OGH 1Ob544/93

OGH1Ob544/9325.5.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser, Dr. Angst Dr. Schiemer und Dr. Gerstenecker als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Vera L*****, vertreten durch Dr. Wilhelm Winkler, Dr. Gebhard Winkler-Heinzle und Dr. Julia Winkler, Rechtsanwälte in Bregenz, wider den Antragsgegner Claude Guy L*****, vertreten durch Dr. Alexander Matt, Rechtsanwalt in Bregenz, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch als Rekursgerichtes vom 5. Februar 1993, GZ 1a R 62/93-8, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Bregenz vom 22. Dezember 1992, GZ F 20/92-4, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben; dem Erstgericht wird die Fortsetzung des Verfahrens aufgetragen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Das Amtsgericht L***** schied die am 12.12.1980 vor dem Standesamt H***** geschlossene Ehe der Parteien gemäß § 55 EheG; dieses Urteil vom 14.4.1989 ist seit 27.6.1989 rechtskräftig.

Der Bundesminister für Justiz stellte über Begehren der Antragstellerin mit Bescheid vom 2.10.1991 gemäß § 24 Abs. 1 der 4.DVEheG fest, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anerkennung dieses Urteils gegeben seien.

Mit dem am 2.10.1992 überreichten Antrag begehrte die Antragstellerin die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse dahin, daß alle Rechte an der Ehewohnung an sie übertragen werden, und hilfsweise, daß dem Antragsgegner eine Ausgleichszahlung von mindestens S 500.000,-- an sie auferlegt werde.

Der Antragsgegner wendete unter anderem auch Verfristung im Sinne des § 95 EheG ein.

Das Erstgericht wies den Antrag ab, weil für die Berechnung der im § 95 EheG vorgesehenen Jahresfrist auch bei einem ausländischen Scheidungsurteil dessen Rechtskraft maßgeblich sei.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte diesen Beschluß und sprach aus, daß der Entscheidungsgegenstand S 50.000,-- übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es führte aus, der im Sinne des § 24 der 4.DVEheG bescheidmäßig vom Bundesminister für Justiz getroffenen Feststellung komme nur deklarative Bedeutung zu und bedeute zivilverfahrensrechtlich die Erstreckung der Entscheidungswirkungen auf den österreichischen Rechtsbereich. Durch die Anerkennung würden auch die statusrechtlichen Wirkungen eines im Ausland ergangenen Urteils für den österreichischen Rechtsbereich übernommen. Die mit der Rechtskraft eines solchen Urteils verbundenen Wirkungen träten für den österreichischen Rechtsbereich rückwirkend mit der Rechtskraft des Scheidungsurteils ein und nicht erst mit der Rechtskraft des Bescheids des Bundesministers für Justiz. Der Bescheid bewirke keine materielle Rechtsänderung. Ob und welche materiellrechtlichen Wirkungen eine solche Entscheidung hervorrufe, sei daher allein aus dem vom inländischen Kollisionsrecht für maßgeblich erklärten Sachrecht abzuleiten. Bei Beurteilung des Eintritts der formellen Rechtskraft sei auf das Verfahrensrecht des Erststaates (lex fori) abzustellen. Die bescheidmäßig erfolgte Anerkennung dürfe nicht als „Rechtskraftverleihung“ verstanden werden, sondern bedeute vielmehr allein, daß die Entscheidung in ihren prozeßrechtlichen Wirkungen einer im Inland ergangenen Entscheidung gleichgestellt sei. Die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens sei als Scheidungsfolge gemäß § 20 IPRG nach den für die persönlichen Rechtswirkungen der Ehe maßgebenden Recht (§ 18 IPRG) im Zeitpunkt der Scheidung zu beurteilen. Die Parteien hätten im vorliegenden Fall nie ein gemeinsames Personalstatut gehabt. Die Antragstellerin sei stets deutsche Staatsangehörige, der Antragsgegner französischer Staatsangehöriger gewesen. Da der gewöhnliche Aufenthalt beider Parteien zuletzt Österreich gewesen und dieser vom Antragsgegner beibehalten worden sei, komme gemäß § 18 Abs. 1 Z 2, 2. Fall, IPRG für die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens als Scheidungsfolge inländisches Sachrecht (§§ 81 ff EheG) zur Anwendung. Die Mißachtung der im § 95 EheG vorgesehenen Fallfrist führe zum Anspruchsverlust. Bei der Berechnung dieser Jahresfrist sei aus den angestellten Erwägungen nicht auf die Zustellung des Bescheids des Bundesministers für Justiz, sondern auf den Eintritt der formellen Rechtskraft des unter Heranziehung österreichischen Sachrechts im Ausland ergangenen Scheidungsurteils abzustellen. Das Scheidungsurteil sei seit 27.6.1989 rechtskräftig. Damit sei die Jahresfrist bei Überreichung des Antrags am 2.10.1992 längst abgelaufen gewesen.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen von der Antragstellerin erhobene Revisionsrekurs ist berechtigt.

