Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die am 9. 6. 1940 geborene Klägerin hat am 4. 4. 1965 die Ehe mit Hans Joachim S*****, geb. am 12. 2. 1941, geschlossen. Die Ehe wurde mit Beschluss des Landesgerichts für ZRS Wien vom 23. 3. 1979 im Einvernehmen geschieden. Die Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses wurde am 30. 5. 1979 bestätigt.
Die Klägerin und Dr. Hans Joachim S***** haben am 23. 3. 1979 vor dem Landesgericht für ZRS Wien einen Vergleich geschlossen, in dem sich der geschiedene Ehemann der Klägerin ab 1. 4. 1979 zu einer monatlichen Unterhaltszahlung von 7.000 S, 12-mal jährlich, verpflichtete.
Dr. Hans Joachim S***** verstarb am 24. 7. 1984 an den Folgen eines am 17. 6. 1984 erlittenen Arbeitsunfalls. Mit Bescheid vom 19. 9. 1984 gewährte die beklagte Allgemeine Unfallversicherungsanstalt der Klägerin eine Witwenrente im Ausmaß von jährlich 20 vH der Bemessungsgrundlage des Versicherten und den hinterbliebenen Waisen eine Waisenrente im selben Ausmaß.
Mit Schreiben vom 5. 6. 2002 begehrte die Klägerin die Erhöhung der Witwenrente auf ein Ausmaß von 40 vH aufgrund der zwischenzeitigen Erreichung des 60. Lebensjahres.
Mit einem als Bescheid anzusehenden Schreiben vom 10. 6. 2002 lehnte die beklagte Partei dieses Begehren mit der Begründung ab, dass die Leistung an die geschiedene Witwe mit 20 vH der Bemessungsgrundlage des Versicherten (jährlich) begrenzt sei. Somit sei eine Erhöhung der Witwenrente mit Vollendung des 60. Lebensjahres für frühere Ehepartner nicht möglich. § 215 Abs 2 ASVG beziehe sich nur auf die Witwe, deren Ehe zum Todeszeitpunkt noch aufrecht gewesen sei.
Das Erstgericht wies das dagegen erhobene, auf Zahlung einer Witwenrente in der Höhe von 40 vH der Bemessungsgrundlage des Versicherten gerichtete Klagebegehren ab. Nach § 215 Abs 2 ASVG stehe eine Witwenrente von 40 vH der Bemessungsgrundlage den in § 215 Abs 1 ASVG genannten Personen zu. Dabei handle es sich um Witwen bzw Witwer, die zum Todeszeitpunkt mit dem Versicherten in aufrechter Ehe gelebt hätten. Diese Voraussetzung treffe bei der Klägerin nicht zu. Im Übrigen begrenze § 215 Abs 3 ASVG die Witwenrente für geschiedene Ehepartner mit 20 vH der Bemessungsgrundlage.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Betrachte man die Regelungen der Absätze 1 - des § 215 ASVG in ihrem Zusammenhang, ergebe sich klar, dass nach § 215 Abs 3 ASVG geschiedenen Ehegatten nur die Rente nach § 215 Abs 1 ASVG unter den dort genannten Bedingungen gebühren solle, somit nur eine Witwenrente von 20 vH der Bemessungsgrundlage. Dies stimme auch mit § 215 Abs 3 ASVG überein, wonach die Witwen(Witwer-)rente 20 vH der Bemessungsgrundlage des (der) Versicherten nicht übersteigen dürfe. Nach § 215 Abs 4 ASVG sei der vorletzte und letzte Satz des § 215 Abs 3 ASVG unter gewissen Voraussetzungen nicht anzuwenden, somit auch nicht die Bestimmung, dass die Witwenpension 20 vH der Bemessungsgrundlage nicht übersteigen dürfe. Eine der dazu erforderlichen Voraussetzungen sei jedoch, dass der Arbeitsunfall, durch den der Tod des Versicherten verursacht worden, im Zeitpunkt der Rechtskraft des Scheidungsurteiles bereits eingetreten gewesen sei (§ 215 Abs 4 lit d ASVG). Diese Voraussetzung sei im gegenständlichen Fall jedoch nicht gegeben, da der Arbeitsunfall erst nach Rechtskraft der Scheidung eingetreten ist. Die Ehe sei im März 1979 rechtskräftig geschieden worden, der Arbeitsunfall habe sich erst am 17. 6. 1984 ereignet. Daraus folge, dass für die Klägerin nur eine Witwenrente von 20 vH der Bemessungsgrundlage in Frage komme.
