Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Die beklagte Partei hat der klagenden Partei die mit 1.660,11 EUR (darin 530 EUR Barauslagen und 188,35 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Im Firmenbuch des Handelsgerichtes Wien war die Reisebüro B***** GmbH eingetragen. Gesellschafter waren der Zweitbeklagte Gerhard B***** mit einem Geschäftsanteil von 25.000 S und Jutta B***** mit einem Geschäftsanteil von 75.000 S. 1982 erfolgte eine Umwandlung der GmbH nach § 1 UmwG durch Übertragung ihres Vermögens auf eine zugleich errichtete offene Handelsgesellschaft. Persönlich haftende und je selbständig vertretungsbefugte Gesellschafter der OHG waren die beiden ehemaligen GmbH-Gesellschafter. Mit Wirkung zum 1. 1. 2001 fand eine Änderung des Gesellschaftsvertrags statt. Die bis dahin persönlich haftende Gesellschafterin Jutta B***** änderte ihre Gesellschafterstellung in die einer Kommanditistin mit einer Vermögenseinlage von 75.000 S, wodurch der (verbleibende) zweite persönlich haftende Gesellschafter Gerhard B***** zum alleinigen, selbständig vertretungsbefugten Gesellschafter (Komplementär) wurde. Beide Gesellschafter meldeten dementsprechend die Änderung der Rechtsform der OHG in die einer Kommanditgesellschaft, die entsprechende Änderung des Firmenwortlauts, die Löschung der bisher persönlich haftenden Gesellschafterin Jutta B***** und deren Eintragung als Kommanditistin mit einer Vermögenseinlage von 75.000 S zur Eintragung ins Firmenbuch an. Die Eintragung erfolgte antragsgemäß.
Die Klägerin - sie ist Vermieterin des Geschäftslokals der erstbeklagten KG - begehrt nun unter Berufung auf § 12a MRG die Anhebung des Hauptmietzinses auf ein angemessenes Ausmaß. Eingeklagt ist die Mietzinsdifferenz für die Zeit von Februar 2001 bis einschließlich Dezember 2002. Das Klagebegehren steht der Höhe nach außer Streit. Die Klägerin macht geltend, mit Ausscheiden der zweiten persönlich haftenden Gesellschafterin aus der OHG sei eine wesentliche Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten eingetreten.
Die Beklagten (Erstbeklagte ist die Kommanditgesellschaft, Zweitbeklagter ihr Komplementär) beantragen die Abweisung des Klagebegehrens. Eine wesentliche Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten sei nicht eingetreten.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die Umwandlung der Rechtsstellung der persönlich haftenden Gesellschafterin in die einer Kommanditistin betreffe mehr als 50 % der Anteile und bedeute eine im Sinn des § 12a Abs 3 MRG entscheidende Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten in der Gesellschaft.
Das Berufungsgericht wies das Erhöhungsbegehren ab. Eine entscheidende Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten setze einen Machtwechsel in der Gesellschaft etwa durch Auswechslung oder Ausscheiden des Komplementärs einer Personengesellschaft oder durch Änderung seiner Anteile um mehr als 50 % voraus. Im vorliegenden Fall habe keine Änderung der Beteiligungsverhältnisse der beiden Gesellschafter stattgefunden. Die bloße Änderung der Rechtsstellung eines der persönlich haftenden Gesellschafter der OHG in die eines Kommanditisten bedeute keine - einer wirtschaftlichen Veräußerung nahekommende - entscheidende Änderung im Sinn des § 12a Abs 3 MRG, weil durch diesen Vorgang die rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten in der Gesellschaft bestehen blieben, mögen sie auch (bei der Kommanditistin) abgeschwächt bzw (beim Komplementär) verstärkt werden. Das Unternehmen werde weiterhin für Rechnung derselben Gesellschafter geführt. Eine Änderung der wirtschaftlichen Einflussmöglichkeit sei daher hier nicht eingetreten.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil der Oberste Gerichtshof zur Frage, ob die Umwandlung einer OHG in eine KG bei gleichbleibendem Beteiligungsverhältnis eine entscheidende Änderung im Sinn des § 12a Abs 3 MRG bedeute, Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehle.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Kläger ist zulässig und berechtigt.
Die entscheidende Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten in einer Mieter-Gesellschaft, die den Vermieter nach Maßgabe des § 12a Abs 2 und Abs 3 MRG zur Anhebung des Hauptmietzinses berechtigt, wird nach mittlerweile herrschender Rechtsprechung im Sinn eines Machtwechsels in der Mieter-Gesellschaft verstanden (1 Ob 226/98m = SZ 71/157; 5 Ob 76/02s = RdW 2002/595 = wbl 2002, 580; 5 Ob 21/04f = RdW 2004, 593; zuletzt 5 Ob 244/04z). Bei Kapitalgesellschaften reicht hiefür ein schlichtes „Kippen der Mehrheitsverhältnisse", also der Umstand, dass ein Minderheitsgesellschafter durch Anteilserwerb mit mehr als 50 % am Stammkapital beteiligt wird und damit über die Mehrheit der Stimmen verfügt (SZ 71/157; 5 Ob 76/02s uva). Dieses vom Gesetzgeber offenbar am Recht der Kapitalgesellschaft entwickelte Konzept wird von der Rechtsprechung mit Einschränkungen und Modifikationen auf Personengesellschaften übertragen (5 Ob 35/02m = immolex 2003/6; 5 Ob 76/02s; 5 Ob 21/04f = RdW 2004/593). Dies deshalb, weil bei Personengesellschaften des Handelsrechts der persönlich haftende Gesellschafter auf die Geschäftstätigkeit wegen des in §§ 115, 161 Abs 2 HGB normierten Grundsatzes der Einzelgeschäftsführungsbefugnis im gesetzestypischen Fall immer einen bestimmenden Einfluss ausübt (5 Ob 76/02s; 5 Ob 244/04z). Bei Kommanditgesellschaften etwa wird eine entscheidende Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten nach ständiger oberstgerichtlicher Rechtsprechung dann angenommen, wenn der persönlich haftende Gesellschafter ausgetauscht wird (oder ausscheidet) oder sich die Beteiligungsverhältnisse bei den kraft Gesetzes geschäftsführungsbefugten Komplementären entscheidend ändern (RIS-Justiz RS0108809; RS0108984).
