OGH 9ObA11/04i

OGH9ObA11/04i17.11.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Harald Kaszanits und Mag. Thomas Kallab als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Zentralbetriebsrat der A***** AG, *****, vertreten durch Dr. Thomas Praxmarer, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei A***** AG, *****, vertreten durch Dr. Josef Pfurtscheller ua, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Feststellung nach § 54 Abs 1 ASGG (Streitwert EUR 29.069,13), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26. November 2003, GZ 13 Ra 42/03d-27, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionswerber erblickt das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO darin, dass eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausgehenden richtigen Berechnungsmethode der Gruppenaltersstufen nach dem Kollektivvertrag für die Arbeitnehmer der Straßengesellschaften in Österreich 1993 und dem Zusatzprotokoll fehle. Hierauf kommt es jedoch nach der Lage des Falles nicht an:

Auszugehen ist zunächst davon, dass das erste Hauptbegehren des Klägers, es möge festgestellt werden, dass die Grundgehälter von Arbeitnehmern der Beklagten, welche in den Gruppenaltersstufen 13 bis 17 und 18 bis 20 eingestuft seien, für die Zeit vom 1. 1. 1996 bis 31. 12. 2001 nicht entsprechend dem Zusatzprotokoll des Kollektivvertrages für die Arbeitnehmer der Straßengesellschaften in Österreich 1993 idgF berechnet worden seien, und diese Arbeitnehmer dadurch einen finanziellen Nachteil haben, bereits vom Erstgericht, und zwar vom Kläger unbekämpft, rechtskräftig abgewiesen wurde. Es kam daher das erste Eventualbegehren des Klägers zum Tragen, das für den Fall der Abweisung des ersten Hauptbegehrens auf die Feststellung abzielte, dass die Grundgehälter von Arbeitnehmern der Beklagten, welche in die Gruppenaltersstufen 13 bis 17 und 18 bis 20 eingestuft gewesen seien, für die Zeit vom 1. 1. 1996 bis 31. 12. 2001 entsprechend dem Zusatzprotokoll des Kollektivvertrags für die Arbeitnehmer der Straßengesellschaften Österreichs 1993 idgF und dort den Punkten 3.4.1. bis 3.4.5. zu berechnen gewesen seien. Dass die Grundgehälter der genannten Arbeitnehmer gemäß den Punkten

3.4.1. bis 3.4.5. des Zusatzprotokolls des gegenständlichen Kollektivvertrags zu berechnen waren, war zwischen den Parteien ohnehin nie strittig, weshalb sich die berufungsgerichtliche Abweisung des ersten Eventualbegehrens mangels rechtlichen Interesses an der begehrten Feststellung im Rahmen der ständigen Rechtsprechung hält. Gegenstand der besonderen Feststellungsklage gemäß § 54 Abs 1 ASGG ist eine auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens von Rechten oder Rechtsverhältnissen gerichtete Klage iSd § 228 ZPO. Voraussetzung des Feststellungsanspruchs ist daher, dass der Kläger ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung eines (näher bezeichneten) Rechts oder Rechtsverhältnisses durch eine gerichtliche Entscheidung hat (Kuderna, ASGG² 347; RIS-Justiz RS0085572 ua). Prozessökonomischer Zweck der Feststellungsklage ist es, die Rechtslage dort zu klären, wo ein von der Rechtsordnung anerkanntes Bedürfnis zur Klärung streitiger Rechtsbeziehungen besteht, sei es um weitere Streitigkeiten zu vermeiden, sei es um eine brauchbare Grundlage für weitere Entscheidungen zu schaffen (Kuderna aaO 348; RIS-Justiz RS0037422 ua). Abstrakte Rechtsfragen sind hingegen nicht feststellungsfähig. Das rechtliche Interesse an der alsbaldigen Feststellung ist nur dann zu bejahen, wenn das Rechtsverhältnis durch eine ernsthafte Unsicherheit gefährdet erscheint, so etwa, wenn der Beklagte ein Recht des Klägers hartnäckig bestreitet (8 ObA 182/00y ua). Das Vorliegen des Feststellungsinteresses ist in jeder Lage des Verfahrens (auch im Rechtsmittelverfahren) von Amts wegen zu prüfen. Sein Fehlen führt nach ständiger Rechtsprechung zur Abweisung der Klage mit Urteil (Kuderna aaO 348 f).

Zufolge Abweisung des ersten Eventualbegehrens war auch das zweite Eventualbegehren des Klägers zu prüfen, das für den Fall der Abweisung des ersten Eventualbegehrens gestellt worden war. Es lautete dahin, es möge festgestellt werden, dass die Grundgehälter von Arbeitnehmern der Beklagten, welche in die Gehaltsstufen 13 bis 20 im Zeitraum seit 1. 1. 1996 eingestuft gewesen seien, entsprechend dem Kollektivvertrag für die Arbeitnehmer der Straßengesellschaften in Österreich 1993 idgF samt Zusatzprotokoll und insbesondere den Punkten 3.4.1. bis 3.4.5. beginnend mit 1. 1. 1996 nach folgender Formel zu berechnen seien, wobei als Beispiel auf die Gehaltstafel 1, Beschäftigungsgruppe I, Gruppenaltersstufe 13, Bezug genommen werde:

Grundgehalt der Gruppenaltersstufe 1/13 neu, also nach Berücksichtigung einer eingetretenen allgemeinen Kollektivvertragserhöhung zuzüglich 7,5 % der Gruppenaltersstufe I 1 ebenfalls in jenem Betrag, der sich nach der kollektivvertraglichen Erhöhung neu berechnet habe.

