OGH 7Ob43/05g

OGH7Ob43/05g30.3.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj Kinder Dominik S*****, geboren am 6. Mai 1997, und Sebastian S*****, geboren am 23. Juni 2000, vertreten durch das Amt der NÖ Landesregierung, Gruppe Gesundheit und Soziales, Abteilung Jugendwohlfahrt, 3109 St. Pölten, Landhausplatz 1, als Unterhaltssachwalter, über den Revisionsrekurs der Kinder gegen den Beschluss des Landesgerichtes Korneuburg als Rekursgericht vom 19. Oktober 2004, GZ 20 R 167/04f, 20 R 170/04x-106, womit die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Gänserndorf vom 2. September 2004, GZ 1 P 93/04i-97 und 98, abgeändert wurden, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Text

Begründung

Mit Beschlüssen vom 2. 9. 2004 gewährte das Erstgericht den beiden mj Dominik und Sebastian jeweils gemäß § 4 Z 3 UVG Unterhaltsvorschüsse von monatlich EUR 217,-- bzw EUR 109,- -. Zur Begründung führte es dazu (lediglich) aus, der Mutter (Unterhaltsschuldnerin) sei auf Grund einer Anordnung in einem inländischen strafgerichtlichen Verfahren für die Zeit von 13. 7. 2004 bis voraussichtlich Juli 2006 die Freiheit entzogen. Sie könne deshalb ihre Unterhaltspflicht nicht erfüllen. Die Kinder, die zur Zeit ihren gewöhnlichen Aufenthalt bei der mütterlichen Großmutter in der tschechischen Republik hätten, hätten daher Anspruch auf Unterhaltsvorschüsse gemäß § 4 Z 3 UVG in der jeweiligen Höhe nach § 6 Abs 2 UVG.

Das Gericht zweiter Instanz gab dem vom Bund, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien, erhobenen Rekurs gegen die erstinstanzlichen Entscheidungen Folge und änderte die Beschlüsse des Erstgerichtes dahin ab, dass es die Anträge der durch den Unterhaltssachwalter vertretenen Kinder auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen gemäß § 4 Abs 3 UVG abwies. Nach dem Akteninhalt seien die Kinder bis zur Inhaftierung der Mutter in deren Obsorge und Erziehung gewesen. Aus dem gesamten Akteninhalt ergebe sich jedoch nicht, dass die Mutter in einem aufrechten Arbeitsverhältnis bzw für die beiden Minderjährigen geldunterhaltspflichtig gewesen wäre. Dies werde insbesondere im Antrag des Unterhaltssachwalters auch gar nicht behauptet. Da dem UVG der Gedanke zugrundeliege, der Staat solle dann einspringen, wenn dem Kind keine Geldmittel mehr zuflössen, nicht aber dann, wenn die Betreuungsleistungen des den Haushalt führenden Elternteiles durch dessen Haft weggefallen seien, seien andere auf den Unterhaltsbegriff ableitbare Ansprüche als Geldunterhalt, etwa auf Betreuung oder Erziehung, einer Bevorschussung im Rahmen des UVG nicht zugänglich.

Das Rekursgericht sprach zunächst aus, dass der Revisionsrekurs nicht zulässig sei, änderte diesen Ausspruch aber über Antrag des Unterhaltssachwalters gemäß § 14a AußStrG aF dahin ab, dass es den ordentlichen Revisionsrekurs doch für zulässig erklärte. Die Revisionsrekurswerber machten nun geltend, dass von der Mutter neben der Leistung der Haushaltsführung auch Geldleistungen erbracht worden seien. Treffe dies zu, würde man den beiden Minderjährigen Unterhaltsvorschüsse gemäß § 4 Abs 3 UVG zu Unrecht verweigern. Deshalb sei der Zulassungsvorstellung Folge zu geben gewesen.

In dem gemeinsam mit dem Antrag nach § 14a AußStrG aF erhobenen Revisionsrekurs wird im Wesentlichen ausgeführt, der Vater leiste einen Unterhaltsbeitrag von ca EUR 70,- -; ein höherer Beitrag sei ihm auch nicht zumutbar. Dieser Unterhaltsbeitrag decke nicht einmal ein Drittel der Bedürfnisse der Kinder, deren Durchschnittsbedarfswerte bei EUR 204,-- bzw EUR 264,-- lägen. Aus dem Akt des Unterhaltssachwalters sei ersichtlich, dass die Mutter seit Jahren selbständig als Zeitungszustellerin tätig gewesen sei. Nur diese Tätigkeit habe zusätzlich zu den geringen Unterhaltszahlungen des Vaters die Existenzgrundlage der Minderjährigen sichern können. Die Mutter habe daher tatsächlich neben der Leistung der Haushaltsführung auch Geldleistungen für die Kinder erbracht.

Sowohl der Vater und die Mutter als auch der Präsident des Oberlandesgerichtes Wien haben von der ihnen eingeräumten Möglichkeit, sich zum Revisionsrekurs zu äußern, keinen Gebrauch gemacht.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist aus der vom Rekursgericht angestellten Erwägung zulässig und im Sinne des Aufhebungsantrages auch berechtigt.

