OGH 1Ob188/04k

OGH1Ob188/04k23.11.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Österreichische Bundesbahnen, *****, vertreten durch Dr. Herwig Rischnig und Dr. Harald Skrube, Rechtsanwälte in Villach, wider die beklagte Partei E***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Egbert Frimmel und Mag. Christian Anetter, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen 39.766,58 EUR sA infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 22. April 2004, GZ 3 R 178/03y-25, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 20. Juli 2003, GZ 16 Cg 126/02g-19, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise nicht Folge gegeben.

1. Das Urteil des Berufungsgerichts, das in seinem klagsstattgebenden Teil - Zuspruch von 5.581,28 EUR sA (Punkt 1) - als nicht in Beschwerde gezogen unberührt bleibt, wird insoweit als Teilurteil bestätigt, als das Begehren der klagenden Partei auf Zahlung eines Teilbetrags von 17.441,48 EUR samt 8,586 % Zinsen seit 4. 7. 2000 (Teil von Punkt 2) abgewiesen wurde.

Die Kostenentscheidung bleibt insoweit der Endentscheidung vorbehalten.

2. Im Übrigen - also in der Abweisung des Begehrens auf Zahlung von 16.743,82 EUR samt 8,586 % Zinsen seit 4. 7. 2000 und in der Kostenentscheidung - werden die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben; die Rechtssache wird in diesem Umfang an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind insoweit weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Im Jahre 1992 mietete die beklagte Partei von der klagenden Partei eine unverbaute Fläche im Bereich eines Bahnhofs zum Zweck der Verladung von Oberbauschotter. Sie verpflichtete sich zu einem jährlichen "Mindestwagenumsatz" von 134 Wagen, die von der klagenden Partei zu befördern waren. Bei Unterschreitung dieser Wagenmenge wurde die Zahlung einer Pönale von 2.000 S je fehlenden Waggon zuzüglich Umsatzsteuer vereinbart. Der auf unbestimmte Zeit geschlossene Vertrag war von beiden Vertragspartnern unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist jeweils zum Monatsletzten ohne Angabe von Gründen kündbar. Die klagende Partei war im näheren Umkreis des Betriebs der beklagten Partei für die Abnahme von Oberbauschotter gleichsam Monopolist, zumal andere Eisenbahnen nicht zur Verfügung standen. Den Mitarbeitern der klagenden Partei war auch bewusst, dass die Bestandfläche ausschließlich zum Zweck der Verladung des von der klagenden Partei benötigten Schotters verwendet wurde. Der den Schotterbezug der klagenden Partei ursprünglich regelnde Rahmenvertrag ist Ende 1994 ausgelaufen und nicht mehr erneuert worden. In der Folge fanden Ausschreibungen nach dem Billigstbieterprinzip statt. Schon vor 1999 hatte die klagende Partei keinen Schotter mehr von der beklagten Partei, die an den offenen Ausschreibungen der klagenden Partei in den letzten Jahren nicht teilnahm, bezogen. Solange die klagende Partei Schotter von der beklagten Partei bezog, gab es keine Probleme, die vereinbarte jährliche Mindestwaggonmenge zu erreichen. Nach Einstellung des Schotterbezugs durch die klagende Partei musste die beklagte Partei mangels Nachfrage die Schotterproduktion einstellen und produziert seither nur mehr Splitt für den Straßenbau, womit ein Großteil ihrer ursprünglichen Geschäftstätigkeit wegfiel. Der Abtransport des Splitts erfolgt mittels LKW. Es war der klagenden Partei klar, dass die beklagte Partei bereits 1996 den Mindestwagenumsatz nicht werde erreichen können. Im Hinblick auf die langjährige Geschäftsbeziehung nahm sie von der Einhebung der vereinbarten Pönale für das Jahr 1996 Abstand. Im September 1997 machte sie die beklagte Partei - neuerlich - darauf aufmerksam, dass die Anzahl der vereinbarten Mindestwagen auch im Jahr 1997 wohl nicht erreicht werden könne. Nach einer Besprechung erklärte sich die klagende Partei damit einverstanden, die Verladung von Ölprodukten durch eine andere Gesellschaft auf die Mindestverlademengen der beklagten Partei anzurechnen, obwohl sämtlichen Beteiligten bekannt war, dass die gemietete Bahnhofsfläche für die Verladung von Ölprodukten nicht geeignet war. Mit Zustimmung der Klägerin schloss die beklagte Partei rückwirkend ab 1. 1. 1997 einen Unterbestandvertrag mit der für die Verladung von Ölprodukten zuständigen Gesellschaft. Unter Anrechnung dieser Öltransporte wurde 1997 und 1998 der vereinbarte Mindestwagenumsatz erreicht. Schließlich wurde die Verladung von Ölprodukten auf dem hiefür ungeeigneten Bahnhof verboten und eingestellt, weshalb der vereinbarte Mindestwagenumsatz im Jahr 1999 um 128 und im Jahr 2000 um 100 Waggons unterschritten wurde. Der Bedarf der beklagten Partei an der Bahnhofsfläche war 1999 weggefallen, weshalb es im September dieses Jahres zu einer Besprechung zwischen einem als Betreuer der beklagten Partei agierenden Mitarbeiter der klagenden Partei und dem Geschäftsführer der beklagten Partei kam: Der Mitarbeiter der klagenden Partei zeigte Verständnis für die wirtschaftliche Situation der beklagten Partei und beurteilte auch deren Ansinnen, "von weiteren Mindestverladungen Abstand zu nehmen", "für sich" positiv, er hatte allerdings keine Abschlussvollmacht; eine ausdrückliche Zustimmung von Organen der klagenden Partei, dass von Pönaleforderungen Abstand genommen werde, erfolgte nicht. Die beklagte Partei kündigte den Mietvertrag zum 30. 9. 1999 schriftlich auf, doch verwies die klagende Partei darauf, dass infolge der dreimonatigen Kündigungsfrist das Bestandverhältnis erst zum 31. 10. 1999 enden könne, wobei jedoch zu diesem Zeitpunkt der Bahngrund geräumt sein müsste. Wegen mangelnder Räumung durch die beklagte Partei erachtete die klagende Partei das Bestandverhältnis erst mit dem 30. 9. 2000 als beendet, obwohl die beklagte Partei die Liegenschaft schon bis zum 30. 9. 1999 geräumt hatte und lediglich eine Betonverladerampe, die einem allfälligen Nachbestandnehmer ähnliche Verladetätigkeiten ermöglichen sollte, auf der Bestandfläche verblieben war. Diese Verladerampe war auch am 30. 9. 2000 nicht beseitigt. Bereits vor dem 31. 10. 1999 verfügte die klagende Partei, ohne mit der beklagten Partei Rücksprache zu halten, über die Bestandfläche und gestattete einem anderen Unternehmen die Lagerung von Rohren. Dadurch wäre die Ausübung von Lagertätigkeit durch die beklagte Partei und die Ladung von Schotter nicht mehr möglich gewesen. Trotzdem zahlte die beklagte Partei den Bestandzins bis 30. 9. 2000 und auch der von ihr geschlossene Unterbestandvertrag blieb aufrecht. Dass die klagende Partei die Schotterlieferungen durch die beklagte Partei schuldhaft unmöglich gemacht hätte, war nicht feststellbar.

