OGH 6Ob197/02t

OGH6Ob197/02t24.4.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Horst Auer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Dipl. Ing. Georg R*****, vertreten durch Mag. Franz Kienast, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung ehrenrühriger Behauptungen, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 19. November 2001, GZ 35 R 454/01a-15, mit dem das Urteil des Bezirksgerichtes Hernals vom 28. Februar 2001, GZ 37 C 1158/01k-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat dem Beklagten die mit 499,39 EUR (darin enthalten 83,23 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Ehefrau des Beklagten erwarb mit Kaufvertrag vom 27. 12. 1999 Wohnungseigentum an einer von ihr zunächst gemieteten Wohnung in der Wohnhausanlage "W*****", die in den 80er-Jahren errichtet wurde. Bis Ende 1998 wurde die Wohnhausanlage von der W***** GesmbH & Co KG, die Mehrheitseigentümerin an der Liegenschaft und Errichterin der Wohnhausanlage ist, verwaltet. Am 1. 1. 1999 übernahm die Klägerin die Verwaltung. Den Hausbewohnern wurde dieser Wechsel nicht bekanntgegeben. Dem Beklagten ist jedoch seit März 2000 bekannt, dass die Wohnhausanlage nunmehr von der Klägerin verwaltet wird. In einem an die Wohnungsmieter und Wohnungseigentümer der Anlage gerichteten Schreiben führte der Beklagte einleitend aus, dass zur Zeit die W***** GesmbH & Co KG einen Anteil von 60 % der Nutzwerte der Anlage halte und somit selbstverwaltender Mehrheitseigentümer sei. In der Folge warf er der "Verwaltung" vor, die Bewohner der Anlage durch Missstände in der Verwaltung geschädigt zu haben und forderte zur Unterfertigung einer Prozessvollmacht zwecks Einbringung einer Schadenersatzklage auf.

Die Klägerin begehrte, den Beklagten schuldig zu erkennen, folgende Behauptungen zu unterlassen:

a) Die Klägerin sei durch Gerichtsurteil zum Ersatz eines Schadens, insbesondere eines solchen in Höhe von 1,378.920 S verurteilt worden und habe dagegen - insbesondere "selbstverständlich" - Berufung erhoben, wenn die Klägerin in jenem Verfahren, auf das sich diese Behauptung beziehe, gar nicht Partei gewesen sei;

b) die Klägerin habe den Mieterin und/oder Wohnungseigentümern durch Nichtverfolgung von Ansprüchen gegen den Architekten bzw dessen Versicherung einen Schaden zugefügt;

c) die Klägerin berechne ihr Verwaltungsentgelt nicht auf Basis der Nutzflächen, obwohl die Berechnung auf dieser Basis erfolge;

d) die Klägerin habe durch Abschluss eines Vollwartungsvertrages für die Lifte eine Steigerung der Betriebskosten über die vertragsgemäße Preisanpassung hinaus, insbesondere von 1998 auf 1999, um 104 % verursacht;

