OGH 7Ob208/04w

OGH7Ob208/04w29.9.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Lovrek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Renata H*****, vertreten durch Mag. Axel Bauer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Ing. Stefan H*****, vertreten durch Dr. Raimund Hora, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterhalt (Streitwert gemäß § 58 Abs 1 JN EUR 36.000,- -, gemäß § 9 RATG EUR 12.000,- -), über die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Berufungsgericht vom 20. April 2004, GZ 25 R 61/04d-29, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Schwechat vom 10. Dezember 2003, GZ 2 C 280/03z-23, infolge Berufung der Klägerin bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Streitteile, die sowohl österreichische als auch slowakische Staatsbürger sind, waren miteinander verheiratet. Ihre vor dem städtischen Nationalausschuss in Nitra (Slowakei) geschlossene Ehe wurde mit Urteil des Kreisgerichtes Nitra vom 10. 10. 2002, GZ 17 C 130/02-28, rechtskräftig geschieden. Mit Beschluss vom 15. 10. 2003, GZ 35 Nc 2/03b-3, hat das Bezirksgericht Döbling rechtskräftig ausgesprochen, dass dieses (keinen Verschuldensausspruch enthaltende) Scheidungsurteil in Österreich anerkannt werde.

Die Klägerin begehrt vom Beklagten monatlichen Unterhalt von EUR 1.000,- -. Ihre Ehe sei aus dem alleinigen Verschulden des Beklagten geschieden worden (gemeint: auf Grund der Gründe des Scheidungsurteiles sei vom alleinigen Verschulden des Beklagten auszugehen). Der - noch für die eheliche Tochter Erika unterhaltspflichtige - Beklagte beziehe ein Monatsnettoeinkommen von zumindest EUR 5.000,- -. Sie selbst beziehe nur ein Arbeitslosenentgelt von EUR 25,-- täglich. Der Beklagte leiste nur durch die Rückzahlung von zwei für eine Liegenschaft in H***** aufgenommene Kredite in Höhe von EUR 649,40 monatlich Naturalunterhalt. Im Hinblick auf die Einkommensverhältnisse der Parteien sei ein monatlicher Unterhaltsbeitrag von EUR 1.000,-- angemessen.

Der Beklagte beantragte Klagsabweisung. Er wendete im Wesentlichen ein, da das slowakische Ehescheidungsurteil keinen Verschuldensausspruch enthalte, sei von einem gleichteiligen Verschulden der Parteien an der Zerrüttung der Ehe auszugehen. Die Klägerin sei jahrelang als technische Zeichnerin berufstätig gewesen und habe die Arbeit kurz vor der Ehescheidung ohne gerechtfertigten Grund aufgegeben, sodass ihr schon deshalb kein Unterhaltsanspruch zustehe. Neben den in der Klage genannten Kreditrückzahlungen bezahle er auch noch Rückzahlungsraten für ein Landesdarlehen für das Haus in H***** von EUR 290,- -. Weiters habe er für die Wohnung der Klägerin in W***** in den Monaten Jänner und Februar 2002 die Kosten von jeweils EUR 415,18 bezahlt. Die Klägerin selbst habe im Zeitraum vom 1. 9. 2000 bis 21. 12. 2001 unter missbräuchlicher Verwendung der ihr von ihm zur Verfügung gestellten Bankomatkarte Beträge in Gesamthöhe von S 444.100,-- abgehoben. Daraus ergebe sich eine hiemit eingewendete Gegenforderung in Höhe von EUR 15.000,- -. Darüber hinaus sei die der Klägerin zur Hälfte gehörende Liegenschaft in H***** verkauft worden. Aus dem Verkaufserlös würden der Klägerin EUR 100.000,-- zufließen. Aus den Erträgnissen dieses Betrages könne sie ihren Unterhalt decken.

