Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit 2.757,06 EUR bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin 765,85 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Klägerin ist die gesetzliche Interessenvertretung der in der Steiermark tätigen Ärzte.
Die Beklagte verfügt über keine ärztliche Ausbildung; sie ist Inhaberin des Gewerbes der „Massage gemäß § 124 Z 12 GewO 1994 idgF, eingeschränkt auf die klassische Massage und die Akupunktmassage nach Penzel". Zur Erlangung der Gewerbeberechtigung legte sie bei der Wirtschaftskammer Steiermark eine Prüfung über (ua) die Akupunktmassage nach Penzel ab. Es war dies die einzige asiatische Massagetechnik, die damals geprüft wurde. Sowohl der Innungsmeister für Fußpfleger und Masseure der Wirtschaftskammer als auch der Gewerbereferent der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde bestätigten der Beklagten, dass sie damit auch zur Ausübung der von ihr erlernten, damals aber noch nicht geprüften asiatischen Massagearten berechtigt sei. Die Beklagte hat eine Ausbildung absolviert, bei der die asiatischen Massagetechniken Tuina und Physioakupunkttherapie gelehrt wurden.
Die Beklagte bietet im Rahmen ihrer Tätigkeit das Behandlungskonzept der Physikopraktik an. Deren drei tragende Elemente sind die Tuina-Massage, die Kinder-Tuina-Massage und die Physioakupunkttherapie. Dabei werden Erkenntnisse der westlich-physikalischen Therapie und der traditionellen chinesischen Medizin (idF: TCM) kombiniert. Jede Behandlung beginnt mit einer Befundaufnahme nach der TCM, einerseits um Kranke oder an sonstigen Störungen Leidende an einen Arzt weiterverweisen zu können, andererseits um den Einsatz der verschiedenen asiatischen Techniken festzulegen. Die Befundung ermöglicht es der Beklagten, den energetischen Zustand eines oder mehrerer Organkreisläufe einzuschätzen. Sie dient aber nicht dazu, eine Krankheit im schulmedizinischen Sinn abzuklären. Welche Behandlungstechnik die Beklagte anwendet, hängt von der Symptomatik ab. Die Behandlung soll energetische Ungleichgewichte der Organfunktionskreisläufe ausgleichen.
Im Wartebereich der Praxis der Beklagten wird auf einem Aushang in Größe eines DIN-A4-Blattes darauf aufmerksam gemacht, „dass wir keine ärztlichen Tätigkeiten entfalten und unsere Behandlungen nicht den Besuch beim Arzt ersetzen!". Der Aushang dient der Klarstellung. Die Beklagte ist sich der Notwendigkeit bewusst, ihre Tätigkeit gegenüber der Schulmedizin abzugrenzen; sie versteht ihr Handeln dazu komplementär.
Am 20. 5. 2003 suchte ein Ermittler die Praxis der Beklagten auf, um im Auftrag der Klägerin als Testperson Erhebungen durchzuführen. Der Ermittler beantwortete die Frage der Beklagten nach Beschwerden wahrheitsgemäß damit, dass er an einem Augenbrennen leide. Daraufhin fragte ihn die Beklagte, ob er schon einen Allergietest habe durchführen lassen. Unter Hinweis auf die Notwendigkeit einer ärztlichen Abklärung forderte ihn die Beklagte auf, einen Arzt zu konsultieren.
Die Beklagte erklärte dem Ermittler, eine Befundung auf Basis der TCM vorzunehmen und stellte ihm Fragen über Sehvermögen, Kopfschmerzen, Vitalität, trockenen Mund, Durstgefühl, Sodbrennen, Verdauung, Ernährung, Stuhlgang, Operationen und Rauchen. Die Beklagte meinte, es könne ein Problem bei der Leber geben. Aus Verständnisgründen nannte die Beklagte dabei das dem Funktionskreislauf zugeordnete Organ und verwendete nicht den Begriff „Holz" der TCM, der auch Sehnen, Augen, Koordinationsfähigkeit beschreibt. Die Beklagte klärte den Ermittler darüber auf, dass ihre Aussagen nicht schulmedizinisch zu verstehen seien und die Nennung eines Organfunktionskreislaufes keine Krankheit dieses Organs im pathologischen Sinn bedeute. Die Beklagte entschied sich für die Durchführung einer Akupunkttherapie. Zu diesem Zweck zeichnete sie mit einem Magnetstab bestimmte Stellen am Körper des Ermittlers nach - anfangs rund um die Augen, später nach der Messung des Pulses an beiden Händen vom Fuß bis zu den Handflächen - und setzte durch Einstechen (nicht subkutan) Akupunkte. Dabei forderte die Beklagte den Ermittler auf, ihr zu sagen, wenn es schmerzt; dies war im Bereich der Operationsnarben auch tatsächlich der Fall. Die Beklagte erklärte, der Ermittler habe kalte Hände und Füße, somit Durchblutungsstörungen, auch im Bereich der Narben. Sie müsse diese entstören. In der Folge fuhr sie mit einem „Sonoturgerät" rund um die Narben, an gewissen Stellen blieb sie stehen. Der Ermittler verspürte dabei ein brennendes Gefühl, manchmal in der Art von Nadelstichen. Nach dem Ende der Behandlung bot die Beklagte dem Ermittler eine vierteilige Therapie für einen Energieausgleich durch Ernährungsberatung, Augenmassage und Narbenentstörung an.