Für die Richtigkeit der Auslegung der Punkte 3.4.1. bis 3.4.5. des Zusatzprotokolls durch die Beklagte - und damit gegen die vom Kläger gewünschte Auslegung - spricht der mit Zusatzkollektivvertrag vom 26. 11. 2001 neu eingeführte Punkt 3.4.6., der das Zusatzprotokoll des Kollektivvertrags vom 19. 11. 1993 "im Sinne des ursprünglichen Willens der Kollektivvertragsparteien" ergänzte. Danach werden die nach den Punkten 3.4.1. bis einschließlich 3.4.5. errechneten Gehaltstafeln mit den Gehaltsansätzen der in ihnen enthaltenen Gruppenaltersstufen zum Stichtag 31. 12. 2001 ab 1. 1. 2002 jeweils um die allfälligen jährlichen kollektivvertraglichen Erhöhungen angehoben. Die in den Punkten 3.4.1 bis 3.4.4. jeweils in Klammer stehende Bezeichnung "Gruppenaltersstufe 12" ist bloß als beispielhafte Nennung zu verstehen. Für die Zeit vor dem 1. 1. 2002 gilt diese Reglung als authentische Interpretation. Eine solche ist durch die Kollektivvertragsparteien im Rahmen der für Kollektivverträge überhaupt geltenden Vorschriften zulässig (Schwarz/Löschnigg, Arbeitsrecht10 73; Schwimann/Posch, ABGB² I § 8 Rz 5; Strasser in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG § 2 Rz 64; 9 ObA 136/92; 9 ObA 277/93; 9 ObA 193/00y ua). Die Auffassung des Berufungsgerichtes, dass die authentische Interpretation grundsätzlich auch rückwirken kann, steht mit der Rechtsprechung im Einklang (4 Ob 61/68 = Arb 8.586; vgl auch allgemein zum rückwirkenden In-Kraft-Treten von Kollektivverträgen § 11 Abs 2 ArbVG; Strasser aaO § 11 Rz 12; Cerny in Cerny/Gahleitner/Kundtner/Preiss/Schneller, ArbVG³ § 11 Erl 3, jeweils mwN). Genau genommen handelt es sich gar nicht um eine Rückwirkung im engeren Sinn, wenn einer Kollektivvertragsbestimmung von den Kollektivvertragsparteien im Rahmen der authentischen Interpretation jenes Verständnis beigelegt wird, das ihr wie im vorliegenden Fall (arg "im Sinne des ursprünglichen Willens") von Anfang an von den Kollektivvertragsparteien beigemessen wurde. Für eine Enttäuschung berechtigten Vertrauens der Adressaten des Kollektivvertrags auf eine gegebene (andere) Rechtslage bestehen keine tragfähigen Anhaltspunkte. Bereits das Erstgericht wies im Zusammenhang mit der Abweisung des ersten Hauptbegehrens des Klägers auf die von den Arbeitnehmern lukrierten Einstufungsgewinne bei Übertritt in das kollektivvertragliche Gehaltsschema hin; finanzielle Nachteile für die Arbeitnehmer bei Zugrundelegung der Berechnungsmethode der Kollektivvertragsparteien waren vor diesem Hintergrund nicht feststellbar.

Zuletzt wurde vom Berufungsgericht auch das zweite Hauptbegehren des Klägers, es werde festgestellt, dass die Gehaltsordnung nach dem Stand vom 1. 7. 1986 Bestandteil des Einzelarbeitsvertragsverhältnisses all jener Arbeitnehmer sei, die vor dem 1. 10. 1993 bei der Beklagten eingestellt worden seien und sich insbesondere das monatliche Grundgehalt dieser Dienstnehmer, sofern sie die höchste Gruppenaltersstufe erreicht haben, nach jeweils 2 ununterbrochenen Dienstjahren um 7,5 % des Grundgehaltes der 1. Gruppenaltersstufe seiner Beschäftigungsgruppe erhöhe, dies auch über den 1. 10. 1993 hinaus, abgewiesen. Auch insoweit stellt sich keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO. Das Feststellungsbegehren zielt auf die ehemalige Gehaltsordnung der B***** AG ab, die mit der A***** S***** AG mit Wirkung vom 1. 1. 1993 durch Neubildung zur Beklagten verschmolzen wurde. Auf Grund des Punktes 2.1. des Zusatzprotokolls trat die Gehaltsordnung außer Kraft und es wurde klargestellt, dass sich Gehaltsanpassungen in Zukunft ausschließlich nach dem Kollektivvertrag richten (s auch Pkt 3.4. iVm Pkte 3.4.1. bis 3.4.5.).

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