OGH 6Ob209/04k

OGH6Ob209/04k17.3.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Alfred L*****, vertreten durch Dr. Wilfried Raffaseder und Mag. Michael Raffaseder, Rechtsanwälte in Freistadt, gegen die beklagte Partei Karl R*****, vertreten durch Prof. Haslinger & Partner Rechtsanwälte in Linz, wegen Unterlassung und Widerruf, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 30. März 2004, GZ 15 R 94/04f-39, womit das Urteil des Bezirksgerichts Leonfelden vom 29. Dezember 2003, GZ C 83/01 v-35, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit 399,74 EUR (darin enthalten 66,62 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte richtete am 6. 6. 2000 an das „Amt der Oö. Landesregierung, Gemeindeaufsichtsbehörde, zu Handen Herrn Dr. K*****" ein Schreiben folgenden Inhalts:

„Aushändigung von Unterlagen

Sehr geehrter Herr Dr. K*****!

Wie bereits in unserem heutigen Telefonat besprochen ersuchen wir um Überprüfung, ob uns seitens der Gemeinde O***** in diverse Unterlagen, welche das Bestehen bzw Nichtbestehen eines Wasserbezugsrechts bestätigen sollten, Einsicht zu gewähren ist. Insbesondere geht es um jene Unterlagen, bei welchen unsere Rechtsvorgänger Stellungnahmen abgegeben haben bzw als Partei betroffen waren.

Da wir bei Herrn Bürgermeister L***** bereits wiederholt rechtswidriges Verhalten feststellen mussten, ersuchen wir um ehestmögliche Überprüfung..."

Ein wegen dieses Schreibens nach §§ 111, 117 Abs 2 StGB geführtes

Strafverfahren gegen den Beklagten wurde gemäß § 90 Abs 1 StPO

eingestellt. In diesem Strafverfahren gab der Beklagte bei seiner

Einvernahme vor der Gendarmerie an: „..... Dazu gebe ich erklärend

an, dass ich von der Gemeinde O***** vorangehend zweimal Unterlagen

über das Bestehen bzw Nichtbestehen eines Wasserbezugsrechts

angefordert habe, mir jedoch die Herausgabe dieser Unterlagen

verweigert wurde. Diesbezüglich war ich zweimal persönlich auf dem

Gemeindeamt O***** vorstellig. Bei der ersten Vorstellung wurden

diesbezüglich keine Unterlagen aufgefunden. Bei der zweiten

Vorstellung wurde mir die Herausgabe der von mir verlangten

Unterlagen vom Gemeindebediensteten D***** verweigert. Aus diesem

Grunde habe ich mich mit dem erwähnten Schreiben vom 6. 6. 2000 an

die Gemeindeaufsichtsbehörde gewendet. Es ist richtig, dass ich zuvor

mit Dr. K***** der Gemeindeaufsichtsbehörde telefoniert habe. Der

zweite Absatz des besagten Schreibens an Dr. K*****, in dem ich den

Bürgermeister L***** wiederholten rechtswidrigen Verhaltens

bezichtige, bezieht sich nicht auf die Verweigerung der Herausgabe

der Unterlagen bezüglich des Wasserbezugsrechts. Mit diesem Satz

...... habe ich insbesondere ein rechtswidriges Verhalten des

Bürgermeisters in der zurückliegenden Baurechtssache H***** gemeint.

Dabei hat sich Bürgermeister L***** rechtswidrig verhalten. Konkret

verweise ich auf den Bauakt. Im konkreten hat der Bürgermeister

L***** in voller Kenntnis der Rechtslage am 18. 4. 1997 einen

Baubewilligungsbescheid erteilt, obwohl ihm zuvor seitens der

Aufsichtsbehörde mitgeteilt wurde, dass er mittels Abbruchsauftrag

vorzugehen hat. Bezüglich näherer Details verweise ich auf den Bauakt

und diverse Unterlagen bei der Aufsichtsbehörde. ......"