Die klagende Partei begehrte 39.766,58 EUR, weil die beklagte Partei den vereinbarten "Mindestwagenumsatz" im Jahr 1999 um 128 und im Jahr 2000 um 100 Waggons unterschritten habe. Demnach sei ein Pönale von 307.200 S (= 22.325,10 EUR) für das Jahr 1999 und ein solches von 240.000 S (= 17.441,48 EUR) für das Jahr 2000 fällig. Das Bestandverhältnis sei erst am 30. 9. 2000 beendet worden. Der beklagten Partei hätten ab 1996 keine Aufträge zur Schotterlieferung erteilt werden können, weil seit dieser Zeit der Schottereinkauf EU-weit ausgeschrieben worden sei und sich die beklagte Partei an den Ausschreibungen seit 1997 nicht beteiligt habe. Die Nichterfüllung der Mindestwagenumsatzverpflichtung sei allein der Sphäre der beklagten Partei zuzuordnen.

Die beklagte Partei wendete ein, dass die Anforderung von Bahnschotter durch die klagende Partei Geschäftsgrundlage des Bestandvertrags gewesen sei. Die klagende Partei habe (schlüssig) auf die Geltendmachung des Mindestwagenumsatzes verzichtet, und der Bestandvertrag sei nur deshalb nicht früher aufgekündigt worden. Die beklagte Partei habe die Nichterfüllung der Mindestwagenumsatzverpflichtung nicht verschuldet, und die Konventionalstrafe sei nicht auch für den Fall unverschuldeter Nichterfüllung vereinbart worden. Überdies erweise sich die Geltendmachung der Vertragsstrafe als rechtsmissbräuchlich und sittenwidrig, und sie sei auch zumindest "richterlich zu mäßigen". Ein Schaden sei der klagenden Partei nicht entstanden. Durch die von ihr begehrte Zahlung werde die beklagte Partei in ihrer wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit übermäßig eingeschränkt und in ihrer Existenz gefährdet. Zum 30. 9. 1999 sei das Bestandverhältnis übrigens einvernehmlich aufgelöst worden.