Die Klägerin erwiderte, nicht sie, sondern die Tochter der Streitteile Erika hätte vom Bankkonto des Beklagten rund S 254.700,-- abgehoben; dies sei nicht ihr zuzurechnen. Sie habe trotz intensiver Bemühungen keinen Arbeitsplatz finden können. Der Beklagte habe sich im Aufteilungsverfahren vor dem Bezirksgericht Leopoldstadt vergleichsweise verpflichtet, bis zum Verkauf des Hauses in H***** die Wohnungskosten für die vormals eheliche Wohnung in W*****, die nun von ihr, der Klägerin, allein bewohnt werde, zu bezahlen. Diese Zahlungen seien daher nicht auf den Unterhalt anzurechnen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte noch fest, dass der Kläger bei der Firma S***** AG beschäftigt sei und im Jahr 2003 ein monatliches Gehalt von EUR 4.984,04 zuzüglich Weihnachts- und Urlaubsgeld von EUR 5.864,71 sowie eine Gewinnbeteiligung für das Jahr 2002 von EUR 72.318,68 ausbezahlt erhalten habe. Da der Beklagte nach Tschechien entsandt sei, müsse er wesentliche Teile dieses Einkommens in Österreich nicht versteuern.

Die Klägerin habe von August 2001 bis November 2002 als "Call-Center-Leiterin" einer Versicherung im Rahmen einer Teilzeitanstellung zuletzt 8,5 Wochenstunden gearbeitet und dabei ca EUR 54,-- netto monatlich verdient. Seit Dezember 2002 sei sie arbeitslos und beim AMS als arbeitssuchend vorgemerkt. Der Klägerin wäre es bei intensiver persönlicher und breit angelegter Arbeitsplatzsuche möglich gewesen, einen Arbeitsplatz im Rahmen einer der nachfolgend angeführten Berufstätigkeiten bei Vollzeitbeschäftigung zu erlangen: allgemeine Telefonisten- und telefonische Kundendienst-Beschäftigungen in größeren Betrieben und Dienstleistungszentren unterschiedlicher Wirtschaftsbranchen sowie in Funkzentralen, angelernte Verkäuferin und Verkaufsberaterin, Beschäftigungen in Handelszentren, Groß- und Supermärkten, Arbeit als Heimhilfe und im Reinigungsdienst. In diesen Bereichen hätte die Klägerin ein monatliches Nettoeinkommen zwischen EUR 950,-- und EUR 1.030,- - erzielen können.

Die Eigentumswohnung in H***** stehe im Hälfteeigentum der Parteien. Der Beklagte habe im klagsgegenständlichen Zeitraum die Raten für die auf dieser Wohnung grundbücherlich sichergestellten Kredite in Höhe von EUR 649,40 monatlich sowie das Landesdarlehen für diese Wohnung in Höhe von EUR 290,-- jährlich alleine bezahlt. Weiters habe er die Miete für die Wohnung in Wien, die von der Klägerin bewohnt werde, von EUR 415,18 monatlich alleine bezahlt.

In einem am 10. 7. 2003 vor dem Bezirksgericht Leopoldstadt geschlossene Teilvergleich hätten die Parteien vereinbart, die Eigentumswohnung in H***** zu veräußern und den Nettoerlös im Verhältnis 1 : 1 aufzuteilen. Für den Fall des Verkaufes habe sich der Beklagte verpflichtet, die Nutzungsrechte an der bisherigen Ehewohnung in W***** inklusive Inventar entschädigungslos an die Klägerin zu übertragen und bis dahin die Miete alleine zu bezahlen. Die Klägerin beziehe seit Dezember 2002 Arbeitslosengeld von EUR 20,17 täglich.