Die Klägerin begehrt zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs das Durchführen von Untersuchungen auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen von körperlichen und/oder psychischen Krankheiten und/oder Störungen, und/oder das Durchführen und/oder Anbieten von Heilbehandlungen der vorgenannten Zustände, dies insbesondere durch energetische Verrichtungen im Zusammenhang mit Leber- und Augenerkrankungen, zu unterlassen. Durch das Befragen des Ermittlers nach körperlichen Krankheitssymptomen, deren Diagnose und Behandlung habe die Beklagte eine den Ärzten vorbehaltene Tätigkeit ausgeübt. Diese Tätigkeit sei durch den Gewerbeschein der Beklagten nicht gedeckt. Die Beklagte verstoße damit gegen §§ 2 ff ÄrzteG 1998 und handle auch sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG. Gleichzeitig verstoße sie auch gegen § 2 UWG, weil sie den mündigen und verständigen Verbraucher über ihre medizinische Berechtigung und Qualifikation in die Irre führe. Die Beklagte beantragt, den Sicherungsantrag abzuweisen. Personen, die, wie die Beklagte, die Gewerbeberechtigung für gewerbliche Masseure vor dem 29. 1. 2003 (Inkrafttreten der Massageverordnung BGBl II 2003/68) erlangt haben, seien ohne Einschränkung berechtigt, asiatische Massagetechniken anzuwenden. Die von der Beklagten im Rahmen der Physiopraktik erbrachten Dienstleistungen griffen daher nicht in den Vorbehaltsbereich der Ärzte ein. Die Beklagte habe nur eine Befundung im Rahmen der TCM durchgeführt und keine Diagnose im Sinne des Ärztegesetzes erstellt. Ihre Behandlung habe der beim Ermittler bestehenden Störung im energetischen Organfunktionskreislauf gedient. Die Beklagte habe aber jedenfalls aufgrund der ihr erteilten Auskünfte annehmen dürfen, dass die von ihr ausgeübten Tätigkeiten von ihrer gewerberechtlichen Befugnis gedeckt seien. Ihre Rechtsauffassung sei mit guten Gründen vertretbar. Ihre Kunden würden auch nicht irregeführt. Die Beklagte weise durch den Aushang und auch mündlich darauf hin, keine ärztliche Tätigkeit auszuüben und die Behandlung durch Ärzte nicht zu ersetzen, sondern begleitend und vorbeugend tätig zu werden.
Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Die Beklagte habe sich nicht wettbewerbswidrig verhalten, da sie den Ermittler ausreichend aufgeklärt habe. Die Behandlung des Ermittlers sei zwar im Zusammenhang mit einer körperlichen Störung erfolgt. Die Beklagte weise ihre Besucher aber schriftlich und mündlich darauf hin, keine ärztliche Tätigkeit zu entfalten. Sie habe auch im konkreten Fall durch weitere Erläuterungen deutlich gemacht, dass ihre „Untersuchung" und „Behandlung" keine Diagnose und Therapie im medizinischen Sinn seien, sondern (komplementär) auf einer energetischen Ebene wirksam würden. Sie habe den Ermittler auch zur schulmedizinischen Abklärung seiner Beschwerden aufgefordert. Die Beklagte habe damit den Eindruck vermieden, ein Besuch bei ihr ersetze einen Arztbesuch. Damit könne keine Rede davon sein, dass sie sich durch das beanstandete Verhalten einen Wettbewerbsvorteil zu Lasten der Ärzte verschaffe. Aus dem gleichen Grund liege auch kein Verstoß gegen § 2 UWG vor.