Das Erstgericht verurteilte die beklagte Partei zur Zahlung von 20.000 EUR und wies das Mehrbegehren von 19.766,58 EUR ab. Die Schotterabnahme durch die klagende Partei sei nicht zur Geschäftsgrundlage des zwischen den Streitteilen geschlossenen Vertrags gemacht, und dieser Vertrag sei auch nicht dahin modifiziert worden, dass die Mindestwagenumsatzverpflichtung wegfalle. Zumal die klagende Partei den weiteren Schotterbezug nicht schuldhaft verhindert habe, sei der Vertrag - und damit auch die Pönalevereinbarung - nicht generell sittenwidrig. Sofern die klagende Partei andere Billigstanbieter mit der Zulieferung von Schotter betraut habe, stelle dies kein ihr anzulastendes Verschulden dar. Der beklagten Partei wäre es ohnehin möglich gewesen, binnen drei Monaten den Vertrag zu beenden. Der Umstand, dass die klagende Partei ab September bzw Oktober 1999 einem anderen Unternehmen die Nutzung der Bestandfläche dermaßen gestattet habe, dass die Lagerung von Schotter und dessen Verladung in Eisenbahnwaggons unmöglich gewesen sei, müsse dahin gedeutet werden, dass sie den Vertrag in der bisherigen Form nicht habe fortsetzen wollen, weshalb der Vertrag mit dieser von der klagenden Partei getroffenen Verfügung einvernehmlich aufgelöst worden sei. Die Weiterzahlung des Bestandzinses der beklagten Partei bis zum 30. 9. 2000 bedeute nicht, dass das Bestandverhältnis eine Fortsetzung gefunden habe. Demnach bestehe für das Jahr 2000 kein Anspruch auf die geltend gemachte Pönaleforderung. Das für 1999 begehrte Pönale sei unter Anwendung von § 273 ZPO auf 20.000 EUR zu mäßigen. Die beklagte Partei habe nicht bewiesen, dass ihr bei Zahlung dieses Pönales der wirtschaftliche Ruin drohe, doch sei davon auszugehen, dass ihre wirtschaftliche Situation "durch eine überproportionale Pönaleforderung unter wirtschaftlich delikaten Umständen" arg beeinträchtigt sei.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung dahin ab, dass es die beklagte Partei - unangefochten - schuldig erkannte, 5.581,28 EUR sA zu zahlen, und das auf Zahlung weiterer 34.185,30 EUR sA gerichtete Mehrbegehren abwies. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Auf Grund der vom Erstgericht getroffenen Feststellungen sei nicht von einer schlüssigen, einvernehmlichen Beendigung des Bestandverhältnisses zum September/Oktober 1999 auszugehen. Auf die Pönalezahlung für das Jahr 2000 habe die klagende Partei aber schlüssig verzichtet. Im Zuge der Besprechung zwischen dem Geschäftsführer der beklagten Partei und dem zuständigen Mitarbeiter der klagenden Partei sei nämlich klar zum Ausdruck gekommen, dass die Aufrechterhaltung des binnen drei Monaten kündbaren Mietvertrags für die beklagte Partei nur dann von Interesse sei, wenn die klagende Partei nicht auf der Mindestwagenumsatzverpflichtung bestehe. Nachdem der Mitarbeiter der klagenden Partei das Ansinnen der beklagten Partei, es möge (deshalb) "von weiteren Mindestverladungen" Abstand genommen werden, "positiv beurteilt" hatte, hätte die klagende Partei der beklagten Partei nach Treu und Glauben mitteilen müssen, dass sie doch auf den im schriftlichen Vertrag vereinbarten Mindestumsätzen beharre. Hätte die klagende Partei dies klargestellt, so bestünde kein Zweifel, dass die beklagte Partei den Mietvertrag nochmals - diesmal unter Einhaltung der dreimonatigen Kündigungsfrist - aufgekündigt hätte. Das Schweigen der klagenden Partei habe die beklagte Partei daher so verstehen dürfen, dass sich die klagende Partei bei den künftigen Transporten nicht auf die