Der Beklagte habe der Klägerin eine Bankomatkarte für sein Gehaltskonto zur Verfügung gestellt. Der ehelichen Tochter Erika sei der Code dieser Karte auf Grund einer Abhebung, die sie für die Klägerin vorgenommen habe, bekannt gewesen. Sie habe in der Zeit von Mai 2001 bis Dezember 2001 heimlich und ohne Wissen ihrer Eltern häufig diese Bankomatkarte an sich genommen und habe damit vom Konto des Beklagten insgesamt etwa S 254.000,- - abgehoben.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den von ihm festgestellten Sachverhalt dahin, da die Streitteile auch österreichische Staatsbürger seien, sei in Bezug auf die Unterhaltsfrage österreichisches Recht anzuwenden. Da das Scheidungsurteil des slowakischen Kreisgerichtes keinen Verschuldensausspruch enthalte, sei der Unterhaltsanspruch der Klägerin nach § 69 Abs 3 EheG zu beurteilen. Die Begründung des slowakischen Urteiles entfalte keine Bindungswirkung. Die Klägerin könnte durch eigene Berufstätigkeit zur Gänze ihren notwendigen Unterhalt bestreiten. Aus Billigkeitserwägungen stehe ihr daher kein Unterhaltsanspruch gegen den Beklagten zu, zumal dieser durch die Bezahlung der Kreditkosten und der Kosten der früheren Ehewohnung, die von der Klägerin bewohnt werde, erhebliche Leistungen an Naturalunterhalt erbringe. Die Gegenforderung aus der unberechtigten Verwendung der Bankomatkarte durch die Tochter Erika bestehe zu Recht. Die Klägerin sei auf Grund des besonderen Vertrauensverhältnisses, das ihr durch die Erteilung einer Verfügungsermächtigung über das Konto des Beklagten entgegengebracht worden sei, verpflichtet gewesen, jede missbräuchliche Verwendung der Bankomatkarte zu verhindern. Gegen diese Verpflichtung habe die Klägerin verstoßen.

Das von der Klägerin, die unrichtige rechtliche Beurteilung und unrichtige Sachverhaltsfeststellung infolge unrichtiger Beweiswürdigung geltend machte, angerufene Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil, wobei es aussprach, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Das Berufungsgericht stellte eingangs seiner Ausführungen in Form einer Darstellung des von ihm als unstrittig erachteten Sachverhalts fest, dass ein Verfahren zur Anerkennung des slowakischen Scheidungsurteiles in Österreich nicht abgeführt worden sei. Daran anknüpfend prüfte das Berufungsgericht, ob das ausländische Scheidungsurteil im Hinblick auf die Doppelstaatsbürgerschaft der Streitteile für den österreichischen Rechtsbereich überhaupt Gültigkeit habe, oder ob es einer Anerkennung bedürfe, um einem inländischen Urteil in der Rechtskraftwirkung gleichgestellt zu werden. Das Berufungsgericht gelangte im Hinblick darauf, dass das Urteil des Kreisgerichtes Nitra vom 10. 10. 2002 (noch) nicht Gegenstand eines Anerkennungsverfahrens eines österreichischen Gerichtes im außerstreitigen Verfahren gewesen sei, zur Ansicht, dass die Streitteile für den österreichischen Rechtsbereich nach wie vor in aufrechter Ehe lebten. Daraus folge, dass ein Anspruch auf Zuerkennung eines nachehelichen Unterhaltes, wie er von der Klägerin begehrt werde, nicht in Betracht komme. Um den Zuspruch eines solchen zu erreichen, werde zunächst die (rechtskräftige) Anerkennung des vom slowakischen Kreisgericht gefällten Ehescheidungsurteils erforderlich sein. Auch im Falle des Vorliegens eines im Inland rechtswirksam anerkannten Scheidungsurteiles ohne Verschuldensausspruch komme nur ein Billigkeitsunterhalt in analoger Anwendung des § 69 Abs 3 EheG in Betracht. Daher sei entgegen den Berufungsausführungen die Frage des Verschuldens des Beklagten an der Zerrüttung der Ehe nicht als Vorfrage zu prüfen. Es erübrige sich daher eine Befassung mit weiteren von der Berufung angesprochenen Fragen.

Gegen die Entscheidung der zweiten Instanz richtet sich die Revision der Klägerin, die Mangelhaftigkeit des Verfahrens und Aktenwidrigkeit sowie unrichtige rechtliche Beurteilung geltend macht und beantragt, das angefochtene Urteil in klagsstattgebendem Sinn abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragt in der Revisionsbeantwortung, dem Rechtsmittel der Klägerin keine Folge zu geben.