Der Kläger begehrte, den Beklagten schuldig zu erkennen, die Behauptung zu unterlassen, es sei beim Kläger bereits wiederholt rechtswidriges Verhalten festgestellt worden, und den Widerruf dieser Behauptung gegenüber Dr. K*****. Diese im Schreiben des Beklagten vom 6. 6. 2000 aufgestellte und bei seiner Einvernahme vor der Gendarmerie wiederholte Behauptung entbehre jeder Grundlage. Ihre Unrichtigkeit sei dem Beklagten auf Grund von Entscheidungen der Aufsichtsbehörde und des Verwaltungsgerichtshofs bekannt gewesen. Aus den betreffenden, dem Beklagten zugestellten Entscheidungen sei hervorgegangen, dass es sich in dem für die Baurechtssache H***** maßgeblichen Bereich um ein geschlossen bebautes Gebiet handle, weshalb die erteilten Baubewilligungen rechtmäßig erteilt worden seien. Dies gelte insbesondere auch für die Abbruchsbewilligung. Die Einwände des Beklagten, dass die Grundgrenzen im Einreichplan unrichtig wiedergegeben seien, seien beachtet worden. Der Kläger habe keine Weisung zur Verweigerung der Akteneinsicht im Zusammenhang mit dem Wasserrechtsstreit des Beklagten mit der Gemeinde erteilt. Der Kläger habe sich auch bei der Errichtung zweier Senkgruben und im Zusammenhang mit der von der Gemeinde gegen den Beklagten eingebrachten Klage betreffend ein behauptetes Wasserbezugsrecht des Beklagten an einer Quelle gesetzeskonform verhalten. Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die strittige Behauptung sei richtig. Der Kläger habe als Bürgermeister und damit als Baubehörde erster Instanz in der Baurechtssache H***** das Baubewilligungsansuchen einer Bauverhandlung unterzogen, obwohl ihm bekannt gewesen sei, dass die im Einreichplan dargestellte Grundgrenze nicht dem tatsächlichen Grenzverlauf entsprochen habe. Er habe dem Beklagten in diesem Verfahren die Akteneinsicht verweigert und unzulässig eine Baubewilligung erteilt. Denn es sei dem Kläger bekannt gewesen, dass der Altbestand konsenswidrig gewesen sei. Der Kläger hätte daher mit einem Abbruchauftrag vorgehen müssen. Der Beklagte sei zur Bauverhandlung im Zusammenhang mit der Neuerrichtung einer Senkgrube nicht geladen worden. Es sei ihm weiters die Einsicht in den Wasserrechtsakt der Gemeinde betreffend sein Wasserrecht verweigert worden. Der Kläger habe den Gemeinderat hinsichtlich der Klageführung gegen den Beklagten wegen dieses Wasserrechts unrichtig oder zumindest unzureichend informiert. Der Kläger habe den Beklagten in einer gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßenden Weise bescheidmäßig zum Anschluss seines Anwesens an die Ortswasserleitung verpflichtet.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es beurteilte das Vorgehen des Klägers als Bürgermeister und Baubehörde erster Instanz hinsichtlich der während seiner Amtszeit errichteten Senkgruben in der Gemeinde und die Anschlusspflicht des Anwesens des Beklagten an die öffentliche Wasserversorgungsanlage als gesetzeskonform, vertrat aber die Ansicht, dass in den Bauverfahren H***** rechtswidrige Entscheidungen gefällt worden seien, sodass dem Beklagten der Wahrheitsbeweis für seine als Tatsachenbehauptung qualifizierte Äußerung gelungen sei. Das Erstgericht traf hiezu insbesondere aus insgesamt drei Bauakten der Gemeinde O***** betreffend einen Rinderstall, eine Stützmauer einen Fahrsilo und eine Zufahrt auf dem dem Beklagten benachbarten Grundstück des Walter H***** und aus damit zusammenhängenden Akten des Amtes der Oö. Landesregierung umfangreiche Feststellungen, aus denen folgende hervorzuheben sind:

Mit Bescheid des Klägers als Bürgermeister und Baubehörde erster Instanz vom 18. 4. 1997 wurde dem Nachbarn des Beklagten die Baubewilligung auf Basis des Einreichplans vom 3. 3. 1997, der neben der Erweiterung des Rinderstalls auch eine teilweise Abtragung des Fahrsilos zur Herstellung eines Mindestbauwichs von 3 m zur Nachbargrundgrenze vorsah, erteilt. Dem dagegen vom Beklagten und seiner Frau erhobenen Rechtsmittel an den Gemeinderat wurde nicht Folge gegeben. Die Vorstellung an das Amt der Oö. Landesregierung wurde aus formellen Gründen zurückgewiesen, sodass der Baubewilligungsbescheid in Rechtskraft erwuchs. Bei diesem Verfahren wurde vom Vorliegen einer offenen Bebauung im Sinn des Oö. Bauträgergesetzes ausgegangen. Ein baupolizeilicher Auftrag im Sinn des § 49 Oö BauO 1994 wurde nicht erteilt. Erst im Zuge des Bauverfahrens zur nachträglichen Bewilligung des konsenslos errichteten Fahrsilos, dessen ursprüngliche Teilabtragung zur Erreichung des Mindestbauwichs von 3 m bereits mit Bescheid vom 18. 4. 1997 bewilligt wurde, wurde dem Verfahren eine geschlossene Bebauung zugrundegelegt. Die Ansicht, dass eine geschlossene Bauweise vorliege, wurde letztlich auch vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 28. 9. 1999 bestätigt.

Aus diesem Sachverhalt folgerte das Erstgericht, dass jedenfalls die Baubewilligung zur Erweiterung des Rinderstalls nicht hätte erteilt werden dürfen, weil ein Zubau einen rechtmäßigen Altbestand voraussetze. Gemäß §§ 5 und 6 Oö Bautechnikgesetz (BauTG) sei bei Neu- und Zubauten zu den seitlichen und zur hinteren Bauplatz- oder Nachbargrundgrenze ein Mindestabstand von drei Meter einzuhalten, der lediglich bei innerhalb eines geschlossen bebauten Gebietes errichteten Gebäuden unterschritten werden dürfe. Ausgehend von der im Entscheidungszeitpunkt zugrundegelegten offenen Bebauung hätte wegen des konsenslos errichteten Fahrsilos auf dem Anwesen H***** bei richtiger Anwendung der Oö. Bauordnung keine Baubewilligung erteilt werden dürfen, sondern es hätte mit einem baupolizeilichen Abbruchauftrag nach § 49 Oö. Bauordnung vorgegangen werden müssen. Diese Rechtsansicht sei dem Kläger auch von der Baurechtsabteilung des Amtes der Oö. Landesregierung mitgeteilt worden. Dass der Fahrsilo konsenslos errichtet gewesen sei, sei dem Kläger spätestens seit der Bestandsaufnahme im November 1996 bekannt gewesen. Die „Idee", von einer geschlossenen Bebauung auszugehen, sei erst rund eineinhalb Jahre später „geboren" worden. Auf diesen Umstand sei insbesondere auch in der Erledigung der Volksanwaltschaftsbeschwerde des Beklagten hingewiesen worden. Er habe sich bei seiner Äußerung auf die betreffenden Mitteilungen der Baurechtsabsteilung des Amtes der Oö. Landesregierung und das Prüfungsergebnis einer Volksanwaltsschaftsbeschwerde stützen können. Der Beklagte habe jedenfalls keinen Grund gehabt, von einer allfälligen Unrichtigkeit seiner Äußerung auszugehen. Zudem sei die Äußerung gegenüber der zuständigen Gemeindeaufsichtsbehörde erfolgt. Diese unterliege der Amtsverschwiegenheit. Es liege daher eine nicht öffentliche Äußerung im Sinn des § 1330 Abs 2 letzter Satz ABGB vor, sodass den Kläger die Beweislast für die Kenntnis der Unwahrheit und den Vorsatz des Beklagten treffe. Dieser Beweis sei dem Kläger nicht gelungen. Es könne nicht festgestellt werden, dass der Beklagte gewusst habe, dass die strittige Behauptung falsch sei.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000 EUR, jedoch nicht 20.000 EUR übersteige. Der Vorwurf eines „rechtswidrigen Verhaltens" berge weder den Vorwurf eines vorsätzlichen noch eines an Amtsmissbrauch grenzenden Fehlverhaltens in sich und treffe noch keine Aussage über ein Verschulden. Im gegebenen Zusammenhang könne dem Vorwurf des rechtswidrigen Verhaltens aus der Sicht des Erklärungsempfängers nur die Bedeutung eines rechtsunrichtigen Verhaltens beigemessen werden. Dem Beklagten sei der Wahrheitsbeweis dieser Tatsachenbehauptung gelungen. Die Vorgangsweise des Klägers, im Jahr 1997 Baubewilligungen zu erteilen, obwohl der Altbestand konsenslos gewesen sei, sei vom Erstgericht zutreffend als rechtswidrig qualifiziert worden, weil die wesentliche Vorfrage, ob ein konsensgemäßer Altbestand vorliege, nicht geprüft worden sei. Zudem habe der Kläger erst ein Jahr nach Einlangen der Rechtsauskünfte des Landes Oberösterreich das notwendige Vorverfahren zur Überprüfung einer möglichen nachträglichen Baubewilligung eingeleitet. Im Jahr 1997 sei noch von einer nicht geschlossenen Bauweise auszugehen gewesen, sodass es rechtmäßig gewesen wäre, einen Abbruchbescheid zu erteilen. Die nachträgliche Änderung der wesentlichen Entscheidungsgrundlagen, nämlich die spätere Feststellung, dass eine geschlossene Bauweise vorliege, könne an dieser Beurteilung nichts ändern. Da ein Informationsbedürfnis des Mitteilungsempfängers nicht verneint werden könne, sei auch die Rechtswidrigkeit der (wahren) Äußerung mangels Kränkungs- oder Schädigungsabsicht zu verneinen. Ob die Voraussetzungen für die Annahme des Rechtfertigungsgrunds des § 1330 Abs 2 letzter Satz ABGB vorliegen, sei nicht entscheidend, weil der Wahrheitsbeweis erbracht worden sei.

