmefall bei rechtsmißbräuchlicher oder arglistiger Inanspruchnahme der Bankgarantie und eindeutig und evident (liquid) erbrachtem Nachweis dieses Mißbrauches durch die gefährdete Partei die Inanspruchnahme der Bankgarantie und deren Auszahlung untersagt werden kann. Dies gilt nicht nur gegen den Begünstigten; auch in Ansehung der garantierenden Bank sind zumindest gleich strenge Anforderungen zu stellen (ecolex 1994, 225; RdW 1995, 57). Die Bejahung oder Verneinung der Eindeutigkeit und Evidenz des vom Antragsteller zu erbringenden Nachweises über den Rechtsmißbrauch ist jedenfalls ein Akt der richterlichen Beweiswürdigung (SZ 61/39 = ÖBA 1988, 609

[P.Doralt] = RdW 1988, 320; ÖBA 1992, 167; ÖBA 1990, 304; JBl 1990,

328), wenngleich die Eindeutigkeit des Garantiemißbrauchs auch nicht

gänzlich ohne rechtliche Erwägungen beurteilt werden kann (Konecny, Aktuelle Verfahrensfragen bei einstweiligen Verfügungen, ÖBA 1989, 848 ff [854 f]).

Die Ansicht des Rekursgerichtes, wonach eine rechtsmißbräuchliche Inanspruchnahme der Bankgarantie insoweit vorliegt, als diese für Zeiträume ab September 1995 abgerufen wurde, für die der Antragsgegnerin keine Ansprüche auf Mietausfall zustanden, ist zu billigen. Die geforderte Eindeutigkeit des behaupteten Garantiemißbrauchs läßt sich aus dem vom Rekursgericht aufgrund der vorliegenden Urkunden als bescheinigt angenommenen Sachverhalt unschwer ableiten, wird doch aus diesen Urkunden deutlich, daß die Antragsgegnerin die Garantie für einen Zeitraum in Anspruch nimmt, für den sie nicht übernommen wurde (Avancini/Iro/Koziol aaO Rz 3/61; SZ 54/189; RdW 1986, 340). Für eine von der Antragsgegnerin offenbar gewünschte über den Wortlaut der Urkunden hinausgehende Erforschung der Absicht der Parteien ist im Rahmen des Sicherungsverfahrens kein Platz. Überdies liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, daß die Vertragspartner etwas anderes als schriftlich niedergelegt gewollt hätten.

Das Rekursgericht hat daher im Sinn der ständigen Rechtsprechung einen Anspruch der Antragsteller auf Widerruf des (mißbräuchlichen) Abrufes der Bankgarantie zu Recht bejaht (Konecny aaO 776; Schumacher Sperre der Bankgarantie durch einstweilige Verfügung RdW 1986, 329 ff). Zur Sicherung dieses Anspruchs sind einstweilige Verfügungen möglich (Avancini/Iro/Koziol aaO Rz 3/148; Konecny aaO 779, 848 ff; RdW 1986, 340; ÖBA 1992, 167), wobei als Sicherungsmittel auch gegen den Garanten gerichtete Zahlungsverbote in Frage kommen (Konecny aaO 781; Avancini/Iro/Koziol aaO Rz 3/145).

Das beantragte Zahlungsverbot dient der Sicherung des Anspruches auf Widerruf des bereits erfolgten (mißbräuchlichen) Abrufes der Bankgarantie (somit nicht der Sicherung von Geldforderungen). Die einstweilige Verfügung kann daher unter den Voraussetzungen des § 381 EO erlassen werden.

Eine konkrete Anspruchsgefährdung im Sinn des § 381 Z 1 EO ist offenkundig, weil ohne das beantragte, gegen den Garanten gerichtete Zahlungsverbot die gerichtliche Verfolgung oder Verwirklichung des Anspruches auf Widerruf des erfolgten Abrufes der Bankgarantie wegen der unmittelbar zu gewärtigenden Auszahlung der Garantiesumme vereitelt würde (RdW 1988, 320; Konecny aaO 780; Schumacher aaO 330; Avancini/Iro/Koziol Rz 3/143 f).

Mit den gegen die Bejahung der Anspruchsgefährdung vorgebrachten Argumenten vermengt die Rechtsmittelwerberin die Voraussetzungen für die Bescheinigung des Anspruchs und der Gefährdung. Ein Anspruch auf Widerruf des mißbräuchlichen Abrufes der Bankgarantie (bzw auf Unterlassung des Abrufes) besteht - wie bereits ausgeführt wurde - nur dann, wenn die rechtsmißbräuchliche Inanspruchnahme eindeutig und evident nachgewiesen werden kann und wird durch die Gefährdungsbescheinigung nicht ersetzt.

Im gegenständlichen Fall haben die Antragsteller sowohl den zu sichernden Anspruch als auch das Vorliegen einer Gefahr im Sinn des § 381 Z 1 EO ausreichend bescheinigt. Die Voraussetzungen für die Erlassung des Sicherungsauftrages liegen daher vor. Dem unberechtigten Revisionsrekurs war ein Erfolg zu versagen.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 40, 50 Abs 1, 52 Abs 1 ZPO.

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