e) die Klägerin habe eine Maßnahme der ordentlichen Verwaltung - insbesondere mangels Einholung eines Miteigentümer-Beschlusses - gesetzwidrig gesetzt, etwa bei Anschaffung eines Schneepfluges im Dezember 1999, wenn es sich tatsächlich um eine gesetzeskonforme, eines Miteigentümerbeschlusses nicht bedürftige Maßnahme handle. Diese Behauptungen seien falsch, ehrenrührig und kreditschädigend. Die ersten beiden Behauptungen seien schon deshalb unrichtig, weil die Klägerin im darin angesprochenen Zeitpunkt noch nicht Verwalterin gewesen und nicht Partei des Schadenersatzprozesses gewesen sei. Jeder Leser des Briefes werde die Vorwürfe aber auf die Klägerin beziehen. Das Verwaltungshonorar werde aufgrund der Wohnnutzflächen errechnet. Einen Vollwartungsvertrag habe es schon mit dem früheren Liftwartungsunternehmen gegeben. Die Wartungskosten seien bis zur Übernahme des Wartungsvertrages durch den neuen Auftragnehmer durchschnittlich bloß um 1,96 % pro Jahr gestiegen. Die Anschaffung des Schneepfluges sei eine Maßnahme der ordentlichen Verwaltung, zu der die Klägerin ohne Einholung eines Beschlusses der Miteigentümergemeinschaft berechtigt sei.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sämtliche Vorwürfe seien inhaltlich richtig und beträfen im Übrigen nur die jeweilige, im maßgebenden Zeitpunkt bestellte Hausverwaltung, daher (überwiegend) die "W*****"-Gesellschaft und nicht die Beklagte. Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Es stellte unter anderem fest, dass in der Betriebskostenabrechnung 1998 der Ehefrau des Beklagten das Verwaltungshonorar nach dem Wert der Nutzfläche mit dem Schlüssel 182,60 verrechnet worden sei, während der Betriebskostenabrechnung für 1999 einen Anteilswert von 219,81 zugrundeliege. Die in letzterer Betriebskostenabrechnung enthaltene Position "Wartung der Aufzüge" zeige gegenüber 1998 eine Erhöhung um 104 %. Die Klägerin habe im Dezember 1999 einen Schneepflug um nahezu 300.000 S angeschafft. In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, dass aus der Sicht der Empfänger des Schreibens davon auszugehen sei, dass sich die ersten beiden Vorwürfe (Punkte a und b des Unterlassungsbegehrens) nicht auf die Klägerin bezögen. Die gemäß Punkt d des Klagebegehrens zu unterlassende Behauptung sei eine richtige Tatsachenbehauptung. Bei den Behauptungen laut Punkte c und e des Klagebegehrens habe der Beklagte von deren Richtigkeit - einerseits wegen der unterschiedlichen Abrechnungen für 1998 und 1999, andererseits weil er eine entsprechende Auskunft eines Sachverständigen über die Rechtslage eingeholt habe - ausgehen können.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 52.000 S, nicht jedoch 260.000 S übersteige. Von den Vorwürfen laut den Punkten a und b des Klagebegehrens sei die Klägerin nicht betroffen. Die Tatsachenbehauptung über die Kostensteigerung bei der Liftwartung treffe zu. Der Unterlassungsanspruch sei zwar verschuldensunabhängig, sodass es lediglich auf die objektive Unrichtigkeit einer Behauptung ankomme. Es seien aber auch die übrigen vom Urteilsbegehren umfassten Behauptungen des Beklagten objektiv richtig. Da nur an einem Teil der Wohnungsobjekte Wohnungseigentum begründet worden sei und teilweise Hauptmietrechte weiter bestünden, sei für die Verrechnung der Aufwendungen § 19 WEG (in der Fassung des 3. WÄG) maßgebend, sodass gemäß § 17 MRG von einer Berechnung im Verhältnis der Nutzflächen auszugehen sei. Die Klägerin habe aber für das Jahr 1999 nicht die Nutzfläche der Wohnung der Ehefrau des Beklagten, sondern die Zinsquadratmeter herangezogen, was gesetzwidrig sei. Die Anschaffungskosten für den nahezu 300.000 S teuren Schneepflug seien als Erhaltungsaufwand und nicht als Betriebskosten zu behandeln und stellten eine Maßnahme der außerordentlichen Verwaltung dar, die der Einholung eines Beschlusses der Miteigentümer bedurft hätte. Seinen ursprünglichen Ausspruch, dass die ordentliche Revision mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig sei, änderte das Berufungsgericht auf Antrag der Klägerin gemäß § 508 Abs 1 ZPO dahin ab, dass es die ordentliche Revision für zulässig erklärte, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage fehle, ob die Anschaffung eines Schneepfluges um fast 300.000 S eine Maßnahme der ordentlichen oder der außerordentlichen Verwaltung sei und wie derartige Kosten bei einer Wohnhausanlage, die teils aus Wohnungseigentumsobjekten und teils aus Mietobjekten bestehe, überwälzbar seien.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist jedoch entgegen diesem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes mangels erheblicher Rechtsfrage unzulässig. Entgegen der vom Beklagten in seiner Revisionsbeantwortung vertretenen Auffassung sind zwar die im Klagebegehren enthaltenen einzelnen Unterlassungansprüche nicht gesondert zu bewerten, sondern nach § 55 Abs 1 Z 1 JN zusammen zu rechnen. Mit den im Einzelnen strittigen Punkten konkretisierte der Beklagte den generell von ihm erhobenen Vorwurf des Verwaltungsmissstandes und der Schadenszufügung und begründete damit seine Aufforderung zur Unterfertigung einer Vollmacht zur Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen. Der im § 55 Abs 1 Z 1 JN geforderte tatsächliche Zusammenhang der einzelnen Ansprüche ist daher zu bejahen (4 Ob 152/02k).