Mindestwagenumsatzverpflichtung berufen werde. Auch der Umstand, dass die klagende Partei ab September/Oktober 1999 einem anderen Unternehmen die Lagerung von Rohren in einer die Verladetätigkeit der beklagten Partei zumindest stark behindernden Weise gestattete, habe nur so verstanden werden können, dass die im Mietvertrag vereinbarte Mindestwagenumsatzverpflichtung hinfällig geworden sei. Für das Jahr 1999 könne aber weder von einem einvernehmlichen Abgehen von der Mindestwagenumsatzverpflichtung noch von einem schlüssigen Verzicht der klagenden Partei auf die Pönaleforderung ausgegangen werden. Die klagende Partei habe sich nie zur Abnahme einer bestimmten Schottermenge verpflichtet, wenngleich die im Vertrag vereinbarte Mindestwagenumsatzverpflichtung nach Treu und Glauben so zu verstehen sei, dass sie als Hauptabnehmerin des Schotters auftreten und der beklagten Partei die realistische Chance einräumen werde, diesen Umsatz zu erreichen. Das Nichterreichen der Mindestwagenumsatzverpflichtung im Jahr 1999 sei aber nicht darauf zurückzuführen gewesen, dass die klagende Partei bei der beklagten Partei schlechthin keinen Schotter mehr bestellt habe, vielmehr sei die beklagte Partei eben nicht Billigstbieter gewesen. Mit der Änderung wirtschaftlicher Rahmenbedingungen zu seinem Nachteil müsse jeder Unternehmer rechnen, dies betreffe ausschließlich seine Risikosphäre. Es sei auch ausschließlich der Sphäre der beklagten Partei zuzurechnen, dass sie den Vertrag nicht (rechtzeitig) gekündigt habe, obwohl sie schon 1996 die Mindestwagenumsatzverpflichtung nicht habe erfüllen können, und jedenfalls ab 1997 mit einem Schotterverkauf an die klagende Partei nicht mehr zu rechnen gewesen sei. Sie könne sich daher auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage sowie die unverschuldete Nichterfüllung der Mindestwagenumsatzverpflichtung nicht berufen. Die von einem Vollkaufmann versprochene Vertragsstrafe könne gemäß § 348 HGB zwar nicht gemäßigt werden, sie könne aber (auch teilweise) sittenwidrig sein, nämlich insbesondere dann, wenn die Zahlung des Pönales das wirtschaftliche Verderben des Schuldners herbeiführen oder seine wirtschaftliche Bewegungsfreiheit übermäßig beeinträchtigen könnte. Auch das Beharren auf einer vereinbarten Konventionalstrafe könne gegen die guten Sitten verstoßen. Die klagende Partei sei dem Prozessvorbringen der beklagten Partei, es sei der klagenden Partei kein Schaden entstanden, nicht substantiiert entgegengetreten. Nach herrschender Meinung hänge der Verfall der Konventionalstrafe zwar nicht von einem tatsächlichen Schadenseintritt ab, doch sei bei dem gegebenen Sachverhalt von einer teilweisen Sittenwidrigkeit der Geltendmachung der Vertragsstrafe auszugehen. Die beklagte Partei sei aufgrund der geänderten Verhältnisse gezwungen gewesen, die Schotterproduktion einzustellen, weshalb ihre ursprüngliche Geschäftstätigkeit weggefallen sei und sich ihre Tätigkeit "auf ein Minimum reduziert" habe. Demnach müsse davon ausgegangen werden, dass sie auch nur mehr ein Minimum ihrer früheren - durch den Verkauf von Schotter an die klagende Partei erzielten - Umsätze erreiche und daher bei Zahlung der gesamten Vertragsstrafe für das Jahr 1999 oder auch nur eines Großteils hievon zumindest in ihrer wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit übermäßig beeinträchtigt wäre. Die vereinbarte Vertragsstrafe sei daher um drei Viertel zu reduzieren.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der klagenden Partei ist zulässig und berechtigt.

