OGH 1Ob2131/96f

OGH1Ob2131/96f25.6.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Stefanie G*****, vertreten durch ihren Sachwalter Dr.Romuald Artmann, Rechtsanwalt in Klosterneuburg, wider die beklagte Partei und Gegner der gefährdeten Partei Gerhard G*****, vertreten durch Dr.Heinz-Eckard Lackner, Rechtsanwalt in Wien, wegen einstweiligen Unterhalts infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei und Gegner der gefährdeten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichts vom 6.März 1996, GZ 45 R 194/96-17, womit der Beschluß des Bezirksgerichts Klosterneuburg vom 12.Jänner 1996, GZ 3 C 467/95-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei und Gegner der gefährdeten Partei hat die Kosten des Revisionsrekursverfahrens selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Ehe der Streitteile wurde mit Beschluß vom 19.Februar 1991 gemäß § 55 a EheG geschieden. Mit dem Scheidungsfolgenvergleich vom selben Tag verpflichtete sich der Beklagte und Gegner der gefährdeten Partei (in der Folge nur Beklagter) unter anderem, der Klägerin und gefährdeten Partei (im folgenden stets Klägerin) für die Dauer eines Jahres ab der Räumung der Ehewohnung einen monatlichen Unterhalt von S 7.000,-- zu bezahlen. Darüber hinaus verzichteten die Eheleute wechselseitig auf jedweden Unterhalt, auch für den Fall geänderter Verhältnisse, geänderter Rechtslage oder unverschuldeter Not.

Die Klägerin begehrte die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung eines monatlichen Unterhalts von S 15.000,-- ab 1.November 1992 und verband mit der Klage den Antrag auf Bestimmung eines einstweiligen Unterhalts von monatlich S 10.000,-- ab 1.November 1995 für die Dauer des Rechtsstreits. Sie brachte vor, sie sei bei Abschluß des Scheidungsfolgenvergleichs nicht geschäftsfähig gewesen, weshalb sie den Vergleich „angefochten“ habe. In diesem Rechtsstreit sei ein ärztliches Gutachten eingeholt worden, demzufolge sie der Geschäftsfähigkeit bei Vertragsabschluß ermangelt habe. Dieser Rechtsstreit sei noch nicht beendet. Die Klägerin beziehe lediglich Notstandshilfe im Betrag von täglich S 166,80, wogegen der Beklagte über ein monatliches Nettoeinkommen von etwa S 40.000,-- verfüge.

Der Beklagte wendete ein, die Klägerin sei bei der Unterhaltsvereinbarung geschäftsfähig gewesen; sie halte es nur nicht für notwendig, einer Beschäftigung nachzugehen, weil ihr ein Unterhaltsanspruch gegen ihn zustünde.

Das Erstgericht verpflichtete den Beklagten zur Leistung eines einstweiligen monatlichen Unterhalts von S 10.000,-- ab 1.Dezember 1995 für die Dauer des Rechtsstreits und wies das Mehrbegehren für November 1995 ab.

Es nahm als bescheinigt an, die Klägerin sei aufgrund eines Psychosyndroms bei Abschluß des Scheidungsfolgenvergleichs nicht geschäftsfähig gewesen. Sie beziehe die Notstandshilfe im monatlichen Betrag von S 5.004,- -; der Beklagte erziele dagegen ein monatliches Nettoeinkommen von etwa S 48.000,- -. Der von der Klägerin angestrengte Rechtsstreit, in dem sie die Feststellung der Rechtsunwirksamkeit des Scheidungsfolgenvergleichs begehrte, sei noch nicht beendet.

Rechtlich meinte das Erstgericht, bescheinigt sei, daß die Klägerin bei Abschluß des Scheidungsfolgenvergleichs nicht geschäftsfähig war; der von ihr erklärte Unterhaltsverzicht sei daher rechtsunwirksam. In analoger Anwendung des § 69 Abs 3 EheG stünde ihr ein Unterhalt nach Billigkeit zu. Da der Beklagte in überdurchschnittlich guten Verhältnissen lebe, während sie sich offensichtlich in einer Notlage befinde, sei ihr einstweiliger Unterhalt zu gewähren.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es führte aus, die Klägerin habe bescheinigt, daß sie bei Vergleichsabschluß geschäftsunfähig war; gegen die Höhe des festgelegten Unterhalts bestünden angesichts der unterschiedlichen Einkommensverhältnisse der Parteien keine Bedenken. Die Rechtsansicht des Erstgerichts, bei Rechtsunwirksamkeit einer Unterhaltsvereinbarung gemäß § 55 a Abs 2 EheG könne in analoger Anwendung des § 69 Abs 3 EheG Unterhalt zuerkannt werden, sei zu billigen.