Zu den Punkten a und b des Klagebegehrens:

Bei der Beurteilung, ob eine nicht namentlich genannte Person von der beleidigenden Äußerung betroffen ist, kommt es nicht darauf an, wie die Äußerung gemeint war, sondern darauf, wie das Publikum, zumindest aber ein nicht unbeträchtlicher Teil davon die Äußerung auffasst und mit wem es den darin enthaltenen Vorwurf in Verbindung bringt (RIS-Justiz RS0031757). In der Einleitung des Schreibens, die vom Erstgericht teilweise wiedergegeben wurde, ist von einer schadensstiftenden Tätigkeit der "W*****" als "selbstverwaltender Mehrheitseigentümer" die Rede, die durch die "folgende Aufstellung" konkretisiert wird. Selbst für neue Mieter, die nur mehr mit der Klägerin als Hausverwalterin Kontakt hatten, ist daher erkennbar, dass der behauptete Schaden insoweit durch die Mehrheitseigentümerin (als ehemalige Verwalterin) und nicht durch die Klägerin angerichtet worden sein soll. In der Ansicht der Vorinstanzen, dass nach dem Verständnis der Adressaten des Schreibens des Beklagten zumindest die Vorwürfe laut a und b des Klagebegehrens nur gegen die frühere Hausverwaltung gerichtet seien und diese mit dem vom Beklagten in der Folge verwendeten Begriff "Verwaltung" gemeint sei, kann eine zur Korrektur Anlass gebende Fehlbeurteilung des vorliegenden Sachverhaltes nicht erblickt werden.

Zu Punkt c des Klagebegehrens:

Die Klägerin bestreitet nicht, dass auch nach der Begründung von Wohnungseigentum Altmietverhältnisse in der Wohnhausanlage weiter bestanden und dass daher § 19 WEG (idF des 3. WÄG) anzuwenden ist. Sie bringt aber nun erstmals in der Revision vor, dass sowohl in den Mietverträgen als auch im Wohnungseigentumsvertrag die Verteilung der Betriebskosten nach Zinsquadratmetern vorgesehen sei und diese Vereinbarung infolge der Ausnahmebestimmung des § 19 WEG ("soweit nichts anderes rechtswirksam vereinbart ist") maßgebend sei. Der Beachtlichkeit dieses Vorbringens steht jedoch das im Rechtsmittelverfahren geltende Neuerungsverbot und die Feststellung der Vorinstanzen entgegen, dass vor der Übernahme der Verwaltung durch die Klägerin nach Nutzwertanteilen abgerechnet wurde. Selbst wenn, wie die Klägerin (ebenfalls erstmals in ihrer Revision) behauptet, die Wohnhausanlage ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel errichtet wurde und daher gemäß § 1 Abs 4 MRG die Bestimmung des § 17 MRG keine Anwendung fände, wäre im Hinblick auf die bis 1999 erfolgte Abrechnung nach Nutzwerten auf eine entsprechende Vereinbarung der Parteien zu schließen. Der im Schreiben des Beklagten angeführte Betrag von 34,50 S pro m², der der Betriebskostenabrechnung pro Wohnung zugrundezulegen sei, entspricht ohnehin dem auch von der Klägerin als richtig angesehenen Betrag. Dass dieser Betrag von der Klägerin tatsächlich mit den Zinsquadratmetern und nicht mit den Wohnnutzflächen multipliziert wurde, steht unstrittig fest. Die Revisionsausführungen, dass die Klägerin das Verwaltungsentgelt auf der Basis der Gesamtnutzflächen errechnet habe, sodass nicht ihre Berechnung, sondern höchstens die Aufteilung der Betriebskosten auf die einzelnen Wohnungen strittig sei, lässt außer Acht, dass auch die Ermittlung des Betriebskostenanteiles pro Wohnung einen Berechnungsvorgang darstellt. Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt ist daher die Behauptung des Beklagten, dass Verwaltungshonorare nicht richtig berechnet worden seien - wobei dies im Schreiben auch näher begründet wurde - nicht tatbestandsmäßig.

