OGH 4Ob273/04g

OGH4Ob273/04g8.2.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Gitschthaler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ö***** AG, *****, vertreten durch Winkler und Heinzle, Rechtsanwaltspartnerschaft in Bregenz, wider die beklagte Partei Bayram K*****, vertreten durch Mag. Klaus P. Pichler, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen 17.521,79 EUR s.A., infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 6. September 2004, GZ 2 R 187/04y-41, womit das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 25. Mai 2004, GZ 5 Cg 56/03w-37, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 875,34 EUR (darin 243,15 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Beklagte ist ein Halbbruder von Hasan und Hüseyin P*****. Da Hasan P***** beträchtliche Schulden hatte, erklärte sich Hüseyin P***** bereit, für diesen einen Kredit aufzunehmen, um damit seine Schulden abzudecken. Hüseyin P***** fragte den Beklagten, ob dieser für ihn bürgen könne. Der Beklagte war damit einverstanden und stellte eine Lohn- und Arbeitsbestätigung sowie eine Passkopie zur Verfügung. Es kam sodann unter Mitwirkung des Kreditvermittlers Ramazan G***** zu einem Gesprächstermin bei der G***** Bank; diese Bank lehnte jedoch eine Kreditvergabe ab. Einige Tage später teilte der Kreditvermittler dem Beklagten mit, einen Kreditgeber gefunden zu haben; da das Konto seines Halbbruders überzogen sei, solle das Geld auf das Konto des Beklagten überwiesen werden. Der Beklagte war damit einverstanden. Der Kreditvermittler ersuchte einen Bekannten, sich bei Norbert R*****, einem Mitarbeiter der Klägerin, dafür einzusetzen, dass der Beklagte den Kredit auch tatsächlich bekomme, gab ihm die Daten des Beklagten bekannt und übergab ihm Arbeitsbestätigung, Lohnzettel und Passkopie des Beklagten. Weiters übergab er ihm einen Blankokreditantrag, auf dem sich eine Unterschrift befand, die zwar jener des Beklagten ähnelte, aber nicht von diesem stammte. Warum der Kreditvermittler den Beklagten als Kreditnehmer bezeichnete, konnte nicht festgestellt werden. Der Mitarbeiter der Klägerin vervollständigte den blanko unterschriebenen Kreditantrag mit den Daten des Beklagten und übersandte ihn an die Zentrale. Der Kreditantrag über 16.000 EUR wurde von der Klägerin bewilligt. Am 12. 6. 2002 wurde die Kreditvaluta entsprechend der Angabe des Kreditvermittlers mit einem Teilbetrag von 14.905,58 EUR auf ein Konto des Beklagten bei dessen Bank überwiesen; der Restbetrag wurde an eine andere Bank überwiesen, um dort eine Restschuld des Beklagten abzudecken. Der Kreditvermittler teilte dem Beklagten mit, dass der Kredit bewilligt worden sei und das Geld auf sein Konto überwiesen werde; es sei ein Kredit von 16.000 EUR vereinbart worden, mit einem Betrag von 1.000 EUR sei seine Restschuld bei der D***** Bank gedeckt worden. Der Beklagte solle 15.000 EUR abheben. Am 14. 6. 2002 sprach der Beklagte bei seiner Hausbank vor und teilte mit, dass sein Bruder Geld aufgenommen habe; er fragte nach, ob dieses schon auf seinem Konto sei. Er erhielt die Auskunft, dass das Geld noch nicht auf seinem Konto sei, er es jedoch schon beheben könne. Obwohl der Beklagte keine Bürgschaftserklärung und auch keinen Kreditantrag unterschrieben hatte, obwohl das Geld noch nicht auf seinem Konto war und obwohl er seinem Halbbruder nicht traute, behob er 15.000 EUR und übergab diesen Betrag seinem Halbbruder. Der Halbbruder ist bereit, dem Beklagten das ihm übergebene Geld zurückzuzahlen, falls der Beklagte gegenüber der Bank zahlungspflichtig ist; ob er zur Rückzahlung in der Lage sein wird, konnte nicht festgestellt werden.