Seinen ursprünglichen Ausspruch, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, änderte das Berufungsgericht auf Antrag des Klägers in seiner Revision nach § 508 Abs 3 ZPO im Sinn eines Zulässigkeitsausspruchs ab. Diesen begründete das Berufungsgericht damit, dass es die verwaltungsrechtliche Vorfrage, ob eine Bewilligung der Baubehörde zur Errichtung eines Zubaus unabhängig von einem konsenswidrigen Altbestand zu erteilen sei oder nicht und damit die Frage der Rechtswidrigkeit der vom Kläger als Bürgermeister und Baubehörde erster Instanz erteilten Baubewilligungen möglicherweise unzutreffend gelöst habe.

Die Revision des Klägers ist zulässig, weil die Vorinstanzen bei der Beurteilung der strittigen Äußerung des Beklagten als Tatsachenbehauptung von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Abgrenzung von Tatsachenbehauptung und Werturteil abgewichen sind. Die Revision ist aber im Ergebnis nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Bei der Beurteilung, ob ein Werturteil oder eine Tatsachenbehauptung vorliegt, kommt es nach ständiger Rechtsprechung insbesondere auf den Zusammenhang an, in den die Äußerung gestellt wurde (SZ 62/208 ua;

RIS-Justiz RS0031883). Ein und dieselbe Äußerung kann bei

Unterschiedlichkeit des zugrundeliegenden Sachverhalts einmal eine

überprüfbare Tatsachenbehauptung, das andere Mal aber ein reines

Werturteil sein (SZ 72/118; RIS-Justiz RS0031815). Die

Wortinterpretation allein vermag noch nicht die Frage des

Bedeutungsinhalts nach dem Zusammenhang, in dem die Äußerung fiel, zu

beantworten (6 Ob 265/03v). Der Oberste Gerichtshof vertritt im

Anschluss an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für

Menschenrechte (Entscheidung des EGMR vom 2. 5. 2000, Bergens

Tidende, MR 2001, 84) die Auffassung, dass es auch bei zeitlich

auseinanderfallenden, inhaltlich aber in engem Zusammenhang stehenden

Äußerungen auf deren in einer „Gesamtschau" zu ermittelnden

Gesamteindruck ankommt (SZ 74/204 = MR 2002, 88; 6 Ob 265/03v). Vor

allem diese „Gesamtschau" ist für die Beurteilung entscheidend, ob

eine Äußerung über die Rechtsfolgen einer bestimmten Gesetzeslage als

Tatsachenbehauptung oder als reines Werturteil, das einer

Wahrheitsprüfung nicht zugänglich ist, zu qualifizieren ist. Je

weniger die zu beurteilende Rechtsfolgenbehauptung nicht einfach aus

dem Gesetz abzulesen ist, sondern auf einem Vorgang der persönlichen

Erkenntnisgewinnung beruht, je eingehender die Grundlagen dieses

Erkenntnisprozesses dargestellt werden und je deutlicher zum Ausdruck

kommt, dass eine subjektive Überzeugung in einem Meinungsstreit

vertreten wird, um so eher ist von einem reinen Werturteil auszugehen

(RIS-Justiz RS0112211). In diesem Sinn hat der Oberste Gerichtshof

beispielsweise in der Beurteilung, dass der (gegen einen

Hausverwalter erhobene) Vorwurf eines „gesetzwidrigen" Vorgehens bei

einem Streit eines Mieters mit dem Hausverwalter (um die Anschaffung

eines Schneepflugs und die Verrechnung der Hausbesorgerkosten) ein

reines Werturteil (eine reine Rechtsfolgenbehauptung) darstelle,

keine Verkennung der Rechtslage erblickt (6 Ob 197/02t). Auch in dem

der zurückweisenden Entscheidung 6 Ob 266/00m zugrundeliegenden Fall,

in dem der dortige Kläger als „Rechtsbrecher" bezeichnet worden war,

weil er zu Unrecht Verdächtigungen ausgesprochen hatte, sah der

Oberste Gerichtshof in der Beurteilung der Vorinstanzen, dass dem

Kläger damit keine Straftaten im Sinn des StGB oder gar

verbrecherische Handlungen vorgeworfen worden seien und ein

Werturteil vorliege, keine aufzugreifende Fehlbeurteilung.

Im Hinblick auf diese Rechtsprechung ist hier hervorzuheben, dass die

anlässlich verschiedener Bauvorhaben der Nachbarn des Beklagten

zwischen ihm und der Gemeinde ausgetragenen Streitigkeiten beim Amt

der Oö. Landesregierung amtskundig waren. Dieses („das Land") ist