Das Rekursgericht erließ die einstweilige Verfügung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Die Beklagte erwecke mit der auf die TCM gegründeten Tätigkeit den Eindruck, sie dürfe TCM ausüben, auch wenn sie darauf hinweise, keine Ärztin zu sein. Da die Untersuchungen und Heilbehandlungen der Beklagten auf ein konkretes Krankheitsbild abgezielt hätten, reichten die mündlichen und schriftlichen Hinweise nicht aus, um den Gesetzesverstoß zu beseitigen. Die verschiedenen Säulen der TCM (Akupunktur, Tuina und Hydrotherapie) fielen in den Vorbehaltsbereich der Ärzte, wenn sie an kranken Menschen angewandt würden. Die Beklagte sei als Masseurin nicht berechtigt, an kranken Menschen tätig zu werden. Insgesamt sei das Verhalten der Beklagten geeignet gewesen, den Ermittler davon abzuhalten, einen Arzt aufzusuchen, da die Beklagte bei ihm den Eindruck hinterlassen habe, ihre „Therapie" könne seine Krankheit heilen.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diesen Beschluss gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs der Beklagten ist zulässig und berechtigt. Die Beklagte ist aufgrund der ihr erteilten Gewerbeberechtigung berechtigt, asiatische Massagetechniken, wie die Akupunktmassage nach Penzel und die Tuina-Massage, anzuwenden. Diese Massagetechniken verbinden Erkenntnisse der westlich-physikalischen Therapie mit Erkenntnissen der TCM, was sich vor allem in einer der eigentlichen Behandlung vorangestellten Befundung im Sinne der TCM zeigt. Damit werden Störungen des Befindens erhoben, um sie in der Folge energetisch zu behandeln. Die Beklagte macht geltend, damit keine dem Arzt vorbehaltene Tätigkeit auszuüben.
Dem Arzt vorbehalten ist jede auf medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen begründete Tätigkeit, die unmittelbar am Menschen oder mittelbar für den Menschen ausgeführt wird, wie insbesondere die Untersuchung auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen von körperlichen und psychischen Krankheiten oder Störungen, von Behinderungen oder Missbildungen und Anomalien, die krankhafter Natur sind, und die Behandlung solcher Zustände (§ 2 Abs 2 Z 1 und 3 ÄrzteG). Die Ausübung des ärztlichen Berufs umfasst damit die Summe der den Ärzten vorbehaltenen Tätigkeiten, die ihrerseits im Wesentlichen durch zwei Merkmale umschrieben sind: durch die wissenschaftliche Begründung der angewandten Methoden und die Zugehörigkeit zur medizinischen Wissenschaft. Wissenschaftliche Begründung bedeutet die rational nachvollziehbare und überprüfbare Ableitung der Erkenntnisse aus empirisch nachweisbaren oder offen gelegten hypothetischen Prämissen durch adäquate Methoden; die Zugehörigkeit zur medizinischen Wissenschaft kann anhand des Fächerkanons der medizinischen Ausbildung erschlossen werden (s Mazal, Krankheitsbegriff und Risikobegrenzung 246 ff, Heilegger, Ärztlicher Vobehaltsbereich und Alternativmedizin: Versuch einer Ab- und Eingrenzung, RdM 1999, 135; Aigner/Kierein/Kopetzki, Ärztegesetz 1998², 3 mwN). Ob eine Tätigkeit den Ärzten vorbehalten ist, kann in verschiedenen Zusammenhängen eine Rolle spielen. Herausgegriffen seien die disziplinarrechtliche, die strafrechtliche und die wettbewerbsrechtliche Beurteilung. Im Zusammenhang mit der disziplinarrechtlichen Beurteilung ist der Verfassungsgerichtshof der oben wieder gegebenen Auffassung der Lehre gefolgt, wonach die ärztliche Tätigkeit durch die wissenschaftliche Begründung der angewendeten Methoden und die Zugehörigkeit zur medizinischen Wissenschaft umschrieben wird. Es sei daher nicht jede von einem Arzt durchgeführte Tätigkeit unter den Begriff der "Ausübung des ärztlichen Berufs" zu subsumieren. Die von Ärzten im Rahmen eines Gewerbes rechtmäßig ausgeübten Tätigkeiten unterlägen somit nicht dem Anwendungsbereich des Ärztegesetzes (VfGH B 761/03: Behandlung durch Handauflegen; s dazu krit Faseth, Kann das Handauflegen ["Reiki"] Gegenstand der ärztlichen Berufsausübung sein? ÖJZ 