Der Revisionsrekurs des Beklagten ist zwar zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Vorinstanzen haben als bescheinigt angenommen, daß die Klägerin bei Abschluß des Scheidungsfolgenvergleichs nicht geschäftsfähig gewesen sei. Angesichts deren völlig unterschiedlichen Einkommen gebühre ihr - da § 69 Abs 3 EheG bei Rechtsunwirksamkeit einer nach § 55 a EheG getroffenen Unterhaltsvereinbarung analog anzuwenden sei - die im Sicherungsverfahren zugesprochene Unterhaltsleistung. Letzteres bezweifelt der Beklagte in seinem Revisionsrekurs auch gar nicht, er wendet sich vielmehr lediglich gegen die Rechtsansicht der Vorinstanzen, bei Rechtsunwirksamkeit des Scheidungsfolgenvergleichs sei § 69 Abs 3 EheG analog anwendbar. Der Auffassung des Beklagten kann im Ergebnis nicht beigepflichtet werden:

Der Oberste Gerichtshof mußte sich bereits mehrfach mit der Frage, ob einem Ehegatten bei Rechtsunwirksamkeit einer nach § 55a Abs 2 EheG getroffenen Unterhaltsvereinbarung, die auch in der Erklärung eines Ehegatten, auf den Unterhalt zu verzichten, bestehen kann (4 Ob 522/88 = EFSlg 57.179), in Analogie zu § 69 Abs 3 EheG Unterhalt nach Billigkeit zuerkannt werden könne, befassen. Die Entscheidungen divergieren allerdings:

Der erkennende Senat vertrat in seiner Entscheidung vom 20.März 1985 (1 Ob 532/85 = SZ 58/43 = JBl 1986, 777 = RZ 1986/19 = EFSlg 48.882) die Ansicht, bei Wegfall der nach § 55 a Abs 2 getroffenen Unterhaltsvereinbarung stehe kein nach § 69 Abs 3 EheG zu beurteilender Unterhaltsanspruch zu. Ein solcher Anspruch setze nicht nur ein Scheidungsurteil voraus, sondern es sei vor allem auch nur der Ehegatte, der die Scheidung verlangte, verpflichtet, dem anderen Unterhalt unter den weiteren dort genannten Voraussetzungen zu leisten. Eine solche Unterhaltspflicht setze demnach eine Scheidung nach den §§ 50 bis 52 oder nach § 55 EheG voraus. Eine Scheidung im Einvernehmen gemäß § 55 a Abs 1 EheG könne nur über gemeinsames Begehren der Ehegatten ausgesprochen werden. Da das Verlangen der Scheidung im Sinne des § 69 Abs 3 EheG als verfahrensrechtlicher Schritt zu verstehen sei, sei eine aus dieser Gesetzesbestimmung abgeleitete Unterhaltsverpflichtung bei einer Scheidung im Einvernehmen ausgeschlossen.

