Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 624,75 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Text
Begründung
Der Kläger stand als Gendarmeriebeamter in einem provisorischen Dienstverhältnis zum Bund. Mit Bescheid des Landesgendarmeriekommandos für Niederösterreich vom 12. 9. 2000 wurde dieses Dienstverhältnis gemäß § 10 Abs 4 Z 4 iVm den Abs 2 und 3 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 (BDG) wegen pflichtwidrigen Verhaltens unter Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Kündigungsfrist im Ausmaß von drei Kalendermonaten mit Ablauf des 31. 1. 2001 gekündigt.
In der Begründung des Bescheids des Landesgendarmeriekommandos für Niederösterreich vom 12. 9. 2000 wurden als Grund für die Auflösung des provisorischen Dienstverhältnisses folgende drei Vorfälle genannt:
1) Am 1. 5. 1999 habe bei einer Diskothek zwischen dem Kläger und einem anderen Gast in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand zuerst eine verbale und in weiterer Folge eine tätliche Auseinandersetzung stattgefunden, im Zuge derer beide Kontrahenten zu Sturz gekommen seien. Dabei hätten beide leichte Verletzungen erlitten. Die gegen den Kläger wegen dieses Vorfalls wegen des Verdachts des Vergehens nach den §§ 83 und 125 StGB erhobene Strafanzeige sei am 13. 10. 1999 gemäß § 90 Abs 1 StPO aus dem Grunde des § 42 StGB zurückgelegt worden.
2) Am 2. 4. 2000 sei es zwischen dem Kläger und drei weiteren Männern zu einer wörtlichen Auseinandersetzung und zu Tätlichkeiten gekommen, im Zuge derer der Kläger leichte Verletzungen erlitten habe. Im Zuge der Streitigkeiten „dürfte" an einem unbekannten PKW ein Sachschaden entstanden sein. Zum Zeitpunkt des Vorfalls habe sich der Kläger im Krankenstand (häusliche Pflege) befunden. Das gegen den Kläger wegen des Verdachts des Vergehens nach § 91 StGB beim zuständigen Bezirksgericht eingeleitete Verfahren sei anhängig.
3) Der Kläger sei am 15. 4. 2000 gegen 3.15 Uhr als Lenker eines PKW´s auf einen vor ihm fahrenden PKW aufgefahren, wobei an beiden Fahrzeugen erheblicher Sachschaden entstanden sei. Nach dem Verkehrsunfall sei der Kläger „ausgeschert", er habe das beschädigte Fahrzeug überholt und sich unter Einhaltung einer hohen Geschwindigkeit entfernt. Als ihn der Lenker des beschädigten PKW`s etwa einen Kilometer nach der Unfallstelle eingeholt habe, habe der Kläger angehalten und mit der Begründung "ich habe genug gesoffen" keine Unfallaufnahme durch die Gendarmerie gewünscht. Trotz Aufforderung des Unfallsbeteiligten habe der Kläger weder Führerschein noch Zulassungsschein vorgewiesen und auch keinen Unfallbericht ausgefüllt. Er habe dem Lenker des beschädigten PKW`s lediglich eine Notiz mit seinen persönlichen Daten übergeben und mit diesem einen Treffpunkt noch am selben Tag vereinbart. Anschließend habe er seine Fahrt fortgesetzt. Auch zum Zeitpunkt dieses Vorfalls habe sich der Kläger im Krankenstand (häusliche Pflege) befunden. Die Gendarmerie habe am 2. 5. 2000 Anzeige gegen den Kläger wegen Verdachts von Übertretungen nach den §§ 4 und 5 StVO erstattet. In seiner Stellungnahme vom 7. 9. 2000 hatte der Kläger eine abweichende Sachverhaltsdarstellung erstattet und jegliches schuldhafte Verhalten bestritten.
