Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 281,34 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 46,89 EUR Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin war ab 1. 3. 1993 bei der A***** GmbH beschäftigt. Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 19. 12. 2002, 36 Sa 114/02f, wurde über das Vermögen der Dienstgeberin der Klägerin das Ausgleichsverfahren eröffnet. Erstmals wurde der Klägerin das Entgelt für Jänner 2003 teilweise vorenthalten. Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 18. 2. 2003 wurde das Ausgleichsverfahren eingestellt und der Anschlusskonkurs (36 S 58/03x) eröffnet. Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 5. 3. 2003 wurde die Schließung des gemeinschuldnerischen Unternehmens angeordnet. Die Klägerin beendete über Aufforderung des Masseverwalters ihr Arbeitsverhältnis am 7.3.2003 durch vorzeitigen Austritt gemäß § 25 KO.
Die beklagte Partei erkannte der Klägerin Abfertigung, Kündigungsentschädigung, Urlaubsersatz- leistung, Schadenersatz für den Zeitraum 8. 3. 2003 bis 30. 6. 2003 und laufendes Entgelt vom 1. 2. 2003 bis 7. 3. 2003 (Austrittszeitpunkt) samt Sonderzahlungen zu. Den weiteren Antrag der Klägerin auf Zahlung des Entgelts für den Zeitraum 1. 1. 2003 bis 31. 1. 2003 in Höhe von 1.292 EUR netto lehnte die beklagte Partei jedoch ab.
Die Klägerin begehrt den Zuspruch dieses Betrages samt gesetzlichen Zinsen an Insolvenz-Ausfallgeld. Der Jänner-Lohn 2003 sei erst am 31. 1. 2003 fällig geworden. Die Klägerin hätte daher unter Setzung einer angemessenen Nachfrist frühestens im Februar 2003 ihren Austritt wegen Entgeltvorenthalts erklären können.
Die beklagte Partei wendet ein, dass aufgrund der Ausgleichseröffnung über das Vermögen der Gemeinschuldnerin das laufende Entgelt der Klägerin bis 31. 12. 2002 jedenfalls gesichert gewesen sei. Zur Sicherung des Jänner-Entgelts hätte die Klägerin infolge Nichtzahlung unter Setzung einer angemessenen Nachfrist ihren vorzeitigen Austritt jedenfalls noch vor Fälligkeit des Februar-Entgelts erklären müssen. Durch das Zuwarten mit der Austrittserklärung bis zum 7. 3. 2003 habe sie den Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld für das Jänner-Entgelt verwirkt.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Es vertrat die Auffassung, dass gemäß § 3a Abs 3 IESG ab dem Ende des Monats, in dem die Ausgleichseröffnung erfolgt sei, Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld für laufendes Entgelt nur dann gebühre, wenn der Arbeitnehmer infolge der ersten nicht vollständigen Zahlung des ihm zukommenden Entgelts seinen berechtigten vorzeitigen Austritt erkläre. Das Jänner-Gehalt der Klägerin sei zum Monatsletzten fällig gewesen. Zur Sicherung ihres Anspruches auf dieses Entgelt hätte die Klägerin daher gemäß dem klaren Wortlaut des § 3a Abs 3 IESG wenigstens vor Fälligkeit des nächsten Monatslohnes ihren vorzeitigen Austritt erklären müssen.
Das Berufungsgericht gab der dagegen von der Klägerin erhobenen Berufung teilweise Folge und änderte das Ersturteil (unter Bestätigung der Abweisung des Zinsenbegehrens) im Sinne einer Klagestattgebung ab. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil die Frage, ob die Klägerin ihrer Austrittsobliegenheit trotz der kurzen Frist zwischen der Fälligkeit des Entgelts und dem Zeitpunkt des Anschlusskonkurses nachgekommen sei, nur einen Einzelfall betreffe.
Rechtlich vertrat das Berufungsgericht zusammengefasst die Auffassung, dass unter Berücksichtigung einer als angemessen zu betrachtenden 14-tägigen Nachfrist zur Bezahlung des Jänner-Entgeltes keine Verpflichtung der Klägerin bestanden habe, vor dem 18. 2. 2003 (Eröffnung des Anschlusskonkurses) auszutreten. Ob die Klägerin eine Nachfrist gesetzt habe oder nicht, gehe aus dem Beweisverfahren nicht hervor. Allerdings bedürfe es einer entsprechenden Feststellung nicht: Infolge der Anschlusskonkurseröffnung hätte die Klägerin am 18. 2. 2003 nicht austreten müssen. Die Einstellung des Ausgleichsverfahrens und die Eröffnung des Anschlusskonkurses bedeute nicht, dass der Masseverwalter sich nicht doch für eine Unternehmensfortführung entschließen könne. Wirke die für den Ausgleich normierte Verpflichtung zum Austritt auch über die Eröffnung des Anschlusskonkurses hinaus, vereitle das die Unternehmensfortführung. Es sei daher davon auszugehen, dass nach Konkurseröffnung die für den Ausgleich normierte Verpflichtung zum Austritt nicht fortbestehe. Vor allem sei zu berücksichtigen, dass der Masseverwalter an die Stelle des Ausgleichsschuldners trete und es seiner Prüfung in der Berichtstagsatzung obliege, ob das Unternehmen fortgeführt werden solle. Wenngleich richtig sei, dass im Falle des Verzuges des Masseverwalters mit der Bezahlung einer Masseforderung ein Austritt gerechtfertigt sei, sei hier zu berücksichtigen, dass der Masseverwalter erst am 18. 2. 2003 zum Arbeitgeber geworden sei. Es stelle nach ständiger Rechtsprechung keinen Austrittsgrund dar, wenn der Masseverwalter Entgelte, die vor seiner Bestellung fällig geworden seien, nicht bezahle.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen von der beklagten Partei erhobene außerordentliche Revision ist zulässig, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zum Inhalt der in § 3a Abs 3 IESG (und § 3a Abs 2 Z 5 IESG) normierten "Austrittspflicht" des Arbeitnehmers fehlt. Überdies steht die Entscheidung des Berufungsgerichtes im Widerspruch zu der Entscheidung 8 ObS 19/01d (= ZIK 2001/233 = WBl 2001/261 = RdW 2001/467).