2004, 856). Demgegenüber hat die Entscheidung 11 Os 99/83 (= SSt 54/52) bei der strafrechtlichen Beurteilung nicht darauf abgestellt, ob sich eine Tätigkeit an medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen orientiert, sondern ist davon ausgegangen, dass dieses Kriterium nur einem Gebot der ärztlichen Standespflicht Rechnung trage. Sie subsumiert eine "Behandlung durch Handauflegen und durch rituelle Bewegungen" unter § 184 StGB. Triffterer (in Triffterer, StGB Kommentar Anh zu § 184 Rz 5) räumt ein, dass die in dieser Einbeziehung zum Ausdruck kommende extensive Auslegung der Generalklausel des § 1 Abs 2 ÄrzteG (nunmehr § 2 Abs 2 ÄrzteG 1998) nach dem reinen Wortlaut des Gesetzes auf den ersten Blick bedenklich erscheine. Sie entspreche aber der kriminalpolitischen Zielsetzung des Gesetzebers, Kranke davon abzuhalten, sich in Bezug auf "den Ärzten vorbehaltene" Tätigkeiten solchen Personen anzuvertrauen, die dafür keine abgeschlossene ärztliche Ausbildung erlangt haben; mit Hilfe von § 184 StGB solle von vornherein jede Möglichkeit für eine derartige Gefährdung unterbunden werden (s dazu auch Schwartz, Von Exorzisen und Heilpraktikern: Geistheilungen rechtlich betrachtet, RdM 1999, 13). Auch die (ältere) wettbewerbsrechtliche Rechtsprechung hat bei der Abgrenzung von den Ärzten vorbehaltenen Tätigkeiten nicht darauf abgestellt, ob die jeweils zu beurteilende Tätigkeit auf medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhte (4 Ob 14/00p = ÖBl-LS 2000/33 - Auspendeln). Im Gegensatz dazu wird in der Entscheidung 4 Ob 166/03w (= ÖBl 2004, 14 [Burgstaller] - Natur- und Geistheiler) darauf eingegangen, ob die den Gegenstand des Verfahrens bildende Tätigkeit (Aurainterpretation mittels Einhandrute) auf medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen beruht. Abgestellt wird jedoch letztlich darauf, ob der Ratsuchende den Eindruck gewinnt, ein Arztbesuch sei entbehrlich.
Dies kann jedoch für die Abgrenzung des ärztlichen Vorbehaltsbereichs nicht maßgebend sein, da das Gesetz nach objektiven Kriterien bestimmt, welche Tätigkeiten den Ärzten vorbehalten sind. Dabei ist, wie oben dargelegt, die wissenschaftliche Begründung der angewendeten Methoden und die Zugehörigkeit zur medizinischen Wissenschaft maßgebend. Dass diese Kriterien bei der strafrechtlichen Beurteilung als bloßes Gebot der ärztlichen Standespflicht gewertet werden, hindert eine davon abweichende wettbewerbsrechtliche Beurteilung nicht. Die oben erwähnte Auslegung des Ärztevorbehalts im Zusammenhang mit § 184 StGB beruht - wie oben dargelegt - auf kriminalpolitischen Erwägungen. Sie nimmt im Übrigen das erst zu begründende Ergebnis vorweg, wenn mit dem Bestreben argumentiert wird, Kranke davon abzuhalten, eine den Ärzten vorbehaltene Tätigkeit bei Nichtärzten in Anspruch zu nehmen. Für den Bereich der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung ist demnach im Einklang mit der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs davon auszugehen, dass die in § 2 Abs 2 ÄrzteG genannten Tätigkeiten, wie die Untersuchung auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen von körperlichen oder psychischen Krankheiten oder Störungen und die Behandlung solcher Zustände, nur dann unter den Ärztevorbehalt fallen, wenn sie auf medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen. Der Begriff der „medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse" ist nicht mit dem der Schulmedizin gleichzusetzen. Wissenschaftlich fundiert können auch Methoden sein, die (noch) nicht Eingang in die Schulmedizin gefunden haben, wie die Homöopathie und die Akupunktur. Eine auf medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen gegründete Tätigkeit wird aber - wie oben dargelegt - nur ausgeübt, wenn die angewandte Methode ein gewisses Mindestmaß an Rationalität aufweist und für ihre Durchführung das typischerweise durch das Medizinstudium vermittelte umfassende Wissen erforderlich ist.