In der Bescheidbegründung ging die erstinstanzliche Behörde davon aus, dass diese Stellungnahme des Klägers nicht fristgerecht eingelangt sei. Zweck des provisorischen Dienstverhältnisses sei, den Beamten auf seine Eignung für den Dienst in körperlicher, geistiger und charakterlicher Hinsicht zu prüfen. Da das Verhalten des Klägers (unbeschadet des Mangels der Strafwürdigkeit des erstgenannten Vorfalls) mit dem Charakterbild eines Exekutivbeamten unvereinbar sei und er dadurch das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben schuldhaft verletzt habe, müsse das Dienstverhältnis aufgekündigt werden. Einer allfälligen Berufung wurde aufschiebende Wirkung zuerkannt.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger eine detaillierte Berufungsschrift, in welcher er insbesonders darlegte, keiner der gegen ihn erhobenen Vorwürfe treffe zu.
Die Berufungsbehörde holte eine neuerliche Stellungnahme des Klägers ein. In ihrer Aufforderung zu dieser Stellungnahme vertrat die Behörde die Rechtsansicht, die Regelung eines Strafverfahrens durch außergerichtlichen Tatausgleich lasse den Schluss auf ein bedingtes Schuldeingeständnis zu.
In seiner Stellungnahme wiederholte der Kläger im Wesentlichen seine bisherige Sachverhaltsdarstellung, bestritt weiterhin jegliches Verschulden und stellte umfangreiche Beweisanträge. Er wies darauf hin, dass die Bestimmungen der Strafprozessordnung über den außergerichtlichen Tatausgleich erst am 1. 1. 2000 in Kraft getreten seien und daher ein außergerichtlicher Tatausgleich 1999 noch nicht habe erfolgen können. Vielmehr sei das Verfahren gegen ihn gemäß § 90 StPO eingestellt worden. Selbst wenn die Staatsanwaltschaft die Einstellung nach § 90 StPO auf § 42 StGB gestützt habe, bedeute dies kein Schuldeingeständnis.
Mit Bescheid vom 28. 3. 2001 wies der Bundesminister für Inneres die Berufung mit der Maßgabe ab, dass das Dienstverhältnis mit Ablauf jenes Kalendermonats ende, in dem die Zustellung des Berufungsbescheids erfolge. In ihrer Begründung führte die Berufungsbehörde aus, dass das Strafverfahren wegen des Vorfalls vom 1. 5. 1999 zwar eingestellt, jedoch gemäß § 42 StGB durch außergerichtlichen Tatausgleich geregelt worden sei. Dieser sei im Rahmen eines bundesweit laufenden Modellversuchs erfolgt. Nach den Ermittlungsergebnissen, wonach Auskunftspersonen niederschriftlich angegeben hätten, der Kläger sei sowohl an einer tätlichen Auseinandersetzung mit einer weiteren Person wie auch an einem Raufhandel mit mehreren anderen Personen beteiligt gewesen, sei - ungeachtet gerichtlicher Verfahren - davon auszugehen, dass er diese Handlungen gesetzt habe. Es fehle ihm daher die erforderliche charakterliche Eignung für den Beruf eines Gendarmeriebeamten; zugleich habe er sich pflichtwidrig verhalten (§ 43 Abs 2 BDG). Im Hinblick auf den Zweck des provisorischen Dienstverhältnisses sei dieses zu beenden.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hob den angefochtenen Bescheid gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit auf. Die belangte Behörde habe - wenn auch nicht ausdrücklich im angefochtenen Bescheid, so doch in ihrem Vorhalt an den Kläger sowie auch in ihrer Gegenschrift - die Auffassung vertreten, aus dem Ausgang des gerichtlichen Strafverfahrens betreffend den Vorfall vom 1. 5. 