OGH 8ObS19/01d

OGH8ObS19/01d15.2.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Ing. Hugo Jandl und Dr. Helmut Szongott als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Dr. Alexander Sch*****, vertreten durch Dr. Oliver Jungnickel, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Bundessozialamt Wien, Niederösterreich und Burgenland, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1010 Wien, Singerstraße 17-19, wegen Insolvenz-Ausfallgeld in der Höhe von S 54.985,-- sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. September 2000, GZ 9 Rs 96/00d-16, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 1. Februar 2000, GZ 21 Cgs 54/99f-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.871,04 (darin enthalten S 811,84 an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger wurde im Jahre 1997 unberechtigt entlassen. Er schloß in dem von ihm zur Anfechtung dieser Entlassung eingeleiteten Gerichtsverfahren am 11. 5. 1998 einen gerichtlichen Vergleich dahin, dass das Dienstverhältnis per 30. 6. 1998 einvernehmlich aufgelöst wird. Schon wenige Tage danach am 19. 5. 1998 wurde über das Vermögen seiner Arbeitgeberin das Ausgleichsverfahren eröffnet. Die Ausgleichsverwalterin stimmte aber diesem Vergleich zu und anerkannte die sich daraus ergebenden Forderungen in Höhe von S 1,000.000,-- brutto. Das darin enthaltene Junigehalt, das so wie allgemein das Gehalt des Klägers monatlich am Letzten fällig war, wurde nicht bezahlt.

Der Kläger beantragte unter anderem auch für dieses Gehalt in Höhe von S 54.985,-- netto Insolvenzausfallgeld wegen Vermögenslosigkeit der Masse. Seinen Antrag auf Insolvenz-Ausfallgeld hat die Beklagte jedoch insoweit mit Bescheid vom 11. 2. 1999 abgelehnt. Am 1. 2. 1999 wurde über das Vermögen des Arbeitgebers des Klägers der Anschlusskonkurs eröffnet. Der Kläger begehrt nun mit seiner Klage zuletzt der Höhe nach unstrittig (vgl AS 16 und 27) S 54.958,-- netto samt 4 % Zinsen seit 1. 7. 1998 an Insolvenz-Ausfallgeld. Er stützt dies im Wesentlichen darauf, dass diese Ansprüche durch das IESG gesichert seien.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, dass im Ausgleichsverfahren die Ansprüche auf laufendes Entgelt nur bis zum Ende des Monats gesichert seien, in dem die Ausgleichseröffnung erfolgte. Darüber hinaus gebühre Insolvenz-Ausfallgeld für laufendes Entgelt nur, wenn der Arbeitnehmer unmittelbar wegen der ersten nicht vollständigen Entgeltzahlung den berechtigten Austritt erklärt habe. Ausgehend vom Anschlusskonkurs am 1. 2. 1999 sei das Entgelt für Juni 1998 nicht gesichert, da es mehr als sechs Monate vor dem Stichtag liege und der Kläger keine Klage auf Zahlung seiner Forderung eingebracht habe. Da es sich um eine bevorrechtete Forderung gehandelt habe, komme eine Anmeldung im Ausgleich nicht in Betracht, sondern nur eine Leistungsklage.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit Ausnahme eines Teiles des Zinsenbegehrens statt. Es folgerte dabei rechtlich, dass zwar nach § 3a Abs 3 IESG das Insolvenz-Ausfallgeld bis zum Ende des Monats, in dem die Ausgleichseröffnung erfolge gebührt und danach offenes Entgelt dann gesichert sei, wenn der Arbeitnehmer infolge der ersten nicht vollständigen Zahlung seinen vorzeitigen Austritt erkläre. Das Insolvenz-Ausfallgeld für Mai sei nicht strittig. Der Gehalt für Juni 1998 sei jedoch erst am 30. 6. 1998 fällig gewesen, sodass der Kläger frühestens am 1. 7. 1998 seinen Austritt hätte erklären können. Da sei aber sein Dienstverhältnis bereits beendet gewesen. Ausgehend von dem Zweck der Regelung, zu verhindern, dass ein Dienstnehmer über den frühestmöglichen Austrittszeitpunkt hinaus das Dienstverhältnis zu Lasten des Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds aufrecht erhalte, sei aber auch der vorliegende Anspruch gesichert. Der Kläger habe ja bereits vorweg die einvernehmliche Auflösung seines Dienstverhältnisses vereinbart. Insoweit sei § 3a Abs 3 IESG teleologisch zu reduzieren.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der Beklagten nicht Folge. Es beurteilte den einleitenden dargestellten Sachverhalt dahin, dass die Voraussetzungen des § 3a Abs 3 IESG im Zusammenhang mit der Ausgleichseröffnung nicht erfüllt seien. Jedoch sei gemäß § 3a Abs 2 IESG das Insolvenz-Ausfallgeld im Falle der Eröffnung des Anschlusskonkurses für Ansprüche auf laufendes Entgeltes bis zum rechtlichen Ende des Arbeitsverhältnisses gesichert. Es gebühre mit der Einschränkung des § 3a Abs 1 IESG, wonach laufendes Entgelt, das vor mehr als sechs Monaten fällig war, aber nicht geltend gemacht wurde, nicht erfasst ist. Die gerichtliche Bereinigung im Entlassungsanfechtungsverfahren stelle aber eine Geltendmachung im Sinne des § 3a Abs 1 IESG dar.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil erhobene Revision der Beklagten ist im Ergebnis nicht berechtigt.