Die ordentliche Revision sei zulässig, da eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu der zu lösenden Rechtsfrage fehle. Auch wenn eine erhebliche Rechtsfrage dann zu verneinen sei, wenn das Gesetz eine klare Regelung treffe, sei im vorliegenden Fall eine andere Interpretation der gesetzlichen Bestimmungen nicht gänzlich auszuschließen.
Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im klagsstattgebenden Sinn.
Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Die Revision ist nicht berechtigt.
In der Revision nimmt die Klägerin den Standpunkt ein, § 215 Abs 2 ASVG beschränke die Erhöhung der Witwenrente nicht dezidiert auf jene Frauen, die zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten mit diesem in aufrechter Ehe gelebt hätten. Hätte der Gesetzgeber diesen Personenkreis von der Erhöhung der Rente ausschließen wollen, hätte er dies explizit in § 215 Abs 2 ASVG zum Ausdruck bringen müssen. Durch die vom Berufungsgericht vorgenommene Interpretation der Rechtsfrage würden zwei Klassen von hinterbliebenen Anspruchsberechtigten geschaffen, was gleichheitswidrig sei und nicht im Sinne des Gesetzgebers gewesen sein könne.
Rechtliche Beurteilung
§ 215 Abs 1 und 2 ASVG sehen die Grundregeln für die Höhe der Witwen(Witwer)rente vor. Der Witwe bzw dem Witwer gebührt nach Abs 1 eine Rente von jährlich 20 vH der Bemessungsgrundlage des Versicherten; unter bestimmten Voraussetzungen sieht Abs 2 eine Verdopplung vor.
Aus dem Inhalt des § 215 Abs 3 ASVG ergibt sich klar, dass die Abs 1 und 2 nur auf den Fall anzuwenden ist, dass die Ehe zum Zeitpunkt des (durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit verursachten) Todes des Versicherten aufrecht ist. Für den Fall, dass die Ehe bereits vor dem Tod des Versicherten aufgelöst worden ist, sieht Abs 3 eine Sonderregelung vor. Demnach gebührt unter ganz bestimmten Voraussetzungen, insbesondere dass zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten von diesem Unterhalt zu leisten war oder Unterhalt geleistet wurde, die Rente nach Abs 1. Auch für die Höhe der Rente sieht Abs 3 insoweit eine Sonderregelung vor, als sie mit der Höhe des Unterhaltsanspruchs bzw des tatsächlich durchschnittlich geleisteten Unterhalts begrenzt ist; außerdem darf sie 20 vH der Bemessungsgrundlage des Versicherten nicht übersteigen. Wieder unter ganz bestimmten, im vorliegenden Fall nicht relevanten Umständen ist die Begrenzung der Höhe bei "begünstigten Witwen (Witwern)", deren Ehe nach § 55 EheG geschieden wurde, nicht anzuwenden. Dies ist damit zu erklären, dass bei einem Scheidungsurteil, das einen Ausspruch nach § 61 Abs 3 EheG enthält, die geschiedene Gattin im Unterhaltsrecht und der Hinterbliebenenversorgung so zu behandeln ist als wäre die Ehe aufrecht geblieben (Schrammel in Tomandl, SV-System, 8. ErgLfg 125).
Neben den schon von den Vorinstanzen dargelegten Argumenten zeigen gerade die Existenz und der Regelungsinhalt des § 215 Abs 4 ASVG deutlich, dass § 215 Abs 2 ASVG nicht generell anwendbar ist, selbst wenn die Ehe bereits vor Eintritt des Versicherungsfall geschieden wurde. Da auf die Klägerin der Sonderfall des § 215 Abs 4 ASVG nicht zutrifft, ist § 215 Abs 2 ASVG für sie nicht anwendbar.
Dass dadurch "zwei Klassen von hinterbliebenen Anspruchsberechtigten" geschaffen werden, macht die Regelung nicht per se gleichheitswidrig, wie offenbar die Klägerin meint. Ebenso wie die Parallelregelung des § 264 Abs 10 ASVG ist die unter bestimmten Voraussetzungen gewährte Besserstellung einer nach § 55 EheG geschiedenen Witwe (bzw eines Witwers) sachlich gerechtfertigt, weil in diesem Fall die Ehe auch gegen den Willen eines der Ehepartner ohne dessen Verschulden geschieden werden kann. Dass im Leistungsrecht der Sozialversicherung bei von einem Ehepartner abgeleiteten Ansprüchen zwischen Personen, deren Ehe aufrecht ist, und solchen, deren Ehe geschieden worden ist, differenziert werden darf, ist selbstverständlich sachlich gerechtfertigt; dies wurde bislang auch nie in Zweifel gezogen.
Da die Vorinstanzen zu Recht die Voraussetzungen für die begehrte Erhöhung der Witwenrente verneint haben, ist der Revision ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.
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