Da der Antragsgegner seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Bregenz hat, haben die Vorinstanzen die inländische Gerichtsbarkeit und die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts zutreffend bejaht (§ 114a Abs. 1 und 4 JN; vgl. SZ 63/135).

Die Parteien waren nach der Aktenlage nie österreichische Staatsbürger: Die Antragstellerin war und ist deutsche Staatsangehörige, der Antragsgegner Angehöriger der französischen Republik. Zu Recht hat das Rekursgericht die nacheheliche Vermögensaufteilung - namentlich die Zuweisung der Ehewohnung - der Kollisionsnorm des § 20 IPRG unterstellt (Schwind, IPR, Rz 253; Schwimann in Rummel, ABGB2 § 20 IPRG Rz 1a; vgl. SZ 63/135), nach der die Wirkungen der Scheidung einer Ehe nach dem für die persönlichen Rechtswirkungen der Ehe maßgebenden Recht im Zeitpunkt der Ehescheidung zu beurteilen sind. Mangels gemeinsamen oder wenigstens früher gemeinsamen Personalstatuts der Parteien sind die persönlichen Rechtswirkungen ihrer Ehe gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 IPRG nach dem Recht des Staats zu beurteilen, in dem beide Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, mangels eines solchen nach dem Recht des Staates, in dem beide ihren letzten gewöhnlichen Aufenthalt gehabt haben, sofern ihn einer von ihnen beibehalten hat. Da der letzte gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt der Parteien Österreich war und ihn der Antragsgegner bis jetzt beibehalten hat, haben die Vorinstanzen bei der Beurteilung des Aufteilungsbegehrens der Antragstellerin zutreffend an österreichisches Recht angeknüpft, sodaß dessen Berechtigung an den Bestimmungen der §§ 81 ff EheG zu messen ist. Das wird von der Rechtsmittelwerberin auch nicht in Abrede gestellt. Im Rechtsmittelverfahren ist somit allein die Frage zu lösen, ob die im § 95 EheG vorgesehene einjährige Antragsfrist - eine materiellrechtliche Fallfrist, deren Nichtbeachtung zum Anspruchsverlust führt (SZ 60/116 ua; Pichler in Rummel aaO § 95 Rz 1; Schwind, EheR2, 339) - , schon mit dem Eintritt der formellen Rechtskraft des im Ausland gefällten Scheidungsurteils in Gang gesetzt wurde (für inländische Eheentscheidungen SZ 60/116; SZ 55/34; EvBl. 1981/211 ua) oder erst ab der (formellen) Rechtskraft des Bescheides des Bundesministers für Justiz zu laufen begann, mit dem gemäß § 24 Abs. 1 der 4.DVEheG festgestellt wurde, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anerkennung der Scheidungsentscheidung gegeben sind. Da das Urteil des Amtsgerichtes L***** vom 14.4.1989 am 27.6.1989 in - stets nach der lex fori, also dem Verfahrensrecht des Erststaats (dem Staat des in der Sache entscheidenden Gerichts) zu beurteilende (H. Hoyer in JBl. 1982, 634, 638) - formelle Rechtskraft erwuchs, der Bescheid des Bundesministers für Justiz aber erst am 2.10.1991 erlassen wurde, wäre das Antragsrecht der Antragstellerin nach der konkreten Fallgestaltung bei Erlassung des Bescheids gemäß § 95 EheG längst erloschen gewesen, würde man der Rechtsansicht der Vorinstanzen beitreten, daß auch bei ausländischen Entscheidungen deren formelle Rechtskraft (im Sinne deren Unanfechtbarkeit) als Fristbeginn anzusehen sei. Den (früheren) Eheleuten wäre aber die Antragstellung im Sinne der §§ 81 ff EheG verwehrt geblieben, solange der vom Bundesminister für Justiz zu erlassende Anerkennungsbescheid noch nicht (im stattgebendem Sinn) erlassen und zugestellt war, weil die Antragstellung im nachehelichen Aufteilungsverfahren zwar eine formell rechtskräftige Scheidungsentscheidung voraussetzt, eine im Ausland gefällte Eheentscheidung aber in Österreich wirkungslos ist, solange sie hier nicht anerkannt ist (Schwind, EheR2 179; derselbe, IPR Rz 272).