Zu Punkt d des Klagebgehrens:

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen ist die Behauptung des Beklagten über die Kostensteigerung für die Aufzugswartung vom Jahr 1998 auf das Jahr 1999 ohne Zweifel richtig. Die Kostenentwicklung betreffend die Jahre davor ist in diesem Zusammenhang ohne Belang. Darauf wurde im Schreiben auch nicht Bezug genommen. Unstrittig ist auch, dass, wie der Beklagte behauptete, der Vollwartungsvertrag mit der Firma T***** GmbH am 1. 1. 1998 wirksam wurde. Etwas anderes hat er in seinem Schreiben nicht ausgeführt.

Zu Punkt e des Klagebegehrens:

Ob der Kauf eines 300.000 S (21.800 EUR) teuren Schneepfluges als Maßnahme der ordentlichen oder der außerordentlichen Verwaltung zu qualifizieren ist und ob die Klägerin als Verwalterin hiezu ohne Einholung eines Beschlusses der Mit- oder Wohnungseigentümer befugt war, ist nicht entscheidend. Die Behauptung des Beklagten, dass die Anschaffung des Schneepfluges gesetzwidrig gewesen sei, stellt eine Rechtsfolgenbehauptung dar, die er unter Darstellung zutreffender Tatsachen begründet hat. Je weniger die zu beurteilende Rechtsfolgenbehauptung nicht einfach aus dem Gesetz abzulesen ist, sondern auf einem Vorgang der persönlichen Erkenntnisgewinnung beruht, je eingehender die Grundlagen dieses Erkenntnisprozesses dargestellt werden und je deutlicher zum Ausdruck kommt, dass eine subjektive Überzeugung im Meinungsstreit vertreten wird, umso eher liegt ein reines Werturteil vor (RIS-Justiz RS0112211). Ob die Behauptung des gesetzwidrigen Vorgehens unter den gegebenen Umständen, insbesondere unter Bedachtnahme auf den Zusammenhang der Äußerung mit der gesamten, die Verrechnung der Hausbesorgerkosten betreffenden Textpassage im strittigen Schreiben als Werturteil oder als Tatsachenbehauptung zu qualifizieren ist, berührt keine über diesen Rechtsstreit hinausgehende Rechtsfrage. Auch bietet die Frage, ob mit der Bezeichnung eines bestimmten dargestellten Handelns als "gesetzwidrig" die Grenze zulässiger Kritik überschritten wird, infolge ihrer Einzelfallbezogenheit zu einer näheren Befassung keinen hinreichenden Anlass.

Es liegt daher insgesamt keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO vor, weshalb die Revision zurückzuweisen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO. Der Beklagte hat zu jedem Punkt des Klagebegehrens ausgeführt, warum die Revision mangels erheblicher Rechtsfrage unzulässig sei. Die Revisionsbeantwortung diente daher einer zweckentsprechenden Rechtsverteidigung.

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