Gemeindeaufsichtsbehörde im Sinn des Art 119a B-VG und des Bundes-Gemeindeaufsichtsgesetzes und soweit Angelegenheiten im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde betroffen sind, wozu gemäß Art 118 Abs 3 Z 9 B-VG die Bauangelegenheiten zählen, im Sinn der §§ 97 ff Oö. Gemeindeordnung 1990. Das Amt der Oö. Landesregierung war sowohl mit Ersuchen des Klägers um Rechtsauskunft, weil der Beklagte die Gesetzmäßigkeit der Bauprojekte in Zweifel gezogen hatte, als auch mit Ersuchen des Beklagten um Rechtsauskunft konfrontiert. Es hatte zwei Mal über Vorstellungen des Beklagten zu entscheiden, wurde vom Ergebnis der Überprüfung der vom Beklagten angerufenen Volksanwaltschaft verständigt (nach deren Ansicht die Baubehörde „jedenfalls hinsichtlich der abzubrechenden westseitigen Außenmauer des konsenslosen Fahrsilos gemäß § 49 Oö BauO vorgehen hätte müssen ..."), hatte eine Anfrage des zuständigen Landesrats zu beantworten und eine (dem nunmehrigen Schreiben vorangehende) Aufsichtsbeschwerde des Beklagten gegen den Kläger zu bearbeiten. Wie der Revisionswerber hervorhebt, war das Amt der Oö. Landesregierung nicht nur als Baurechtsbehörde, sondern auch in seiner Eigenschaft als Gemeindeaufsichtsbehörde mit dem „Kampf" des Beklagten gegen den Kläger beschäftigt, wie sich aus dem vom Erstgericht zitierten Antwortschreiben des Amts der Oö. Landesregierung vom 28. 8. 1998 betreffend die Aufsichtsbeschwerde des Beklagten vom 22. 6. 1998 ergibt („... sieht sich die h. Gemeindeaufsichtsbehörde derzeit zu keinen weiteren aufsichtsbehördlichen Verfügungen veranlasst ...."). Aus objektiver Sicht eines Beamten des Amts der Oö. Landesregierung als Adressaten des strittigen Schreibens, auf die bei der Beurteilung einer Äußerung als ehrenrührig abzustellen ist (vgl RIS-Justiz RS0031883), war daher der Vorwurf des „bereits wiederholt rechtswidrigen Verhaltens" des Klägers als subjektive Rechtsauffassung des Beklagten, die seinerzeitige Vorgangsweise des Klägers in den Bauverfahren des Nachbarn des Beklagten habe nicht dem Gesetz entsprochen, zu verstehen. Es war ja aktenkundig, dass der Beklagte in dieser Ansicht durch das Antwortschreiben des Amts der Oö. Landesregierung vom 21. 1. 1997 (nämlich dass eine Baubewilligung für einen Zubau einen rechtmäßigen, das heißt baubehördlich bewilligten und bewilligungsgemäß ausgeführten Altbestand voraussetze), das Schreiben der Volksanwaltschaft (wonach gemäß § 49 Oö. BauO vorgegangen hätte werden müssen) und die Entscheidung des Amts der Oö. Landesregierung auf Stattgebung der (zweiten) Vorstellung des Beklagten bestätigt worden war. Dass letztlich die Gemeinde beim Verwaltungsgerichtshof hinsichtlich der Beurteilung, dass eine geschlossene Bauweise vorliege, Recht behielt, besagt noch nicht, dass der Beklagte zur Einsicht gekommen sein musste, dass sein Rechtsstandpunkt verfehlt sei. Tatsache ist vielmehr, dass viele Rechtssuchende, die zunächst in ihrem Rechtsstandpunkt durch behördliche Entscheidungen und „offizielle" Rechtsauskünfte bestärkt werden, von diesem auch dann nicht abzubringen sind, wenn sie schließlich in letzter Instanz nicht Recht behalten. Die Vorinstanzen haben zutreffend ausgeführt, dass der Vorwurf, der Kläger habe rechtswidrig gehandelt, nicht mit dem Vorwurf einer Straftat im strafrechtlichen Sinn oder sonst eines verwerflichen Verhaltens gleichzusetzen ist. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass der Beklagte jahrelang als Partei in einem vom Kläger als Bürgermeister geführten Bauverfahren verwickelt war, dessen Entscheidungen nicht akzeptieren wollte und sich in seinem „Kampf" auch noch durch Teilsiege bestätigt fühlen musste. Es liegt auf der Hand, dass der Beklagte dem Kläger nach wie vor kritisch gegenübersteht, weil er letztlich sein Ziel, die Bauvorhaben des Nachbarn zu verhindern und einen Abbruchbescheid zu erwirken, nicht erreichte.