Die Bestimmung des § 3a IESG über das Ausmaß des Insolvenz-Ausfallgeldes für laufendes Entgelt umfasst einerseits eine zeitliche Limitierung des Anspruches auf Insolvenz-Ausfallgeld für die Zeit vor der Insolvenz, und zwar im § 3a Abs 1 IESG und andererseits Beschränkungen des Anspruchs auf Insolvenz-Ausfallgeld für laufendes Entgelt für die Zeit nach der Insolvenz, und zwar in den Bestimmungen der Absätze 2 bis 5 (vgl dazu auch Liebeg, IESG2 § 3a; ähnlich Holzer/Reissner/Schwarz, Die Rechte des Arbeitnehmers bei Insolvenz4, 234). Als wesentlich ist einleitend hervorzuheben, dass dann, wenn einmal ein Insolvenztatbestand im Sinne der Eröffnung eines Ausgleichsverfahrens eingetreten ist, auch dann wenn später ein Anschlusskonkurs eröffnet wird, dies nichts daran ändert, dass für die nach Ausgleichseröffnung bis zur Konkurseröffnung anfallenden laufenden Entgelte nicht mehr § 3a Abs 1 IESG "für laufendes Entgelt vor der Insolvenz" (so die Überschrift) zur Anwendung gelangt.

Für die Zeit nach Eröffnung des Anschlusskonkurses sieht § 3a Abs 2 IESG ohnehin eigene Sicherungsfristen vor, sodass die Ansprüche jener Arbeitnehmer, die während eines Ausgleichsverfahrens im Betrieb verblieben sind und auf die Sanierung gehofft haben, mit ihren nach Eröffnung des Anschlusskonkurses anfallenden Entgelten gesichert sind (vgl dazu auch Holzer/Reissner/Schwarz aaO, 223). Dies ändert aber nichts daran, dass in der Zeit zwischen der Ausgleichseröffnung und der Eröffnung des Anschlusskonkurses die Bestimmungen des § 3a Abs 3 IESG über den Ausgleich heranzuziehen sind.

Nach § 3a Abs 3 IESG gebührt aber im Falle der Eröffnung eines Ausgleichsverfahrens für die Ansprüche auf laufendes Entgelt Insolvenz-Ausfallgeld jedenfalls bis zum Ende des Monats der Ausgleichseröffnung. Danach steht es nur dann zu, wenn der Arbeitnehmer infolge der ersten nicht vollständigen Zahlung des ihm zukommenden Entgeltes wegen ungebührlicher Schmälerung oder Vorenthaltung des gebührenden Entgeltes seinen berechtigten vorzeitigen Austritt erklärt. Längstens besteht die Sicherung aber bis zum Ende des dritten Monats. Unterlässt es der Arbeitnehmer also dann trotz mangelnder Bezahlung seines Entgeltes seinen berechtigten vorzeitigen Austritt zu erklären, so sind die danach während des Ausgleichs anfallenden Entgelte nicht gesichert. Ausgehend von § 3a Abs 3 IESG ist also zu beurteilen, ob der Junigehalt des Klägers doch gesichert ist, obwohl bereits im Mai das Ausgleichsverfahren eröffnet wurde und er auch bereits davor vereinbart hatte, das Arbeitsverhältnis Ende Juni 1998 aufzulösen. Im Hinblick darauf, dass Arbeitgeber offensichtlich den Maigehalt des Klägers nicht zahlte, stellt sich damit die Frage, ob er bereits wegen dieses offenen Gehaltes hätte austreten müssen, um sich die Ausfallshaftung nach §§ 3a Abs 3 und 4 IESG zu erhalten. Wesentlich ist hier die Formulierung des § 3a Abs 3 IESG wonach das laufende Entgelt bis zum Ende des Monats der Ausgleichseröffnung gesichert ist und "Ab diesem Zeitpunkt" aber eine Sicherung nur dann besteht, wenn der Arbeitnehmer infolge der ersten nicht vollständigen Zahlung des ihm zukommenden Entgeltes seinen vorzeitigen Austritt erklärt. Es ist daher davon auszugehen, dass sich dies auf Entgelte für den Zeitraum nach dem Monat der Ausgleichseröffnung bezieht. Die mangelnde Erklärung eines Austritts wegen Verzuges der Entgeltzahlung für den Monat der Ausgleichseröffnung selbst, kann daher noch nicht zum Verlust der Sicherung führen. Vielmehr soll der Monat der Ausgleichseröffnung unabhängig von einem allfälligen Austritt gesichert sein und auch einen solchen nicht erfordern. Andernfalls wäre ein Arbeitnehmer bei einer Ausgleichseröffnung gegen Ende des Monats schon gehalten wenige Tage danach auszutreten. Da aber das folgende Junigehalt nach den Feststellungen erst mit Ende Juni 1998 fällig war und zu diesen Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis bereits endete kam ein Austritt nicht mehr in Betracht. Damit bleibt es bei der allgemeinen Frist von drei Monaten (vgl § 3a Abs 3 dritter Satz IESG iVm § 3a Abs 5 IESG), sodass das Junigehalt noch gesichert ist.

Es war also insgesamt der Revision der Beklagten nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG. Es war nur der einfache Einheitssatz zu ersetzen (§ 23 Abs 3 RATG).

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