Die Klägerin begehrte 17.521,79 EUR sA. Sie habe dem Beklagten vereinbarungsgemäß Kredit gegen Ratenzahlung gewährt. Infolge Zahlungsverzugs sei der eingeklagte Saldo fällig. Sollte der Beklagte den Kreditantrag nicht unterschrieben haben, sei er um 16.000 EUR ungerechtfertigt bereichert. Ein allfälliger Schadenersatzanspruch des Beklagten sei unbegründet; das Wertpapieraufsichtsgesetz sei nicht auf Verbraucherkredite anwendbar und enthalte keine Verpflichtung, dass der Kunde bei Geschäftsabschluss persönlich anwesend sein müsse. Zum Zeitpunkt der Kreditgewährung und Auszahlung im Juni 2002 habe keine Pflicht zur Vorlage eines amtlichen Lichtbildausweises bestanden.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Er habe mit der Klägerin keinen Kreditvertrag geschlossen. Es sei vereinbart gewesen, dass das Geld auf sein Konto überwiesen werde, weil das Konto seines Halbbruders im Minus gewesen sei. Er habe das Geld bar von seinem Konto behoben und es seinem Halbbruder in der Meinung gegeben, dass dieser Kreditnehmer sei. Die Klägerin habe gegen die Sorgfaltspflichten und Wohlverhaltensregeln nach dem Wertpapieraufsichtsgesetz verstoßen. Dies begründe einen Schadenersatzanspruch des Beklagten in Höhe der Klagsforderung, der aufrechnungsweise eingewendet werde.

Das Erstgericht sprach aus, dass die Klagsforderung mit 15.600 EUR sA zu Recht bestehe, die Gegenforderung nicht zu Recht bestehe, und verpflichtete den Beklagten zur Zahlung von 15.600 EUR sA. Die Klägerin könne ihr Begehren nicht auf einen Kreditvertrag stützen, habe an den Beklagten aber aufgrund eines vermeintlichen Darlehensverhältnisses geleistet. Sie habe damit eine Nichtschuld erfüllt und könne ihre Leistung aus dem Titel der Bereicherung zurückfordern. Die Klägerin habe 14.905,58 EUR auf das Konto des Beklagten überwiesen; dass der Beklagte diesen Betrag in der Folge behoben und seinem Bruder weitergegeben habe, führe nicht zum Entfall des Bereicherungsanspruchs. Der an die D***** Bank überwiesene Betrag sei dem Beklagten sogar direkt zugute gekommen. Das Wertpapieraufsichtsgesetz sei auf Verbraucherkredite nicht anwendbar, weshalb die Gegenforderung nicht zu Recht bestehe.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach - auf Antrag des Beklagten gem § 508 Abs 1 ZPO - aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei; es sei eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, ob ein bereicherungsrechtlicher Rückforderungsanspruch der Klägerin daran scheitere, dass sie sich von der Identität des Beklagten nicht überzeugt habe. Die Klägerin habe sich zwar nicht von der Identität des ihr genannten Kreditnehmers überzeugt und ihn etwa vorgeladen; dass diese Unterlassung für einen allfälligen Schaden des Beklagten kausal gewesen wäre, habe der Beklagte aber nicht bewiesen. Nach den Feststellungen, könne der Beklagte nämlich auch gewusst haben, dass auf dem Kreditantrag seine Unterschrift nachgemacht wurde und er daher für die Klägerin als Kreditantragsteller erscheinen habe müssen. Diesfalls hätte es auch nichts geändert, wenn die Klägerin ihn vorgeladen hätte, um sich davon zu überzeugen, ob er tatsächlich Kreditnehmer sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist unzulässig; entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichts hängt die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ab.

Der Beklagte wirft in seinem Rechtsmittel die Frage auf, ob der Klägerin auf Grund der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der österreichischen Kreditinstitute eine Verletzung von Schutz-, Sorgfalts- und Aufklärungspflichten deshalb anzulasten sei, weil sie einen [vermeintlich vom Beklagten unterfertigten] Kreditantrag genehmigt und den Kreditbetrag an den Beklagten ausgezahlt habe, ohne mit ihm je persönlich in Kontakt getreten zu sein; ihre sich aus diesem Verhalten ergebende fehlende Schutzwürdigkeit führe gemäß § 1432 ABGB zum Verlust ihres bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruchs.