Das Berufungsgericht ging davon aus, dass die klagende Partei das Prozessvorbringen der beklagten Partei, es sei der klagenden Partei kein Schaden entstanden, weil diese ihr vermindertes Transportaufkommen durch Schotterbezug von anderen Lieferanten kompensiert habe, nicht substantiiert bestritten habe, weshalb es als zugestanden anzusehen sei. Die Wertung des fehlenden substantiellen Bestreitens als schlüssiges Tatsachengeständnis (§ 267 ZPO) hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab (2 Ob 29/01f; 3 Ob 102/01y; 6 Ob 141/99z). Dabei hat das Gericht den gesamten Inhalt des gegnerischen Vorbringens sorgfältig zu beurteilen (SZ 63/201). Bloß unsubstantiiertes Bestreiten ist als Geständnis anzusehen, wenn die Prozessbehauptung im Falle ihrer Unrichtigkeit leicht widerlegbar wäre, dazu aber nie konkret Stellung genommen wurde (SZ 55/116). Im Sinne dieser Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist dem Gericht zweiter Instanz keine Fehlbeurteilung anzulasten, soweit es der mangelnden Bestreitung des Vorbringens der beklagten Partei, der klagenden Partei sei kein Schaden entstanden, die Bedeutung eines schlüssigen Tatsachengeständnisses iSd § 267 ZPO beimaß. Damit sind aber Feststellungen über die Höhe des nunmehr von der klagenden Partei behaupteten Schadens tatsächlich entbehrlich.

Im September 1999 fand zwischen einem als Ansprechpartner der beklagten Partei fungierenden Mitarbeiter der klagenden Partei und dem Geschäftsführer der beklagten Partei eine Besprechung statt, in deren Verlauf dieser das Ansinnen stellte, die klagende Partei möge von der vereinbarten "Mindestwagenumsatzverpflichtung" Abstand nehmen. Da der zu Verhandlungen mit der beklagten Partei befugte Mitarbeiter der klagenden Partei für dieses Ansinnen "volles Verständnis" zeigte, es "für sich positiv beurteilte" und ihm auch klar war, dass die Aufrechterhaltung des binnen drei Monaten kündbaren Mietvertrags für die beklagte Partei nur dann von Interesse bliebe, sofern die klagende Partei auf der "Mindestwagenumsatzverpflichtung" nicht weiter bestehen werde (S 27 f des Berufungsurteils), ist die rechtliche Schlussfolgerung des Gerichts zweiter Instanz, die klagende Partei wäre nach Treu und Glauben "zum Reden verpflichtet" gewesen, wenn sie auf den im schriftlichen Vertrag vereinbarten Mindestumsätzen weiterbestehen wollte, nicht zu beanstanden. In der zweitinstanzlichen Ansicht, die beklagte Partei habe das Schweigen der klagenden Partei aufgrund der vorliegenden Umstände so verstehen dürfen, dass sich die klagende Partei jedenfalls für künftige Transporte nicht auf die Mindestwagenumsatzverpflichtung berufen werde (S 28 des zweitinstanzlichen Urteils), ist insoweit keine - und schon gar keine krasse - Fehlbeurteilung zu erkennen. Diese Auslegung entspricht durchaus der Judikatur des Obersten Gerichtshofs, die Bedeutung jeder - auch schlüssigen - Willenserklärung sei am Empfängerhorizont zu messen und der objektive Erklärungswert sei entscheidend (7 Ob 153/03f; SZ 71/88; SZ 70/198).

Soweit die klagende Partei darin, dass sie - so die Ansicht des Berufungsgerichts - zwar für das Jahr 2000 eine schlüssige Verzichtserklärung abgegeben habe, nicht aber für das Jahr 1999, der Sachverhalt für beide Jahre aber gleich liege und demnach auch gleich beurteilt werden müsste eine Divergenz erblickt, ist sie darauf zu verweisen, dass eben doch nicht dergleiche Sachverhalt gegeben ist, weil erst im September 1999 das für das Jahr 2000 entscheidende Gespräch stattfand, aus dem Gesprächsinhalt und der weiteren Vorgangsweise der Parteien aber nicht auf einen Verzicht für die Zeit davor geschlossen werden kann. Dies brachte das Berufungsgericht auch insoweit deutlich zum Ausdruck, als die beklagte Partei das Schweigen der klagenden Partei so habe verstehen dürfen, dass sich diese für künftige Transporte nicht auf die "Mindestwagenumsatzverpflichtung" berufen werde (S 28 des Berufungsurteils).