Die Revision ist zulässig und im Sinne der Rückverweisung an das Berufungsgericht auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Zu Recht wird von der Revisionswerberin eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens bzw eine Aktenwidrigkeit darin erblickt, dass das Gericht zweiter Instanz ohne jede Beweisgrundlage und entgegen dem (nunmehr beigeschlossenen) Akt des Bezirksgerichtes Döbling 35 Nc 2/03b davon ausgegangen ist, dass ein Verfahren zur Anerkennung des gegenständlichen slowakischen Scheidungsurteiles in Österreich nicht durchgeführt worden sei. Wie aus dem betreffenden Akt des genannten Bezirksgerichtes ersichtlich, hat dieses Gericht - noch vor Schluss des Verfahrens erster Instanz in der vorliegenden Causa - mit Beschluss vom 15. Oktober 2003, GZ 35 Nc 2/03b-3, der in Rechtskraft erwachsen ist, festgestellt, dass das slowakische Scheidungsurteil (in Österreich) anerkannt werde.

Damit erweist sich die rechtliche Folgerung des Berufungsgerichtes, die Streitteile seien "für den österreichischen Rechtsbereich" weiterhin als verheiratet zu betrachten, weshalb schon deshalb der begehrte Anspruch auf Zuerkennung eines nachehelichen Unterhaltes nicht in Betracht komme, als unrichtig: Wird doch durch die Anerkennung das ausländische Ehescheidungsurteil einem inländischen Urteil in der Rechtskraftwirkung gleichgestellt (RIS-Justiz RS0041332); die Anerkennung erstreckt also die verfahrensrechtlichen Wirkungen aus dem Recht des Erststaates auf jenes des die Entscheidung anerkennenden Zweitstaates (1 Ob 544/93, RIS-Justiz RS0041332 [T 1] eingehend H. Hoyer, Die Anerkennung ausländischer Eheentscheidungen in Österreich 76 ff).

Ausgehend demnach von der rechtskräftigen Scheidung der Ehe der Streitteile stellt sich die Rechtslage hinsichtlich der klagsgegenständlichen Forderung wie folgt dar: Wie schon das Erstgericht richtig erkannt hat, ist das Unterhaltsbegehren der Klägerin gemäß §§ 18 Abs 1, 20 Abs 1 IPRG nach österreichischem Recht zu beurteilen (vgl etwa 2 Ob 521/95, ÖA 1996, 25 mwN, ua). Zu beachten ist nun, dass die Streitteile nach slowakischem Recht ohne Ausspruch eines Verschuldens geschieden wurden, da das slowakische Recht einen Verschuldensausspruch nicht kennt (s Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Slowakische Republik 6 bzw Tschechische Republik 30 f). Anders als etwa in der Causa 6 Ob 586/85, SZ 59/124 war bzw ist im vorliegenden Fall auch kein österreichisches Scheidungsverfahren zwischen den Streitteilen anhängig, in dem ein Ausspruch nach § 61 Abs 3 EheG beantragt worden wäre. Für den - wie erläutert hier also gegebenen - Fall einer Scheidung nach ausländischem Recht, das nur eine Scheidung ohne Verschuldensausspruch kennt, und der Beurteilung des Unterhaltsanspruches nach österreichischem Recht, hat bereits das Berufungsgericht unter Hinweis auf die oberstgerichtlichen Entscheidungen SZ 69/146 = JBl 1997, 105 und 8 Ob 280/00k (= EvBl 2001/101 = EFSlg 93/880) zutreffend ausgeführt, dass dem bedürftigen Ehegatten (nur) analog § 69 Abs 3 EheG unter den dort beschriebenen Voraussetzungen ein Unterhaltsanspruch gegen den anderen Teil zustehen kann (RIS-Justiz RS0114475).

Unter diesem Blickwinkel ist die Rechtssache aber schon deshalb nicht zur Entscheidung reif, weil sich das Berufungsgericht mit der von der Klägerin erhobenen Beweisrüge (Berufung ON 24, S 8 ff) nicht auseinandergesetzt hat. Es fehlt damit noch an entsprechendem Tatsachensubstrat, um beurteilen zu können, ob und wenn ja in welcher Höhe unter dem Gesichtspunkt des § 69 Abs 3 EheG ein Unterhaltsanspruch der Klägerin besteht.

Das Berufungsgericht wird sich daher unter Abstandnahme vom gebrauchten Abweisungsgrund mit der Berufung der Klägerin auseinanderzusetzen und unter dem aufgezeigten Aspekt insbesondere zunächst die darin erhobene Beweisrüge zu behandeln haben.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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