Dem ist entgegenzuhalten, das § 1432 ABGB einen Rückforderungsanspruch in besonderen Fällen (verjährte, formungültige, unklagbare und in Kenntnis der Nichtschuld geleistete Zahlung) verneint; es ist dies aber keine Norm, die ganz allgemein einen Rückforderungsanspruch bei mangelnder Schutzwürdigkeit ausschließt. Die Verletzung von Schutz- und Sorgfaltspflichten kann daher allenfalls einen Schadenersatzanspruch begründen, nicht aber zur Abweisung des Begehrens nach § 1432 ABGB führen. Seinen Schadenersatzanspruch hat der Beklagte in erster Instanz ausschließlich auf einen behaupteten Verstoß der Klägerin gegen Sorgfaltspflichten und Wohlverhaltensregeln nach dem Wertpapieraufsichtsgesetz (WAG) gestützt (Streitverhandlung am 22. 1. 2004, ON 30 S. 13), auf den er im Revisionsverfahren infolge des beschränkten Anwendungsbereichs dieses Gesetzes (gem § 11 Abs 1 WAG iVm § 1 Abs 1 BWG fallen Kreditgeschäfte nicht darunter) zutreffend nicht mehr zurückkommt. Was der Beklagte getan hätte, hätte die Klägerin mit ihm Kontakt aufgenommen, hat er nicht gesagt. Einen Schadenersatzanspruch aufgrund der Verletzung von Schutz- und Sorgfaltspflichten und auch die Kausalität einer solchen Verletzung für einen ihm entstandenen Schaden (nach den erstgerichtlichen Feststellungen ist noch keineswegs sicher, dass sein Halbbruder nicht in der Lage sein wird, das ihm vom Beklagten übergebene Geld zurückzuzahlen) hat der Beklagte daher in erster Instanz nicht behauptet. Soweit er nunmehr etwas anderes behauptet (oder in der Berufung behauptet hat), übersieht er, dass ihm im Rechtsmittelverfahren die Erhebung neuer Einwendungen versagt ist (§§ 482, 504 Abs 2 ZPO).

Entgegen seiner Auffassung ist nicht zweifelhaft, dass der Beklagte im Verhältnis zur Klägerin als Leistungsempfänger zu beurteilen und damit im Verfahren über die Leistungskondiktion passiv legitimiert ist. Wer rückstellungspflichtiger Leistungsempfänger ist, hängt davon ab, auf welchen Rechtsgrund hin der rückforderungsberechtigte Leistende seine Leistung erbringen wollte (RIS-Justiz RS0020192 [T6]). Es muss also gefragt werden, wer nach der Zweckvereinbarung Leistender und wer Leistungsempfänger sein sollte (4 Ob 2021/96a = SZ 69/89 mwN). Die Absicht des Leistenden ist dabei - wie bei rechtsgeschäftlichen Willenserklärungen - vom Empfängerhorizont aus festzustellen (Koziol/Welser12 II 269; RIS-Justiz RS0020192 [T2]). Dass die den Kreditbetrag überweisende Bank ein Verhalten gesetzt hätte, aus dem der Beklagte den Schluss hätte ziehen dürfen, das auf sein Konto angewiesene Geld stehe in Wahrheit seinem Halbbruder als Kreditnehmer der Bank zu, während dem Beklagten nur die Funktion einer Zahlstelle (und eines Bürgen) zukommen solle, wurde weder behauptet, noch ist solches dem Sachverhalt zu entnehmen. Dazu kommt, dass der Beklagte das seinem Halbbruder übergebene Geld zu einem Zeitpunkt von seinem Konto abgehoben hat, als der vermeintliche Kreditbetrag dort noch gar nicht eingelangt war. Auch aus diesem Grund kann keine Rede davon sein, dass das Geld der Klägerin nicht dem Beklagten, sondern seinem Halbbruder zugeflossen sei. Die Klägerin hat damit ihre fehlgeschlagene Leistung zu Recht vom Beklagten zurückverlangt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1, § 50 Abs 1 ZPO. Da die Klägerin in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen hat, diente ihr Schriftsatz der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung.

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