1999 sei ein Schuldeingeständnis abzuleiten. Dieser Ansicht sowie der weiters zum Ausdruck gelangten Meinung, die Diversion gemäß § 90a StPO aus dem Grunde des § 90g StPO setze die Verwirklichung der Tat voraus, sei nicht beizupflichten. Auch wenn die Einstellung des Strafverfahrens gegen den nunmehrigen Kläger im Zuge eines Modellversuchs erfolgt sein möge, ändere dies nichts daran, dass Rechtsgrundlage für die Einstellung seines Strafverfahrens noch § 90 StPO gewesen sei. Eine solche Einstellung des gerichtlichen Strafverfahrens begründe keinesfalls eine die Dienstbehörde bindende Feststellung, der Verdächtige habe ein in Richtung eines gerichtlichen Straftatbestandes tatbildmäßiges Verhalten gesetzt. § 90g StPO sei im Einstellungszeitpunkt noch gar nicht in Kraft gestanden. Selbst wenn dies aber der Fall gewesen wäre, hätte die in dieser Bestimmung für den Verdächtigen vorausgesetzte Bereitschaft, für die Tat einzustehen und sich mit deren Ursachen auseinanderzusetzen, bedingt, dass dieser Umstand festzustellen gewesen und damit (im Falle einer abweichenden Darstellung im dienstrechtlichen Verfahren) der Beweiswürdigung der Verwaltungsbehörde unterlegen wäre. Deshalb sei die belangte Behörde weder hinsichtlich des Vorfalls vom 1. 5. 1999 davon entbunden gewesen, konkrete Feststellungen darüber zu treffen, aufgrund welchen Verhaltens des Beschwerdeführers sie den von ihr angenommenen Kündigungsgrund als verwirklicht ansah, noch bezüglich der Vorfälle vom 2. und 15. 4. 2000, bezüglich deren nur der Verfahrensstand festgestellt worden sei bzw die Tatsache der Einstellung des verwaltungsstrafrechtlichen Verfahrens. In diesem Zusammenhang wäre die belangte Behörde gehalten gewesen, auf das Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Berufung einzugehen, sich mit seinen Beweisanträgen auseinanderzusetzen und divergente Beweisergebnisse einer Beweiswürdigung zu unterziehen. Indem die belangte Behörde die Auffassung vertreten habe, die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen reichten im Zusammenhalt mit den Feststellungen zum Ausgang des Strafverfahrens betreffend den Vorfall vom 1. 5. 1999 aus, um das Vorliegen der Kündigungsgründe nach § 10 Abs 2 Z 2 und 4 BDG anzunehmen, habe sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Dem Beschwerdeführer sei beizupflichten, dass aus der Feststellung, er sei an einer "tätlichen Auseinandersetzung" bzw einem "Raufhandel" beteiligt gewesen, weder ein Mangel der geistigen Eignung noch ein pflichtwidriges Verhalten abzuleiten sei. Die belangte Behörde wäre gehalten gewesen, das ihres Erachtens einen Kündigungsgrund bildende Verhalten in einem unter Beiziehung des betroffenen Beamten durchgeführten Ermittlungsverfahren festzustellen.
Zu einem zweiten Rechtsgang kam es nicht mehr, da der Kläger von sich aus das Dienstverhältnis beendete.
Aus dem Titel der Amtshaftung begehrte der Kläger den Ersatz von Spesen im Zusammenhang mit der Berufungserhebung, von Kosten der rechtlichen Beratung und Vertretung, den Zuspruch von Kreditkosten sowie von diversen entgangenen Entgelten aus dem Dienstverhältnis (Überstunden, Nachtdienste, pauschalierte Nebengebühren etc), insgesamt EUR 12.021,80. Die Begründungen beider Bescheide seien unvertretbar, da sie jeweils durch schwerwiegende Mängel gekennzeichnet seien. Wie sich aus dem aufhebenden Erkenntnis des VwGH ergebe, seien weder konkrete Feststellungen zu den angeblichen Verfehlungen getroffen worden, noch sei eine Beweiswürdigung erfolgt. Über die umfangreich angebotenen Beweise habe sich die Behörde einfach hinweggesetzt.