Die Entscheidung 5 Ob 35/02m (= immolex 2003/7) bejahte eine entscheidende Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten im Fall des Ausscheidens einer zu 50 % an der Komplementär-GmbH beteiligten Person, wodurch die zweite Gesellschafterin der Komplementärin allein deren Geschäfte bestimmte. Zu einem „Kippen der Mehrheitsverhältnisse" in der Komplementär-GmbH war es damals nicht gekommen. Die Entscheidung 5 Ob 76/02s bejahte eine Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten in der Mietergesellschaft bei Austritt eines von zwei Komplementären der KG. Der Austritt eines der beiden Komplementäre führe dazu, dass der verbleibende persönlich haftende Gesellschafter nunmehr allein die gewöhnliche Geschäftstätigkeit der Gesellschaft bestimmen könne; er sei insoweit keinen Widerspruch eines anderen Gesellschafters mehr ausgesetzt. In einem solchen Fall komme es unabhängig von der prozentuellen Anteilsverschiebung zu einer entscheidenden Änderung im Sinn des § 12a Abs 3 MRG.
In konsequenter Weiterentwicklung dieser Rechtsprechung hat der Senat 5 des Obersten Gerichtshofs in seiner jüngst ergangenen Entscheidung 5 Ob 244/04z die rechtsformwandelnde Änderung einer OHG mit zwei persönlich haftenden Gesellschaftern in eine Kommanditgesellschaft, bei der einer der bisherigen persönlich haftenden Gesellschafter die Rechtsposition des Kommanditisten übernahm, der andere Gesellschafter die des Komplementärs beibehielt, als Machtwechsel im Sinn des § 12a Abs 3 MRG beurteilt. Dieser Vorgang führe dazu, dass der einzig verbleibende persönlich haftende Gesellschafter nunmehr allein die gewöhnliche Geschäftstätigkeit der Gesellschaft bestimmen könne (§§ 115 Abs 1, 116 Abs 2 iVm § 161 Abs 2 HGB), während der Kommanditist von der Führung der Geschäfte der Gesellschaft nach § 164 HGB ausgeschlossen sei. Er könne einer Handlung des persönlich haftenden Gesellschafters nur dann widersprechen, wenn sie über den gewöhnlichen Betrieb des Handelsgewerbes der Gesellschaft hinausgehe. Unabhängig von der Größe einer Anteilsverschiebung führe daher die Konzentration der Geschäftsführungs- und Entscheidungsbefugnis auf einen persönlich haftenden Gesellschafter, der bisher diese Rechte und Aufgaben mit einem zweiten persönlich haftenden Gesellschafter geteilt habe, zu einem rechtlichen und wirtschaftlichen Machtwechsel in der Personengesellschaft.
Der Senat tritt der in 5 Ob 244/04z vertretenen Auffassung bei. Die von Winkler/Vaclavek, Gesellschafterwechsel und Mietzinsanhebung - Neues vom OGH?, RdW 2005/180 [Seite 210] zitierte Entscheidung 5 Ob 432/97k (= SZ 70/248) ist insoweit nicht vergleichbar. Sie betraf eine Änderung in der Mietergesellschaft vor 1. 10. 1993, auf die die Übergangsbestimmung § 46a Abs 4 MRG angewendet wurde. Mit Ausscheiden der zweiten persönlich haftenden Gesellschafterin und Umwandlung ihrer Rechtsstellung in die einer Kommanditistin obliegt die Geschäftsführung in Hinkunft allein dem verbleibenden Komplementär. Nur er allein bestimmt die gewöhnliche Geschäftstätigkeit, in deren Rahmen ein Widerspruch der zweiten Gesellschafterin nicht mehr möglich ist. Ihre Zustimmung ist nur mehr bei ungewöhnlichen Geschäften einzuholen (§§ 115 Abs 1 und 116 Abs 2 HGB iVm § 164 HGB). Dass die im vorliegenden Fall vorgenommene Änderung des Gesellschaftsvertrags eine maßgebliche Verlagerung der rechtlichen Einflussmöglichkeiten im Sinn eines gesellschaftsrechtlich begründeten (vgl 1 Ob 19/04g = ecolex 2004/364) „Machtwechsels" mit sich bringt, ist nicht zweifelhaft. Diese Verlagerung der Einflussmöglichkeit tritt unabhängig von einer allfälligen Änderung des Kapitalanteils der Kommanditistin ein, weil der rechtliche und wirtschaftliche Einfluss von Gesellschaftern einer Personenhandelsgesellschaft - anders als von Gesellschaftern der Kapitalgesellschaften - nach der gesetzlichen Konzeption nicht vom Verhältnis ihrer Kapitalbeteiligung, sondern von ihrer Rechtsstellung als Gesellschafter abhängt. Die Änderung der Rechtsstellung der bisherigen zweiten persönlich haftenden Gesellschafterin in die einer Kommanditistin verschaffte daher nach dem hier zu beurteilenden Sachverhalt dem verbleibenden persönlich haftenden Gesellschafter (Komplementär) die alleinige und damit entscheidende rechtliche und wirtschaftliche Einflussmöglichkeit.
Der Revision der klagenden Partei wird Folge gegeben und die Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)