Die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung bewirkt die Gleichstellung mit einer inländischen Entscheidung gleicher Art in prozeßrechtlicher Hinsicht (6 Ob 7/75 ua; Köhler in ÖJZ 1952, 39, 40; Matscher in Schiemer -FS (1969), 276 f), sie erstreckt somit die verfahrensrechtlichen Wirkungen (also die Rechtskraftwirkung und - soweit dies in Betracht kommt - die Vollstreckbarkeit) aus dem Recht des Erststaates auf jenes des die Entscheidung anerkennenden Zweitstaats (H. Hoyer aaO 641 f). Wenn auch die formelle Rechtskraft stets nach dem Prozeßrecht des Erststaates zu prüfen ist, so entfaltet die ausländische Entscheidung daher jene Wirkungen, die das inländische Sachrecht an die Rechtskraft und somit auch - wie § 95 EheG den Beginn der Antragsfrist - an die formelle Rechtskraft knüpft, erst mit der Rechtskraft des Anerkennungsbescheids. Die an die formelle Rechtskraft der ausländischen Eheentscheidung geknüpften Rechtswirkungen treten daher erst ein, wenn der (stattgebende) Bescheid des Bundesministers für Justiz zugestellt wurde; erst in diesem Zeitpunkt wird die Antragsfrist daher gemäß § 95 EheG in Gang gesetzt (Pichler aaO § 95 EheG Rz 2). Daß neben der verfahrensrechtlichen Anerkennung ausländischer Entscheidungen auch eine solche aufgrund des vom inländischen Kollisionsrecht für maßgeblich erklärten (fremden) materiellen Rechts (lex causae) besteht (vgl. H. Hoyer aaO 642 f mit instruktiven Beispielen), kann somit am Ergebnis der vorher angestellten Erwägungen über den Eintritt der verfahrensrechtlichen Wirkungen der ausländischen Entscheidung erst infolge Anerkennung durch das hiezu berufene inländische Organ - wie schon erörtert - nichts ändern, ganz abgesehen davon, daß nach den österreichischen Kollisionsnormen trotz der Auslandsberührung des Sachverhalts österreichisches Sachrecht anzuwenden ist. Der von den Vorinstanzen eingenommene Rechtsstandpunkt käme im übrigen in Fällen wie der konkreten Fallgestaltung - wie schon weiter oben dargelegt wurde - auch einer Rechtsverweigerung gleich.

Da der Bescheid des Bundesministers für Justiz erst mit 2.10.1991 datiert ist, wurde der am 2.10.1992 überreichte Antrag auf Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse im Sinne des § 95 EheG fristwahrend gestellt; die Vorinstanzen haben daher zu Unrecht Verfristung angenommen. Dem Erstgericht ist somit in Stattgebung des Revisionsrekurses der Antragstellerin die Fortsetzung des nachehelichen Aufteilungsverfahrens ungeachtet des Zeitpunkts der Antragstellung aufzutragen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 234 AußStrG (vgl. JBl. 1980, 538).

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