Die beklagte Partei wendete zusammengefasst ein, die kritisierten Bescheide seien jedenfalls vertretbar gewesen. Der Umstand, dass mehrere Strafanzeigen gegen den Kläger erstattet worden seien, sei ein ausreichender Grund für die Auflösung des Dienstverhältnisses gewesen. Selbst bei Durchführung weiterer Erhebungen durch die Behörde wäre kein anderes Ergebnis erzielt worden, weil sich die dem Kläger zur Last gelegten Vorfälle tatsächlich so zugetragen hätten, wie es die Behörde angenommen habe. Ein schuldhaft rechtswidriges Organverhalten liege daher nicht vor.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach Beweisaufnahmen zur inhaltlichen Klärung der gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe traf es über den bereits wiedergegebenen Sachverhalt hinaus sinngemäß folgende wesentlichen Feststellungen:
Am 1. 5. 1999 machte der Kläger zu später Stunde im Imbisswagon der
Diskothek ... untergriffige Bemerkungen über seine ehemalige
Freundin, die er zufällig in diesem Lokal getroffen hatte. Als er von
... einem ihrer Begleiter, aufgefordert wurde, die Beleidigungen zu
unterlassen, kam es zunächst zu einem Wortgefecht. ... Plötzlich
packte der Kläger ... (den Begleiter seiner ehemaligen Freundin) am
Kragen seines Pullovers und attackierte ihn. Beide stürzten im Zuge der Handgreiflichkeiten zu Boden und verletzten sich. Vor Einstellung des (wegen dieses Vorfalls eingeleiteten Straf-)Verfahrens kam es zu einem außergerichtlicher Tatausgleich. Die Konfliktreglerin hielt in ihrem Bericht vom 27. 9. 1999 fest, beide Beteiligte hätten Einsicht in ihre jeweiligen, den Konflikt fördernden Eigenanteile gezeigt, sich gegenseitig entschuldigt und auf eine Schadensgutmachung verzichtet.
Mit Urteil des Bezirksgerichts ... vom 4. 7. 2001 wurde der Kläger
von dem wider ihn erhobenen Vorwurf, er habe am 2. 4. 2000 ... an
einer Schlägerei teilgenommen, wobei er dem ... einen Fußtritt
versetzt habe, gemäß § 259 Z 3 StPO mangels Schuldbeweises
rechtskräftig freigesprochen.
Zum Vorfall vom 15. 4. 2000:
Wegen dieses Vorfalls führte die Bezirkshauptmannschaft ... ein
Verwaltungsstrafverfahren wegen Übertretung gemäß § 4 Abs 1 lit a StVO (Fahrerflucht) durch. In seiner Rechtfertigung vom 24. 7. 2000 führte der Kläger gegenüber der Verwaltungsbehörde aus, dass die Unfallstelle dunkel und infolge einer Rechtskurve unübersichtlich gewesen sei. Außerdem sei der Kreuzungsbereich allgemein als äußerst gefährlich bekannt. Um nicht andere Verkehrsteilnehmer, den Unfallbeteiligten und sich selbst zu gefährden, habe er eine geeignete Stelle zum Anhalten gesucht. Zu diesem Zweck sei er mit einer Fahrgeschwindigkeit von ca 40 bis 50 km/h weitergefahren, wobei er ständig in Sichtkontakt mit dem Unfallbeteiligten gestanden sei, welcher ihm nachgefahren sei. Keinesfalls habe er Fahrerflucht begehen wollen. Als er nach etwa 600 Metern eine geeignete Stelle gefunden habe, habe er sofort angehalten.
Die Verwaltungsbehörde folgte dieser Verantwortung und stellte am 12. 9. 2000 das Verwaltungsstrafverfahren gegen den Kläger gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG ein.
Tatsächlich hatte sich aber der Vorfall wie folgt zugetragen:
Der Kläger war mit seinem PKW auf der B***** kurz vor der Kreuzung mit der B***** auf den PKW eines anderen Verkehrsteilnehmers aufgefahren, wobei beide Fahrzeuge beschädigt wurden. Ohne auszusteigen fuhr der Kläger weiter und beschleunigte sein Fahrzeug auf mindestens 140 km/h. Dabei gab er dem ihn verfolgenden Lenker des beschädigten PKW`s kein Zeichen, aus dem für diesen ersichtlich gewesen wäre, der Kläger suche lediglich eine günstige Parkmöglichkeit. Es lässt sich auch nicht feststellen, dass der Kläger dies zunächst tatsächlich beabsichtigte. Nach etwa 600 bis 700 Metern hielt er an, weigerte sich, aber einen Unfallbericht auszufüllen und wies dem Lenker des beschädigten PKW's weder Führerschein noch Autopapiere vor. Er wollte auch nicht die Gendarmerie rufen, sondern berief sich darauf, selbst Gendarmeriebeamter zu sein. Er gab dem Unfallgegner seine Daten und vereinbarte für den selben Tag um 13.00 Uhr ein Treffen, um den Schaden zu regeln.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, „das Bundesministerium" für Inneres habe bei seiner Entscheidung die Gesetze nicht in unvertretbarer Weise ausgelegt. Derartiges sei auch dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs nicht zu entnehmen. Die Annahme, die Behörde sei schon aufgrund der Einstellung des Strafverfahrens nach Durchführung eines außergerichtlichen Tatausgleichs zur Kündigung des provisorischen Dienstverhältnisses berechtigt, sei zwar vom Verwaltungsgerichtshof als unrichtig erkannt worden, sei aber nicht unvertretbar. Ungeachtet dessen habe sich vor dem erkennenden Gericht erwiesen, dass auch bei rechtmäßigem Alternativverhalten, also bei Durchführung weiterer Erhebungen durch die Dienstbehörde, kein anderes Ergebnis für den Kläger zu erzielen gewesen wäre. Die Vorfälle vom 1. 5. 1999 und vom 15. 4. 2000 hätten sich so zugetragen, wie sie von der Dienstbehörde offensichtlich angenommen wurden. Sie seien als schwere Verfehlungen des Klägers anzusehen. Erörterungen zum Vorfall vom 2. 4. 2000 hätten hingegen zu unterbleiben, weil der Kläger vom strafrechtlichen Vorwurf rechtskräftig freigesprochen worden sei, sodass die Unschuldsvermutung zu gelten habe. Schon die Vorfälle vom 1. 5. 1999 und 15. 4. 2000 „für sich betrachtet" würden aber die Kündigung des provisorischen Dienstverhältnisses rechtfertigen.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ die ordentliche Revision zu. Der Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens sei zulässig. Die vom Obersten Gerichtshof in der Entscheidung SZ 59/141 vertretene Ansicht, dieser Einwand sei bei zu begründenden Bescheiden generell unzulässig, beziehe sich „in dieser Schärfe" nur auf Fälle, in denen eine konkrete Begründung völlig fehle oder ein Ermittlungsverfahren gänzlich unterblieben sei. Im vorliegenden Fall ergebe sich die Rechtswidrigkeit des Berufungsbescheides jedoch nur aus „minder qualifizierten Verstößen" gegen die Verfahrensgesetze. Ausgehend von den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen über die dem Kläger zur Last gelegten Vorfälle, zu denen auch das Bundesministerium für Inneres bei Durchführung eines korrekten Ermittlungsverfahrens hätte gelangen müssen, sei zu prüfen, ob der Ausspruch der Kündigung berechtigt sei. Diese Prüfung ergebe, dass schon das Verhalten des Klägers am 1. 5. 1999 eine Dienstpflichtverletzung dargestellt habe, ohne dass es auf dessen gerichtliche Strafbarkeit ankäme. Das Provozieren einer zunächst verbalen Auseinandersetzung durch beleidigende Äußerungen und das anschließende aggressive Vorgehen lasse jenes Mindestmaß an Ruhe und Besonnenheit vermissen, das zu den Anforderungen im Exekutivdienst gehöre. Das Verhalten des Klägers sei geeignet, das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben im Exekutivdienst zu erschüttern. Selbst wenn man aber diesen Vorfall allein nicht als schwerwiegend genug ansehen wollte, rechtfertige er im Zusammenhalt mit dem Geschehen vom 15. 4. 2000 die Kündigung. Es könne nicht toleriert werden, dass ein Beamter außerhalb des Dienstes gerade solche Rechtsvorschriften, zu deren Vollziehung er selbst berufen sei, nicht bzw nur zögerlich und widerwillig beachte.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch (§ 508a Abs 1 ZPO) nicht zulässig. Der Revisionswerber bringt vor, einem Mangel an jedweder substantiellen Begründung im Verwaltungsverfahren könne nicht dadurch abgeholfen werden, dass eine allenfalls mögliche Begründung, deren sich die Verwaltungsbehörde selbst nicht bediente, nachgeschoben wird, nach deren Inhalt der rechtswidrige Berufungsbescheid doch noch vertretbar erscheinen könnte. Da die im Berufungsbescheid vorhandene - keinen Kündigungsgrund abgebende - Feststellung, der Kläger sei an etlichen Auseinandersetzungen beteiligt gewesen, erst im Nachhinein durch im Amtshaftungsprozess getroffene gerichtliche Feststellungen „ausgefüllt" worden sei, sei die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, das Kündigungsverfahren hätte keinen anderen Ausgang genommen, auch wenn der Berufungsbehörde keine Verfahrensverstöße unterlaufen wären, verfehlt.