Die Gewährung der nach § 4 Z 3 UVG gebührenden Vorschüsse hat zur Voraussetzung, dass der Unterhaltsschuldner infolge eines strafgerichtlichen Freiheitsentzuges in der Dauer von mehr als einem Monat seine Unterhaltspflicht nicht erfüllen kann. Nach § 140 Abs 1 ABGB haben die Eltern zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse des Kindes nach ihren Kräften anteilig beizutragen; der Elternteil, der den Haushalt führt, in dem das Kind betreut wird, leistet grundsätzlich schon dadurch seinen Beitrag (§ 140 Abs 2 Satz 1 ABGB). Die Haushaltsführung und die Kinderbetreuung befreit allerdings ua dann nicht gänzlich von der Unterhaltspflicht, wenn der andere Elternteil nicht alle (übrigen) Bedürfnisse des Kindes decken kann (§ 140 Abs 2 Satz 2 ABGB). Unter diesen Umständen kann somit der den Haushalt führende und das Kind betreuende Elternteil zu einer weiteren Unterhaltsleistung in Form eines Geldunterhaltes in Anspruch genommen werden. Ist der das Kind betreuende Elternteil in diesem Sinne neben der Haushaltsführung und der Kinderbetreuung noch zur Leistung von Geldunterhalt verpflichtet, besteht eine gesetzliche Unterhaltspflicht, die einer Bevorschussung nach dem UVG zugänglich ist (RIS-Justiz RS0076021). Hat der betreffende Elternteil dieser Unterhaltspflicht entsprochen, kann er sie aber zufolge eines strafgerichtlichen Freiheitsentzuges nicht mehr erfüllen, liegen die Voraussetzungen für die Gewährung der begehrten Vorschüsse nach § 4 Z 3 UVG vor (2 Ob 549 - 55/93, EvBl 1994/15 = ÖA 1993, 148 = EFSlg 72.520; 8 Ob 279/97f).

Soweit der Antragsteller die Voraussetzungen der Gewährung von Vorschüssen nicht auf Grund der Aktenlage, durch Urkunden oder sonst auf einfache Weise nachzuweisen vermag, hat er diese gemäß § 11 Abs 2 UVG durch eine der Wahrheit entsprechende Erklärung des Vertreters glaubhaft zu machen. Wenngleich damit das Antragsprinzip festgelegt ist, wird der Richter dadurch im Hinblick auf den im Außerstreitverfahren herrschenden Untersuchungsgrundsatz nicht von der Verpflichtung entbunden, auf die Substantiierung des Vorbringens hinsichtlich aller Anspruchsvoraussetzungen hinzuwirken (EvBl 1994/15 = ÖA 1993, 148 = EFSlg 72.588; 8 Ob 279/97f; RIS-Justiz RS0037892).

Im vorliegenden Fall hat der Unterhaltssachwalter namens der Kinder in erster und zweiter Instanz eine Behauptung, die nunmehr inhaftierte Mutter habe den Kindern auch Geldunterhalt geleistet, nicht aufgestellt. Auch wenn aktenkundig ist, dass die Geldleistungen des Vaters lediglich monatlich je ca EUR 70,-- betragen haben und daher klarer Weise nicht ausreichten, den Regelbedarf der Kinder zu decken, sind damit Geldunterhaltsleistungen der Mutter nicht schlüssig dargetan, da ja auch eine Alimentierung von dritter Seite möglich und denkbar wäre.

Demnach hätte das Erstgericht den Unterhaltssachwalter anleiten müssen, den für die Beurteilung seines Antrages auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen gemäß § 4 Abs 3 UVG erforderlichen Sachverhalt vollständig zu behaupten. Da eine solche Anleitung unterblieb, ist eine verlässliche Beurteilung derzeit noch nicht möglich, sodass in Stattgebung des Revisionsrekurses die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben waren.

Das Erstgericht wird im fortgesetzten Verfahren den Vertreter der Kinder zur vollständigen Behauptung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalts anzuleiten und sodann allenfalls zu klären und festzustellen haben, ob die Mutter vor ihrer Inhaftierung durch einen geraumen, beachtlichen Zeitraum tatsächlich Erwerbseinkommen bezogen und damit im Hinblick darauf zum Unterhalt der Kinder beigetragen hat, dass durch die Unterhaltsleistungen des Vaters nicht alle Bedürfnisse der Kinder gedeckt werden konnten. Sollte sich sodann ergeben, dass die Mutter auf diese Weise eine gesetzliche Unterhaltspflicht in Form zusätzlicher Geldleistungen traf, wären die Voraussetzungen für die Gewährung der begehrten Richtsatzvorschüsse unabhängig von der Höhe ihrer Unterhaltspflicht erfüllt und die Rechtssache im Sinne der Stattgebung des Antrages spruchreif (vgl 2 Ob 549/93).

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