Demgegenüber war der fünfte Senat in seinem Urteil vom 26.November 1985 (5 Ob 604/84 = SZ 58/192 = JBl 1986, 778 = EFSlg 48.883) der Auffassung, es fehle an einer gesetzlichen Regelung des Problems, der Gesetzgeber habe diesen Fall ganz offenkundig nicht bedacht. Mit der Auflösung des Ehebands seien nicht alle Rechtswirkungen der Ehe beendet, vor allem die mit der Eheschließung eingegangene gegenseitige Beistandspflicht dauere bis zum Lebensende fort. Demnach ergebe sich die Notwendigkeit, im Falle der Rechtsunwirksamkeit einer nach § 55 a EheG getroffenen Unterhaltsvereinbarung, die auch in einem Verzicht bestehen könne, eine gesetzliche Regelungslücke anzuerkennen, die infolge ihrer Planwidrigkeit im Wege der Analogie geschlossen werden müsse. Dabei sei der zunächst verwandte Tatbestand des § 69 Abs 3 EheG heranzuziehen. Es sei „völlig herrschende Ansicht“, daß - entgegen dem Wortlaut des Gesetzes, daß nur dem Beklagten ein Unterhaltsanspruch gegen den Ehegatten, der die Scheidung begehrte, zustehe - auch bei Klage und Widerklage in sinnvoller Weise jenem Ehegatten ein Unterhaltsanspruch nach § 69 Abs 3 EheG zuzuerkennen sei, bei dem die entsprechenden Billigkeitsvoraussetzungen vorhanden seien. Eine einvernehmliche Scheidung nach § 55 a EheG sei aber nicht anders zu werten als eine Scheidung aufgrund von Klage und Widerklage im Sinne des § 55 Abs 3 EheG.

Der dritte und der vierte Senat ließen die Streitfrage, ob bei Unwirksamkeit eines anläßlich der einvernehmlichen Scheidung geschlossenen Unterhaltsvergleichs ein Unterhaltsanspruch nach § 69 Abs 3 EheG zustehe, ausdrücklich unbeantwortet (4 Ob 522/88 [insoweit nicht veröffentlicht] und 3 Ob 69/91 = EFSlg 66.488).

Der sechste Senat schloß sich dagegen der vom ersten Senat vertretenen Auffassung „aus den dort genannten Gründen“ - ohne eigenständige weitere Begründung - an (6 Ob 568, 569/94 = EFSlg XXXI/3).

Der neunte Senat wies eine außerordentliche Revision mit der Begründung zurück (9 Ob 1504/95 = EvBl 1995/110), bei Wegfall einer nach § 55 a Abs 2 EheG geschlossenen Unterhaltsvereinbarung (etwa auch durch Verzicht) stehe dem Unterhaltsberechtigten in analoger Anwendung des § 69 Abs 3 EheG ein Unterhaltsanspruch nach Billigkeit zu; er berief sich dazu auf die Entscheidung SZ 58/192, auf Pichler (in Rummel, ABGB2, § 69 a EheG Rz 3) und auf den Aufsatz Hoyers (in JBl 1986, 772). Die weiteren dort angeführten Zitate tragen diesen Standpunkt nicht: In 3 Ob 550/90 wird unter Zitierung der divergenten Rechtsprechung lediglich bemerkt, fiele der Vergleich weg, müßte das „wieder die Rückkehr zur gesetzlichen Regelung bedeuten“; die übrigen - teils von Zweitgerichten stammenden - Entscheidungen nehmen zu dieser Frage nicht Stellung.

Im Schrifttum wird - soweit überblickbar - ein- hellig die Auffassung vertreten, bei Unwirksamkeit einer nach § 55 a Abs 2 EheG getroffenen Unterhaltsvereinbarung sei § 69 Abs 3 EheG analog anzuwenden:

Hoyer kritisiert in seinem Aufsatz (aaO) die Entscheidung JBl 1986, 777 - nicht ohne polemische Angriffe - und billigt die Entscheidung JBl 1986, 778, ohne deren Argumente zu ergänzen: Die vorgefundene Regelungslücke erweise sich als planwidrige Unvollständigkeit, die im Wege der Analogie zu schließen sei. Der nächstverwandte Tatbestand sei heranzuziehen, die mit ihm verbundenen Rechtsfolgen seien dahin zu prüfen, ob sie auch auf den nicht geregelten Falltyp im Sinne der erhobenen Grundwertungen sinnvoll erstreckt werden können. Als erste (und einzige) Norm falle in diesem Zusammenhang § 69 Abs 3 EheG ins Auge. Sie sei ihrem Sinn nach heranzuziehen. Lehre und Rechtsprechung wendeten diese Norm auch auf die Scheidung der Ehe über Klage und Widerklage an, sofern das Urteil keinen Verschuldensausspruch enthalte. Die Rechtsfolgen könnten aber bei einer Scheidung gemäß § 55a EheG keine anderen sein.

Auch Verschraegen (Die einverständliche Scheidung in rechtsvergleichender Sicht, 565 ff) wendet sich gegen die Rechtsansicht in JBl 1986, 777: Das Scheidungsurteil sei als Entscheidung über die Auflösung der Ehe zu verstehen, deren Gestaltungswirkung sich von der des Scheidungsbeschlusses nicht abhebe. Den Unterhaltsanspruch auf die Beklagtenrolle einzuengen, sei mehr als fragwürdig. Die Berufung auf die vom Gesetz intendierte Beschränkung auf den geregelten Fall, die eine solche Analogie verbiete, sei schon deshalb verfehlt, weil § 69 Abs 3 EheG „heute ohne Diskussion“ für Urteile über Klage und Widerklage gelte. Gegen die Gesetzesanalagogie bestünden keine Einwände sachstruktureller Art. Selbst mangels einer Norm, mit deren Anwendung die Rechtsschutzlücke im Wege der Analogie geschlossen werden könne, wäre kein anderes Ergebnis denkbar. Der Rechtsanwender stoße auf eine echte Lücke im Sinne einer ungewollten planwidrigen Unvollständigkeit des positiven Rechts. Werde die Gesetzesanalogie zu § 69 Abs 3 EheG abgelehnt, dann müßte die Rechtsanalogie zu dem der Abwicklung der Scheidungsfolgen wesenseigenen Billigkeitsgrundsatz bejaht werden.

Nach Ent/Hopf (Das neue Eherecht, 90) läßt sich die Anwendung des § 69 Abs 3 EheG trotz der Verwendung des Ausdrucks „Urteil“ auch auf die Scheidung im Einvernehmen mit § 55a EheG rechtfertigen, soweit nicht aufgrund einer Vereinbarung der Ehegatten über ihre wechselseitigen Unterhaltsansprüche ein Ausschluß dieser Bestimmung anzunehmen sei. In einem solchen Fall sei, da die einvernehmliche Scheidung von beiden Ehegatten gemeinsam begehrt werden müsse, in abstracto jeder Ehegatte forderungsberechtigt.

Feil/Holeschofsky (Unterhalt und Vermögensrecht nach der Scheidung2, 48) halten ihre in der ersten Auflage vertretene, auf die Entscheidung JBl 1986, 777, gestützte Rechtsansicht „nicht länger aufrecht“, weil der Oberste Gerichtshof in SZ 58/192 unter Zustimmung der Lehre die Zulässigkeit der Analogie „überzeugend“ dargetan habe.

Während Zankl (in Schwimann, ABGB, § 69 EheG Rz 20) den Meinungsstand bloß referiert, bejahen Pichler (aaO), Koziol/Welser (Grundriß II10 232) und Schwimann (Unterhaltsrecht, 138) die Analogiefähigkeit des § 69 Abs EheG bei rechtsunwirksamer Unterhaltsvereinbarung gemäß § 55 a Abs 2 EheG ohne eigenständige Begründung und - außer Pichler - ohne Hinweis auf die divergente Rechtsprechung.

Bei neuerlicher Prüfung aller für und gegen die analoge Anwendbarkeit des § 69 Abs 3 EheG bei von vornherein rechtsunwirksamer oder rechtsunwirksam gewordener Unterhaltsvereinbarung im Sinne des § 55 a Abs 2 EheG ins Treffen geführten Argumente vermag der erkennende Senat seine der Entscheidung JBl 1986, 777, zugrunde gelegte Auffassung nicht weiter aufrechtzuerhalten:

Ganz augenscheinlich hat der Gesetzgeber des Eherechtsänderungsgesetzes (BGBl 1978/280), mit dem - unter anderem - die Scheidung im Einvernehmen eingeführt und diese an den Abschluß einer schriftlichen Vereinbarung über Obsorge, Besuchsrecht sowie Unterhalt an die gemeinsamen Kinder und im Verhältnis zueinander gebunden wurde (§ 55 a Abs 1 und 2 EheG), die sich für den Fall, daß die Unterhaltsvereinbarung unwirksam ist oder nachträglich unwirksam wird, aufdrängende Frage, ob dann dem bedürftigen Teil gegen den anderen ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch zustehen kann, nicht bedacht. Das ist abgesehen davon, daß den Materialien dazu nichts entnommen werden kann, nicht zuletzt auch daraus zu schließen, daß zwar der Unterhaltsanspruch des beklagten Ehegatten bei einer Scheidung nach (dem neu gestalteten) § 55 EheG in § 69 Abs 2 EheG (neu) eine eingehende Regelung erfuhr, daß aber die Anwendbarkeit des § 69 Abs 2 EheG (alt), dessen Regelungsinhalt der nacheheliche Unterhalt bei Scheidung ohne Schuldausspruch war, nicht auch auf diese Fälle erstreckt wurde, sondern diese Bestimmung lediglich eine neue Absatzbezeichnung (Abs 3) erhielt; auch in dem durch Art II Z 11 EheRÄG eingefügten § 69 a EheG, der den nach § 55 a Abs 2 EheG geschuldeten Unterhalt bis zu dem dort genannten Ausmaß dem gesetzlichen Unterhalt gleichstellt, wird auf die Frage der Unwirksamkeit einer solchen Vereinbarung nicht Bezug genommen. Bezeichnenderweise reden auch Ent/Hopf (aaO; Ent auch in NZ 1979, 149, 150), die bei der Gesetzwerdung mitarbeiteten (vgl Vorwort S. VII in MSA 50), der - analogen (sc. „Auffangnetz“ - NZ 1979, 150) - Anwendung des § 69 Abs 3 EheG das Wort, obwohl sie erkennen, daß der Wortlaut der Bestimmung dieses Ergebnis für sich allein nicht tragen könnte.

Da dem Gesetzgeber, der auch sonst - und gerade auch bei der Scheidung nach § 55 EheG (§ 69 Abs 2 EheG) - den nach der Scheidung weiterer Unterhaltsleistungen bedürftigen Ehegatten schützt, nicht unterstellt werden kann, daß er es mit dem Wegfall der Unterhaltsvereinbarung bzw eines Unterhaltsverzichts, zu dem sich der Ehegatte nur etwa infolge seiner Geschäftsunfähigkeit oder eines Willensmangels bestimmen ließ, bewenden lassen wollte, kann dieses Regelungsdefizit - angesichts der sonst allgemein anerkannten nachehelichen Beistandspflicht (SZ 58/192) - nur als (echte) Gesetzeslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des positiven Rechts gedeutet werden, die im Wege der Analogie zu schließen ist (SZ 60/128 ua; Bydlinski in Rummel aaO § 7 Rz 2 und 3; Koziol/Welser, aaO I10 24).

Als für die zunächst in Betracht zu ziehende Gesetzesanalogie geeignete Norm bietet sich aber - wie Hoyer zutreffend bemerkt - jener Tatbestand des § 69 Abs 3 EheG an, der dem bedürftigen Ehegatten unter den dort umschriebenen Voraussetzungen trotz fehlenden Verschuldensausspruchs einen Unterhaltsanspruch gegen den anderen Teil zubilligt. Gerade die diesem zugrundeliegenden Wertungen - die Fortdauer der Beistandspflicht auch nach der Scheidung gegenüber dem bedürftigen Ehegatten, obwohl der sonst dazu erforderliche Verschuldensausspruch fehlt, an dessen Stelle aber Billigkeitserwägungen treten, - treffen auch auf jenen bedürftigen Ehegatten zu, der sich zum gemeinsamen Scheidungsantrag nur bereit fand, weil ihm der Unterhalt vom anderen Teil mit einer zur Antragstellung unerläßlichen, aber rechtsunwirksamen Vereinbarung zugesichert oder weil er zum Unterhaltsverzicht oder zu einer sonstigen für ihn nachteiligen Unterhaltsvereinbarung bloß infolge eines beachtlichen Willensmangels oder aus einem anderen zur Anfechtung berechtigenden Umstand bestimmt worden war. Die Unterschiede in den zu vergleichenden Sachverhalten - anstelle eines Scheidungsurteils der im Verfahren außer Streitsachen zu erlassende Beschluß sowie die bei der Scheidung im Einvernehmen nicht in Betracht kommende Einschränkung auf die Unterhaltspflicht des Teils, der die Scheidung verlangt hat, gegenüber dem anderen Teil - treten entgegen der vom erkennenden Senat in JBl 1986, 777, vertretenen Auffassung derart zurück, daß sie der analogen Anwendung des § 69 Abs 3 EheG auf Fälle wie den vorliegenden nicht im Wege stehen (vgl dazu auch Bydlinski aaO Rz 3). Zutreffend bemerkt Verschraegen (aaO 568), daß sich das Scheidungsurteil als Entscheidung über die Auflösung der Ehe in seiner Gestaltungswirkung vom Scheidungsbeschluß nicht abhebt. Aber auch der Einschränkung des Unterhaltsanspruchs auf den Scheidungsbeklagten kann nach den erkennbaren rechtlichen Wertmaßstäben keine solche Bedeutung beigemessen werden, daß dadurch die Analogie verwehrt bliebe. Dazu kann zwar - so aber SZ 58/192 (und Hoyer) - nicht unmittelbar die Rechtsprechung (EvBl 1955/169; ebenso Schwind, EheG2, 283; Ehrenzweig/Schwind, Familienrecht3, 128, Pichler in Rummel, ABGB1 § 69 EheG Rz 2), die § 69 Abs 3 (= § 69 Abs 2 alt) EheG auch auf die Scheidung über Klage und Widerklage anwendet, sofern das Urteil keinen Verschuldensausspruch enthält, ins Treffen geführt werden, weil deren Argumentation zufolge die Scheidung eben über ein durch Klage geltend gemachtes Verlangen eines jeden Teils gegen den anderen ausgesprochen wurde, nur deshalb beide Ehegatten eine gegenseitige Alimentationspflicht im Rahmen der Billigkeit trifft und sich dieser Fall somit zwanglos auch dem Wortlaut des § 69 Abs 3 EheG unterstellen läßt (vgl dazu auch die damit übereinstimmende Lehre und Rechtsprechung zum wortlautgleichen § 61 Abs 3 des deutschen Ehegesetzes 1946 - OLG Düsseldorf in FamRZ 1978, 597; Kindermann in Göppinger/Wax, Unterhaltsrecht6 (1994) Rz 1356; Hoffmann/Stephan, EheG2 (1968) § 61 Rz 14), doch erschiene es unangemessen, den bedürftigen Ehegatten, der sich angesichts des Scheidungsfolgenvergleichs zur einvernehmlichen Scheidung bereitfand, schlechter zu stellen als den bedürftigen Ehegatten bei Scheidung über Klage und Widerklage, wenn sich die Unterhaltsvereinbarung als rechtsunwirksam herausstellt oder wenn er genötigt ist, die Vereinbarung wegen Willensmängeln oder aus anderen gleich gewichtigen Gründen anzufechten. Der bedürftige Ehegatte ist deshalb - entgegen der früher vertretenen Auffassung des erkennenden Senats - bei rechtsunwirksamem oder rechtsunwirksam gewordenem Unterhaltsvergleich nicht auf Schadenersatzansprüche zu verweisen, die er gerade in Fällen, wie den vorliegenden, kaum mit Erfolg durchsetzen könnte, sondern es ist ihm in Analogie zu § 69 Abs 3 EheG ein Unterhaltsanspruch unter den dort bezeichneten Voraussetzungen zuzubilligen.

Sind aber die Grundsätze des § 69 Abs 3 EheG auf den von den Vorinstanzen als bescheinigt angenommenen Sachverhalt analog anzuwenden, so daß die Klägerin bei Zutreffen der Billigkeit (auch einstweiligen) Unterhalt in Anspruch nehmen kann, so erweist sich die angefochtene Entscheidung als richtig, weil bei Bedachtnahme auf die kraß unterschiedlichen Einkommensverhältnisse der Klägerin ein Unterhalt auch in dieser Höhe zuzubilligen ist; Ausführungen gegen die Billigkeitserwägungen der Vorinstanzen enthält der Revisionsrekurs - wie erwähnt - nicht.

Dem Rechtsmittel ist deshalb ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40 und 50 ZPO.

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