Es dürfen zwar auch bei Werturteilen die Grenzen zulässiger Kritik nicht überschritten werden (SZ 72/39). Ein Wertungsexzess liegt hier aber nicht vor. Dass ein „Verlierer" in einem (Verwaltungs-)Rechtsstreit die Entscheidungen des zuständigen Organs als „rechtswidrig" bezeichnet, kann - insbesondere wenn er teilweise „Zwischensiege" erreichen konnte - nicht als überschießende, beleidigende Kritik verstanden werden.

Zusammenfassend stellt die strittige Äußerung ein sich noch im Rahmen haltendes Werturteil und keine kreditschädigende Tatsachenbehauptung dar. Es erübrigen sich Erörterungen zu der vom Revisionswerber und vom Berufungsgericht als erheblich bezeichneten Rechtsfrage, ob Gegenstand des Bauverfahrens (nur) das in den Einreichplänen und sonstigen Unterlagen darzustellende Projekt und nicht der von diesem Projekt abweichende tatsächliche Bauzustand ist, ob die diesbezügliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nur auf Neubauten oder auch auf Zubauten zu übertragen ist und inwieweit diese Rechtsprechung auf das Bauvorhaben der Nachbarn des Beklagten überhaupt anwendbar ist. Nicht entscheidend ist auch, ob die Bescheide des Klägers als Baubehörde erster Instanz und das Unterlassen eines Abbruchbescheids aus heutiger Sicht oder aus der Sicht des Jahres 1997 zu beurteilen sind. Ob dem Beklagten der Rechtfertigungsgrund des § 1330 Abs 2 letzter Satz ABGB bzw. - wie bei Strafanzeigen, Partei- oder Zeugenvernehmungen - der Rechtfertigungsgrund des öffentlichen Interesses an einer ordnungsgemäß funktionierenden Rechtsprechung zugutekäme, kann mangels Vorliegens einer kreditschädigenden Tatsachenbehauptung ebenfalls dahingestellt bleiben.

Die klageabweisenden Entscheidungen der Vorinstanzen sind daher im Ergebnis zu bestätigen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte