OGH 6Ob311/04k

OGH6Ob311/04k17.2.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Matthias S*****, vertreten durch Dr. Michael Augustin und Mag. Peter Haslinger, Rechtsanwälte in Leoben, gegen die beklagte Partei Renate G*****, vertreten durch Mag. Gerhard Moser, Rechtsanwalt in Murau, wegen Duldung eines Wohnungsgebrauchsrechts, Bestandfreimachung und Übergabe einer Wohnung, über die ordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Berufungsgericht vom 27. September 2004, GZ 1 R 70/04t-22, womit über die Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Leoben vom 13. Jänner 2004, GZ 5 C 970/03p-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit 665,66 EUR (darin 110,94 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrt mit seiner am 10. 7. 2003 beim Erstgericht eingelangten Klage, die Beklagte 1. zur Duldung des Wohnungsgebrauchsrechts des Klägers in der im Haus der Beklagten befindlichen Wohnung im Kellergeschoss, 2. zur Bestandfreimachung dieser Wohnung und 3. zur Übergabe der Wohnung zur Ausübung des Wohnrechts des Klägers zu verpflichten. Seine Schwester (die Mutter der Beklagten) habe ihm für geleistete Umbauarbeiten das lebenslängliche Wohnrecht eingeräumt. Die Beklagte habe die Liegenschaft am 20. 10. 2000 in Kenntnis dieses Wohnrechts geschenkt erhalten.

Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klagebegehren und wandte ein, dass sie die Liegenschaft im guten Glauben lastenfrei erworben habe. Ihre Mutter habe versichert, dass die Sache mit dem Wohnrecht bereits erledigt sei. Eine Bestandfreimachung sei wegen bestehender unbefristeter Mietverträge nicht möglich.

Das Erstgericht wies die Klagebegehren ab. Von seinen Feststellungen ist hervorzuheben:

Der Kläger verrichtete im Jahr 1977 für die Beklagte Renovierungsarbeiten, für die ihm mit Vertrag vom 28. 8. 1978 ein lebenslängliches Wohnrecht an der Wohnung im Kellergeschoss eingeräumt wurde. Der Kläger verpflichtete sich, die Räume auf seine Kosten herzurichten und seiner Schwester in ihren "Nöten beizustehen". Das Wohnrecht wurde nicht verbüchert. Die zwei selbständigen Wohnungen im Haus wurden vermietet. Der Kläger wohnte nie in der Kellerwohnung. Er sprach sich gegen die Vermietung durch seine Schwester nicht aus. Mit dem Notariatsakt vom 23. 7. 1990 schenkte die Mutter der Beklagten mit Schenkungsvertrag auf den Todesfall die Liegenschaft. Die Geschenkgeberin bestätigte, dass mit Ausnahme der beiden Bestandrechte die Liegenschaft lastenfrei sei. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Beklagte keine Kenntnis vom Wohnrecht des Klägers. Von einem solchen hatte sie aber noch vor Abschluss des Notariatsakts vom 20. 10. 2000 erfahren, mit welchem der Schenkungsvertrag vom 23. 7. 1990 dahin abgeändert wurde, dass die Liegenschaft der Beklagten "schenkungshalber" übergeben wird. "Als teilweise Gegenleistung für diese Übergabe" verpflichtete sich die Beklagte zur Überlassung der Mieteinkünfte von 7.000 S monatlich an die Übergeberin und zur Bezahlung eines Übergabspreises von 316.000 S binnen zwei Wochen. Die Übergeberin übernahm die Haftung für die mit Ausnahme der Bestandrechte bestehende Lastenfreiheit der Liegenschaft. Die Parteien verzichteten auf die Anwendung der Bestimmungen der §§ 934 f ABGB, "da sie einen aus einem entgeltlichen und unentgeltlichen vermischten Vertrag schließen wollten". Anlässlich des Vertragsabschlusses vor dem Notar am 20. 10. 2000 wurde das Wohnrecht des Klägers noch einmal erörtert. Die Übergeberin erklärte, "dass das Wohnrecht erledigt sei". Die Beklagte zahlte die vereinbarten 316.000 S. Die Übergeberin erhielt nach Abschluss des Vertrags bis zum Februar 2003 die monatlichen Mieten von 7.000 S, insgesamt erhielt sie somit bis zu ihrem Tod am 15. 2. 2003 512.000 S. Das Eigentumsrecht der Beklagten wurde verbüchert. Die im Haus befindlichen zwei Wohnungen sind unbefristet vermietet.

Im Rahmen der Beweiswürdigung traf das Erstgericht noch die weitere, vom Berufungsgericht aber nicht übernommene Feststellung, dass die Mutter der Beklagten mit dem Kläger vereinbart habe, dessen Wohnrecht einvernehmlich wieder aufzulösen.

Auf diese Feststellung stützte das Erstgericht primär seine Abweisung der Klagebegehren. Es führte in rechtlicher Hinsicht überdies noch aus, dass die Beklagte die Liegenschaft im guten Glauben lastenfrei erworben habe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es beurteilte den vom Erstgericht im angeführten Ausmaß übernommenen Sachverhalt rechtlich im Wesentlichen dahin, dass ein guter Glaube der Beklagten beim Erwerb der Liegenschaft bejaht werden könne. Ein Verschulden des Erwerbers könne nicht schon dann angenommen werden, wenn er es unterlassen habe, die Richtigkeit des Grundbuchstands durch eigene Nachforschungen zu überprüfen. Eine Überprüfungspflicht bestehe nur dann, wenn ein konkreter Anlass für eine eigene Prüfung vorliege. Die Sorgfaltsanforderungen an den Erwerber dürften nicht überspannt werden. Für den mangelnden guten Glauben des Erwerbers einer Liegenschaft hinsichtlich der Freiheit von Dienstbarkeiten sei der angebliche Dienstbarkeitsberechtigte beweispflichtig. Hier habe die Beklagte auch die Zusicherung der Übergeberin über das Erlöschen des Wohnrechts des Klägers vertrauen dürfen. Sie hätte nicht auch noch Erkundigungen beim Kläger einholen müssen. Nach der Rechtsprechung könne sich nur derjenige, dem eine Liegenschaft geschenkt worden sei, nicht darauf berufen, er hätte mangels grundbücherlicher Eintragung von der Belastung der Liegenschaft nichts gewusst. Dem entgeltlichen Liegenschaftserwerber komme die negative Seite des Publizitätsgrundsatzes zugute, die das Vertrauen Gutgläubiger auf die Vollständigkeit des Buchstands stütze. Die Beklagte habe die Liegenschaft letztlich im Wege einer gemischten Schenkung, also nicht gänzlich unentgeltlich, erworben.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes insgesamt 4.000, nicht jedoch 20.000 EUR übersteige und dass die ordentliche Revision zulässig sei. Zur Frage des Vertrauensschutzes im Falle des Erwerbs einer Liegenschaft mit einem aus einem entgeltlichen und einem unentgeltlichen Teil vermischten Vertrag liege keine oberstgerichtliche Rechtsprechung vor.

Mit seiner ordentlichen Revision beantragt der Kläger die Abänderung dahin, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde, hilfsweise die Aufhebung zur Verfahrensergänzung.

Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Frage, ob der lastenfreie Erwerb einer Liegenschaft im guten Glauben auch bei unentgeltlichen Rechtsgeschäften möglich ist (dafür: M. Bydlinski in Rummel ABGB³ Rz 1 zu § 1500; Mader in Schwimann ABGB² Rz 3 zu § 1500; dagegen: SZ 62/219; 4 Ob 189/02a [abl. Vonkilch, NZ 2003, 321]), muss hier nicht weiter erörtert werden, weil die Rechtsansicht des Berufungsgerichts zutrifft, dass die Beklagte die Liegenschaft entgeltlich erworben hat.

Auf die Bezeichnung des Rechtsgeschäfts durch die Parteien kommt es nicht an (SZ 44/18; 7 Ob 587/92 uva). Entscheidend ist die Vertragsgestaltung im Einzelfall (8 Ob 667/88 mwN). Ungeachtet der Formulierungen im Notariatsakt vom 20. 10. 2000 ("schenkungshalber übergibt"; "aus einem entgeltlichen und unentgeltlichen vermischten Vertrag") sind für die Frage der Entgeltlichkeit die Gegenleistungen der Beklagten von Bedeutung.

Der "Nachtrag zum Schenkungsvertrag" vom 20. 10. 2000 ist insofern einem Übergabsvertrag im bäuerlichen Bereich vergleichbar, als die Übernehmerin neben der Zahlung eines Geldbetrages der Übergeberin auch die Einkünfte aus dem übergebenen Objekt auf Lebenszeit überließ. Das darin liegende aleatorische Moment macht das Rechtsgeschäft noch nicht insgesamt oder auch nur teilweise zu einem unentgeltlichen Rechtsgeschäft. Hätte sich die Beklagte zu einer Leibrentenzahlung von 7.000 S monatlich verpflichtet, wären auf das Rechtsgeschäft die Regeln über den Kaufvertrag und den Glücksvertrag anzuwenden (RIS-Justiz RS0019241; 1 Ob 515/94), an der Entgeltlichkeit also nicht zu zweifeln. Generell gilt, dass es bei Verträgen mit Elementen verschiedener Vertragstypen darauf ankommt, welche Elemente überwiegen. Dabei ist auf den Schuldinhalt des Vertrags abzustellen (RS0001877). Zum bäuerlichen Übergabsvertrag vertritt die Rechtsprechung die Auffassung, dass der Vertrag entgeltliche und unentgeltliche Momente enthalten kann. Das Vorliegen einer etwa für die Pflichtteilsberechnung maßgeblichen gemischten Schenkung setzt grundsätzlich ein krasses Missverhältnis des Entgelts zum wahren Wert des Übergabsobjekts voraus (RS0012971), es wird aber nicht gefordert, dass das Entgelt weniger als die Hälfte des Übernahmswerts ausmachen muss (6 Ob 126/72; 5 Ob 67/02t); damit wird der Grundsatz des Überwiegens also eingeschränkt. Hier ist der Einwand des Revisionswerbers zu untersuchen, es liege ein Liegenschaftserwerb im Wege einer gemischten Schenkung mit Überwiegen des Schenkungscharakters vor.

Der vom Revisionswerber angesprochene theoretische Fall einer "äußerst geringen Gegenleistung" ist hier nicht zu beurteilen. Die Beklagte hatte immerhin fast ein Drittel des festgestellten Verkehrswerts sofort zu bezahlen und sodann monatliche Einkünfte von 7.000 S auf Lebenszeit der Übergeberin zu überlassen, die insgesamt bis zu deren Ableben 196.000 S ausmachten. Die Übergeberin hatte also insgesamt 512.000 S erhalten. Zwar ist bei der Bewertung der vom aleatorischen Moment der Lebensdauer der Übergeberin abhängigen Gegenleistung (Mieteneinkünfte) auf den Vertragsabschluss abzustellen und es hätten diese Gegenleistungen nach versicherungsmathematischen Grundsätzen geschätzt werden müssen. Darauf hat sich der Revisionswerber, der das Überwiegen der Unentgeltlichkeit des Rechtsgeschäfts behauptet und dafür beweispflichtig ist, aber im gesamten Verfahren nicht berufen; er führt zu diesem Thema auch in der Revision nichts aus. Verfahrensergebnis ist es daher, dass zwar unter Umständen eine gemischte Schenkung, also ein vermischtes entgeltliches und unentgeltliches Rechtsgeschäft vorliegen könnte, dass aber für den Fall der Bejahung dieser Frage das Rechtsgeschäft sich schon deshalb nicht in einzelne Bestandteile zerlegen lässt, weil ein konkretes (ziffernmäßiges) Überwiegen der Unentgeltlichkeit nicht feststeht. Im Anfechtungsrecht (§ 29 KO) entscheidet in einem solchen Fall der Gesamtcharakter und der Hauptzweck des Rechtsgeschäfts über die Anfechtbarkeit (RS0018875). Dies gilt auch für die Frage der Formbedürftigkeit des Rechtsgeschäfts. Wenn die kombinierte Anwendung von Rechtsvorschriften wegen ihrer Gegensätzlichkeit ausscheidet (das wäre hier die Möglichkeit eines Gutglaubenserwerbs je nachdem, ob ein entgeltliches oder unentgeltliches Rechtsgeschäft vorliegt), ist nach der angemessensten Lösung zu suchen (SZ 65/137). Nach dem Gesamtcharakter und Hauptzweck des Vertrags ist das Rechtsgeschäft aber als entgeltliches zu qualifizieren.

Im wirtschaftlichen Ergebnis entspricht der Vertrag einem gemischten Kaufvertrag und Rentenvertrag (einem Glücksvertrag). Beide Vertragstypen sind entgeltliche Verträge. Die Parteien haben hier überdies die Anfechtung wegen Verkürzung über die Hälfte ausgeschlossen. Da entgeltliche Verträge nicht schon a priori wegen eines Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung zu unentgeltlichen Verträgen werden, ist hier trotz allenfalls gegebener Schenkungsmomente insgesamt von einem entgeltlichen Rechtsgeschäft auszugehen. Die Beklagte durfte sich daher auf ihren gutgläubigen, lastenfreien Liegenschaftserwerb berufen.

Der Revisionswerber steht auf dem Standpunkt, dass der gute Glaube der Beklagten schon deshalb nicht vorliege, weil sie sich fahrlässig nicht auch bei ihm über die Existenz eines Wohnrechts informiert habe. Dazu ist Folgendes auszuführen:

Die negative Seite des sich aus § 1500 ABGB und § 71 GBG ergebenden Publizizätsgrundsatzes schützt das Vertrauen Gutgläubiger auf die Vollständigkeit des Buchstands. Was nicht eingetragen ist, gilt dem gutgläubigen Erwerber gegenüber nicht (4 Ob 189/02a). Der redliche Erwerber wird jedoch nicht geschützt, wenn seine irrige Vorstellung auf Fahrlässigkeit beruht. Zur positiven Seite des Publizitätsgrundsatzes (Vertrauen auf die Richtigkeit des Grundbuchstandes) wird judiziert, dass die Richtigkeit der bücherlichen Eintragungen durch eigene Nachforschungen nur dann überprüft werden muss, wenn sich besondere Bedenken ergeben, also ein konkreter Anlass für eine eigene Prüfung besteht (RS0034776). Wann ein solcher Anlass gegeben ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. In der Revision wird kein triftiger Grund aufgezeigt, aus welchen Gründen die Beklagte an der Richtigkeit der Angaben ihrer Mutter über das Erlöschen des Wohnrechts des Klägers zweifeln hätte müssen. Für die Annahme einer betrügerischen Vorgangsweise der Mutter zu Lasten des Klägers lagen keine Anhaltspunkte vor. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass eine weitere Erkundigungspflicht der Beklagten auch beim Kläger eine Überspannung des Sorgfaltsmaßstabs bedeutete, ist zu billigen (vgl 6 Ob 666/85). Zu Recht führt das Berufungsgericht zu diesem Thema ins Treffen, dass die strittige Kellerwohnung vom Kläger bislang (jahrzehntelang) noch nie bewohnt wurde. Schon diesen Umstand durfte die Beklagte als Indiz für die Richtigkeit der Angaben ihrer Mutter werten.

Der Revision ist daher nicht Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO.

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