Ob der Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens beachtlich ist und zu einer Haftungsbefreiung führt, kann nur durch Auslegung des Zwecks der jeweils verletzten Norm ermittelt werden. Hat eine Verhaltensnorm nicht so sehr die Verhütung eines Schadens im Auge, sondern soll durch sie vor allem eine bestimmte Verhaltensweise ausgeschlossen und der Eingriff in das fremde Rechtsgut unbedingt an ein bestimmtes Verfahren gebunden werden, kann die Berufung auf rechtmäßiges Alternativverhalten die Haftungsbefreiung nicht rechtfertigen (Koziol, Haftpflichtrecht I3 Rz 8/65; 8/71; Schragel, AHG3 Rz 155). Der Oberste Gerichtshof hat daher im Falle des Freiheitsentzugs ohne richterlichen Haftbefehl (SZ 54/108) sowie im Fall eines nicht begründeten Sicherstellungsauftrags (SZ 59/141) die Berufung auf das rechtmäßige Alternativverhalten als nicht zulässig erachtet. Ein derartiger Fall liegt aber hier nicht vor:
Zweck der Normen des BDG über die Kündigung eines provisorischen Dienstverhältnisses ist - neben dem Schutz der Allgemeinheit vor dem Einsatz von Exekutivbeamten, die aus in ihrer Person gelegenen Gründen den speziellen Berufsanforderungen nicht gerecht werden können - auch der Schutz des von der Kündigung betroffenen Beamten selbst. Da Kündigungsbescheide regelmäßig in die persönliche Lebensgestaltung des zu Kündigenden massiv eingreifen, sollen dessen Interessen dadurch gewahrt werden, dass eine Kündigung nur bei Erfüllung bestimmter Kündigungstatbestände und mittels eines eine tragfähige und nachvollziehbare Begründung enthaltenden Bescheides erfolgen kann.
Bereits in seinem Erkenntnis vom 19. 4. 1956, Zl 2403/53, hat der Verwaltungsgerichtshof daher ausgesprochen, es genüge entsprechend den verfahrensrechtlichen Grundsätzen nicht, dem Gekündigten im Kündigungsbescheid ein einem Kündigungstatbestand entsprechendes Verhalten zur Last zu legen. Es müsse vielmehr die Feststellung eines solchen Verhaltens in einem unter Beiziehung des betreffenden Beamten durchgeführten Ermittlungsverfahren vor Ausspruch der Kündigung erfolgen. Dieser Grundsatz wurde im Erkenntnis vom 9. 9. 1985, Zl 84/12/0094, zum BDG 1979 wiederholt (siehe VwGH Zl 89/12/0172). Im vorliegenden Fall beschränkt sich zwar der zweitinstanzliche Bescheid auf die Nennung von Kündigungstatbeständen, nicht aber der erstinstanzliche Bescheid des Landesgendarmeriekommandos für Niederösterreich, der ausreichende Feststellungen zu allen drei dem Kläger zur Last gelegten Vorfällen beinhaltet. Wenngleich das Strafverfahren zum Vorfall vom 1. 5. 1999 gemäß § 90 StPO aus dem Grunde des § 42 StGB bereits eingestellt war und es späterhin zu einem Freispruch mangels Schuldbeweises hinsichtlich des Vorfalls vom 2. 4. 2000 kam, verbleibt das in diesem Bescheid bereits umfassend festgestellte Verhalten des Klägers vom 15. 4. 2000. Dass dieses Verhalten - so wie es sich bereits aus der Sachverhaltsschilderung des Bescheids des Landesgendarmeriekommandos für Niederösterreich ergibt - jedenfalls einen Grund für die Kündigung eines provisorischen Dienstverhältnisses eines Exekutivbeamten darstellt, bedarf keiner weiteren Begründung. Wie sich nach Abführung aller beantragten Beweise späterhin im Amtshaftungsprozess herausgestellt hat, waren diese Feststellungen richtig und hatte sich der Vorfall im Wesentlichen genau so zugetragen.
Keinesfalls gaben somit erstmals im Amtshaftungsprozess getroffene Feststellungen, deren sich die Verwaltungsbehörde bisher nicht bedient hätte bzw die gar nicht bekannt gewesen wären, einen „nachgeschobenen" Kündigungsgrund ab. Eine „Untermauerung" der gegen den Kläger im Anlassverfahren erhobenen Vorwürfe durch neue oder ergänzende Feststellungen im Amtshaftungsverfahren ist insofern nicht geschehen. Vielmehr lagen die Feststellungen zum Vorfall vom 15. 4. 2000 bereits dem verwaltungsbehördlichen erstinstanzlichen Verfahren zu Grunde und waren vom Landesgendarmeriekommando auch als Grund für die Kündigung tatsächlich herangezogen worden. Diese Situation steht aber im Gegensatz zu jener, bei der einem Mangel an jedweder im Verwaltungsverfahren zu erfolgender Begründung im Amtshaftungsprozess dadurch abgeholfen werden sollte, dass eine allenfalls mögliche neue Begründung, deren sich die Verwaltungsbehörde selbst nicht bediente, nachgeschoben wird, und nach deren Inhalt der rechtswidrige Verwaltungsakt, auf den der geltend gemachte Amtshaftungsanspruch gestützt wird, vertretbar erscheinen könnte.
Selbst wenn im verwaltungsbehördlichen Berufungsverfahren erhebliche Verfahrensverstöße gesetzt wurden, sodass der Berufungsbescheid des Bundesministers für Inneres vom Verwaltungsgerichtshof als inhaltlich rechtswidrig behoben werden musste, ist aus den genannten Gründen die Einwendung rechtmäßigen behördlichen Alternativverhaltens zulässig und beachtlich; sie entzieht dem Amtshaftungsanspruch die erforderliche Erfolgsvoraussetzung (vgl SZ 68/191 mwN). Zusammenfassend ist daher davon auszugehen, dass auch bei rechtmäßigem Alternativverhalten die Berufungsbehörde keine andere, für den Kläger günstigere Entscheidung getroffen hätte. Ein Widerspruch zur Entscheidung SZ 59/141 liegt - entgegen der Zulässigkeitsbegründung des Berufungsgerichts - nicht vor. Gewiss sind Bescheide einer Verwaltungsbehörde ordnungsgemäß zu begründen. Nicht jeder Begründungsmangel führt allerdings - wie oben dargestellt - dazu, dass der Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens unzulässig wäre.
Mit dem Revisionsvorbringen, die Durchführung eines Ermittlungsverfahrens durch die Berufungsbehörde hätte eine längere Dauer des behördlichen Verfahrens und damit einen späteren Ausspruch der Kündigung nach sich gezogen, ist der Kläger nicht zu hören. Abgesehen davon, dass der Rechtsmittelwerber nicht darzustellen vermag, warum trotz ordnungsgemäßer Verfahrensdurchführung die Entscheidung - mit ausreichender Begründung - nicht ebenfalls am 28. 3. 2001 hätte ergehen können, stellt sich die Einwendung des Klägers als sittenwidrig dar. Sie zielt nämlich in Wahrheit darauf ab, trotz berechtigter Kündigung des Dienstverhältnisses durch vom Kläger entrierte Verfahrensverlängerung einen (ungerechtfertigten) Vermögensvorteil zu erlangen.
Da auch der Kläger keine über die Zulässigkeitsbegründung hinausgehende erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO aufzeigt, ist die Revision unzulässig.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Revisionsbeantwortung diente der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung, weil die Beklagte darin auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen hat.
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