Die Revision ist jedoch im Ergebnis nicht berechtigt.
Ist einmal ein Insolvenztatbestand im Sinne der Eröffnung eines Ausgleichsverfahrens eingetreten, ändert auch die spätere Eröffnung eines Anschlusskonkurses nichts daran, dass für die nach Ausgleichseröffnung bis zur Konkurseröffnung anfallenden laufenden Entgelte nicht § 3a Abs 1 IESG "für laufendes Entgelt vor der Insolvenz" zur Anwendung gelangt. In der Zeit zwischen der Ausgleichseröffnung und der Eröffnung des Anschlusskonkurses sind vielmehr die Bestimmungen des § 3a Abs 3 IESG über den Ausgleich heranzuziehen (8 ObS 19/01d). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes hat daher die Beurteilung, ob der Klägerin Insolvenz-Ausfallgeld für Jänner 2003 gebührt, ausschließlich nach § 3a Abs 3 IESG zu erfolgen, ohne dass die Eröffnung des Anschlusskonkurses am 18. 2. 2003 eine Auswirkung auf die im § 3a Abs 3 IESG normierte "Austrittsobliegenheit" entfaltet.
Die durch § 3a Abs 2 Z 5 IESG und durch § 3a Abs 3 IESG geschaffene Austrittsobliegenheit des Arbeitnehmers verfolgt den Zweck, dass die Fortführung des Unternehmens trotz weiterer Zahlungsschwierigkeiten und die daraus resultierende Pflicht zur Begleichung der laufenden Arbeitnehmeransprüche nicht mehr zu Lasten des Fonds gehen soll (Gahleitner, § 3a IESG: Sicherung des laufenden Entgelts - "Austrittspflicht" und Ausfallhaftung, ZIK 1997, 201 ff [203]). Das wesentliche Risiko liegt darin, dass der Arbeitnehmer von einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses absieht, obwohl das laufende Entgelt nicht mehr aus der Masse getragen werden kann. Durch das Unterlassen einer Beendigungserklärung vergrößern sich die Kosten für das laufende Entgelt um weitere Perioden (8 ObS 316/01f; 8 ObS 8/04s).
Unter Berücksichtigung, dass die Kündigungsfrist für die mehr als zehn Jahre beschäftigte Klägerin gemäß § 20 Abs 2 AngG drei Monate (und nicht nur sechs Wochen) betrug, wären allerdings nicht nur die der Klägerin ohnedies von der beklagten Partei zuerkannten Ansprüche, sondern auch der Anspruch für das Entgelt Jänner 2003 auch dann gesichert gewesen, wenn die Klägerin sofort wegen der teilweisen Vorenthaltung des Jänner-Lohnes ausgetreten wäre. Insofern unterscheidet sich der hier zu behandelnde Fall grundsätzlich von dem zu 8 ObS 8/04s entschiedenen Fall.
Da - wie die Klägerin in ihrer Revisionsbeantwortung zutreffend darlegt - die in § 3a Abs 2 Z 5 bzw § 3a Abs 3 IESG normierten Austrittsobliegenheiten keinen Pönalecharakter haben, sondern vielmehr dem oben bereits erwähnten Zweck dienen, kann in sinngemäßer Heranziehung des im Privatversicherungsrecht für zulässig erachteten Kausalitätsgegenbeweises bei Verletzung von Obliegenheiten (vgl dazu RIS-Justiz RS0116979) dann, wenn der Arbeitnehmer nachweist, dass die Verletzung der Austrittsobliegenheit auf den Umfang der Leistungspflicht der beklagten Partei keinen Einfluss hatte, die Verletzung der Austrittsobliegenheit nicht anspruchsvernichtend wirken. Diese sinngemäße Heranziehung des Kausalitätsgegenbeweises ist wegen der ähnlichen Zielsetzung der den Versicherten treffenden Obliegenheiten (Verminderung der den Versicherer treffenden Gefahr) auch sachgerecht und steht mit dem Zweck des § 3a Abs 2 Z 5 IESG bzw § 3a Abs 3 IESG nicht in Widerspruch.
Aus diesem Grund ist das Urteil des Berufungsgerichtes im Ergebnis zu bestätigen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
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