OGH 10ObS191/04t

OGH10ObS191/04t25.1.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Schramm sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Carl Hennrich (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Rudolf Schallhofer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Rosa R*****, vertreten durch Dr. Reinhard Tögl Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Graz, gegen die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, Adalbert-Stifter-Straße 65, wegen Witwenrente, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 14. Oktober 2004, GZ 7 Rs 98/04t-10, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 16. Juni 2004, GZ 30 Cgs 79/04y-6, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die am 13. 3. 1944 geborene Klägerin bezieht gemäß § 215 Abs 3 ASVG eine Witwenrente in Höhe von 20 vH der Bemessungsgrundlage ihres an den Folgen eines Arbeitsunfalls vom 7. 6. 1982 am 30. 7. 1982 verstorbenen geschiedenen Ehemanns. Es ist nicht strittig, dass die Klägerin nicht zu den iSd § 215 Abs 4 ASVG begünstigten früheren Ehefrauen zählt, weil sie die in dieser Gesetzesstelle für die Begünstigung normierten Voraussetzungen nicht erfüllt. Die Klägerin begehrte, die Witwenrente gemäß § 215 Abs 2 ASVG auf 40 vH der Bemessungsgrundlage zu erhöhen, weil sie das 60. Lebensjahr vollendet habe. Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab.

Die Revisionswerberin bestreitet in ihrer außerordentlichen Revision nicht, dass die Abweisung der Gesetzeslage entspricht, weil - wie der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 10 ObS 180/03y dargelegt hat - die in § 215 Abs 2 ASVG geregelte Verdoppelung der nach Abs 1 dieser Gesetzesstelle gebührenden Witwenrente nur auf den Fall anzuwenden ist, dass die Ehe zum Zeitpunkt des (durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit verursachten) Todes des Versicherten aufrecht ist, während die Höhe der Witwenrente der nichtbegünstigten früheren Ehefrau des Versicherten gemäß § 215 Abs 3 ASVG mit 20 vH der Bemessungsgrundlage begrenzt ist und bleibt. Der Oberste Gerichtshof hat in der genannten Entscheidung bereits ausgesprochen, dass im Leistungsrecht der Sozialversicherung bei von einem Ehepartner abgeleiteten Ansprüchen die Differenzierung zwischen Personen, deren Ehe aufrecht ist, und solchen, deren Ehe geschieden worden ist, sachlich gerechtfertigt ist.

Die Zulässigkeit der außerordentlichen Revision begründet die Revisionswerberin damit, dass bisher nicht geprüft worden sei, ob eine derartige Differenzierung nach dem Familienstand dem Diskriminierungsverbot des Art 14 EMRK und des Art 4 der Gleichbehandlungsrichtlinie 79/7/EWG entspreche. Tatsächlich liege eine nach diesen Bestimmungen verbotene Diskriminierung nach dem Familienstand vor.

Mit ihren Ausführungen zeigt die Revisionswerberin keine iSd § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage auf:

Die Richtlinie des Rates vom 19. 12. 1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes zur Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit, 79/7/EWG, gilt nach der ausdrücklichen Anordnung in ihrem Art 3 Abs 2 nicht für Regelungen betreffend Leistungen für Hinterbliebene.

Zum behaupteten Verstoß des § 215 ASVG - offenbar in seiner Gesamtheit - gegen Art 141 EG ist festzuhalten, dass die Revisionswerberin selbst davon ausgeht, dass es sich bei der Unfallversicherung nach dem ASVG um ein gesetzliches System iSd RL 79/7/EWG handelt, das Schutz gegen die Risken eines Arbeitsunfalls und einer Berufskrankheit bietet. Fragen solcher gesetzlicher Systeme der sozialen Sicherheit nimmt die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften beginnend mit dem Urteil Rs 80/70, Defreme I, Slg 1971, 445 vom Anwendungsbereich des Art 141 EG (ex-Art 119 EGV) jedoch aus (Rust in von der Groeben/Schwarze, Kommentar zum Vertrag über die Europäische Union und zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft6 Art 141 Rz 40, 62 ff; Steinmeyer in Fuchs, Kommentar zum europäischen Sozialrecht3 Art 141 Rz 25 ff).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ergänzt Art 14 EMRK die anderen materiellen Bestimmungen der Konvention und der Zusatzprotokolle. Er hat keine eigenständige Existenz, weil er nur in Bezug auf "den Genuss der Rechte und Freiheiten" wirksam ist, die durch diese Bestimmung geschützt werden. Obwohl die Anwendung des Art 14 EMRK keine Verletzung dieser Bestimmungen voraussetzt - und in diesem Ausmaß ist er autonom - kann es keinen Raum für seine Anwendungen gegeben, wenn nicht der in Rede stehende Sachverhalt in den Anwendungsbereich einer oder mehrerer dieser Bestimmungen fällt (vgl ua EGMR, Urteil vom 16. 9. 1996, 39/1995/545/631, Gaygusuz, = ÖJZ 1996/37 [MRK]; Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention § 26 Rz 1 ff). Im Rechtsmittel wird nicht ausgeführt, dass der vorliegende Sachverhalt in den Anwendungsbereich einer oder mehrerer Bestimmungen der EMRK oder der Zusatzprotokolle fällt.

Mangels einer iSd § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfrage war daher die außerordentliche Revision zurückzuweisen.

Stichworte