In diesem Sinn hat der erkennende Senat Bestrahlungen mit einer Mineralienlampe oder das Auflegen von Blütenessenzen ohne vorangehende Diagnose nicht dem ärztlichen Vorbehaltsbereich zugerechnet (4 Ob 50/01h = ÖBl-LS 2001/109 - Bachblüten); als mit guten Gründen vertretbar wurde die Auffassung erachtet, dass die Messung eines Körperwerts über die Hautoberfläche unter Zuhilfenahme eines vollautomatischen Geräts, dessen Bedienung einfach ist und keinerlei medizinisches Fachwissen voraussetzt (im zu entscheidenden Fall: Venenfunktionsprüfung mittels Lichtreflexion), nicht unter den Ärztevorbehalt falle (4 Ob 170/02g = RdM 2003/51 - Venenfunktionsprüfung in Apotheken).
Ob die von der Beklagten angewandten Massagetechniken auf medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen, braucht nicht abschließend geklärt zu werden. Die Beklagte ist Inhaberin des Gewerbes der „Massage gemäß § 124 Z 12 GewO 1994 idgF, eingeschränkt auf die klassische Massage und die Akupunktmassage nach Penzel". Ihr wurde sowohl vom Innungsmeister als auch vom Gewerbereferenten versichert, aufgrund dieser Gewerbeberechtigung zur Ausübung der asiatischen Massagetechniken Tuina und Physioakupunkttherapie berechtigt zu sein. Die Beklagte durfte daher mit gutem Grund annehmen, mit der Anwendung dieser Massagetechniken eine erlaubte Tätigkeit (und nicht eine den Ärzten vorbehaltene Tätigkeit) auszuüben.
Das schließt einen Verstoß gegen § 1 UWG unabhängig davon aus, ob die von der Beklagten angewandten Massagetechniken auf wissenschaftlich-medizinischen Erkenntnissen beruhen und damit gemäß § 2 Abs 2 ÄrzteG in den ärztlichen Vorbehaltsbereich fallen. Ein Gesetzesverstoß begründet nämlich nur dann sittenwidriges Handeln im Sinne des § 1 UWG, wenn er subjektiv vorwerfbar ist, was wiederum voraussetzt, dass die Auffassung über die Bedeutung der verletzten Norm durch das Gesetz nicht so weit gedeckt ist, dass sie mit gutem Grund vertreten werden kann (stRsp 4 Ob 331/82 = SZ 56/2 = ÖBl 1983, 40 - Metro-Post I; 4 Ob 275/00w = ÖBl 2002, 18 - Erstprüfstelle uva). Ist die Auffassung der Beklagten über den Umfang ihrer Befugnisse mit gutem Grund vertretbar, so ist dem behaupteten Verstoß gegen § 1 UWG die Grundlage entzogen, ohne dass es darauf ankommt, welchen Eindruck der Ermittler von der Tätigkeit der Beklagten gewonnen hat. Sein Eindruck ist aber für die Beurteilung von Bedeutung, ob die Beklagte gegen § 2 UWG verstoßen hat.
Die Klägerin macht in diesem Zusammenhang geltend, die Beklagte habe den irreführenden Eindruck erweckt, das Augenproblem, das Leberproblem sowie die Durchblutungsstörungen unter Anwendung der Methoden der TCM unter Zuhilfenahme eines medizinischen Gerätes behandelt zu haben. Diese Vorgangsweise sei jedenfalls geeignet, den hilfesuchenden Patienten von der weiteren Konsultation eines Arztes abzuhalten, da er sich bereits medizinisch bestens versorgt fühle. Diese Ausführungen widersprechen dem festgestellten Sachverhalt. Danach hat die Beklagte den Ermittler ausdrücklich auf die Notwendigkeit einer ärztlichen Abklärung hingewiesen und aufgefordert, einen Arzt zu konsultieren. Das schließt es aus, dass der von der Klägerin behauptete irreführende Eindruck erweckt werden konnte.
Ob die Beklagte - wie die Klägerin behauptet - durch die Anwendung ihrer Massagetechniken an kranken Menschen gegen das Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetz, BGBl I 2002/169, verstößt, ist nicht zu prüfen, weil das Sicherungsbegehren darauf nicht gestützt ist. Dem Revisionsrekurs war Folge zu geben.
Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin beruht auf § 393 Abs 1 EO; jene über die Kosten der Beklagten auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 41, 50 ZPO. Bemessungsgrundlage ist im Provisorialverfahren der Streitwert des Unterlassungsbegehrens.
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