Spruch:
Dem Revisionsrekurs der Antragsgegnerin wird Folge gegeben. Die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen. Die Barauslagen der Antragsgegnerin im Revisionsrekursverfahren sind weitere Verfahrenskosten erster Instanz.
Text
Begründung
Die auf der Liegenschaft S***** in ***** von der gemeinnützigen Bau- und Siedlungsgenossenschaft „F*****" registrierte Genossenschaft mbH errichtete Wohnhausanlage steht in deren Eigentum. Die Anlage wurde im Rahmen eines Bundessonderwohnbauprogramms errichtet. Die Antragsgegnerin schloss am 15. 1. 1998 mit der bezeichneten Genossenschaft als „Erstmieterin" einen Mietvertrag über die Wohnung top Nr 9 in dieser Wohnhausanlage ab.
Im Dezember 1993 einigten sich die Antragsgegnerin als Vormieterin und die Antragstellerin als Nachmieterin über die Zahlung einer Ablöse für diese Wohnung in Höhe von S 650.000 (EUR 47.237,34). Die vereinbarte Ablöse wurde von der Antragstellerin auch tatsächlich bezahlt, und zwar mit einer ersten Rate von S 400.000 am 15. November 1993 und einer zweiten Rate von S 250.000 am 16. Mai 1994. Die bezeichnete Genossenschaft „F*****" schloss mit der Antragstellerin einen Mietvertrag über die Wohnung top Nr 9 beginnend mit Jänner 1994 ab.
Im Zeitpunkt der Übergabe der Wohnung an die Antragstellerin waren darin Investitionen und Inventar im Gesamtwert von EUR 12.820 vorhanden. Die Antragsgegnerin hatte bis dahin einen Tilgungsanteil von EUR 6.070,73 bezahlt.
Sowohl mit der Antragsgegnerin als auch mit der Antragstellerin wurde ein „Mietvertrag mit Kaufberechtigung" abgeschlossen, wobei die Genossenschaft als Vermieterin der jeweiligen Mieterin garantierte, dass die Eigentumsübertragung zu jedem von der Mieterin gewünschten Zeitpunkt vorgenommen werde und weiters bestätigt wurde, dass der Barkaufpreis der Wohnung im Falle eines Erwerbs als Eigentumswohnung nicht höher sein werde als der von der Mieterin für die Mietwohnung bezahlte Eigenmittelanteil laut Abrechnung mit der Wohnbauförderung des Bundeslandes Niederösterreich sowie der Umsatzsteuer bei Eigentumsbegründung, die sich laut damals geltender Gesetzeslage jährlich um 10 % reduziere und demnach nach zehn Jahren nicht mehr anfallen würde. Darüber hinaus seien die Kosten der Eigentumsübertragung wie Verfahrenskosten zur Feststellung des Nutzwertes der Wohnung sowie die Kosten für die Vertragserrichtung zu bezahlen. Auf den so berechneten Kaufpreis würden im vollen Umfang angerechnet die geleisteten Eigenmittelzahlungen sowie sämtliche bis zur Eigentumsübertragung von der Mieterin bezahlten Tilgungsanteile für das zur Finanzierung der Wohnung aufgenommene Darlehen. Bei der Eigentumsbegründung würden die bezahlten Tilgungsanteile - allerdings nur die diese selbst, nicht jedoch die Zinsenanteile - bei der Ermittlung des Kaufpreises barkaufpreismindernd berücksichtigt werden.
Für die Wohnung top 9 ergaben sich zum Stichtag 31. 12. 1993 folgende Tilgungsanteile:
Darlehensnominale laut Endabrechnung: EUR 75.032,45. Darlehensrest per 31. 12. 1993: EUR 68.961,72. Geleisteter Tilgungsanteil: EUR 6.070,73.
Bei Erwerb der Wohnung ins Eigentum durch die Antragstellerin wäre also der Tilgungsanteil von EUR 6.070,73 kaufpreismindernd angerechnet worden.
Hätte die Antragstellerin im Zeitpunkt der Übernahme der Wohnung einen Antrag auf Umwandlung ins Eigentum gestellt, wären von Seiten der Genossenschaft noch EUR 9.099,87 an bereits geleisteten Eigenmitteln barpreismindernd berücksichtigt worden. Dementsprechend hätte sich der Kaufpreis der Wohnung im Zeitpunkt der Übergabe auf EUR 70.644,39 belaufen. Der Zeitwert der Wohnung hätte zu diesem Zeitpunkt EUR 105.183,60 betragen. Die Differenz zwischen dem Verkehrswert der Wohnung und dem zu zahlenden Betrag hätte damit EUR
26.587 betragen. Der Antragsgegnerin wurden bei Mietvertragsbeendigung die von ihr geleisteten Eigenmittel unter Berücksichtigung von § 17 WGG direkt ausbezahlt. Die Antragstellerin hat die von ihr zu leistenden Eigenmittel direkt an die Genossenschaft bezahlt. Anlässlich des Abschlusses des Mietvertrages über die Wohnung bezahlte die Antragstellerin am 7. 12. 1993 S 132.425,- zuzüglich Nebengebühren an die Genossenschaft. Gemäß § 2 Abs 1 Z 8 des Bundessonderwohnbaugesetzes 1983 beträgt die Förderung für Eigentumswohnungen um 10 % weniger als die Wohnbauförderung für Mietwohnungen. Aus diesem Grund hätte sich bei einer Umwandlung der geförderten Mietwohnungen in Eigentumswohnungen für die konkrete Wohnung ein Rückzahlungsbetrag von S 60.000 ergeben. Die Antragstellerin entschloss sich nicht zum Erwerb des Eigentums an der gegenständlichen Wohnung.
Mit dem verfahrenseinleitenden Antrag vom 4. 3. 2002 begehrte die Antragstellerin insgesamt die Rückzahlung eines Betrages von EUR 34.882,96 mit der Begründung, dass der von ihr geleisteten Ablösezahlung in diesem Ausmaß keine Leistung der Vormieterin gegenübergestanden sei.
Von diesem Betrag sind noch EUR 18.168,21 Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens (rechtskräftig infolge Verjährung abgewiesen wurde bereits vom Erstgericht ein Betrag von EUR 16.414,75 sA).
Dem Begehren auf Rückzahlung von EUR 18.168,21 aus dem Rechtstitel des § 27 MRG hielt die Antragsgegnerin entgegen, sie habe der Antragstellerin die Möglichkeit vermittelt, Wohnungseigentum an der Mietwohnung preislich günstiger zu erwerben, sodass insofern das Tatbestandsmerkmal des § 27 Abs 1 Z 1 MRG nicht vorliege. Die Antragstellerin hielt dem entgegen, dass im konkreten Fall das Recht, an der Wohnung Eigentum zu erwerben, keinen Wert dargestellt habe. Die Genossenschaft habe nämlich den Erwerb von Wohnungseigentum davon abhängig gemacht, dass genügende Interessenten für eine Eigentumsbegründung vorhanden seien. Diese Interessenten seien nicht vorhanden gewesen. Überdies wäre im Zug der Eigentumsbegründung eine Rückzahlung an Wohnbauförderung von S 60.000 für die konkrete Wohnung angefallen.
Das Erstgericht setzte sich mit der Frage, inwieweit eine günstigere Erwerbsmöglichkeit für die Antragstellerin ein objektiv bewertbaren Vorteil dargestellt habe, nicht auseinander, verneinte jedoch im Ergebnis eine entsprechende Gegenleistung.
Das Rekursgericht meinte dazu, die Antragsgegnerin habe im Zeitpunkt der Ablösevereinbarung keine Rechtsstellung innegehabt, die sie zur Forderung der Differenz zwischen dem offenen Darlehensbetrag und dem Verkehrswert der Wohnung berechtigt hätte. Die Antragstellerin hätte für den Fall der Einräumung von Wohnungseigentum bloß den noch aushaftenden Darlehensbetrag übernehmen müssen. Der Verkehrswert der Wohnung sei daher ohne Bedeutung. Der objektive Nutzen für die Antragstellerin als Nachmieterin habe für den Fall eines künftigen Eigentumserwerbs nur in der Kaufpreisminderung durch die von der Antragsgegnerin bezahlten Tilgungsanteile, nicht jedoch in der Differenz zwischen dem offenen Darlehensbetrag und dem Verkehrswert der Wohnung bestanden.
Das Rekursgericht bestätigte damit den erstgerichtlichen Sachbeschluss.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsgegnerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Sachbeschlusses im Sinne einer gänzlichen Abweisung des Antrags. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Antragstellerin hat von der ihr eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht, eine Revisionsrekursbeantwortung zu erstatten, und darin beantragt, dem Revisionsrekurs der Antragsgegnerin nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin ist zulässig, weil das Rekursgericht von der zu § 27 MRG iVm § 17 WGG bestehenden höchstgerichtlichen Rechtsprechung über den objektiven Wert des Rechts, günstiger Wohnungseigentum zu erwerben, abgewichen ist. Der Revisionsrekurs ist im Sinn seines Aufhebungsantrags auch berechtigt. Bei Prüfung der Tatbestandsmerkmale des § 27 Abs 1 Z 1 MRG auf Leistungen anlässlich einer Übertragung genossenschaftlicher Nutzungsrechte an einer Wohnung und dabei vereinbarte Ablösen ist maßgeblich, ob der Leistung des neuen Mieters eine gleichwertige Gegenleistung des scheidenden Mieters gegenüber steht, was im konkreten Fall bedeuten würde, dass der die Ablöse Bezahlende eine Erwerbsmöglichkeit mit einem objektiv bewertbaren Vorteil erhält. Wurde die rechtliche Möglichkeit vermittelt, ein seitens der Genossenschaft nach Ablauf einer bestimmten Frist verbindlich zu machendes Angebot mit dem Ergebnis anzunehmen, Wohnungseigentum an der vorerst kraft Mietrechts benützten Wohnung preislich insofern günstiger zu erwerben, als bestimmte Zahlungen kaufpreismindernd zu berücksichtigen sind, so bestünde dann eine anrechenbare Gegenleistung, wenn im wirtschaftlichen Verkehr eine solche Möglichkeit objektiv Interesse findet und finanziell bewertet wird. Dabei kommt es nach ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung auf den objektiven Wert des Rechts, günstiger Wohnungseigentum zu erwerben, an und nicht schlechthin auf die Summe der vom Vormieter bezahlten Annuitäten (5 Ob 165/92 = WoBl 1994/44; 5 Ob 169/01s, 5 Ob 178/02s; RIS-Justiz RS0070226). Soweit die Antragstellerin mit einer solchen günstigeren Erwerbsmöglichkeit einen objektiv bewertbaren Vorteil erhalten hätte, läge also keine unzulässige Vermögensvermehrung bei der Antragsgegnerin und damit auch keine von § 27 Abs 1 Z 1 MRG erfasste verbotene Abslöse vor.
Dieses Verständnis steht auch mit der Judikatur in Einklang, derzufolge es im Verhältnis zwischen Vormieter und Nachmieter nur von Bedeutung ist, welcher Wert dem Nachmieter zugekommen ist und nicht, welchen Aufwand der Vormieter für die Wertbildung hatte (5 Ob 171/00h mwN = immolex 2000/204 [Kovanyi]; 5 Ob 169/01s).
Im erstinstanzlichen Sachbeschluss findet sich die Feststellung: „Die Antragstellerin hätte daher einen Vorteil von EUR 26.587 (Differenz zwischen dem wahren Wert der Wohnung und dem zu bezahlenden Kaufpreis) lukrieren können." Die Antragstellerin hat sich allerdings am Rekursverfahren nicht beteiligt. In erster Instanz hat sie diese Feststellung bestritten (AS 49). Es kann also noch nicht mit der nötigen Sicherheit davon ausgegangen werden, dass die Antragstellerin tatsächlich einen objektiv bewertbaren Vorteil in dieser Höhe erhalten hätte.
Dazu bedarf es im fortgesetzten Verfahren auch noch der Klärung der Fragen, ob die Antragsgegnerin der Antragstellerin die rechtliche Möglichkeit vermittelt hat, von der gemeinnützigen Bauvereinigung Wohnungseigentum an der kraft Mietrechts benützten Wohnung zu erwerben, ob sich diese Möglichkeit hätte realisieren lassen, wie das Kaufanbot der Genossenschaft gestaltet war und welche Bedingungen von der Antragstellerin zu erfüllen gewesen wären. In diesem Zusammenhang wird auf die kürzlich ergangene Entscheidung des erkennenden Senats zu 5 Ob 270/04y hingewiesen. Sollte sich demnach ergeben, dass der Antragstellerin tatsächlich ein objektiv bewertbarer Vorteil zugekommen ist, wäre noch jener Betrag in Abzug zu bringen, der an Wohnbauförderungsmitteln bei Umwandlung einer Mietwohnung in eine Eigentumswohnung zurückzuzahlen gewesen wäre.
Erst dann lässt sich die Frage, ob der Leistung der Antragstellerin im noch offenen Umfang von EUR 18.168,21 eine gleichwertige Gegenleistung gegenüber gestanden ist, beantworten. Das hatte zur Aufhebung der Sachbeschlüsse der Vorinstanzen zu führen.
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