Richtig ist, dass die von einem Vollkaufmann im Betrieb seines Handelsgewerbes versprochene Vertragsstrafe gemäß § 348 HGB nicht der richterlichen Mäßigung nach § 1336 Abs 2 ABGB unterliegt (SZ 54/186 uva). Die Vereinbarung einer Konventionalstrafe kann allerdings auch sittenwidrig sein. Sittenwidrigkeit liegt aber nur vor, wenn die Zahlung der Konventionalstrafe das wirtschaftliche Verderben des Schuldners herbeiführen oder seine wirtschaftliche Bewegungsfreiheit übermäßig beeinträchtigen könnte, oder wenn - was hier nicht maßgeblich ist - schon bei einer nur geringfügigen Fristüberschreitung eine hohe Strafe verwirkt sein sollte. Es müsste ein offensichtlich unbegründeter Vermögensvorteil für den Gläubiger vorliegen, der dem Rechtsgefühl aller billig und gerecht Denkenden widerspricht oder gegen oberste Rechtsgrundsätze verstößt. In einem solchen Fall ist Teilnichtigkeit wegen des den erlittenen Schaden unverhältnismäßig übersteigenden Teils anzunehmen (JBl 1985, 547; SZ 54/186; Kramer in Straube, HGB I3 Rz 12 zu § 348). Diese Grundsätze gibt das Gericht zweiter Instanz richtig wieder und meint, "bei dem gegebenen Sachverhalt" sei von einer teilweisen Sittenwidrigkeit der Geltendmachung der Vertragsstrafe für das Jahr 1999 auszugehen. Hiefür fehlt aber - wie die Revisionswerberin richtig aufzeigt - das erforderliche Tatsachensubstrat. Es ist in der Tat eine reine Vermutung, dass die beklagte Partei aufgrund geänderter Verhältnisse gezwungen gewesen sei, die Schotterproduktion einzustellen, dass damit ein Großteil ihrer ursprünglichen Geschäftstätigkeit weggefallen sei und dass sich ihre Tätigkeit auf ein Minimum reduziert habe. Es ist weiters spekulativ, soweit das Gericht zweiter Instanz meint, es sei "davon auszugehen", dass die beklagte Partei nur mehr ein Minimum ihrer früheren - durch den Verkauf von Schotter an die klagende Partei erzielten - Umsätze erwirtschaftet habe und sie daher bei Zahlung der gesamten Vertragsstrafe für das Jahr 1999 im Betrag von 22.325,10 EUR oder auch nur eines Großteils hievon in ihrer wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit zumindest übermäßig beeinträchtigt wäre (s S 35 des Berufungsurteils). Das Erstgericht wird daher konkrete, eine verlässliche Beurteilung zulassende Feststellung dahin treffen müssen, die ob sich die wirtschaftliche Situation der beklagten Partei bei Zahlung der Konventionalstrafe so darstellte, dass dann ihr das "wirtschaftliche Verderben" tatsächlich drohte oder zumindest ihre "wirtschaftliche Bewegungsfreiheit übermäßig beeinträchtigt" wäre. Grundsätzlich hätte sich nämlich die beklagte Partei an den Ausschreibungen der klagenden Partei beteiligen können, weshalb es nicht nachvollziehbar ist, dass sie gezwungen gewesen wäre, die Schotterproduktion einzustellen, zumal die Schlussfolgerung des Berufungsgerichts, die beklagte Partei habe bei Aufrechterhaltung der Rentabilität ihres Betriebs mit den Konkurrenzangeboten im Rahmen der Ausschreibungen nicht mithalten können (S 33 des Urteils der zweiten Instanz), nicht konkret untermauert ist. Zu den tatsächlich erzielten Umsätzen der beklagten Partei nach Umstellung ihres Produktionsbetriebs mangelt es an jeglichem Tatsachensubstrat.

Demnach ist das Berufungsurteil in der Abweisung eines Teilbetrags von 17.441,48 EUR (= 240.000 S), also der Pönaleforderung für das Jahr 2000, mittels Teilurteils zu bestätigen, im Übrigen in Beschwerde gezogenen Umfang (drei Viertel des Pönales für 1999, also drei Viertel von 22.325,10 EUR = 307.200 S, was 16.743,82 EUR ergibt) sind allerdings in Stattgebung der Revision die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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